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Examensvorbereitung NT – Das synoptische Problem
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Das synoptische Problem
Quelle:
1. Forschungsgeschichte
1.1 Frühe Hypothesen:
• Die Urevangeliumshypothese (Lessing; 18. Jh.)
Grundgedanke: alle 3 Evv sind aus einem, ursprünglich hebräischen oder aramäischen,
Urevangelium entstanden, das das ganze Leben Jesu umfasst habe.
• Die Traditionshypothese (Herder, 18.Jh.)
Mündliches Urevangelium als Grundlage.
• Benutzungshypothese (um 1800)
Synoptiker sind literarisch voneinander abhängig; Zahn/Schlatter: Mt-Priorität. Lachmann:
Mk-Priorität – und Annahme einer Sammlung von Jesusworten, die Mt zusätzlich benutzt
habe.
1.2 Zweiquellentheorie
Mitte 19. Jh. von Wilke und v.a. Weisse begründet. Vier Essentials:
• Mk ist das älteste Evangelium, das Mt und Lk als Quelle diente (Markuspriorität):
◦ Perikopenreihenfolge: Mt folgt ab 12,1 der mk Perikopenanordnung, sofern er den
Markusstoff übernimmt. Nur vorher in 8f. (Zusammenstellung von 10
Wundergeschichten) nimmt er regelrechte Perikopenumstellungen vor. Auch Lk stellt
nur einige Perikopen und Einzellogien v.a. im ersten Teil seines Ev um. Die größer
erscheinenden Abweichungen erklären sich durch Lücken (er übernimmt weniger MkPerikopen) und das umfangreiche Sondergut
◦ Stilistische, sprachliche und sachliche Verbesserungen des einfachen Griechisch des Mk
(v.a. durch Lk).
◦ Stoffquantum: Nur drei Perikopen (Mk 4; 7; 8) und einige Logien des Mk erscheinen
weder bei Mt noch bei Lk. Von ca. 11000 Wörtern des Mk finden sich bei Mt ca. 9000
und bei Lk ca. 7000.
◦ Wortlaut: Unterschiede lassen sich als Veränderungen des Mk-Originals erklären.
• Mt und Lk haben unabhängig voneinander Q benutzt:
◦ z.T. wörtliche Übereinstimmungen bei Mt und Lk im über Mk hinausgehenden Stoff.
◦ Dubletten und Doppelüberlieferungen
• Mt und Lk stehen offensichtlich in keinem literarischen Zusammenhang:
◦ Mt und Lk haben verschiedenes Sondergut und ordnen ihre Stoffe verschieden an.
◦ Bei Mt findet sich keine Spur des lukanischen Sondergutes.
◦ Lk kennt weder die mt Redekompositionen noch die mt Erweiterungen der mk
Perikopen.
• Mt und Lk haben neben Mk und Q Sondergut verwendet.
Probleme:
• Markussondergut (Mk 2; 4; 9; 15) – Auslassung bei Mt und Lk kann nicht immer auf
Anstößigkeit/Unverständlichkeit zurückgeführt werden, bspw. das Gleichnis der selbst
wachsenden Saat Mk 4.
• lk Lücke: zwischen Lk 9,17 und 9,18 fehlen Mk 6-8 (Jesu Wirken in heidnischem Gebiet).
• minor agreements zwischen Mt und Lk (gemeinsame Änderungen gegen Mk).
→ Schnelle: MT und Lk kannten nicht das kanonische Mk, sondern eine überarbeitete
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Fassung Dmk (jünger als Mk).
→ Kritik an Dt-Mk: Warum wurde Deuteromarkus nicht überliefert? Oder warum
verschlechtert Mk den Urmarkus so, dass minor agreements nötig werden?
→ Andere Erklärungsmöglichkeit: Mt und Lk wurden durch Abschreiber angeglichen.
