VW-Abgas-Skandal ("Dieselgate")

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Forum
Oktober 2015
VW-Abgas-Skandal („Dieselgate“)
Editorial
Quo Vadis?
Am 15.10.2015 hat das Kraftfahrbundesamt (KBA) dem VW-Konzern auferlegt, 2,4 Millionen in Deutschland betroffene Dieselfahrzeuge mit manipulierten Abgaswerten zurückzurufen.
Wer einmal schummelt, dem glaubt man nicht? Offensichtlich,
denn zuvor hatte VW eine entsprechende Rückrufaktion auf freiwilliger Basis angekündigt. In der Begründung seitens des Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) klingt dass dann
allerdings diplomatisch formuliert so: „Das ist ein Rückruf in einer
Dimension, die auch das nötige Maß an Kontrolle und Überwachung nötig macht.“ Hierbei ist unverkennbar, dass die Bundesregierung mit dieser VW gegenüber angeordneten Aktion – soweit
ersichtlich erstmalig – nicht einem bestehenden „ernsten Risiko
insbesondere für die Sicherheit und Gesundheit von Personen“
(§ 126 Abs. 4 ProdSG) Rechnung trägt, sondern - wie auch vom
KBA bestätigt wurde – diese zur „Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit“ (§ 25 Abs. 2
EG-FGV) angeordnet hat.
Gleichwohl sind nun zahlreiche Fahrer von Dieselkraftfahrzeugen
trotz dieses dem VW-Konzern von der Bundesregierung vorgegebenen Wegs zur Aufklärung und vor allem Behebung der zwischenzeitlich eingeräumten Manipulationen der Abgaswerte hinsichtlich
der ihnen insoweit zustehenden Rechte nachhaltig verunsichert.
Wir wollen an dieser Stelle nachfolgend dazu einen ersten groben
Überblick geben:
1.
Zunächst stellt sich für viele die Frage, ob ihr Fahrzeug überhaupt
betroffen ist.
Dazu ist darauf hinzuweisen, dass vom Kfz-Händler oder dem
Hersteller (VW) zunächst Auskunft darüber verlangt werden kann,
ob in einem konkreten Fahrzeug die beanstandete Software vorhanden ist. VW bietet zwischenzeitlich über das Internet (z.B. info.
volkswagen.de) eine entsprechende Überprüfung anhand der
Fahrzeug- Identifizierungsnummer (FIN) online an.
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, Ihnen eine weitere
Ausgabe unseres Forums zu präsentieren.
Der nebenstehende Artikel von
Herrn Rechtsanwalt Bernd Bressem befasst sich mit dem Thema
„VW-Abgas-Skandal („Dieselgate“)
Quo Vadis?“. Für Fragen sowie
ausführliche Beratung stehen wir
gerne zur Verfügung.
Ihr
Dr. Erik Silcher
Allgemein lässt sich sagen, dass Fahrzeuge betroffen sind, die mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 mit
einem Hubraum von 1,2, 1,6 oder 2,0 Liter ausgestattet sind und für diesen die Abgasnorm EU-5 einschlägig
ist. Dies trifft beispielsweise vornehmlich auf den Golf der 6. Generation, den Passat der 7. Generation sowie
die 1. Generation des VW-Tiguan zu. Darüber hinaus sollen aber in geringerem Umfang – auch die Marken
Audi (Modelle der Baureihen A1, A3, A4 und A6 sowie Q3 und Q5), Skoda und Seat mit der beanstandeten
Software ausgestattet sein. Generell geht es um die Baujahre 2009 bis 2014. Neuwagen mit Motoren, die
die strengere Abgasnorm EU-6 erfüllen, sind nicht betroffen.
2.
Weiter ist vielen Betroffenen unklar, wie es nun konkret weitergeht.
Bereits bis Ende Oktober 2015 muss VW die neuen Softwareprogramme für die 2,0–Liter TDI-Modelle vorstellen. Bis Ende November 2015 müssen Lösungen für die Dieselfahrzeuge mit 1,6- und 1,2-Liter Hubraum
folgen. Wenn und soweit ein Software-Update/eine Software- Änderung genügt, soll damit nach derzeitiger
Planung konkret Anfang 2016 begonnen werden. Ist allerdings eine Umrüstung im Bereich der Hardware
erforderlich, ist damit – so wird verlautbart – wohl erst im September 2016 zu rechnen sein. Die Betroffenen
werden von VW entsprechend informiert werden. Bis zum Start der Rückrufaktion dürfen Sie auf jeden Fall
weiter ihr Kraftfahrzeug nutzen.
