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SWR2 MANUSKRIPT
SWR2 Musikstunde
„Spazierstock, Hut und Notenpapier“ –
Musiker Museen im Lande (5)
Friedrich Silcher im Remstal
Mit Antonie von Schönfeld
Sendung: 10. Februar 2017
Redaktion: Dr. Ulla Zierau
Produktion: SWR 2017
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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„Spazierstock, Hut und Notenpapier“ - Musiker Museen im Lande (5)
Friedrich Silcher im Remstal
Signet
- mit AvS
„Spazierstock, Hut und Notenpapier“ -?Der Hut liegt gut sichtbar auf dem
Biedermeier-Sofa! Notenpapier werden wir heute blätterweise in den Händen halten
und den Spazierstock gibt es in der Gegend gratis dazu:
In der vorläufig letzten SWR2-Musikstunde über Musiker-Museen im Lande
besuchen wir heute in Schnait im Remstal das Friedrich Silcher Museum!
Titelmusik
Von Düsseldorf nach Siegen über Bonn in den Odenwald nach Buchen und heute ins
Remstal - unsere Museumstour in dieser Woche neigt sich dem Ende zu: Auf Reisen
kommen einem häufig Ideen zu weiteren Reisen - hier sind sie quasi thematisch
vorgegeben und schon bei diesen ersten fünf Musiker-Museen ergeben sich
Querverbindungen und Bezüge auch zwischen den einzelnen Musikern und
Museumsorten: Natürlich haben die Gebrüder Busch die Musik von Beethoven und
Schumann interpretiert, ob sie allerdings Joseph Martin Kraus gekannt haben,
dessen Musikerlaufbahn sich vor allem in Schweden abgespielt hat, das bezweifle
ich. Dafür schlage ich mit Friedrich Silcher heute den Bogen zurück zu Robert
Schumann in der Bilker Straße in Düsseldorf und zu seinem Nachbarn Heinrich
Heine: Denn Silcher war es, der die berühmten Zeilen von Heines „Loreley“ in Musik
gesetzt hat:
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
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Musik 1
Friedrich Silcher
2´14 <14>
„Loreley“
Camerata Musica Limburg
Ltg. Jan Schumacher
GEN 89138, LC12029
Die „Loreley“ von Heinrich Heine in der Vertonung von Friedrich Silcher, schlank
interpretiert von der Camerata Musica Limburg.
(Ich muss allerdings gestehen, dass ich für dieses Lied verdorben bin: als Kind habe
ich die Augsburger Puppenkiste geliebt - und die Szene mit dem Walross und Ping
auf der Scholle im Duett drängt sich sofort ins Hör-Gedächtnis...)
Die Sehnsucht, das Fortziehen und Abschied nehmen sind uralte Themen, die in der
Lyrik wie in der Musik zu allen Zeiten aufgegriffen werden - und in dem Genre, in
dem Wort und Ton, Vers und Melodie eng miteinander verbunden sind: dem
Volkslied.
Wohl kaum ein Komponist hat soviel für das ‚Genre Volkslied’ getan wie Friedrich
Silcher: Über 300 Lieder hat er mit Liedsätzen versehen und veröffentlicht - von der
einfachen Begleitung bis zum vierstimmigen Satz, rhythmisch eher anspruchslos und
harmonisch eingängig, man sollte die Lieder singen können, das stand für ihn im
Vordergrund.
Die Texte vieler dieser Lieder stehen in der Mundart seiner Heimat:
Friedrich Silcher war Schwabe.
Musik 2
Friedrich Silcher
3´03 <10>
Das schwäbische Brünnele
„Jetzt gang i ans Brünnele“
Andreas Weller, Tenor
Götz Payer, Klavier
M0278450 010
CARUS/SWR
„Jetzt gang i ans Brünnele“ das schwäbische Volkslied in einem Satz von Friedrich Silcher,
Andreas Weller wurde am Klavier begleitet von Götz Payer.
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Volkslieder haben einen schweren Stand bei uns - zu belastet sind Begriffe wie
„Volk“ oder „Heimat“, und dann umgibt sie auch noch die Atmosphäre des Biederen:
Wir denken an betuliche Texte, eingängige Melodien und vielleicht noch die
„Dienstmagd-Begleitung“, eine zweite Stimme, die einfach eine Terz tiefer singt als
die Melodie und so parallel geführt wird.
