Interview 40Prozent sind unterversorgt Kälber müssen schnell mit Biestmilch getränkt werden, damit sie genügend Immunglobuline aufnehmen und gut ins Leben starten können. Wir sprachen mit Dr. Elke Rauch, die untersucht, ob Kälber ausreichend mit Immunglobulin Gversorgt sind. Von Moren Diersing-Espenhorst • Entsc heidend für gesunde Kälber ist die rasche und ausreichende Aufnahme von gutem Kolostrum. • Die Immunglobuline (Ig) in der Biestmilch verteilen sich auf sieben Prozent IgA, fünf Prozent IgM und 85 bis 90 Prozent IgG. • Eine Studie zeigt. dass 40 Proze nt der Kä lber vollkomm en oder teilweise mit Ig G unterversorgt sind . Worauf ist bei der ersten Biestmilchgabe an Kälber zu achten? Rauch: Der gen aue Zeitpunkt der ersten Kotostrumfütterung hat ebenso wie die Kolostrummenge einen entscheidenden Einfluss auf die Aufnahmerate der Im- ITIllllglobuline. Auch wirkt sich eine hohe Immu nglobulin -G-Konzentration - kurz IgG - im Kolostrum der Mutter positiv auf eine hohe Serum-IgG-Konzentration beim Kalb aus. Studi en zeigten, dass ein Kolostrum mit geringem IgG-Gehalt auch bei Verdoppeln der Menge keine Erhöhung der Serum-lgG-Konzentration der Kälber erzielten konnte. Entscheidend für gesunde Kälber ist also die rasche und ausreichende Aufnahme von Kolostrum guter Q ualität. Welche Qualität sollte das Kolostrum haben? Rauch: Das Kolostrum der Kuh hat im Vergleich zu r reifen Milch einen höheren Gehalt an Trockenmasse, Gesamtprotein, Casein, Milchserumproteinen und Mineralstoffen, wohingegen Lactose deutlich wen iger konzentriert enthalten ist. An Mineralstotfen finden sich hohe Konzentrationen von Natrium, Calcium, CWorid und Phosphat. Die fettlöslichen Vitamine A und E, Mengen- und Spurenelemente Im labor untersucht Dr. Elke Rauch derzeit Blutproben von Kälbern auf den IgG~Gehalt. 14 dlz primus Rind IUNIZ01S sowie ß-Carotin, das neben Hämoglobin die typische gelbe beziehungsweise bräunliche Färbung der Kolostralm ilch des . Rinds verursacht, sind ebenso in hohen Konzentrationen vorhanden. Das Kolostrum besitzt überdies eine abführende Wirkung, sodass das Neugeborene beim Absetzen des Darmpechs unterstützt wird. Immunglobuline sind im Fall des neugeborenen Kalbs einer der wichtigsten Bestandteile im Erstkolostr um, auf die mehr als die Hälfte der Milchserumproteine entfallen. Genauer gesagt. machen Immunglobuline mehr als 95 Prozent des Gesamtglobulingehalts im Kolostrum aus. Die Immunglobuline in der Biestmilch verteilen sich auf sieben Prozent IgA, fünf Prozent IgM und 85 bis 90 Prozent IgG. Im Kolostrwn stammt die gesamte Menge an IgG, nahezu der gesamte IgM-Gehalt und in etwa die Hälfte der Menge an IgA aus dem Blutstrom der Rinder. In der reifen Milch hingegen werden nur noch 30 Prozent der IgG-Menge und zehn Prozent des IgA aus dem Blut in die Milclidrüse transportiert. Welche Be de ut ung hat insbesondere das Immunglobulin G? Rauch: IgA und IgM sollen vor allem einen lokalen Schutz der Schleimhäute, wie der Darrnschleimhaut, gewährleisten, um das Ansiedeln und Vermehren von Krankheitserregern an den Schleimhäuten zu verhindern. Immunglobulin-G ist hingegen für die system ische Infektabwehr von großer Bedeutung. Das über das Kolostrum aufgenommene und über das Darmepithel in die Blutbahn weitergegebene IgG soll einen schnellen passiven Schutz vermitteln. Wie e rhalte ich eine gute Biestmilchqualität? Rauch: Die Zusammensetzung der Immunglobuline im Kolostrum kann durch eine Mutterschutzimpfung positiv beeinflusst werden. Die gegen die geimpften Keime gebildeten, spezifischen Antikörper zirkulieren vermehrt im Blut des Muttertiers. Sie gelangen bei rechtzeitig durchgeführter Impfung im Zeitraum des Trockenstehens, etwa vier Wochen vor der Geburt, vermehrt ins Kolos trum. Das Kolostrum wird dadurch mit spezifischen Antikörpern gegen die geimpften Keime angereichert. Durch eine Mutterschutzimpfung tragender Kü he lässt sich auch das Gripperisiko bei jungen Kälbern verringern. Und auch bei Kälberdurchfall wirkt sich eine Muttertierimpfung positivaus. Der Immunglobulingehalt im Kolostrum kann weiter von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden. Studien