NUTZTIERE Melasse, besser als ihr Ruf PFERDEFÜTTERUNG Wie Hafer wird auch Melasse von einem negativen Ruf verfolgt. Das sogenannte «braune Gold» ist aber nicht annähernd so schädlich wie oftmals behauptet wird. Im Gegenteil: Melasse hat viele positive Eigenschaften, wird sie in den richtigen Mengen und zum passenden Zeitpunkt eingesetzt. Rahel Manser Hans Huber Für sensible Pferde gibt es melassefreie Mischfutterprodukte. 56 Zuckerrübenmelasse ist ein Nebenprodukt aus der Schweizer Zuckerproduktion. Beim Auskristallisieren des Zuckers aus dem eingedickten Rübensaft fällt ein nicht kristallisierbarer Rückstand an, die Melasse. Melasse ist das sogenannte «braune Gold». Die sirupartige Flüssigkeit enthält rund 50 % Zucker und alle wertvollen Stoffe aus den Rüben, die im Zucker nicht kristallisiert werden können. Dazu gehören hauptsächlich Mineralstoffe und Spurenelemente. Hohe Kalium- und Natriumgehalte sowie Rohprotein aus nichteiweissartigen, stickstoffhaltigen Verbindungen (Amiden) zeichnen die Melasse aus. Kalium und Natrium sind eng verknüpft mit dem Wasserhaushalt des Körpers. Sie werden als Elektrolyte zur Aufrechterhaltung des osmotischen Druckes im Körpergewebe und im Säuren-Basen-Haushalt benötigt. Elektrolyte Melasse wirkt vielseitig. Zum einen kann sie bei stark schwitzenden Pferden eingesetzt werden. Die hohen Kalium- und Natriumgehalte helfen, den Bedarf des Pferdes zu decken, der durch starkes Schwitzen (Elektrolyt-Verlust) ansteigt. Schnell verfügbare Energie Zucker in Form von Glukose ist die einzige direkt verfügbare Energiequelle für das Gehirn und das Nervensystem. Er ist schnell verfügbar und kann vom Pferd sofort als Energiequelle gebraucht werden. In Sportarten, die eine schnelle Reaktion des Pferdes verlangen, ist deshalb die ausreichende Versorgung mit rasch verfügbarer Energie entscheidend, um die Energiespeicher auffüllen zu können. In Ruhe hingegen wird die Energie hauptsächlich aus der Oxidation von Fettsäuren gewonnen. Damit der Blutzuckerspiegel nicht zu stark schwankt, sollten energiereiche Futtermittel auf mehrere kleine Mahlzeiten während des Tages verteilt werden. Schmackhaft Melasse wird von den Pferden sehr gerne gefressen. Die Schmackhaftigkeit und Akzeptanz sind enorm hoch, wodurch auch übelschmeckende Produkte (zum Beispiel Medikamente, Wirkstoffkonzentrate) verabreicht werden können. Melasse wird in der Mischfutterproduktion häufig eingesetzt, sei dies zum Pelletieren oder zur Bindung von feinen 12 2015 · UFA-REVUE NUTZTIERE «Pferde lieben das braune Gold» Markus Christen ist eidgenössisch diplomierter Reitlehrer und hat viele positive Erfahrungen mit Melasse gemacht. Seit 30 Jahren setzt er erfolgreich Melasse ein. «Die Schmackhaftigkeit der Melasse ist ausgezeichnet, die Pferde lieben das braune Gold», beobachtet der Pferdekenner. In seiner selber hergestellten Rationsmischung setzt Markus Christen bis zu 100 g Melasse pro Pferd und Tag ein und erklärt: «In den 30 Jahren, in denen die Melasse ein fester Bestanteil der Ration ist, hatte ich nie Probleme. Die Futterration ist schmackhafter, allfälliger Staub aus dem Futter wird gebunden und die Melasse liefert zusätzlich Energie.» Markus Christen lässt sich von der negativen Meinung über Melasse nicht beeindrucken. Er ist überzeugt von seinem Konzept und Melasse bleibt eine wichtige Futterkomponente in seiner Ration. Futterpartikeln (zum Beispiel Mineralstoffe). Wird Melasse in geringen Mengen eingesetzt, können die positiven Eigenschaften wirken und das Wohlergehen des Pferdes fördern. Gemäss Agroscope kann in Mischfutter für Pferde bis zu 6 % Melasse ohne Bedenken eingesetzt werden. Beispielberechnung Zuckergehalt Ein Pferd (Gewicht 600 kg, mittlere Arbeit), das pro Tag 9 kg Heu mit einem durchschnittlichen Zuckergehalt von 89 g/kg Zucker in der Frischsubstanz