Vernehmlassung Revision IPV

Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich
zhv. Dr. Christian Schumacher
Stampfenbachstrasse 30
8090 Zürich
Vorauskopie per E-Mail an:
[email protected]
Zürich, 7. Oktober 2015
Stellungnahme zur Vernehmlassung zur Optimierung des
Prämienverbilligungssystems
Sehr geehrter Herr Schumacher,
Sehr geehrte Damen und Herren
Die Alternative Liste AL bedankt sich für die Einladung zur Vernehmlassung über die Optimierung des Prämienverbilligungssystems. Gerne nimmt die AL zu den vorgeschlagenen Änderungen des Einführungsgesetzes
zum Krankenversicherungs-Gesetz (EG KVG) wie folgt Stellung:
A. Allgemeine Bemerkungen
Grundsätzlich steht die AL einer Optimierung des Prämienverbilligungssystems positiv gegenüber. Das heutige
System hat einige Schwachstellen, die sich lohnen, durchleuchtet und ggf. korrigiert zu werden. Im Grundsatz
gilt es aber zu beachten, dass das heutige Prämienverbilligungssystem auf einem Volksentscheid von 23. September 2001 beruht. Diesen Entscheid gilt es auch in einer Optimierung des Systems zu respektieren. Weitergehende Änderungen müssten im Vorlagetitel als Totalrevision ausgewiesen werden.
In der Vorlage sind drei Tendenzen enthalten, die von der AL nicht gutgeheissen werden können:
•
Die Individuelle Prämienverbilligung (IPV) wird zu einem Fürsorgemodell umgebaut. Statt dass wie
bisher Erwachsene in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen von den Zuschüssen profitieren
können, soll in Zukunft die IPV nur noch zur eigentlichen Armutsbekämpfung eingesetzt werden. Dabei wird der Unterschied zwischen IPV und Prämienübernahme in der Sozialhilfe verwischt.
•
Die meisten Eckwerte und insbesondere die sozialen Ziele des EG KVG sollen bloss noch auf Verordnungsstufe geregelt werden. Der Regierungsrat kann hier in eigener Kompetenz das System je nach
Belieben ändern. Angesichts der kommenden Sparrunde im Kanton Zürich verheisst dies nichts Gutes.
•
Die Optimierungsvorlage entpuppt sich als eine Bürokratievorlage. Sowohl bei der Bemessung der
Anspruchsberechtigung, wie auch bei der Einführung einer Referenzprämie wird massiv mehr Bürokratie auf den Ebenen des Kanton bzw. SVA, der Sozialbehörden und der Versicherer aufgebaut. Diese Bürokratie geht zulasten der Verbilligungsgelder, der SteuerzahlerInnen und der PrämienzahlerInnen. Dieser bürokratische Mehraufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag.
Die Optimierungs-Vorlage wird explizit nicht als Abbauvorlage deklariert. Dies ist grundsätzlich zu begrüssen.
In der Tat wird am Schlüssel von 100% Bundesgeldern und mindestens 80% kantonalen Geldern nichts geän-
dert. Indem jedoch die bisherigen Parameter bei den Leistungszielen im kantonalen Gesetz aufgehoben werden,
stehen die Türen für eine kommende Abbauvorlage weit offen.
An dieser Stelle ist zudem zu vermerken, dass die AL eine Vermischung der vorliegenden OptimierungsVorlage mit einer Sparvorlage im Rahmen des Haushaltsgleichgewichts nicht akzeptieren wird. Die Gesetzesänderungen gemäss dem im CRG vorgegebenen Auftrag zur Überprüfung des Haushaltsgleichgewichtes müssen in einer einzigen Vorlage zusammengefasst werden.
Zu bemerken ist schliesslich, dass die Optimierungs-Vorlage eine Chance verpasst, indem sie das Durcheinander von Sozialhilfe, Ergänzungsleistungen und Prämienverbilligungen nicht endlich sauber trennt und auflöst.