Volkslieder werden wiederentdeckt: Das Volkslied-Projekt von Carus-Verlag und
SWR2, für das viele Lieder in ganz unterschiedlichen Besetzungen, mal mit
bekannten Sängern, mal mit Kinderstimmen oder auch im Chorsatz aufgenommen
wurden - dieses Projekt jedenfalls ist ein Erfolg!
Dass Singen gut tut, ist inzwischen eine allgemein anerkannte Tatsache.
Volksliedtexte mögen im Duktus vergangener Zeiten stehen (und es gibt große
Unterschiede in der Qualität der Texte) - doch viele der Themen bleiben ewig gleich
und bewegen uns heute wie früher: Liebe, Abschied, Sehnsucht, Trauer, - eben
alles, was das Gemüt berührt.
- Wer Friedrich Silcher besucht, kommt jedenfalls am Singen nicht vorbei:
Musik 3
Friedrich Silcher
3´26 <4>
Untreue
„In einem kühlen Grunde“
amarcord
M0317433 004
MDG, LC12029
Friedrich Silcher - „In einem kühlen Grunde“, gerade gesungen vom Vokal-Ensemble
amarcord.
Der „Wein- und Silcher-Ort Schnait“ mit dem Silcher-Museum liegt im Remstal. Wer
von Westen kommt wie ich, muss zunächst an Stuttgart vorbei, - und das
Straßengewirr hier hat etwas Verwirrendes: Autobahn - Landstraße - Kreisverkehr irgendeine Osttangente - wieder eine Schnellstraße. Als ich schließlich im Osten von
Stuttgart Richtung Remstal und Weinstadt und dann Richtung Schnait abbiege,
drossele ich das Tempo gern auf ‚50’ und dann auf ‚30’: Beutelsbach - Schnait, und
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hier in den Ort, links halten und hinter der Kirche St. Wendelin gleich rechts auf den
Parkplatz - von der Fassade grüßt mich ein ernsthaft-freundliches Gesicht: Friedrich
Silcher!
Das Gemälde aus dem 19. Jahrhundert in Großformat hängt außen an der Wand des
neueren Teils des Museums und Silcher sieht jung genug darauf aus, dass er noch
den Dorfschulmeisterposten innehaben könnte - oder war er schon Musikdirektor an
der Universität Tübingen - ?
Es ist ein Ausschnitt aus dem sogenannten „Hochzeitsbild“, gemalt um 1822 von
Christoph Friedrich Dörr, Silcher war da Anfang dreißig und schon fünf Jahre
Musikdirektor der Universität Tübingen. Seine Frau Luise war erst 17 Jahre alt, doch
sie sehe ich nicht: Der Ausschnitt an der Fassade zeigt nur den jungen Ehemann doch was hat er seiner Luise für Lieder komponiert, - schwäbische Lieder:
Mei Mädle hot e G’sichtle
als wie ne Roseblatt
und hot e Haut wie Sammet
wie koine in der Stadt;
mei Mädle hot e Herzle,
des könnt net lieber sei,
und wenn i brav bin, schreibt se
mi in ihr Herzle nei...
Musik 4
Friedrich Silcher
1´00 <36>
„Mei Maidle hot e G’sichtle“
Cornelius Hauptmann, Bass
Klaus Melber, Klavier
M0335853 036
CARUS 83.143, LC3989
„Mei Mädle hot e G’sichtle“ von Friedrich Silcher,
Cornelius Hauptmann, sang die Zeilen des Verliebten und am Klavier begleitet hat
ihn Klaus Melber.
6
Ich komme im Winter nach Schnait - da ist das Museum eigentlich geschlossen,
doch die Museologin Elisabeth Hardtke, die das Haus seit vergangenem Jahr leitet,
öffnet gerne. Sie hat es auch nicht weit:
Als Kustodin wohnt sie mit ihrer Familie gleich mit im Haus - sozusagen Tür an Tür
mit Silcher.