frisst, nimmt grundsätzlich 801 g Zucker pro Tag auf. Frisst das Pferd noch zusätzlich 1 kg Karotten pro Tag, macht dies nochmals 60 g Zucker aus. Erhält dieses Pferd zusätzlich 4 kg Kraftfutter in Form von «Hypona 788» mit einem Anteil von 4 % Melasse, kommen zusätzlich 81 g Zucker aus der Melasse UFA-REVUE · 12 2015 und 111 g Zucker aus dem Getreide dazu. Insgesamt nimmt das Pferd somit 1053 g Zucker pro Tag auf, Leckerlis nicht mit einberechnet. Von diesen 1053 g Zucker stammt lediglich 1⁄13 aus der Melasse, was einem Anteil von 0.6 % an der Gesamtration entspricht. Im Vergleich zum Heu ist dies ein sehr geringer Anteil. Ein Wildpferd, das nur Raufutter frisst, nimmt nicht viel weniger Zucker auf als wenn einem Hauspferd noch Kraftfutter gefüttert wird. Zudem wird ersichtlich, dass das Pferd grundsätzlich gut mit Futterzucker umgehen kann, da Zucker ein normaler Bestandteil seiner Ernährung ist. Risiko für Hufrehe? Immer wieder diskutiert wird die Auslösung von Hufrehe infolge eines hohen Zuckergehalts im Futter. Allerdings haben neue Forschungsergebnisse gezeigt, dass hauptsächlich Fruktane eine entscheidende Rolle spielen. Bei den Fruktanen handelt es sich um eine langkettige Zuckerart, die hauptsächlich in Gräsern zur Energiespeicherung genutzt wird. In Melasse hingegen besteht der Zucker hauptsächlich aus Saccharose (Disaccharid, bestehend aus Glucose und Fructose) und aus Raffinose (Trisaccharid, bestehend aus Glucose, Galactose und Fructose). Folglich ist bei Rehe gefährdeten Pferden der Weidegang zu überwachen und besonders im Frühling und Herbst die Weidedauer anzupassen. Chronische Hufrehe sind oftmals ein Symptom der hormonell bedingten Erkrankungen wie Equines metabolisches Syndrom (EMS), Equines Cushing Syndrom (ECS) und Diabetes. Infolge einer Insulinresistenz erhöht sich die Reheanfälligkeit enorm. Bei betroffenen Pferden kann bereits eine geringe Aufnahme von Zucker, die bei einem gesunden Pferd kein Problem ist, Hufrehe verursachen. Folglich muss eine Überversorgung unbedingt vermieden werden. Unverträglichkeiten Besonders sensible Pferde reagieren mit einer Unverträglichkeit auf Melasse. In Absprache mit dem Tierarzt ist hier eine Futterumstellung nötig. Durch den Einsatz eines melassefreien Ergänzungsfuttermittels kann diesen Pferden geholfen werden. Glücklicherweise sind welt- Tabelle: Gehalte verschiedener Futtermittel Rohprotein Rohfaser Zucker Kali Natrium (g/kg FS) (g/kg FS)(g/kg FS) (g/kg FS) (g/kg FS) Zuckerrübenmelasse 97 0 506 37 4.7 Karotten 12 11 60 3 0.4 Hafer 100 105 13 3.5 0.02 Gras (Mischbestand)* 22 33 24 5 0.03 Heu (Mischbestand)* 93 238 103 26 0.2 Hypona 788 95 95 48 7 2.7 * Schwankungen können sehr gross sein, deshalb empfiehlt sich eine Analyse des Raufutters. Quelle: Agroscope Grafik: Zuckeranteil und -herkunft in einer Pferderation 92.5 % 7.5% 5.7 % 0.4 % 0.8 % 0.6 % Übrige Nährstoffe Zucker, bestehend aus: Zucker aus dem Heu Zucker aus den Karotten Zucker aus dem Getreide (Hypona 788) Zucker aus der Melasse (Hypona 788) weit nur sehr wenige Pferde von einer Melasseunverträglichkeit betroffen. Fazit Melasse ist aufgrund seines hohen Gehaltes an Mineralstoffen ein wertvoller Bestandteil in der Pferdefütterung. Sie ist entscheidend für die Mineralstoffbindung und erhöht die Schmackhaftigkeit des Futters. Aufgrund des Zuckergehaltes ist Melasse energiereich und sollte nur mit Mass gefüttert werden, wobei bis zu 6 % in Mischfutter möglich sind. Besonders sensible Pferde können mit einer Unverträglichkeit auf Melasse reagieren. Für diese Pferde bietet Hypona melassefreie Produkte an. m Autoren Rahel Manser, BSc Agronomie, Pferdewissenschaften, Technischer Dienst UFA AG, 3360 Herzogenbuchsee. Hans Huber, Hypona-Pferdespezialist, 6210 Sursee. www.hypona.ch www.ufarevue.ch 12 · 15 57
© Copyright 2025 ExpyDoc