Beruf und Familie partnerschaftlich gestalten. Internationale Karenzmodelle im Vergleich Resümee der Veranstaltung im Rahmen der Reihe „femmes globales“ vom Dienstag, 17. November 2015 ega: frauen im zentrum verfasst und herausgegeben von MAG. SEBASTIAN SCHUBLACH Begrüßung und Moderation SEBASTIAN SCHUBLACH, Karl-Renner-Institut Impulsreferat "Elternkarenzmodelle in Europa im Vergleich“ HELENE DEARING, Institut für Sozialpolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien Diskussion mit GERLINDE HAUER, Abteilung Frauen - Familie der AK Wien MARION GEBHART, Magistratsabteilung 57 - Frauenabteilung der Stadt Wien Rückmeldungen / nähere Information: Sebastian Schublach Karl-Renner-Institut [email protected] Resümee der Veranstaltung „Beruf und Familie partnerschaftlich gestalten: Internationale Karenzmodelle im Vergleich“ vom 17.11.2015 in Wien Eine Veranstaltung des Karl-Renner-Instituts und ega: frauen im zentrum 1 Elternkarenzmodelle haben einen wichtigen Einfluss auf die weiteren Erwerbsbiographien, vor allem von Frauen. Helene Dearing hat sich in mehreren wissenschaftlichen Arbeiten mit der Frage auseinandergesetzt, welchen Beitrag unterschiedliche europäische Karenzmodelle zu einer partnerschaftlichen Arbeitsaufteilung leisten. Auf Ebene der Europäischen Union gibt es zwar eine Richtlinie für Mindeststandards bei Elternkarenzmodellen, Vieles ist aber nur unverbindlich– so etwa auch die Empfehlung, gewisse Karenzzeiten für Väter zu reservieren. Trotz dieser Richtlinie variieren die Modelle sehr stark. Wie unterschiedlich die Ausgestaltung innerhalb Europas sein kann, wird an zwei markanten Beispielen ersichtlich (wobei Island kein EU-Mitglied ist): 1) In Ungarn gelten sechs Monate Mutterschutz (verpflichtend, nur für Frauen) und fünf Tage Väterzeit direkt nach der Geburt des Kindes. Elternkarenz gibt es bis zum dritten Geburtstag des Kindes, die ersten zwei Jahre werden finanziell relativ gut abgegolten (70 Prozent des Letzteinkommens). Der Haken: bis zum ersten Geburtstag darf die Elternkarenz nur von Müttern in Anspruch genommen werden; Väter haben keinen Anspruch. Auch dürfen diese Mütter bis zum ersten Geburtstag des Kindes nicht erwerbstätig sein, auch nicht in Teilzeit. Die Erwerbsquote von Frauen mit Kindern unter drei Jahren: 6 Prozent. Die ungarische Geburtenrate: 1,3. Nur wenige Väter gehen in Karenz. 2) Island geht einen anderen Weg: es gibt neun Monate gut bezahlte Karenz, davon sind drei Monate für Frauen reserviert (Mutterschutz), drei Monate sind Vätern vorbehalten (Vaterzeit) und drei Monate frei aufteilbar. Die isländische Geburtenrate liegt bei 2,0, die Erwerbsquote von Müttern mit Kindern unter fünf Jahren bei 84 Prozent. 84 Prozent der Väter gehen in Karenz. Interessant ist, so Dearing, dass Väter fast überall nur den Karenzteil in Anspruch nehmen, der exklusiv für sie reserviert ist. Väter orientieren sich also an der kürzesten Variante, Mütter an der längsten. Dearing hat in ihren Arbeiten Elternkarenzpolitik in Kombination mit empirischen Bezugsgrößen zu Frauenerwerbstätigkeit oder Väterkarenz analysiert. Konkret: Wie wirkt Elternkarenzpolitik auf die Erwerbsarbeit von Frauen? Und auf die Beteiligung von Vätern bei der Familienarbeit? Zentrale Ergebnisse der Forschungen sind: o o o Frauen am Arbeitsmarkt: die Dauer der gesamten Elternkarenz hat einen positiven Effekt auf Beschäftigungsquoten und die geleisteten Wochenarbeitsstunden. Allerdings ist dieser Effekt nicht linear, er gilt nur bis zu einer gewissen Dauer. Ab einem bestimmten Zeitpunkt (der in der Literatur unterschiedlich definiert wird) nimmt dieser Effekt wieder ab (umgekehrte U-Form). „Ideal“ wäre also eine mittlere Dauer, die irgendwo zwischen 1-2 Jahren liegt. Wichtig: lange Karenzzeiten haben für Frauen einen negativen Effekt auf die Löhne (wie z.B. in Österreich), was u.a. mit schlechteren Aufstiegschancen, verpassten Gehaltssprüngen etc. zu tun haben kann. Reservierte Zeiten für Väter: fixe Zeiträume für Väter haben einen klar positiven Effekt auf die Inanspruchnahme von Väterkarenz. Die Bereitstellung von hohen Zahlungen ist wichtig, um die Inanspruchnahme von Väterkarenz zu erhöhen. Resümee der Veranstaltung „Beruf und Familie partnerschaftlich gestalten: Internationale Karenzmodelle im Vergleich“ vom 17.11.2015 in Wien Eine Veranstaltung des Karl-Renner-Instituts und ega: frauen im zentrum 2 Dearing geht für ihre Forschungen von einem angenommenen Idealmodell aus: 14 Monate, gut bezahlt (mindestens zwei Drittel des vorherigen Einkommens), die Hälfte für Männer reserviert. Dies ist keine Politikempfehlung, sondern eine Annahme, um danach die Elternkarenzpolitiken der EU-Länder vergleichen zu können. In einem solchen Modell schneiden Länder wie Schweden oder Slowenien gut ab, die Slowakei und Ungarn hingegen schlecht (siehe Vortragsfolien). Beim Versuch, diese Werte in Bezug zu Hausarbeit zu setzen, zeigt sich: Länder, die eine partnerschaftliche Aufteilung bei der Karenz unterstützen, sind auch eher jene Länder, die eine relative ausgeglichene Aufteilung der Hausarbeit aufweisen. Bei der anschließenden Diskussion wurde von den PanelistInnen hervorgehoben, welch große Bedeutung ausreichend vorhandene Kinderbetreuungseinrichtungen, eine die Väterkarenz fördernde Betriebskultur, sowie ein Überdenken von antiquierten familiären Rollenbildern für die Erwerbsbiographien von Frauen haben. Nur mit einer erheblichen Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung und bei der Hausarbeit können Mütter beruflich substanziell besser gestellt werden – im Idealfall heißt erheblich: Halbe-Halbe. Resümee der Veranstaltung „Beruf und Familie partnerschaftlich gestalten: Internationale Karenzmodelle im Vergleich“ vom 17.11.2015 in Wien Eine Veranstaltung des Karl-Renner-Instituts und ega: frauen im zentrum 3
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