TIPPS UND TERMINE FÜR DIE METROPOLREGION 01.10. – 07.10.2015 morgenweb.de/termine SPEZIA L Verkauf soffe Sonntag ner in Mann heim S. 15 - 2 0 “: „Achtung r e Pur -Säng gler n Har tmut E ew im Inter vi über neue htc Lieder, Flü linge und “ ene „erwachs Liebe SZENE BESWINGTE WOCHEN: Das Festival Enjoy Jazz startet mit Hugh Masekela Seite 6 SZENE MUSIKALISCHER TAG: Söhne- Gitarrist Kosho mit Cordclub bei Jazz im Quadrat Seite 7 KINO KÖNIGLICHE NACHT: Künftige Queen feiert das Kriegsende in „A Royal Night“ Seite 30 KÖPFE 3 „Wir sind unfreiwillig aktuell“ DEUTSCH-POP: Interview mit Pur-Sänger Hartmut Engler über das Album „Achtung“, die Flüchtlingsdebatte und Coolness Alle singen jetzt auf Deutsch? Pah, macht Hartmut Engler schon seit 30 Jahren. „Abenteuerland“, „Lena“, „Wenn sie diesen Tango hört“ – manch einer der Pur-Songs hat sich ins kollektive Gedächtnis der deutschsprachigen Welt eingebrannt; ob man will oder nicht. Aber auch die Zeiten, in denen die Mittfünfziger aus dem schwäbischen Bietigheim-Bissingen polarisierten und auf teils krasse Ablehnung stießen, sind vorbei. Wir sprachen mit Frontmann Engler (53) über das neue sofort auf Platz eins eingestiegene Album „Achtung“, die Flüchtlingsdebatte und die dezente CoolWerdung seiner selbst. Herr Engler, wie haben Sie den Sommer verlebt? Hartmut Engler: Hauptsächlich im Studio. Wir mussten die Platte fertigstellen, ich habe viel eingesungen. Es blieb aber Zeit, sich auch mal in die Sonne zu legen. Was sind Sie für ein Urlaubstyp? Engler: Mein Bedarf an Action wird komplett gedeckt durch Auftritte. Und ich bin Ausdauersportler, meine Energie investiere ich in Radfahren, Cross-Trainer und Laufband. Ich lese wahnsinnig gerne im Urlaub. Was haben Sie zuletzt gelesen? Engler: „Kinder der Freiheit“ von Ken Follett – eine echte Schwarte. Ich bin ein Genussleser, ich lese sehr langsam und gründlich. Ich lasse die Sätze gerne wirken. „Die Bierzelte sind voll, die Flüchtlingslager auch“ Spielen am 12. Dezember in der Mannheimer SAP Arena (von links): Bassist Joe Crawford, Keyboarder Ingo Reidl, Sänger Hartmut Engler, Multiinstrumentalist Martin Ansel und Gitarrist Rudi Buttas von Pur. Bild: Universal/Titelmotiv: dpa behagen? Auf dem Album findet sich beides. Engler: Wir arbeiten ja nie tagespolitisch, deshalb befremdet es mich umso mehr, dass wir mit dem Lied „Lichter aus“ unfreiwillig aktuell sind. Da geht es um das Ausgrenzen - darum, dass wir hier die Party feiern, und die anderen bleiben draußen. Das kann man auch mit Ihrem neuen Album machen. Sie decken mit „Achtung“ ein musikalisch wie inhaltlich sehr breites Spektrum ab. War diese Vielfalt Konzept? Engler: Wer Pur schon länger verfolgt, der weiß, dass wir immer ein paar Überraschungen auf den Alben drauf haben. Wir möchten schon, dass auf einem Album, das eine Stunde dauert, viele Themen stattfinden. 70 Prozent Liebeslieder oder 80 Prozent Sozialkritik, das wäre nichts für uns. Wir versuchen einfach, das Unterhaltsame mit dem zu verbinden, was uns am Herzen liegt. Musikalisch ist ausgerechnet „Lichter aus“ die fröhlichste Nummer des Albums. Haben Sie beim Texten überhaupt an das Flüchtlingsdrama gedacht? Engler: Dass die Flüchtlinge unterwegs sind, das gibt es schon eine ganze Weile, das beobachten wir nicht erst seit zwei Monaten. Dass es irgendwann auf uns zukommt, dass wir überrannt werden, wenn wir mit einem Krieg wie in Syrien und den daraus resultierenden Flüchtlingsmassen nicht umzugehen wissen, das ist ja schon länger klar. Meine Meinung ist: Wir müssen so viele Flüchtlinge