Der erste Eindruck ist ein großzügiges Treppenhaus, weiße Wände und viel Holz: Ich
stehe im Anbau, gebaut Anfang der 90er Jahre. Zur Rechten, im Erdgeschoss des
alten Hauses, ist die jeweilige Wechselausstellung untergebracht. Zur Linken die
üblichen Garderobenräume, der private Teil des Hauses - und ein Tisch mit
Informationsmaterial:
Prospekte vom Silcher-Museum liegen da, von verschiedenen Veranstaltungen oder
eben Sonderausstellungen wie der laufenden „Lied, Lyrics und Wein - Silchers Lieder
und ihre Dichter“, und da liegen noch verschiedene Ausgaben einer Zeitung und eine
Aufforderung - gedruckt auf Stapel von Postkarten:
Die Zeitung trägt den Titel „Singen“ und wird vom Schwäbischen Chorverband
herausgegeben. Und die Aufforderung lautet genau gleich - jetzt allerdings mit
Ausrufungszeichen versehen:
Musik 5
„Singen!“
Friedrich Silcher
2´50 <10>
„Ännchen von Tharau“ (Simon Dach)
Camerata Musica Limburg
Ltg. Jan Schumacher
GEN 89138, LC12029
„Ännchen von Tharau“ von Simon Dach, für Männerchor von Friedrich Silcher, hier
gesungen von der Camerata Musica Limburg, die Leitung hatte Jan Schumacher.
Unter dem Motto „Schwäbische Leidenschaften“ hat sich der Schwäbische
Chorverband eine witzige Postkarten-Reihe einfallen lassen:
Ins Auge springen die Fotos: eine Brezel, eine Kehrschaufel und ein Teller mit
„Spätzle und Linse und Saidewürscht’“ (hot mei Oma handg’schabt und i hans immer
gern gesse!) und die vierte Leidenschaft der Schwaben steht als Aufforderung unter
dem jeweiligen Bild: „Singen!“
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Und jetzt weiß ich auch, wer der Hausherr hier im Silcher-Museum ist:
der Schwäbische Chorverband, er hat das Museum 1912 gegründet.
Viele der unzähligen Liederkränze und Chöre, die im 19. Jahrhundert in Schwaben
gegründet worden sind, gehen zurück auf Silchers Initiative, das Singen unters Volk
zu bringen.
Hier im Treppenhaus hängt beispielsweise die Fahne des „Liederkranzes Sulzbach“
von 1842 mit einem Engel, der schwebend die Leier zupft und hingebungsvoll singt.
Und oben unterm Dach ist eine große Ausstellung zur Geschichte des Schwäbischen
Sängerbundes zu sehen.
Und das ist jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt, um noch einmal zurück zu spulen und
ein zweites Mal hier im Silcher-Museum anzukommen, dieses Mal jedoch von der
anderen Seite, hinter der Kirche und unterhalb des jetzigen Eingangs.
Wenn ich von dieser Seite ankomme, dann stehe ich vor der alten Schnaiter
Dorfschule: Ein gut erhaltenes, pfleglich restauriertes Fachwerkhaus, die grünen
Fensterläden passend zum roten Fachwerk. Die Fenster haben noch die alte
Aufteilung mit vielen kleinen Scheiben - das Haus steht für eine andere Zeit. Mit der
Kirche nebendran ergibt sich ein natürlicher Innenhof, nach alten Zeugnissen haben
sich hier früher an lauen Sommerabenden die Dorfbewohner getroffen, um
gemeinsam zu singen und ihr Viertele zu trinken - pardon: „ze schlotze“!
Musik 6
Friedrich Silcher
2`26 <11>
„Der Wirtin Töchterlein“
SWR Vokalensemble Stuttgart
Ltg. Rupert Huber
M0084168 011
CARUS 83.322, LC3989
„Der Wirtin Töchterlein“ von Friedrich Silcher, Rupert Huber hat das SWR
Vokalensemble Stuttgart geleitet.
Die alte Schnaiter Schule ist Silchers Geburtshaus, hier ist er 1789 auf die Welt
gekommen, da war sein Vater bereits seit einigen Jahren der hiesige
Dorfschulmeister.
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Wenn ich die alte Haustür rechts liegen lasse und wieder den heutigen Eingang
nehme, in den ersten Stock hinaufgehe und mich zum Altbau wende, dann komme
ich direkt in die alten Wohnräume der Familie Silcher: ein Blick in die Küche, einen in
die Kinderstube, dann in die Wohnstube mit dem wunderbaren gusseisernen Ofen
von 1778, einem grünen Bauernschrank, Tisch und Stühlen, einer Wanduhr.