B. Zu den einzelnen Themen
B.1 Bedarfsbezogene Prämienverbilligung
Die Regelung, wonach 30% der Bevölkerung eine Prämienverbilligung erhalten sollen, ist ein elementares
Prinzip des Systems, das nicht ersatzlos gestrichen werden darf. Es kann darüber diskutiert werden, ob ein anderes Leistungsziel sinnvoller ist. Beispielsweise ist es ein bei der CVP diskutiertes Leistungsziel, wonach die
Kosten für die Krankenkassenprämien nicht mehr als 8% des frei verfügbaren Einkommens übersteigen dürfen
(Eigenanteil). Oder es kann mit Kombinationen gearbeitet werden: Mindestens 55% der Prämienverbilligungsgelder - heutiger Anteil der Bundesgelder - sind reserviert für die „echte“ IPV, wovon Ober- und Untergrenze
für Kinder, Jugendliche und Erwachsene definiert werden.
Die AL wird aber eine Streichung von jeglichen Leistungszielen in der IPV für Erwachsene auf Gesetzesstufe
bekämpfen. Hier gilt es den Volkswillen zu respektieren!
Wir haben vermutlich bereits heute oder allenfalls in wenigen Jahren das Problem, dass die Bundesgelder nicht
mehr ausschliesslich für den Zweck gemäss KVG eingesetzt werden, d.h. für die „echte“ IPV. Der Anteil der
Prämienübernahme für BezügerInnen von Sozialhilfe oder Ergänzungsleitungen steigt stetig. Der Anteil der
IPV sank bezogen auf die Prämienübernahme allein im vergangenen Jahr sowohl absolut wie auch relativ von
414 Mio. Franken bzw. 53% (2015) auf 412 Mio. Franken bzw. 52%. Damit die „echte Prämienverbilligung“
für Erwachsene nicht gänzlich durch die Prämienübernahme aufgefressen wird, braucht es im Gesetz verbindliche Leistungsziele.
Es kann auch nicht angehen, dass der Regierungsrat hier auf Verordnungsstufe die Leistungsziele bzw. die
Leistungshöhen in der IPV in Eigenregie definiert und laufend den Sparbemühungen anpasst. Es ist zu befürchten – und die Vernehmlassung leistet dem Vorschub –, dass in Zukunft nur noch ein kleiner Kreis von Personen
in wirtschaftlich sehr bescheidenen Verhältnissen in den Genuss von IPV kommen wird. Es ist absehbar, dass
hier nur noch Personen an der Anspruchsschwelle zur Sozialhilfe bzw. Ergänzungsleistungen IPV erhalten
werden; und dass mit einer bis zu 100%igen IPV der Unterschied zwischen Prämienübernahme und IPV gänzlich verwischt wird. Es kann nicht angehen, dass der Kanton so Bundesgelder verwendet, die eigentlich nicht
für kantonale und kommunale Aufgaben im Bereich der Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen vorgesehen
sind.
Es müsste zumindest im Gesetz verankert werden, dass der ganze Bundesanteil für die Individuelle Prämienverbilligung IPV für Erwachsene, Jugendliche und Kinder reserviert ist und nicht für die Prämienübernahme
zur Verfügung steht.
Die absehbare Konzentration der IPV für Erwachsene auf wenige Bedürftige entspricht nicht dem Willen und
Geist der Prämienverbilligung gemäss KVG. Die steigenden Gesundheitskosten für Haushalte mit kleinen und
mittleren Einkommen bleiben eine der zentralen Herausforderungen in der Sozialpolitik. Eine Reduktion der
Anspruchsberechtigten auf eine IPV für Erwachsene verschärft hier bloss zusätzlich ein weiteres wichtiges
Problemfeld.