aufnehmen, wie wir nur können. Als Sohn heimatvertriebener Eltern ist das für mich ohnehin ein ganz spezielles Thema. Sehen Sie die Welt aktuell eher mit Optimismus oder mit Un- Und woher kommt das Bild mit der Party? Engler: Das ist ganz konkret. Mein Sohn hat seinen 18. Geburtstag in einem privaten Keller gefeiert, und ich musste Leute draußen aufstellen, die klären sollten, wer da rein durfte und wer nicht. Sehr merkwürdig stimmt mich auch, dass zum Beispiel auf dem Wasen in Stuttgart inzwischen in den Zelten schon Plätze gebucht werden müssen, damit man sich besaufen kann. Also: Die Bierzelte des Landes sind voll und die Flüchtlingslager auch. Das ist eine seltsame Diskrepanz. Genauso widersprüchlich ist der Song mit einer Musik, die zum Partymachen anregt und einem Text, der genau eine solche Stimmung konterkariert. Hat ihr Sohn Sie reingelassen? Engler: Ich hatte das Ganze ja bezahlt! (lacht) Ich war sogar freudig willkommen, und etliche von den Jüngeren haben sich mit dem alten Papa fotografieren lassen, was ich sehr schmeichelhaft fand. Die Jugend findet doch jetzt nicht etwa den Engler cool? Engler: Ich selber finde mich ja überhaupt nicht cool, aber ich habe offensichtlich durch „Sing meinen Song“ ein etwas verän- dertes Bild von mir in der Öffentlichkeit geschaffen, eine andere Wahrnehmung. Wenn man so will, vielleicht einen Hauch eines neuen Coolness-Faktors (lacht). War das ein Motiv hinter ihrer Teilnahme? Engler: Ich wollte die Chance nutzen, zu einer guten Sendezeit mit hervorragenden Sängerinnen und Sängern über Musik zu sprechen und Musik zu machen. Uns war klar, dass wir alle gemeinsam etwas davon haben. Erstens: Dort viel Spaß und dann auch für alle ein sehr gutes Feedback. Hat es Sie überrascht, dass die Leute Sie wegen „Sing meinen Song“ anders wahrnehmen? Engler: Nicht wirklich. Man hat einfach sonst nicht die Chance, in so einer Runde Lieder zum Besten zu geben, und drei Millionen Menschen gucken zu. Die Menschen, die keine Pur-Fans sind, die kennen diesen Sänger Engler, dessen Musik ihnen nichts sagt, vielleicht nur sehr oberflächlich. Plötzlich sitzt er da, ist sogar ein durchaus sympathischer Mensch und sagt ab und zu interessante Sachen. So kann man einen ganz anderen Eindruck hinterlassen, als wenn man für drei Minuten ein Lied in einer Fernsehshow präsentiert. Hat der eine oder andere Vorurteile und Vorbehalte gegenüber ihnen abgebaut? Engler: Ich empfinde das so. Mir macht es Spaß, dass ich allerorten sehr positiv auf die Sendung angesprochen werde. Was haben Sie für ihren Beruf aus „Sing meinen Song“ mitgenommen? „Seit ,Sing meinen Song’ denke ich kollegialer“ Engler: Ein bisschen offener zu sein, nicht immer nur unser Süppchen zu kochen. Das haben wir jetzt auf dem neuen Album im Song „Wer hält die Welt“ umgesetzt, bei dem Xavier Naidoo und auch Caro Niemczyk von Glasperlenspiel mit von der Partie sind. Ich habe gelernt, kollegialer zu denken, und es hat mir auch gut gefallen, in einem Kreis zu agieren, wo ich nicht der vorne in der Mitte sein muss (lacht). Fortsetzung Seite 4 4 KÖPFE : Hatten Sie schon in Südafrika verabredet, ein Duett mit Xavier Naidoo zu singen? Engler: Nein, wir hatten das nur locker besprochen. Ich hatte schon den Song „Wer hält die Welt“ im Hinterkopf, weil ich mich damit schwertat. Wir haben telefoniert, ich schickte ihm den Song rüber, ein paar Stunden später tauchte er bei mir zu Hause auf und meinte, er hätte eine Idee für den Refrain. Am Ende hat sich das alles so prima gefügt, dass es ein Duett wurde. : Mir ist nicht klar: Ist „Wer hält die Welt“ ein Liebeslied oder ein Freundschaftslied? Engler: Das ist das Interessante an dem Stück (lacht). Ich möchte es eigentlich so belassen, dass jeder es so rauslesen kann, wie er es denkt. Man kann das Lied auf zwei Menschen beziehen aber auch auf alle zusammen. : Eindeutig ein Liebeslied ist „Gemeinsam“, richtig? Engler: Das ist definitiv ein klassisches Liebeslied, so wie man es auf einem Pur-Album erwartet. Ich finde das Lied wahnsinnig schön. Es ist ein erwachsenes Liebeslied. „Das Schicksal hat ab und zu mit mir gespielt“ : Wie geht erwachsene Liebe? Engler: Nicht voller Überschwang und frischem Verliebtsein. Ich bin seit sieben Jahren mit meiner Freundin Katrin zusammen, „Gemeinsam“ habe ich für sie geschrieben. Ich weiß nur, dass es innerhalb der Beziehung über die Jahre Veränderungen gibt. Nach der Verliebtheitsphase kommt etwas Wertigeres, Haltbareres – das meinte ich mit „erwachsen“. Ich glaube, dass man sich auch mit Mitte 40 oder Mitte 50 so hemmungslos und schlimm verlieben kann wie in der Pubertät. Ich würde keinem erzählen wollen, dass das im Alter nachlässt. : Ist die Ballade „Vermiss dich“ ein persönliches Lied? Engler: Ein sehr persönliches Lied. Wenn man sich mit Pur befasst, dann kennt man sich ein bisschen in meiner Biographie aus, und da war irgendwann mal eine harte Zeit. Mit so viel Abstand, dachte ich, ist das noch mal einen Refrain wert. Ich fand es spannend, zu sagen: „Ich vermiss dich nicht mehr so sehr/ ich vergess dich jeden Tag mehr.“ Dann kam ich darauf, dass ich meine Geschichte ein bisschen dazu packen kann. : Das waren seinerzeit harte Erfahrungen, auch mit zu viel Alkohol und einer gewissen Schwermut. Hat Sie dieses Tief zu einem robusteren Menschen gemacht? Engler: Oh Gott, das nicht. Es war eine Phase in meinem Leben, in der eine Beziehung zu Ende ging. Ich war zwei Mal verheiratet und bin zwei Mal geschieden. Der Beruf ist eine sehr starke Konstante in meinem Leben. Meinem Privatleben war es nicht vergönnt, genauso geradlinig zu verlaufen. Das Schicksal hat ab und zu mit mir gespielt, das nehme ich an, dadurch habe ich mehr zu erzählen. Info : Zur Person: Hartmut Engler wurde am 24. November 1961 in Großingersheim geboren – als Sohn einer Sudeten- und eines Ungarndeutschen. Er studierte Anglistik und Germanistik, eigentlich, um Gymnasiallehrer zu werden. Kurz vor dem Staatsexamen bekamen Pur 1987 den ersten Plattenvertrag bei Intercord. : Zur Band: Engler stieß 1976 in Bietigheim zu Crusade, der Band seines Klavierlehrer Ingo Reidl und des Schlagzeuger Roland Bless. Mit dem Wechsel zu deutschen Texten benannte man sich zunächst in Opus um, 1985 wurde daraus Pur. 1987 erschien das Debütalbum „Pur“, 1993 folgte der erste Millionenseller „Seiltänzertraum“, gefolgt vom noch erfolgreicheren „Abenteuerland“ (1995) und „Mächtig viel Theater“ (1998). : Wenn Sie die Wahl haben zwischen einem harmonischen Beziehungsleben oder einem weiteren Drama, aus dem sich tolle Songs basteln lassen . . . Engler: Dann nehme ich lieber die harmonische Zweisamkeit. Aus meiner Sicht darf es das mit den Turbulenzen gerne gewesen sein. : Im Lied „Achtung“ singen Sie „Achtung Respekt hör zu schau nicht weg“. Auch sehr aktuell. Wie kam es dazu? Engler: Mich treibt das Thema schon lange um, dass es Werte gibt, die gesamtgesellschaftlich betrachtet ein bisschen ins Hintertreffen gekommen sind, weil sie nicht so hip erscheinen. Achtung und Respekt gehören dazu. Auf das Wort „Achtung“ bin ich über einen Umweg gestoßen, nämlich durch viel buddhistisch-philosophisch