Die meisten Möbel sind nicht original von der Familie Silcher, doch die ehemalige
Lehrerwohnung ist so eingerichtet, wie es bei Dorfschulmeistern um 1800 üblich war.
Einen Raum weiter stehen wir in Silchers Geburtszimmer: Das Tafelklavier an der
Wand - gebaut um 1805 - ist eines seiner Lieblingsklaviere gewesen, an dem er viel
gesessen hat. - Friedrich Silcher übrigens hat nicht nur Volkslieder gesammelt,
bearbeitet und komponiert, er hat auch Variationsreihen über Melodien geschrieben,
auch über das Lied: „In einem kühlen Grunde“:
Musik 7
Friedrich Silcher
4´55 <10>
Variationen für das Pianoforte über das Volkslied:
„In einem kühlen Grunde“
Susan Wenckus, Klavier
CARUS 83.322, LC3989
Variationen über das Volkslied: „In einem kühlen Grunde“ von Friedrich Silcher,
gespielt von Susan Wenckus.
Der Sohn des Dorfschulmeisters sollte in die Fußstapfen des Vaters und des
Stiefvaters treten: Der Vater war plötzlich gestorben, als Friedrich sechs war; die
Mutter, die mehr Kinder zu versorgen hatte, heiratet jetzt den Nachfolger ihres
Mannes, Heinrich Weegmann, - so ist sie versorgt und kann sogar im Schulhaus
wohnen bleiben.
Friedrich hatte das Glück, dass sein musikalisches Talent früh erkannt und gefördert
wurde. Er macht also die Ausbildung zum Lehrer und kehrt dann zunächst nach
Schnait zurück als „begabter und gebildeter Jüngling, der ein treffliches
musikalisches Talent hat“ (wie es in einer Beurteilung heißt) und unterstützt eine
Weile den Stiefvater.
Doch lange bleibt Silcher nicht in Schnait, seine Wanderjahre beginnen - Fellbach,
Schorndorf, Ludwigsburg - und die Jahre der schwierigen Entscheidung, ob er sich
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ganz dem Lehrberuf verschreiben soll oder doch Musiker werden will. Den Ausschlag
gibt die Begegnung mit zwei Komponisten: Silcher studiert Klavier und Komposition
bei Conradin Kreutzer und bei Johann Nepomuk Hummel:
Musik 8
Johann Nepomuk Hummel
4´45
„Rondo all’Ungharese“ op.107 Nr.6
Howard Shelley, Klavier
M0013872 015
Howard Shelley mit dem „Rondo all’Ungharese“ op.107 Nr. 6 von Johann Nepomuk
Hummel.
Letztlich hat Friedrich Silcher die Synthese seiner beiden Leidenschaften
gefunden: Nur wenige Jahre nach seiner Entscheidung für eine freie
Musikerlaufbahn wird er an die Universität Tübingen berufen als erster Musikdirektor,
und hier bleibt er von 1817 bis zu seinem Tod 1860.
Damit hat er einen enormen Weg zurückgelegt: vom Sohn eines Dorfschullehrers bis
zum Universitätsprofessor, von den engen Räumen des Schulhauses in Schnait in
ein großzügiges Haus in Tübingen.
Vielleicht aber wichtiger als die Stellung war die Tatsache, dass er hier seine
Begeisterung für den Lehrberuf mit seiner Leidenschaft für Musik verbinden konnte:
Seine Lebensaufgabe hat Silcher in der musikalischen Erziehung der Gesellschaft
gesehen. Pestalozzi mag hier Pate gestanden haben mit seiner Idee, Musik und
Gesang als „wichtigstes Mittel zur sittlichen Veredelung und wahren Bildung des
Menschen“ einzusetzen.
Silcher hat sich dieser Aufgabe angenommen, indem er mehr als 300 Volkslieder
gesammelt, bearbeitet oder selbst komponiert hat.
Er schreibt dazu:
„Ich habe seit geraumer Zeit angefangen, die besten, alten Volkslieder mit
ihren Melodien, theils aus dem Wunderhorn, Herder u. andern Sammlungen,
theils aus dem Munde des Volks selbst, u. zwar nicht ohne große Mühe, zu
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sammeln, um auch dieses Bedürfnis, das sich überall laut ausspricht, so zu
befriedigen, wie es bis jetzt noch nicht geschehen ist, nämlich die Melodien
dem Volke, jetzt wieder veredelt, 4stimmig u. zwar ebenso einfach in ihren
Mittelstimmen zu geben.