haben ergeben, dass durch eine hohe Außentemperatur nicht die Kolostrummenge beeinflusst werden kann, aber durchaus die kolostrale Zusammensetzung. Demnach ist die IgG-Konzentration im Ko- lostrum in der kälteren Jahreszeit höher als in den wärmeren Sommermonaten. Je größer die Menge des Erstgemelks ist, desto geringer ist der IgG-Gehalt im Kolostrum, wohingegen mit zunehmender Laktationszahl die IgG-Konzentration im Kolostrum steigt. Bei Kühen mit drei oder mehr Laktationen ändert sich der IgG-Gehalt allerdings nicht mehr deutlich. Neben der Anzahl der Laktationen, haben auch die Rasse und die Dauer der Trockenstehzeit einen Einfluss auf die Kolostrummenge und somit auf deren Immunglobulingehalt. Wird die Kuh nach dem Kalben innerhalb von zwei Stunden gemolken, ist das gewonnene Erstgemelk reicher an Immunglobulin G, als wenn es erst ab der 6., 10. und 14. Stunde nach der Geburt gewonnen wird. Zudem sollte das Muttertier schon einige Zeit in dem Betrieb, in dem dann das Kalb geboren wird, gehalten werden. Dadurch hatte das Muttertier ausreichend Zeit, sich mjt den stallspezifischen Keimen auseinanderzusetzen, und kann die dadurch produzierten speziellen Antikörper über das Erstkolostrum an das Kalb weitergeben. Wie kann kontrolliert we rden, ob das Kal b ausre iche nd mit Immunglobulin G versorgt wurde? Rau ch: Für die IgG-Bestimmung im Blut wird von neugeborenen Kälbern optimalerweise im Alter von 48 bis 72 Stunden eine Blutprobe entnommen. Aus dem daraus gewonnenen Serum oder Plasma kann dann der IgG-Gehalt in spezialisierten Labors gemessen werden. Sie haben Blutprobe n von Kä lbe rn auf Anti körpe r na ch de r Biest milchgabe unt ersucht. Was habe n Sie genau unte rsucht und wa rum? Rauch: Die Proben wurden direkt auf den Betrieben von den teilnehmenden Tierärzten bei den neugeborenen Kälbern gezogen und an unser Labo!" versandt. Hier wurde dann der IgG-Gehalt gemessen. Ziel der derzeit laufenden Studie ist es, einen Überblick hinsichtlich der Kolostrumversorgung von neugeborenen Kälbern in Deutschland zu bekommen. Die Ergebnisse werden auch mit einer im Jahre 2005 durchgeführten Studie mit über 1.000 untersuchten Blutproben verglichen. Dieser Vergleich erlaubt eine Aussage, ob sich der Versorgungsgrad der Kälber in den letzten zehn Jahren verändert hat. Wie vi e le Blutp robe n ha ben Sie unte rsucht? Ra uch: In der laufenden Studie wurden bisher im Rahmen der Aktion .. Das gesunde Kalb" in Zusammenarbeit mit der ZUR PERSON Dr. Elke Rauch ist Tie rärztin und beschäftigt sich an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München unter anderem mit der Aufzucht und Haltung von Kälbern. Firma MSD Tiergesundheit 500 Proben von neugeborenen Kälbern untersucht. Ha be n Sie be re its e rste Erg e bnisse? Rauch: Nein, die Aktion läuft noch. Aber die Ergebnisse in den vorangegangenen Untersuchungen zeigen, dass unverändert knapp 40 Prozent der Kälber vollkommen oder teilweise mit IgG unterversorgt sind. Eine vollkommene Unterversorgung bedeutet dabei, dass die IgG-Konzentrationen unter 5 mg/mi Serum liegt. Bei einer teilweisen Unterversorgung beträgt die IgG-Konzentration 5 bis 9,9 mg/mI Serum. We lche n Rat ge be n Sie a ufgrun d de r bishe rigen Erg e bnisse für Mil chvi e hhalter? Ra uch: Zusammenfassend kann aus den Ergebnissen geschlossen werden, dass es nur eine geringe Verbesserung vor allem bei den komplett unterversorgten Kälbern hinsichtlich der IgG-Versorgung im letzten Jahrzehnt gegeben hat. Angesichts der hohen Erkrankungs- und Sterberaten besteht dringender Handlungsbedarf. Das Management und vor allem die Erstversorgung der Kälber müssen verbessert werden. Eine gute Kolostrumversorgung stellt die wichtigste Maßnahme zum Senken von Kälberverlusten und für eine erfolgreiche Aufzucht dar. de Machen Sie mit nteressierte Landwirte können Blutproben von ihren Kälbern noch bis zum 30. Juni 2015 durch ihren Ti erarzt an die LMU München schicken lassen. Informationen zu dieser Untersuchung finden Sie unter: ww";m~d-tiergesundheit.de/Koelberge I sundheitlindex.aspx IUNI2015 dlz primus Rind 15
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