GESUNDHEIT | 23 BERLINER MORGENPOST | SONNABEND, 6. FEBRUAR 2016 Feinstaub – der unsichtbare Krankmacher Nachrichten Schornsteine und Autos pusten die Partikel in die Umwelt. Diese verursachen Lungen- und Herzkrankheiten Kindern nicht zu früh Ohrlöcher stechen lassen Welche Feinstaubpartikel gelangen in den menschlichen Körper Je kleiner die Partikel, umso tiefer gelangen sie in die Lunge Haushalte Herkunft der Feinstaubpartikel Kehlkopf 5-10 Mikrometer BERLIN – 35.000 Deutsche sterben jähr- n n Weshalb ist Feinstaub gefährlich? Während die Nasenhärchen manch grobe Partikel auffangen können, gelangen vor allem die sehr feinen, zuweilen weniger als 0,1 Mikrometer großen Staubflusen über die kleinsten Lungengefäße (Alveolen) in die Blutbahn. „So kommt es durch die ansteigende Feinstaubbelastung in der Umwelt zu gesundheitlichen Problemen“, erklärt Privatdozent Dr. Kaid Darwiche, Internist und Pneumologe im Westdeutschen Lungenzentrum Ruhrlandklinik (Universitätsklinikum Essen). Andreas Meyer ergänzt: Luftröhre & primäre Bronchien Verkehr 3-5 Mikrometer Industrie PARTIKELGRÖSSE IM VERGLEICH sekundäre Bronchien 2-3 Mikrometer sekundäre Bronchien feines Sandkorn am Strand Wie entsteht Feinstaub? Als Fein-, Schwebstaub oder englisch Particulate Matter (PM) bezeichnet das Umweltbundesamt Teilchen in der Luft, die nicht sofort zu Boden sinken, sondern eine Zeit lang in der Atmosphäre verweilen. Meist bleiben sie unsichtbar, in bestimmten Wetterlagen bilden sie jedoch eine Art Dunstglocke. „In Deutschland sorgen meist Abgase der Industrie, von landwirtschaftlichen Betrieben und Kraftwerken, für Feinstaub“, sagt Privatdozent Dr. Andreas Meyer, Chefarzt der Klinik für Pneumologie (Lungenheilkunde) und Leiter des Lungenkrebszentrums der Kliniken Mariahilf in Mönchengladbach. An viel befahrenen Straßen sind neben dem Abrieb von Reifen, Bremsen oder dem Straßenbelag vor allem schlecht gefilterte Dieselabgase das Problem. Es gibt aber auch natürliche Ursachen – zum Beispiel, wenn sich Teile aus trockenen Ackerböden lösen. „In Innenräumen sind Rauchen und Passivrauchen die Gefahrenquellen Nummer eins“, erklärt Meyer. Ein gesetzliches Mindestalter gibt es nicht – doch Experten sehen Ohrlöcher bei Kleinkindern kritisch. „Kinder haben ein Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit“, sagt Kinderarzt Dr. Burkhard Lawrenz im Apothekenmagazin „Baby und Familie“. Die psychischen Folgen seien nicht absehbar, „wenn ein kleines Kind unerwartet unter Schmerzen ein Loch ins Ohr gestochen bekommt“. Lawrenz rät zu warten, bis Kinder den Wunsch äußerten. Gesundheitsgefahren durch Luftverschmutzung gehen meist nicht von einzelnen Stoffen (Feinstaub, Kohlendioxid, etc.) aus, sondern von der Gesamtheit aller Schadstoffe, die den Organismus belasten. X VON NATASCHA PLANKERMANN lich an den Folgen von Luftverschmutzung, berichtete vor Kurzem ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Nature“. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht von jährlich sieben Millionen Toten weltweit aus. Der gesundheitsschädlichste Teil ist nach Einschätzung der Experten Feinstaub. Die feinen Partikel sind meist nur 0,1 Mikrometer – also ein zehntausenstel Millimeter – groß und mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Gerade diese ultrafeinen Stückchen sind jedoch besonders gefährlich. PSYCHOLOGIE 1-2 Mikrometer 90 µm Lungenbläschen 2,5 µm Grafik: cs /istock „Riskant ist auch die Verbindung der Teilchen mit krebserregenden Stoffen.