Jauchegrube_Fall

Jauchegrube-Fall
Nach einer Auseinandersetzung würgt die B die O, wobei sie den Tod der O in Kauf nahm. Danach
wollte sie die Spuren der Tat beseitigen und warf die O in eine Jauchegrube. Tatsächlich lebte B zu
diesem Zeitpunkt noch und ertrank erst in der Jauche.
Wie hat sich die B strafbar gemacht?
LÖSUNGSVORSCHLAG:
I.
Nach § 212 StGB1 durch Würgen der O
B könnte sich dadurch, dass sie die O würgte und ihr Sand in den Mund steckte wegen
Totschlags nach § 212 strafbar gemacht haben.
1) Objektiver Tatbestand
O ist tot, der tatbestandliche Erfolg ist somit eingetreten. Für den Tod der O müsste
die Handlung der B, das Würgen, kausal gewesen sein (ungeschriebenes TBM). Die
Kausalität wird nach h.M. mithilfe der Äquivalenztheorie bestimmt. Danach ist eine
solche Handlung kausal, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg
in seiner konkreten Gestalt entfiele. Hätte B die O vorliegend nicht gewürgt, wäre O
anschließend nicht regungslos gewesen, von B nicht für tot gehalten und als
vermeintlich Tote in der Grube versenkt worden. Die Handlung der B war somit
kausal für den Tod der O.
Fraglich ist allerdings die objektive Zurechenbarkeit. Objektiv zurechenbar ist ein
Erfolg, wenn der Täter mit seiner Handlung eine rechtlich missbilligte Gefahr
geschaffen hat und diese sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat.
B hat durch das Würgen der O zweifellos eine rechtlich missbilligte Gefahr
geschaffen, da sie die Rechtsgüter der O verletzte.
Die von B verursachte Gefahr müsste sich des Weiteren jedoch im Erfolg, dem Tod
der O, realisiert haben. Zweifelhaft ist, ob vorliegend der Schutzzweck der Norm
erfüllt ist. Man könnte annehmen, dass der TB von § 212 die B vom Würgen der O
abhalten soll, damit die B sich danach nicht pflichtwidrig verhält. Der Gesetzgeber
würde insofern Handlungen, die zum Tod führen können, auch deshalb verbieten,
weil bei einer späteren Beseitigung der vermeintlichen Leiche das in Wirklichkeit
noch lebende Opfer getötet werden könnte. Andererseits könnte man ebenso
annehmen, dass ein Handlungsverbot nicht vor einem eigenen pflichtwidrigen
Anschlussverhalten schützen soll. Danach wäre das Verhalten von B nicht vom
Schutzzweck von § 212 erfasst und damit würde die objektive Zurechnung entfallen.
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Alle folgenden §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des StGB.
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Es könnte weiter ein atypischer Kausalverlauf (denn es ist nicht die typische Gefahr
des Würgens, dass jmd. ertrinkt) angenommen werden. Allerdings liegt es nicht völlig
außerhalb der Lebenserfahrung, dass ein Laie nicht zwischen einem bewusstlosen
Menschen und einer Leiche unterscheiden kann. Es ist durchaus lebensnah
anzunehmen, dass die Tötungshandlung nicht zum Erfolg geführt hat und erst durch
die Beseitigung der Tod eintreten würde.
Um eine möglichst differenzierte Lösung für den Einzelfall herauszuarbeiten, ist es
am sinnvollsten darauf abzustellen, ob die Opferbeseitigung – wie hier – von
vornherein geplant war. Dann wäre ein Risikozusammenhang zu bejahen und es
hätte sich gerade die Gefahr des Würgens im konkreten Erfolg (Tod) realisiert.
Bezüglich des Schutzzweckzusammenhangs lässt sich sagen, dass ein
gefahrbegründetes Verhalten (hier: Würgen) in bestimmten Fällen ein
Anschlussverhalten erfordern kann (hier: Opferbeseitigung), welches seinerseits
besondere Risiken birgt, die allerdings noch in einem hinreichend engen
Zusammenhang mit der Ausgangshandlung stehen. Folglich würde die Norm auch vor
derartigen Handlungen schützen.
Die h.M. bejaht die objektive Zurechnung, weil der Täter die Gefahr einer
irrtümlichen Annahme des Todes und der daraus resultierenden tatsächlich tödlichen
Verdeckungshandlung schon durch das Würgen mitgeschaffen hat, zumal nicht nur
die Verwechslung von Bewusstlosigkeit und Tod, sondern auch die einer Tötung
nachfolgende Beseitigung der (vermeintlichen) Leiche durchaus noch als typisch
bezeichnet werden kann.
Es liegt hier also kein atypischer Kausalverlauf vor und auch der Schutzzweck der
Norm ist gegeben. Somit ist der objektive TB von § 212 zu bejahen.
2) Subjektiver Tatbestand
B müsste vorsätzlich bzgl. aller objektiven TBM gehandelt haben. Fraglich ist hier, ob
eine für den Vorsatz beachtliche wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf vorlag.
B handelte mit bedingtem Tötungsvorsatz, als sie die O würgte. Als sie das Opfer
später beseitigen wollte, nahm sie irrig an, dass dieses bereits tot war. Es könnte
diesbezüglich also ein Tatbestandsirrtum (Irrtum über den Kausalverlauf; denn die
Kausalität gehört auch zum objektiven Tatbestand) gem. § 16 I vorliegen.
Dass die O vorliegend nicht sofort starb, nachdem sie gewürgt worden war, sondern
erst später (wohl auch aufgrund ihrer Schwächung) ertrank, war nach Lage des Falles
und nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbar, zumal B lediglich dann, als die
O sich nicht mehr rührte, den Tod für eingetreten ansah und keine weiteren
Untersuchungen anstellte, etwa nicht prüfte, ob die O nach atmet o.ä.. Dass es
insoweit zu einer Fehlbeurteilung kommen konnte war nicht unvorhersehbar.
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Insgesamt ist also von einer unwesentlichen Abweichung hinsichtlich der Vorstellung
der B und dem tatsächlichen Kausalverlauf auszugehen. Mithin scheidet ein Irrtum
nach § 16 I aus und der Vorsatz ist zu bejahen.
3) Rechtswidrigkeit/Schuld
Die Rechtswidrigkeit der Tat liegt unproblematisch vor, ebenso unzweifelhaft ist die
Schuldfähigkeit der B.
II.
Ergebnis
B hat sich aufgrund des Würgens und der anschließenden Opferbeseitigung in der
Jauchegrube wegen Totschlags nach § 212 I strafbar gemacht.
Die durch das Würgen mit verwirklichte gefährliche Körperverletzung nach §§ 223 I, 224 I
Nr. 5 tritt hinter der vollendeten Tötung subsidiär zurück.
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