Daß ich mich hinsichtlich der Wirkung derselben nicht getäuscht habe,
beweist der Enthusiasmus, mit welchem diese Lieder, so oft ich sie
bis jetzt habe singen lassen, von den Gebildetsten sowohl als von den
untern Volksklassen, aufgenommen worden sind.“
(soweit Silcher)
Musik 9
Friedrich Silcher
3`48 <18>
Soviel Stern am Himmel stehen
Singer Pur
OC 824, LC 12424
„Soviel Stern am Himmel stehn“ - ein Gedicht aus „Des Knaben Wunderhorn“ hier in
der Vertonung von Friedrich Silcher und gesungen vom Ensemble „Singer pur“.
Wenn man die Räume der ehemaligen Dorflehrerwohnung gesehen hat, geht es
hinüber in den neuen Teil des Hauses - das eigentliche Silcher-Museum: die Größe
dieses Raums hier im Neubau lässt noch einmal die Enge der Wohnstuben
nachempfinden.
Auch in diesem modernen Ausstellungsraum stehen Möbel: Diese hier stammen aus
Silchers Nachlass und der andere Stil verdeutlicht noch einmal Silchers Laufbahn:
vom Dorf in die Stadt, vom Dorflehrer zum Universitätsprofessor - hier stehen ein
Sekretär, ein runder Tisch, das gestreifte Biedermeier-Sofa - und ein weiteres
Klavier: Ab und zu werden hier, im großen Silcher-Saal, kleinere Konzerte gegeben.
Zahlreiche Dokumente und Gegenstände aus Silchers Besitz veranschaulichen seine
Geschichte, Schautafeln führen uns durch die Lebensstationen des Komponisten
und durch sein breit gefächertes Werk:
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Da liegt sein Taktstock aus Gold und Elfenbein von 1855, und da stehen silberne
Pokale und ein Glöckchen mit einem Griff in Form einer Lyra - die Ehrengabe eines
Liederkranzes. - Ob der Chorleiter Silcher damit seine Sänger und Sängerinnen zur
Ruhe gerufen hat? Akustische Beispiele für gelungene Chorinterpretationen
jedenfalls gibt es auch.
Noch ein Stockwerk höher zeigt im neuen Teil (wie erwähnt) der Schwäbischen
Chorverband seine eigene Geschichte: Die beginnt mit der Gründung der ersten
„Liederkränze“ um 1810, erzählt von den frühesten deutschen Sängerfesten, die ab
1827 in Württemberg veranstaltet worden sind und führt über den Zusammenschluss
der Sängervereine zum Schwäbischen Chorverband im Revolutionsjahr 1849 und
weiter bis in die Gegenwart.
Drüben im Altbau, über der Lehrerwohnung, wird u.a. noch von der Rezeption
Silchers erzählt. In einer Vitrine sind Plattencover von alten Singles zu sehen und ich
bin überrascht, wer alles Silcher-Lieder gesungen hat:
Eines seiner bekanntesten Lieder beispielsweise haben Marilyn Monroe und Elvis
Presley aufgenommen: Der singt zwar auf Englisch von einem „Wooden Heart“ doch Sie werden es trotzdem sofort erkennen:
Musik 10
Volkslied
2´03
Weisman, Benjamin/Kaempfert, Bert
„Wooden heart“ (Muss i dennzum Städtele hinaus)
Elvis Presley 00316
Ltg. Jan Schumacher
M0393872 01-040
„Please don’t break my heart in two“ - Elvis Presley mit „Wooden Heart“ bzw. „Muss i
denn, muss i denn zum Städtele hinaus“.
Presley hat dieses Lied in dem Film „G.I. Blues“ von 1960 gesungen, in dem er in
einer Szene in ein Puppentheater schlüpft und zur Puppe Grete einen äußerst
charmanten Hans gibt und selber singt.
Gerade solche bekannten Melodien haben immer wieder Komponisten dazu
eingeladen, sie zu parodieren, so wie den Wiener Geiger und Komponisten Moritz
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Kässmeyer. In einem Lexikon wird Kässmeyer „gediegene Satztechnik und eine
stark humoristisch-parodistische Ader“ zugeschrieben.