“ Meyer weist darauf hin: „Hierzulande gibt es für Feinstaub keinen Grenzwert wie etwa für Ozon oder Schwefeldioxid.“ n Wie belastet er Lunge und Herz-Kreislauf-System? „Wir Lungenärzte stellen fest, dass sich bei einer hohen Feinstaubbelastung viele Menschen mit Atemweginfektionen in den Kliniken melden“, sagt Andreas Meyer. Sein Kollege Darwiche führt aus: „Durch die Partikel kann sich in den Bronchien eine Entzündung entwickeln, die sich auch auf andere Organe auswirkt.“ Die chronische Bronchitis gehört nach seinen Worten zu den häufigsten Erkrankungen in diesem Zusammenhang. Da die Partikel aber über die Blutbahn ins Herz gelangen können, sind auch schwere Herzkranzgefäßverkalkungen, Herzmuskelentzündungen oder -infarkte mögliche Folgen. Dr. Dennis Wolf von der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Universitäts-Herzzentrums Freiburg-Bad Kro- Quelle: UBA, Lungen-Stiftung, US EPA, dpa, SenStadt Berlin zingen, dazu: „Wir konnten bei Mäusen zeigen, dass selbst eine einmalige Feinstaub-Belastung zu größeren und entzündlicheren Herzinfarkten führt.“ Dr. Wolf wurde für seine Forschungsergebnisse von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie ausgezeichnet. tisch dafür engagieren, dass Dieselautos künftig bessere Filtersysteme erhalten. „Umweltzonen in Städten sind in diesem Zusammenhang ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt der Experte. Unisono raten Meyer und Darwiche vom Rauchen ab. n Sind Kinder und Menschen, die schon n Welche Therapien gibt es für Krank- Ja – da sind sich die Experten einig. „Bei Feinstaubkonzentrationen, die gesunde Erwachsene noch nicht bemerken, können Kinder akut an den Bronchien erkranken“, sagt Darwiche. „Und die Situation von Menschen mit Bronchialproblemen oder Asthmatikern kann sich deutlich verschlechtern.“ Während Herzpatienten sich am besten mit ihrem Kardiologen zu individuellen Strategien gegen Erkrankungen durch Feinstaub besprechen sollten, können Lungenärzte in einem ersten Schritt durch Inhalationen dabei helfen, verengte Bronchien zu erweitern. Andreas Meyer erklärt: „Bei einer akuten Verschlechterung einer chronischen Bronchitis (COPD) muss manchmal auch Kortison eingesetzt werden. Und wenn die Schleimhäute ihre Abwehrfunktion nicht mehr ausüben, können Antibiotika notwendig sein.“ Denn dann müssten Bakterien bekämpft werden, die sich ausbreiten und Entzündungen verursachen. Für Kaid Darwiche gehört auch das Lungenemphysem (eine teil- erkrankt sind, besonders betroffen? n Wie kann man sein Krankheitsrisiko möglichst gering halten? Ans Meer oder in die Berge fahren – lautet knapp der Rat des Pneumologen Andreas Meyer. Da lässt sich auch auf den Karten des Umweltbundesamtes (siehe Kasten) die niedrigste Feinstaubbelastung in Deutschland feststellen. Man könne sich laut Meyer auch poli- ERSTKLASSIGE GESUNDHEIT heiten, die entstehen können? Buchen Sie jetzt Ihre Anzeige auf der Gesundheitsseite! Nächster Erscheinungstag: 13.02.2016 Knie-Arthrose — mehr Lebensqualität mit maßgeschneiderten Implantaten Das St. Joseph Krankenhaus Berlin Tempelhof setzt bei der Behandlung von Knie-Arthrose auf innovative Knie-Implantate. »Patientenindividuelle KnieImplantate werden vor der Operation passgenau angefertigt und ersetzen nur den Teil des Kniegelenks, der von Arthrose betroffen ist«, erläutert Dr. Elke Johnen, Chefärztin der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, die medizinische Innovation. »Vor der Operation konnte ich aufgrund der Schmerzen kaum zwanzig Meter laufen; heute mache ich wieder aktiv Sport«, sagt Petra Pohl aus Berlin, die im St. Joseph Krankenhaus ein patientenindividuelles Knie-Implantat erhalten hat. Angehörige von Demenzkranken haben ein erhöhtes Risiko für Depressionen und Burn-out. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hin. Es sei wichtig, dass Betroffene Hilfsangebote nutzen, sich beraten lassen und sich mit anderen Angehörigen austauschen. Neben speziellen Beratungsstellen gibt es Angehörigengruppen, die von Fachleuten geleitet werden. Alkohol senkt den Blutzuckerspiegel Feinstaub PM 2,5 10 µm Angehörige von Dementen sollten Hilfsangebote nutzen DIABETES 0,1-1 Mikrometer Feinstaub PM 10 DEPRESSIONEN Anzeigenschluss: 10.02.2016 10.00 Uhr Telefon: 030 – 88 72 7 76 60 morgenpost.de weise Zerstörung von Lungenbläschen) zu einer möglichen Folge von Feinstaubbelastungen. „Das bedeutet, dass Patienten nicht mehr richtig ausatmen können. Ihre Lunge, die dadurch wie aufgebläht ist, kann mithilfe neuer Therapieverfahren – etwa durch gezielt eingesetzte Ventile – ,entlüftet‘ werden.“ Parallel dazu empfiehlt er, Muskeln durch Krafttraining aufzubauen, um dem Muskelabbau entgegenzuwirken. Maßnahmen für zu Hause Wohnung Das Helmholtz Zentrum München informiert darüber, wie sich die Feinstaubbelastung in Räumen minimieren lässt (bit.ly/1nLuy8D). So kann es sich lohnen, Staubsauger mit Hepa-Filter zu verwenden, regelmäßig zu lüften und Pumpsprühflaschen statt Aerosoldosen zu verwenden. Diabetiker sollten sich mit dem Trinken an Karneval zurückhalten. Denn alkoholische Getränke senken den Blutzuckerspiegel – in Verbindung mit blutzuckersenkenden Medikamenten oder Insulin kann es zu Unterzuckerung kommen. Darauf weist die Organisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe hin. Wer trotzdem Alkohol trinkt, sollte dazu immer einen kleinen kohlenhydratreichen Snack essen. Den Blutzucker kontrolliert man im Idealfall öfter als sonst. SENIOREN Menge des Schlafhormons Melatonin nimmt im Alter ab Wachen Senioren frühmorgens auf, sollten sie nicht liegen bleiben und grübeln, sondern aufstehen, rät Christine Eichler, Chefärztin des Evangelischen Zentrums für Altersmedizin in Potsdam. Dass man im Laufe des Lebens zum Frühaufsteher wird, sei normal. Der Körper schütte immer weniger Melatonin aus – und mit der Menge des sogenannten Schlafhormons sinke der Schlafbedarf. „Manche Menschen kommen mit sechs Stunden Schlaf aus.“ LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER, Jeden Sonnabend finden Sie ab heute alles zum Thema Gesundheit in der Berliner Morgenpost auf unserer neuen Seite Gesundheit. Rätsel und Sudoku finden Sie sonnabends künftig auf der letzten Seite im Magazin „Leben“. GESUNDE EMPFEHLUNG Vortrag für Augenpatienten: Glaukom Mi., 17.02.16, 16:00 Uhr Referent: Prof. Dr. Dr. med. Peter Rieck Ort: ABSV, Auerbachstr. 7, 14193 Berlin (Nähe S-Bhf. Grunewald) Anmeldung: Tel. 030 895 88-151, E-Mail: [email protected] Unterstützt von der Blindenstiftung „Weißer Stock” Berlin Informationen zu Anzeigenmöglichkeiten erhalten Sie unter Telefon 0 30/88 72 77 660, E-Mail: [email protected] - Informationsabend für Patienten Chefärztin Dr. Elke Johnen informiert über Behandlungsmöglichkeiten bei Knie-Arthrose · 10.02. · 18 Uhr · St. Joseph Krankenhaus · www.sjk.de Wüsthoffstraße 15 · 12101 Berlin Informationen zu Anzeigenmöglichkeiten erhalten Sie unter Telefon 0 30/88 72 77 660, E-Mail: [email protected] Die Gesundheitsseite -Jetzt jeden Sonnabend in Ihrer Berliner Morgenpost! morgenpost.de
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