Fraglich und bislang noch nicht abschließend geklärt ist, ob eine Pflicht zur Teilnahme an der Rückrufaktion
mit einem betroffenen Fahrzeug besteht. Allerdings ist dies aus unserer Sicht dringend zu empfehlen, da
ansonsten in letzter Konsequenz das Erlöschen der Betriebserlaubnis für das Fahrzeug bzw. eine Betriebsuntersagung wegen nicht Einhaltung der einschlägigen Emissionsvorschriften drohen könnte.
3.
Schließlich drängt sich vielen Betroffenen sicherlich die Frage auf, ob sie auch bereits unabhängig von der
in Aussicht stehenden Rückrufaktion wegen der manipulierten Abgas-Software gegen den Kfz-Händler, ihren privaten Kfz-Verkäufer oder gar gegen den VW-Konzern als solchen vorgehen können oder sollten und
welche Rechte ihnen insoweit zustehen.
Die Fahrzeuge mit dem betroffenen Dieselmotor vom Typ EA189 weisen einen Mangel im Sinne des deutschen Kaufrechts (§ 439 BGB) auf. Mit der beanstandeten Software wurde erreicht, dass sich die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf positiver darstellen als beim normalen Einsatz des Fahrzeugs im Straßenverkehr.
Das ist nach der europäischen Fahrzeugemissionen-Verordnung nicht zulässig (Artikel 5 Abs. 2 VO (EG)
715/2007). Darüber hinaus sind auch beispielsweise ein höherer Kraftstoffverbrauch und ähnliches nicht
auszuschließen. Es wird demgemäß von einem „Mangel“ der betroffenen Fahrzeuge auszugehen sein. Insoweit stehen dem Käufer grundsätzlich die sogenannten „Gewährleistungsrechte“ zu. Hierbei muss der Käufer dem Verkäufer generell zunächst erst einmal die Möglichkeit zur sogenannten „Nacherfüllung“ geben.
Der Käufer kann dabei im Prinzip regelmäßig wählen, ob die mangelhafte Sache repariert oder ausgetauscht
(neues mangelfreies Fahrzeug) wird. Hier hat das Kraftfahrtbundesamt mit seiner angeordneten Rückrufaktion den Kunden die Wahl quasi abgenommen. Die betroffenen Fahrzeuge müssen aus seiner Sicht repariert
werden. Ob dies von allen Betroffenen akzeptiert werden wird und gegebenenfalls auch wird akzeptiert werden müssen, bleibt abzuwarten und ist zur Zeit noch nicht abschließend zu bewerten.
Ist die dem Verkäufer grundsätzlich zunächst einzuräumende „Nacherfüllung“ fehlgeschlagen oder dem
Käufer gegebenenfalls nicht zumutbar, kommt als weiteres Gewährungsleistungsrecht der sogenannte
„Rücktritt“ (vom Vertrag) in Betracht. Dabei wäre das Kraftfahrzeug dem Verkäufer zurückzugeben und von
diesem der Kaufpreis abzüglich des Wertersatzes für zwischenzeitlich gefahrene Kilometer zu erstatten.
Allerdings muss dafür der bestehende Mangel „erheblich“ sein. Auch hier ist eine abschließende Bewertung,
die letztendlich durch die Gerichte wird erfolgen müssen, im derzeitigen Stadium noch nicht möglich.
Alternativ zum „Rücktritt“ wäre ggf. auch eine „Minderung“ (des Kaufpreises) möglich. Die Betroffenen könnten dabei ihr Kraftfahrzeug behalten und einen Teil des seinerzeitigen Kaufpreises zurückverlangen. Hierzu
muss – anders beim „Rücktritt“ - der Mangel nicht „erheblich“ sein. Ob und wenn ja, in welchem Umfang
unter diesem Gesichtspunkt letztendlich Minderungsbeträge zu realisieren sein werden (weil sich beispielsweise infolge der Nachrüstung der Kraftstoffverbrauch erhöht, sich die Leistung des Motors verschlechtert
oder die Wiederverkaufschancen negativ beeinflusst sind) muss und wird ebenfalls erst die Praxis zeigen.
Unter Umständen werden die Betroffenen auch Schadensersatzansprüche geltend machen können. So
zum Beispiel eventuell Mietwagenkosten für die Zeit der Reparatur. Allerdings erscheint dies insoweit als
problematisch, als die Geltendmachung eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs grundsätzlich ein Verschulden des Vertragspartners voraussetzt. Dies wird in jedem Einzelfall zu prüfen sein.
