Tragödien in Öl Die Gemälde des Malers Sejar Bekirow W o genau liegt eigentlich Usbekistan? Richtig, in Zentralasien, zwischen dem vom Austrocknen bedrohten Aralsee im Westen und dem fruchtbaren Ferghanatal im Osten. Wer aber in der Bundesrepublik Deutschland ein wenig Usbekistan erleben möchte, der braucht keine Tausende von Kilometer weit zu fliegen – der findet es nämlich auch mitten im Ruhrgebiet, in Herne, im „Café Taschkent“ in der Bahnhofstraße. Und während man dort zu usbekischen Klängen eine Portion Tschutschwara – mit Fleisch gefüllte Teigtaschen – verspeist, betrachtet man in Ruhe die großformatigen Wandgemälde. Diese zeigen romantische Szenen aus Usbekistan: eine mit blauen Kuppelbauten geschmückte Stadt in der Steppe und friedliche Küstenlandschaften im Großformat. Der Künstler Sejar Bekirow brachte die Landschaften auf die Wände das „Café Taschkent“ – und damit auch ein Stück Erinnerung an seine Heimat. Sein Pinsel zieht mittlerweile seine ganz eigenen Spuren durch Herne, wo er Der Todeskampf der „Bismarck“: Sejar Bekirow will damit an die 1.947 deutschen Matrosen erinnern, die während der Seeschlacht gefallen sind. 70 Deutsche Militärzeitschrift Nr. 66 seit 1993 lebt. Er gestaltet Schwimmhallen, Hausfassaden und hat die Mal- und Lackierarbeiten bei der Erweiterung und Renovierung der Herner Christuskirche geleitet. Leidenschaft für die deutsche Kriegsmarine Der 47jährige Kunstmaler hat aber noch eine ganz andere Leidenschaft: Militär- und Marinegeschichte, vor allem die deutsche. Dieser widmet er sich seit Jahren und produziert beeindruckende Gemälde, die er nun in der DMZ erstmals einem größeren Publikum präsentiert. Vor allem die deutsche U-Boot-Waffe des Zweiten Weltkrieges hat es dem usbekischen Künstler angetan. Kraftvoll durchbrechen auf seinen Werken die deutschen Stahlkolosse die Wellen des Atlantiks. „Mich interessieren vor allem die Geschichten hinter den Motiven“, sagt Bekirow im Gespräch mit der DMZ. So brachte er etwa das Boot U 309 auf die Leinwand, welches nach insgesamt elf Feindfahrten am 16. Februar 1945 nahe dem schottischen Moray Firth unter der Wucht britischer Wasserbomben zum stählernen Sarg für die gesamte Besatzung wurde. Ein anderes deutsches U-Boot, dessen Schicksal Bekirow anrührte, war U 571, welches auf elf Feindfahrten 13 feindliche Schiffe versenken konnte. Am 28. Januar 1944 wurde es westlich von Irland von Wasserbomben eines Short Sunderland-Flugbootes der 461. Squadron der Royal Australien Airforce getroffen und sank. Die 52köpfige Besatzung konnte sich zwar aus dem U-Boot retten, ertrank aber im kalten Wasser. Zuvor hatte das Boot keine Gefallenen zu verzeichnen gehabt. Der lauernde Tod: Die „Wilhelm Gustloff“ unmittelbar vor ihrer Versenkung Die zerstörte deutsche Flotte als Inspiration „Fast die gesamte deutsche Flotte wurde damals zerstört“, sagt Bekirow. „Daran will ich mit meinen Bildern erinnern – und an die vielen noch jungen deutschen Marinesoldaten, die damals gefallen sind. Sie sind heute so gut wie vergessen.