Merkblatt Friedensrichter Friedensrichter sind in der Schweiz seit über 200 Jahren die erste Anlaufstelle der Justiz im Falle von Zivilstreitigkeiten. Sie werden auch Vermittler, Gemeinderichter oder Schlichtungsbehörden genannt. Das Ziel der Friedensrichter ist es, die Parteien bereits vor einem Prozess auszusöhnen, um den seelisch-geistigen Aufwand und die Kosten beider zu sparen. Ein ganzes Verfahren bei Friedensrichtern dauert kaum länger als zwei Monate und die Wartezeiten im Voraus sind kurz. Sie versuchen in Vermittlungsgesprächen Streitsituationen zu schlichten und vertreten oder beraten weder die eine noch die andere Partei. Somit nehmen sie eine neutrale, unabhängige Grundhaltung ein, wobei sie unter amtlicher Schweigepflicht stehen. Friedensrichter unterstehen einer Aufsichtsbehörde und werden regelmässig kontrolliert. Auch die Gebühren der vorgerichtlichen Streitbeilegung werden von kantonalen Gerichtsbehörden festgelegt und sind äusserst kostengünstig. Friedensrichter arbeiten nachhaltig und effizient und können so 50 – 70 % aller Streitfälle bereits auf ihrer eigenen Stufe abschliessend erledigen. Auf Wunsch der klagenden Parteien dürfen sie über zivilrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 2‘000.- selbst entscheiden. Bis zu einem Streitwert von CHF 5‘000.- dürfen Friedensrichter beiden Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten. Friedensrichter erteilen auch Auskünfte über Fragen, die das Vorgehen bei Schlichtungsgesuchen, Begehren etc. betreffen. Zuständigkeiten Friedensrichter sind laut Art. 198 ZPO nicht zuständig für folgende Schlichtungsverhandlungen: Summarisches Verfahren Klage über den Personenstand Im Scheidungsverfahren Im Verfahren zur Auflösung der eingetragenen Partnerschaft Bei bestimmten Klagen aus dem SchKG Bei Streitigkeiten, für die nach den Art. 5 und 6 ZPO nur eine kantonale Instanz zuständig ist Bei Hauptintervention, Widerklage und Streitverkündungsklage Wenn das Gericht Frist für eine Klage setzt (z.B. Bauhandwerkerpfandrechte) Art. 200 ZPO: Für Forderungen aus Miet- und Pachtverhältnissen sind paritätische Schlichtungsbehörden zuständig. Auch für Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz bestehen besondere, paritätisch besetzte Schlichtungsbehörden. Für Ehrverletzungen sind seit der Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung die Strafverfolgungsbehörden zuständig. Obligatorische Schlichtungsverhandlungen Soweit nichts anderes bestimmt ist, führen Friedensrichter laut Art. 197 ZPO in allen zivilrechtlichen Streitigkeiten eine obligatorische Schlichtungsverhandlung durch, wie zum Beispiel bei: Forderungsklagen / Konsumentenstreitigkeiten (Streitigkeiten aus privaten und geschäftlichen Beziehungen aus Kaufvertrag, Auftrag, Werkvertrag etc. Arbeitsrechtlichen Klagen (Lohnzahlung, Überzeit, Kündigung, Arbeitszeugnisse etc.) Klagen aus Motorfahrzeug- und Fahrradunfällen Stockwerkeigentümer-Streitigkeiten Klagen aus unerlaubter Handlung und ungerechtfertigter Bereicherung Unterhaltsklagen aus Familienrecht, erbrechtlichen Klagen (Testamentsanfechtungen, Erbteilungen etc.) Nachbarschaftsklagen (wegen Lärm, Sträuchern, Bäumen und Bauten etc.) Persönlichkeitsverletzungen Bestimmten Klagen im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) (Beseitigung des Rechtsvorschlages im ordentlichen Verfahren, Rückforderungen nach Art. 86 SchKG) Verzicht auf Schlichtungsverfahren Auf ein Schlichtungsverfahren kann in folgenden Fällen verzichtet werden: Gemeinsamer Verzicht gemäss Art. 199 ZPO bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Streitwert von mind. CHF 100‘000.Einseitiger Verzicht der klagenden Partei bei Wohnsitz der beklagten Partei im Ausland Einseitiger Verzicht der klagenden Partei bei unbekanntem Wohnsitz der beklagten Partei Örtliche Zuständigkeiten Je nach Fall muss man sich an einen Friedensrichter aus einem anderen Ort wenden: Allgemeiner Gerichtsstand: Wohnsitz der beklagten Partei: Soweit nicht ein besonderer oder alternativer Gerichtsstand gegeben ist, sind Klagen am Wohnsitz des Beklagten – gegen juristische Personen an deren Sitz – zu erheben. Arbeitsrechtliche Klagen können ausser am Wohnsitz des Beklagten auch am Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, eingeleitet werden. Konsumentenrechtliche Klagen können ausser am Wohnsitz des Beklagten vom Konsumenten (nicht aber vom Unternehmer) auch am eigenen Wohnsitz eingeleitet werden. Für familienrechtliche Klagen ist zwingend das Gericht am Wohnsitz einer Partei zuständig. Erbrechtliche Klagen sind am Ort des letzten Wohnsitzes des Erblassers zu erheben. Sachenrechtliche Klagen: Für dingliche Rechte an Grundstücken, Pfandrechte sowie gegen die Gemeinschaft des Stockwerkeigentümers sind die Gerichte am Ort der gelegenen Sache zuständig. Gerichtsstandsvereinbarungen können die Parteien abschliessen, soweit nicht zwingende Gerichtsstandsvorschriften entgegenstehen. Adressen, Kontakte und zusätzliche Informationen und Formulare zur Einleitung einer Schlichtungsverhandlung, insbesondere das Formular «Schlichtungsgesuch nach Art. 202 ZPO», können unter www.svfv.ch abgerufen werden.
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