1.3 Das Sondergut
Ist nicht „Quellen“, sondern „Traditionsbereichen“ zuzuordnen. Großer Teil stammt vermutlich aus
der dem jeweiligen Evangelisten zugänglichen mündlichen Tradition. Thematische Schwerpunkte
bei Lk: Parteinahme für die Armen, Kritik am Reichtum, Umgang mit Sündern und Frauen,
Bedeutung des Gebetes, Aufruf zur Demut, positive Wertung der Samaritaner. Trägergruppe vllt im
Umfeld Jerusalems zu suchen. Mt Sondergut ist uneinheitlicher.
1.4 Weitere Theorien zum synoptischen Problem
• Zwei-Evangelien-Hypothese (Farmer): Mt war der erste, dann Lk (der Mt und eigenes
Material verwendete), dann Mk unter Benutzung von Mt und Lk.
Argumente dafür: patristische Hinweise auf diese Reihenfolge. Mk schrieb sein Evangelium
in Rom, weshalb er die jüdischen Traditionen in Mt ausließ. Minor agreements können
erklärt werden.
Problem: Die theologische Intention von Mk' und Lk' Bearbeitung von Mt ist nicht plausibel
zu machen. Und warum besteht in der Logienüberlieferung zwischen Mt und Lk
weitgehende Übereinstimmung, sonst aber nicht?
• Komplexe Stufentheorie (Boismard): Ausgangspunkt sind die jeweiligen Vorstufen der
Synoptiker und Q, die sich komplex gegenseitig beeinflussen (mit Proto- Zwischen und
Endgestalten).
• Varianten der Benutzungshypothese: Hengel meint, Mt habe neben Mk auch Lk rezipiert. Q
hätte in verschiedenen Formen allen dreien zur Verfügung gestanden, wird aber zu schnell
zur Erklärung herangezogen.
• Varianten der Traditionshypothese (mündl. Überlieferung).
2. Die Logienquelle
Für die Existenz von Q spricht:
• Über Mk hinaus haben Mt & Lk Passagen mit über 4000 Wörtern gemeinsam – bei hoher
Wortlautübereinstimmung.
• Mt und Lk haben Dubletten (ein Text, den ein Ev zweimal hat; bspw. Aussendung der
Jünger in Lk 9.10 => Mk 6 & Mt 10) und Doppelüberlieferungen (ein Text, den beide
Evangelisten zweimal haben).
Q hatte überwiegend Redestoff - v.a. Droh- und Mahnworte - und nur wenige Erzählungen.
2.1 Ort und Zeit der Abfassung
Q ist theologisch auf Israel ausgerichtet: Ihm gilt die Gerichtspredigt, zahlreiche Logien zeigen
Lokalkolorit, die Träger der Logienquelle verstehen sich als gesetzestreu und den Pharisäern gilt
ihre Polemik. → Entstehungsort: Palästina.
Q ist vor der Zerstörung des Tempels abgefasst (da noch kein Niederschlag seiner Zerstörung zu
finden ist). Heiden werden positiv erwähnt → Öffnung zur Heidenmission kann schon begonnen
haben. Verfolgung der Gemeinde durch Juden in Palästina wird vorausgesetzt. → Spätdatierung
um 65, Frühdatierung 40-50.
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2.2 Überlieferung und Sprache von Q
• Hohe Wortlautübereinstimmung bei Mt und Lk + Parallelen in der Perikopenreihenfolge +
Dubletten und Doppelüberlieferungen → Q lag Mt und Lk schriftlich vor.
• Abweichungen in beiden gemeinsamem Logiengut → beide hatten verschiedene
Versionen von Q.
• Zweisprachigkeit Palästinas + Schwierigkeiten einer Rückübersetzung ins Hebräische →
Original war Griechisch. Nicht auszuschließen ist eine aramäische Vorgeschichte einzelner
Logien.
2.3 Entstehung von Q
Stadien des Überlieferungs-, Kompositions- und Redaktionsprozesses sind sehr umstritten.