“ Ohne Frage, mit seinen Gemälden leistet der in der früheren Sowjetunion geborene Künstler mehr Erinnerungsarbeit als so manche halbherzig abgehaltene Gedenkveranstaltung in der Bundesrepublik Deutschland. Bekirow versteht es meisterlich, seine Motive mit einer subtilen Spannung aufzuladen. So zeigt er das Aufeinandertreffen des britischen Schlachtschiffes HMS „Royal Oak“ und des deutschen U-Bootes U 47 von Kapitänleutnant Günther Prien unmittelbar vor der Versenkung des britischen Kolosses durch zwei Torpedotreffer. Prien war es zuvor gelungen, in den als uneinnehmbar geltenden Hafen der britischen Heimatflotte in Scapa Flow einzudringen. Für diesen Husarenstreich erhielt Kapitänleutnant Prien als erster Soldat der deutschen U-Boot-Waffe das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verliehen. Ein anderes Bild zeigt – ebenfalls von einem gespenstisch anmutenden Frieden umgeben – das deutsche Schlachtschiff „Bismarck“ auf seiner ersten und zugleich letzten Fahrt. Die als das größte und kampfstärkste Schlachtschiff der Welt geltende „Bismarck“ wurde bereits wenige Monate nach ihrer Indienststellung am 27. Mai 1941 von zwei britischen Schlachtschiffen ver- Deutsche Militärzeitschrift Nr. 66 Sejar Bekirow begeistert sich auch für die moderne Luftwaffe: Eine Mig 1.44 im Flug Gespenstische Perspektive des Feindes: Das sinkende Flüchtlingsschiff „Steuben“ 71 senkt und zog 1.947 deutsche Matrosen mit in ihr kühles Grab in den Atlantik. Auch den Todeskampf der „Bismarck“ brachte Bekirow auf die Leinwand. Das Bild zeigt das Schlachtschiff mit zerfetzter Kriegsflagge und unter feindlichem Beschuß stehend – und dennoch trotzig und wehrhaft. Nur zwei Wochen später, am 10. Februar 1945, versenkte S 13 mit der „Steuben“ ein weiteres deutsches Flüchtlingsschiff. Hierbei kamen mehr als 4.000 Menschen ums Leben. Bekirow widmete auch dieser Katastrophe ein Bild; den Betrachter läßt er hierbei den Untergang der „Steuben“ durch das Periskop von U-Boot-Kapitän Die Versenkung der Marinesko beobachten. „Wilhelm Gustloff“ Aber auch mit Tragödien Die bislang größte Katader jüngsten Vergangenheit, strophe der Seefahrt, die Verwie beispielsweise dem UnDer 47jährige Künstler Sejar Bekirow aus Usbekistan senkung der „Wilhelm Gusttergang des russischen Atombegeistert sich schon seit seiner Kindheit für die loff“, bringt Bekirow besonU-Bootes „Kursk“ im Jahre deutsche Kriegsmarine. ders gespenstisch auf die 2000, beschäftigt sich BekiLeinwand. Der ehemalige deutsche KdF-Ausflugsdampfer, row in seinem Atelier. „Jedes Schiff ist für mich eine Perder im letzten Kriegsjahr Flüchtlinge von Ostpreußen nach sönlichkeit mit seinem ganz eigenen, individuellen Kiel bringen sollte, wurde am 30. Januar 1945 von dem Schicksal: Geburt, Dienst und Lebensende“, sagt Bekirow sowjetischen U-Boot S 13 unter Kapitän Alexander Maim Gespräch mit der DMZ. Und es ist ihm ernst damit. rinesko versenkt, mehr als 9.000 Menschen kamen hierbei ums Leben. Auf Bekirows Gemälde fährt die „Wilhelm MANUEL OCHSENREITER Gustloff“ friedlich über die Ostsee, hinter ihr baut sich ein Alle gezeigten Bilder und noch viele mehr können bei Sejar Bekirow käuflich geradezu zynisch wirkender Postkartenhimmel auf, wäherworben werden. Den Kontakt stellt Ihnen bei Interesse gerne die DMZ-Redaktion her. rend vor dem Schiff mit S 13 bereits der Tod lauert. Das deutsche U-Boot U 47 vor dem Angriff: Bekirow versteht es, seine Bilder mit einer einzigartigen Spannung aufzuladen. 72 Das Wrack der „Kursk“: Das Schicksal des im Jahre 2000 gesunkenen russischen U-Bootes beschäftigt Bekirow nach wie vor. Deutsche Militärzeitschrift Nr. 66
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