angehauchte Literatur zum Thema Achtsamkeit. Mir hat die Doppeldeutigkeit sehr gefallen: Es kann eine Warnung sein nach der Devise „Wenn wir so weitermachen, wissen wir alle nicht, wo wir landen“, und auf der anderen Seite kann das respektvolle Miteinanderumgehen eine echte Lösung sein. Jeder kann daran arbeiten, wenn er zur Tür rausgeht. Wer Selbstrespekt hat, respektiert auch andere. : Machen Sie Yoga? Engler: Nein, aber Meditation ist für mich sehr wichtig geworden. Ich habe festgestellt, dass ich mein über viele Jahre sehr ausgeprägtes Lampenfieber dadurch besser in den Griff bekommen habe. Meditation macht mich einfach zu einem ausgeglichenen Menschen. Für jemanden wie mich, der die Amplituden nach oben und nach unten immer stark auslotet, ist das sehr heilsam. : Denkt man ja gar nicht, dass das Bühnentier Hartmut Engler Lampenfieber hat. Engler: Oh, ja. Zum Glück zittert bei mir die Stimme nicht, es zittern vorher nur die Hände. : Eine weitere Zeile: „Der Arsch ist heiß, das Herz ist kühl.“ : Zum Konzert: Pur spielen am Samstag, 12. Dezember, 20 Uhr, in der Mannheimer SAP Arena. Restkarten unter 0621/10 10 11 (60,80 Euro, ermäßigt 49 Euro). Der Pur-Sänger spricht in unserem Interview auch über „erwachsene Liebe“, Werte und Meditation. Bilder: Universal/VOX Hartmut Engler (r.) mit den Kollegen der zweiten „Sing meinen Song“Staffel (v.l.): Christina Stürmer, Yvonne Catterfeld, Tobias Künzel, Andreas Bourani, Sebastian Krumbiegel, Daniel Wirtz und Xavier Naidoo. Engler: Das ist ein Sinnbild für das, was uns heute wichtig ist in der Unterhaltungsindustrie, in der Werbung, in der medialen Gesellschaft: Die Optik geht über alles. Das Herz sollte eigentlich heiß laufen, und der Arsch sollte uns am selben vorbeigehen. : Pur haben sich nie über die Optik verkauft. Hätte der junge Hartmut Engler mit seiner Band heute noch eine Chance? Engler: Da würde ich nicht drauf wetten. Aber ich habe auch damals nicht drauf gewettet. Ich bin froh, wie es bei uns gelaufen bin. Und ich bin auch froh, dass meine Söhne, die 18 und 16 sind, nicht ankommen und fragen: „Papa, wie ist das denn so in der Musikindustrie?“ Damit haben sie zum Glück nichts am Hut. : Was hören die Jungs? Engler: Tatsächlich auch Pur. Die Jungs sind Testhörer. Ansonsten halten die mich über den deutschen Rap auf dem Laufenden. : Käme es infrage, dass Sie was mit einem Rapper machen? Engler: Ich würde nie nie sagen. Ich weiß, dass es einige in der Hip-Hop-Szene gibt, die Pur inzwischen ganz gut finden. : Je länger es Pur gibt, desto mehr erreicht ihr Leute, die euch früher nicht so auf dem Schirm hatten? Engler: Ich mache nicht deshalb Musik, um von den anderen Menschen Akzeptanz zu bekommen. Sondern weil es unterhaltsam ist für ganz viele Menschen und Spaß macht. Der Rest ergibt sich. Wer bei uns mal reinhört, der weiß, dass wir versuchen, gute Unterhaltungsmusik mit Niveau zu machen. : „Anni“ ist der Name ihrer 90jährigen Mutter, über deren Leben Sie in dem gleichnamigen Song singen. Ist sie gerührt? Engler: Meine Mutter hat geweint, als sie das Lied gehört hat. „Anni“ ist quasi die Fortsetzung zu unserem „Wenn sie diesen Tango hört“ von 1988. Es geht letztlich um das Happy End im Schoße der Familie in ihrer neugefundenen Heimat. : Sie sind Nummer-eins-Alben in Deutschland gewohnt. Die letzte Platte „Schein und Sein“ schaffte es 2012 aber nur auf Platz zwei. War die Spitze das Ziel mit „Achtung“? Engler: Ein bisschen sportiv denkt man da natürlich schon. Steffen Rüth
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