B.2 Verbesserung der Bedarfsgerechtigkeit
B.2.a Grundsatz
Mit dem Grundsatz der Bedarfsgerechtigkeit, wonach nur noch jene eine IPV erhalten sollen, die am dringendsten auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, ist die AL in keiner Weise einverstanden. Für Personen,
die am dringendsten auf IPV angewiesen sind, sind Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen vorgesehen. Das
IPV-System darf nicht mit diesen Auffangnetzen in der sozialen Sicherung verwechselt werden. Bei der IPV
handelt es sich um Transferleistungen, die nötig sind, weil breite Kreise der Bevölkerung unter der enormen
Last des über Kopfprämien finanzierten Gesundheitssystems leiden. Die Kosten der Krankenkassenprämien
übersteigen heute in zahlreichen Haushalten die Kosten für die Steuern. Damit diese ungerechte Lastenverteilung etwas abgemildert werden kann, wurde die IPV im KVG eingeführt. Dieses Prinzip gilt es zu respektieren.
B.2.b Steuerliche Abzüge und Berücksichtigung des Vermögens
Die AL ist grundsätzlich einverstanden, dass nicht alle steuerlichen Abzüge zur Bemessung der Anspruchsberechtigung für IPV berücksichtigt werden. Mit dieser Optimierung des Systems werden tatsächlich stossende
Ungerechtigkeiten beseitigt. Dasselbe gilt bei der Berücksichtigung des Vermögens, wobei die Höhe des Freibetrags diskutiert werden kann.
B.2.c Junge Erwachsene in Ausbildung
Zu dieser Frage hat die AL noch keine abschliessende Meinung gebildet. Auf der einen Seite scheint es stossend, dass Auszubildende mit wohlhabenden Eltern in den Genuss einer Prämienverbilligung kommen können.
Auf der anderen Seite ist es aber ebenso stossend, dass Jugendliche in Ausbildung, die auf eigenen Füssen stehen, immer noch anhand ihrer Eltern bewertet werden.
B.2.d Prämienübernahme in der Sozialhilfe
Hier besteht nach wie vor ein Ineinandergreifen von Prämienverbilligungen und Prämienübernahmen. Eine angemessene Entflechtung ist angezeigt, denn bei Prämienübernahmen handelt es sich um Leistungen gemäss
SKOS- Richtlinien und diese sind auch in der Finanzierung von der IPV zu trennen!
Unsinnig ist ausserdem das System mit Referenzprämien, wonach die SozialhilfebezügerInnen jährlich in eine
günstige Kasse wechseln müssen, wenn sie die gesamten Kosten der Krankenkasse vergütet haben wollen.
Es ist absehbar, dass ein Heer von Sozialhilfebeziehenden Jahr für Jahr von einer Kasse zur anderen ziehen.
Die Kosten für diesen Nonsens werden einerseits die Steuerzahlenden begleichen, weil die Sozialbehörden hier
administrative Hilfeleistungen stellen müssen; anderseits werden die PrämienzahlerInnen den administrativen
Aufwand der Kassen für diese kostspieligen Kassenwechsel tragen müssen.
Die Einsparungen im System der Prämienübernahme werden aber gering ausfallen, wenn man davon ausgeht,
dass sich die Versicherten mit teuren und solche mit billigen Prämien die Waage halten.
C. Fazit
Neben einigen positiven Elementen wie Korrekturen bei der Bemessung der Anspruchsberechtigung sowie allenfalls im Bereich der technischen Abwicklung enthält das der Gesetzesentwurf gewichtige Verschlechterungen, namentlich bei den Leistungszielen sowie beim Aufblähen der Bürokratie.
Dass soziale Eckwerte gemäss dem vorliegenden Entwurf nur noch auf Verordnungsebene geregelt werden
sollen, ist bei dieser hoch sensiblen Thematik für die AL kein gangbarer Weg.
Wir bitten Sie um gebührende Berücksichtigung unserer Argumente und verbleiben
mit hochachtungsvollen Grüssen
Dayana Mordasini, politische Sekretärin AL