Relativer Konsens besteht über die sukzessive Entstehungsgeschichte. Ältestes Spruchgut wurde
anfänglich zu Spruchgruppen zusammengefasst. Am Ende schreibt die Versuchungsgeschichte Q in
Richtung Proto-Biografie fort. Soziologisch wurde dieser Prozess durch die Trennung von Israel und
die Betonung des Gerichtsgedankens bestimmt. So zeichnen sich der zentrale Eingangs- und
Schlussteil durch Polemik gegen Israel aus: Ablehnung der Botschaft, Verfolgung der Boten und
Gericht über Israel geben Q ihr theologisches Gepräge.
Die Träger der Überlieferung waren Wandercharismatiker (Ethos der Heimat- und
Bindungslosigkeit, Familiendistanz und Besitzlosigkeit), die im Austausch mit sesshaften JesusAnhängern standen (Ethische Überlieferungen). Die Anfänge können bis in vorösterliche Zeit
reichen, aber erst nach Ostern setzten Traditionsbildung und die Ausformung von Wandermission
und Gemeindestrukturen voll ein.
Q ermöglicht daher den Zugang zur frühen palästinischen Jesus-Überlieferung.
2.4 Aufbau und Gattung
Da Mt mit Mk-Stoffen freier umgeht, erscheint Lk für die Abfolge der Q-Texte als der verlässlichere
Zeuge.
Matthäus
Logienquelle
Lukas
3-4
Die Anfänge
3-4
5-7
Feldrede/Bergpredigt
6
8
Hauptmann v Kapernaum
7
11
Täufersprüche
7
8-11
Nachfolge und Sendung
9-10
6-7
Gebet
11
12-23
Auseinandersetzungen
11
10
vom Bekennen
12
6.24
vom Sorgen und Wachen
12
weit verstreut
Sprüche und Gleichnisse
12-17
24-25
Endereignisse
17
Zur Gattung:
Jülicher: Halbevangelium
Robinson: logoi sofwn (analog zum ThomEv)
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Sato: Prophetenbuch
Vielhauer: kein Evangelium, da keine Passion.
Schnelle: Die Logienquelle entwickelte sich auf die Gattung „Evangelium“ zu: „Halbevangelium“.
2.5 Q und Markus
Es gibt immer wieder die These einer literarischen Abhängigkeit Mks von Q, da beide
gemeinsamen Stoff haben. Problem: Nach welchen Kriterien hat er Q-Stoff aufgenommen bzw.
ausgelassen? Schnelle: Beide hatten unabhängig voneinander Zugang zu alten Jesustraditionen.
Vielleicht auch Berührungen auf vorredaktioneller Ebene.
2.6 Theologische Grundgedanken der Logienquelle
Stellung zu Jesus und seiner Botschaft ist heilsrelevant. Am Anfang stehen die Heilszusagen.
Haltung zu Jesus und seiner Botschaft bestimmt das Schicksal jedes Menschen – wer ihn ablehnt,
bekommt das Gericht angedroht. Es gibt keine übergreifende Thematik. Verbindendes Element der
Logien ist nur ihre Ausrichtung auf den weisenden Jesus. Das könnte den Verzicht auf Passion, Tod
und Auferweckung erklären. Der Tod Jesu am Kreuz wird vorausgesetzt, aber nicht entfaltet. Q
konzentriert sich auf die Identität des Irdischen mit dem Erhöhten.
2.7 Tendenzen der neueren Forschung
V.a. durch Sato und Kloppenborg bestimmt. Konsens: Q ist ein literarisch und theologisch
komplexes Gebilde, ist nicht nur Sammlung, sondern eigenständiger theologischer Entwurf.
Aktuell wird gefragt nach der literarischen Genese von Q, Qs literarischen Genre, der möglichen
Abhängigkeit Mk von Q, dem Verhältnis von Q zu ThEv, der Authentizität des Jesusbildes von Q und
der politischen und sozialgeschichtlichen Situation der Q-Texte.