In seiner Version von „Muss i denn zum Städtele hinaus“ für Streichquartett ist das
ein oder andere Instrument denn auch gern mal vorlaut:
Musik 11
Moritz Kässmeyer
3´00 <8>
Abschied
„Muss i denn zum Städtele hinaus“
Leipziger Streichquartett
MDG, LC12029
Das Leipziger Streichquartett spielte die Bearbeitung des Volkslieds
„Muss i denn zum Städtele hinaus“ von Moritz Kässmeyer.
Und ich muss jetzt allmählich ‚zum Friedrich Silcher Museum in Schnait hinaus’ - die
Museumstour dieser Woche nähert sich ihrem Ende.
Die Vielfältigkeit der einzelnen Häuser hat mich - trotz des Wissens, dass sie
individuell geführt werden - überrascht, und auch wenn man manche Museen virtuell
besuchen kann, dann ersetzt das doch in keiner Weise den wirklichen Besuch: Es
fehlt dann das Knarren der Stufen, der Geruch eines Hauses, der Blick aus dem
Fenster, - das, was man Atmosphäre und neudeutsch ‚authentisch’ nennt.
Und es fehlt das Erkunden der Umgebung: Am Silcher-Museum vorbei führt
beispielsweise ein Liederweg in die Weinberge von Schnait: In regelmäßigen
Abständen stehen da Liedertafeln, auf denen die Texte zulesen sind. Und da die
meisten Melodien bekannt sind, die Texte häufig nicht, kann man hier innehalten und
wirklich singen - Silcher hätte vermutlich seine Freude daran gehabt!
Übrigens gibt es eine Rebsorte, die den Namen des Komponisten trägt, sie ist noch
gar nicht so alt: ‚Silcher’ ist eine Kreuzung zwischen Kerner und Silvaner, die 1951
an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau gezüchtet
worden ist. Der Wein des Silcher wird als fruchtig und harmonisch beschrieben und
angebaut wird er natürlich in Württemberg.
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Aus diesem Museum komme ich also mit unzähligen Liedern im Ohr, mit einer
Flasche Wein unterm Arm und auch durchaus neuem Respekt für diesen
Komponisten, der übrigens nicht nur Lieder und Chorsätze geschrieben und
herausgegeben hat: Seine zwei Ouvertüren für Orchester beispielweise kennt kaum
jemand.
Friedrich Silcher ist immer wieder gerne nach Schnaidt zurück hierher gekommen.
In einem Brief an seine Schwiegermutter schreibt er im Frühjahr 1825:
„Vor einer Stunde sind wir vergnügt hier angekommen.
Die Luise hat sogleich ihre Geschäftigkeiten hervorgesucht,
Baumwollgarn abgehaspelt und - was weiß ich - ich habe ein Stück
Apfelkuchen zu mir genommen.
Die Schnaither Schwestern haben alles nett hergerichtet.
Morgen wollen wir übrigens erst anfangen, in unserem Blütenthal recht
eigentlich das Landleben zu genießen. Ich werde mit Luise am
Forellenbach hinauf durch das herrliche Thälchen ziehen, bis wir an
einen lieblichen Hügel kommen, wo sie ihre Veilchen findet und ich das
Schillersche Sprüchlein aus der ‚Johanna von Orleans’ beten muß:
‚Ihr Plätze aller meiner stillen Freuden’.
Ich denk, die Luise wird gern hier sein.“
Musik 12
Friedrich Silcher
6´00 <1>
Ouvertüre in Es-dur
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart
Ltg. Rupert Huber
CARUS 83.322, LC3989
Die Musikstunde geht zu Ende mit der Ouvertüre in Es-Dur von Friedrich Silcher.
Rupert Hubert hat das SWR Sinfonieorchester Stuttgart geleitet.
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Und damit geht auch unsere Tour zu „Musiker-Museen im Lande“ zu Ende, doch das
Wochenende steht vor der Tür, - vielleicht haben Sie Interesse, die Dinge selbst
noch einmal in Augenschein zu nehmen und machen sich auf den Weg ?
Wie immer finden Sie die Manuskripte zu den Sendungen im Netz auf der Homepage
von SWR2, und da finden Sie auch die Sendungen zum Nachhören, sie stehen
jeweils sieben Tage online.