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BZB März 16
Politik
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Von der Kranken- zur Fitnesskasse?
TK-Chef will Patienten zu gesunder Lebensweise motivieren
Eine (selbst ernannte) Gesundheitskasse gibt es in
Deutschland schon. Die Techniker Krankenkasse
(TK) geht nun noch einen Schritt weiter: Ihr Chef
Dr. Jens Baas will seine Versicherten zu einer gesünderen Lebensweise motivieren und schlägt unter anderem vor, dass künftig jedes TK-Mitglied ein
Fitnessarmband trägt.
Rabatte für sportliche Versicherte?
Besonders bemerkenswert ist Baas’ Vorstoß, weil
er vom Vorstand einer gesetzlichen Krankenkasse
kommt. Bislang waren es nur die privaten Krankenversicherungen, die sich so massiv in die Lebensweise ihrer Kunden einmischten. Die GeneraliGruppe führte als erster Anbieter spezielle Angebote für sportlich aktive Menschen ein. Sie bekommen Beitragsrabatte, wenn sie einen gesunden
Lebensstil nachweisen können. Vorstandsvorsitzender Giovanni Liverani sagte über das sogenannte
„Vitality-Programm“: „Es motiviert die Menschen,
Foto: fotolia.com/Oleksiy Mark
Mit seinem Vorstoß hat der dynamische Kassenmanager bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt.
In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“
(SZ) zeigte sich Baas davon überzeugt, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens ein unaufhaltsamer Prozess ist. Dieses Feld dürfe man nicht
US-Internetkonzernen überlassen. Sensible Patientendaten seien bei den Krankenkassen viel besser
aufgehoben. „Wir können über das Risiko einer Erkrankung informieren, wenn wir die Krankheiten,
den Puls, das Ausmaß der Bewegung und so weiter
zusammen analysieren. Oder: Wir wissen, dass der
Versicherte eine Depression hat, und stellen auf einmal fest, dass seine Bewegungsmuster auffällig werden. Dann können wir ihm vorschlagen, zum Arzt
zu gehen“, schwärmt Baas.
Ermittelt werden sollen die Daten zum Bewegungsverhalten mit einem Fitnessarmband, mit dem
heute schon viele Sportler ihre Trainingsbilanz
messen. Als Fernziel stellt sich Baas eine elektronische Patientenakte vor, die von den Krankenkassen geführt wird. Sie soll sowohl „klassische medizinische Daten“ wie den Blutdruck, Blutwerte oder
chronische Krankheiten beinhalten als eben auch
die sportlichen Aktivitäten des Versicherten. Bei einem Kassenwechsel darf der Versicherte seine Akte
mitnehmen, schlägt der TK-Chef vor.
„Big Data ist im Gesundheitswesen nicht mehr aufzuhalten“, meinte TK-Chef Dr. Jens Baas in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
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gesünder zu leben. Und sie leben nun einmal besser, wenn sie weniger Fett essen, Sport machen und
nicht rauchen. Dann sinken auch die allgemeinen
Gesundheitskosten.“ Ganz anders sieht man das
beim Mitbewerber Allianz. Dr. Birgit König, Vorstandsvorsitzende der Allianz Private Krankenversicherung AG, hält die Erhebung solcher Daten für
unverhältnismäßig. „So verlockend das für manchen klingen mag, so falsch ist der Ansatz“, erklärte sie in einem Beitrag der „Wirtschaftswoche“.
Maximal 2,5 Prozent der Gesundheitsausgaben
ließen sich nämlich auf mangelnde Bewegung
zurückführen. „Wenn wir optimistisch annehmen,
dass dieser Wert durch Fitness-Apps um zehn Prozent gesenkt werden kann – kann das ein Grund
sein, um Daten von Kunden zu erheben? Wohl
kaum“, so König. Außerdem kann aus Sicht der
Allianz ein Zwang entstehen, dass man seine Bewegungsdaten einreicht.
TK-Chef Baas zeigt sich von solchen Bedenken unbeeindruckt. Die Krankenkassen hätten Erfahrung
im Umgang mit sensiblen Patientendaten. Der Kassenmanager will zwar keine Beitragsrabatte für besonders gesundheitsbewusste Versicherte, Vorteile
durch eine „verbesserte Betreuung“ der Patienten
sieht er aber durchaus. Und „Big Data“ sei im Gesundheitswesen nun mal nicht aufzuhalten, sagt der
ehemalige Unternehmensberater im SZ-Interview.
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Zahnbürste überwacht das Putzverhalten
Dass Baas mit seiner Vermutung nicht ganz Unrecht hat, zeigt ein aktuelles Beispiel aus der Zahnmedizin. Beim „Mobile World Congress“, der Ende
Februar in Barcelona stattfand, stellte die Firma
„Procter & Gamble“ (Oral-B und Braun) eine neue
Baas würde es begrüßen, wenn seine Versicherten Fitnessarmbänder tragen und
Daten zu ihrem Bewegungsverhalten in einer elektronischen Patientenakte speichern lassen.
Foto: Business Wire
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Auch in der Zahnmedizin
schreitet die – freiwillige –
Überwachung voran. Die Firma
Procter & Gamble stellte Ende
Februar eine neue elektrische
Zahnbürste vor, die Alarm
schlägt, wenn der Benutzer
nicht richtig putzt.
elektrische Zahnbürste vor, die dem Benutzer via
Smartphone Anweisungen erteilt. Sie wurde gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut entwickelt
und erkennt automatisch Kopfbewegungen und
die Handhaltung. Auch wenn der Besitzer die vorgegebene Putzdauer nicht einhält oder eine Stelle
auslässt, schlägt das Gerät Alarm.
Was für George Orwell in seinem Roman „1984“
eine düstere Zukunftsvision war, ist dank neuer
Technologien mittlerweile Realität. Der „gläserne
Patient“ rückt näher. Der Blogger und Spiegel Online-Kolumnist Sascha Lobo hat vor dieser Entwicklung bereits beim Bayerischen Zahnärztetag
2014 gewarnt. „Schützen Sie die Daten Ihrer Patienten – Sie sind es der Gesellschaft schuldig“, appellierte er damals an die bayerischen Zahnärzte.
Wenn allerdings die Patienten selbst vertrauliche
Daten preisgeben, sind Ärzte und Zahnärzte machtlos. Rund 80 Millionen Menschen in 20 Ländern
haben sich beispielsweise bei der zum Adidas-Konzern gehörenden Sport-App „Runtastic“ registriert.
Das sehen nicht nur Datenschützer mit Sorge.
„Kein Mensch darf zum Objekt eines Algorithmus
werden“, meint beispielsweise Bundesjustizminister Heiko Maas. Er speichert zwar selbst seine Pulsfrequenz. Das mache er aber nur zur sportlichen
Kontrolle und nicht für die Krankenkasse.
Doch die erwähnten Kassen schaffen weiterhin
Fakten. So bezuschusst die DAK laut „n-tv“ mittlerweile Smartwatches und Fitness-Tracker. Voraussetzung dafür: Die Geräte müssen mit einer entsprechenden App ausgestattet sein und der Kunde
muss die Dokumentation seiner Gesundheitswerte
belegen. Willkommen in der schönen neuen Gesundheitswelt!
Leo Hofmeier