Ob dabei die Gerichte zu gegebener Zeit den Schritt dahin wagen
werden, beispielsweise entsprechende Kenntnisse auf Seiten der
„Führungsetage“ des VW-Konzerns zumindest diesem verbundenen Autohäusern zuzurechnen, ist überaus fraglich.
Grundsätzlich müssen sich die Betroffenen zunächst an denjenigen halten, von dem sie seinerzeit das mangelhafte Kraftfahrzeug
erworben haben. Die aufgezeigten gesetzlichen Gewährungsleistungsrechte bestehen gegenüber dem Verkäufer des Autos, also
zum Beispiel dem Autohaus. Bei einem seinerzeitigen Erwerb des
betreffenden Kraftfahrzeugs von einer Privatperson wird sich vielfach das Problem stellen, dass hierbei von vornherein jegliche Gewährleistungsrechte ausgeschlossen wurden. Es ist dann zu prüfen, ob dies wirksam war und ist.
Eile ist unter Umständen insoweit geboten, als die Gewährleistungsrechte gegenüber dem Verkäufer grundsätzlich in zwei
Jahren nach dem Kauf des Kraftfahrzeugs verjähren. Viele der
betroffenen Kraftfahrzeuge werden aber älter sein als diese 2-Jahresfrist. Auf jeden Fall sollten bestehende Gewährleistungsrechte
so schnell wie möglich und auch unabhängig von der anstehenden Rückrufaktion geprüft und gegebenenfalls geltend gemacht
werden.
Die vorstehend angerissenen (vertraglichen) Gewährleistungsansprüche bestehen für die Betroffenen zunächst grundsätzlich
(Ausnahme eventuell Garantie) nur gegenüber demjenigen, von
dem sie das KFZ erworben haben (Autohaus, Verkäufer.) Ob darüber hinaus auch (ggf. deliktische) Schadensersatzansprüche direkt gegenüber VW zu begründen sein werden (z.B. wegen höherem Kraftstoffverbrauch auch nach der Umrüstung oder geringer
Leistung), wird davon abhängen, ob sich der maßgeblichen „Führungsetage“ bei VW eine vorsätzliche, sittenwidrige Täuschung
der Endkunden wird darlegen und beweisen lassen.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass trotz der vom KBA am 15.10.2015
mit „erhobenem Zeigefinger“ auferlegten Rückrufaktion die
Rechtslage der betroffenen Eigentümer von Dieselkraftfahrzeugen
keineswegs abschließend geklärt ist. Es wird jeder Einzelfall zu
prüfen und die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
in Kürze zu konstatierende Entwicklung der Rechtsprechung zu
diesem Problemfeld abzuwarten sein.
Verstärkung des
M\S\L Teams
Seit September
diesen
Jahres
wird das Team
der Kanzlei M\S\L
Dr. Silcher durch
Frau Wirtschaftsjuristin LL.B. Larissa Bauer verstärkt.
Larissa
Bauer hat nach ihrer erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung
als Rechtsanwaltsfachangestellte
die Fachhochschulreife an dem
Kolping-Kolleg in Stuttgart mit dem
Schwerpunkt „Wirtschaft“, ebenfalls mit Erfolg, absolviert. Daraufhin hat sich Frau Larissa Bauer
für den Bachelorstudiengang Wirtschaftsrecht an der Hochschule
für Wirtschaft und Umwelt in Geislingen mit dem Schwerpunt „Recht
der Finanzdienstleistungen“ und
dem Wahlmodul „Unternehmensrestrukturierung und Insolvenzmanagement“ entschieden, welches
sie im August diesen Jahres erfolgreich beendet hat. Während ihres Studiums konnte Frau Larissa
Bauer praktische Erfahrungen im
Insolvenzrecht durch eine Werktstudententätigkeit bei den Rechtsanwälten Wagner und Partner in
Stuttgart erlangen. Frau Bauer
wird in der Kanzlei als Sachbearbeiterin in der Insolvenzverwaltung tätig sein.
Wir heißen Frau Wirtschaftsjuristin LL.B Larissa Bauer herzlich
willkommen!
Bernd Bressem
Rechtsanwalt
M\S\L Dr. Silcher Rechtsanwälte • Steuerberater Heilbronn • Stuttgart • Tübingen
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