BFGjournal - International Fiscal Association

bfgjournal_2015_h11.fm Seite 390 Montag, 9. November 2015 12:14 12
Friedrich Rödler
„Bürger in Österreich sorgen sich mehr, wenn personenbezogene Daten an den US-Geheimdienst gehen, als wenn der
Fiskus bis in die privatesten Bereiche hineinschaut“
Im BFGjournal zu Gast: Prof. Dipl.-Ing. Mag. Friedrich Rödler, Vorsitzender des
Aufsichtsrats der Erste Group Bank AG
Friedrich Rödler
Prof. Dipl.-Ing. Mag. Friedrich Rödler, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater,
war von 2001 bis 2013 Senior Partner einer international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind internationales und europäisches Steuerrecht; Er
ist Mitglied im Fachsenat für Steuerrecht; Vertreter der Kammer der Wirtschaftstreuhänder bei der Confédération Fiscale Européenne (CFE) und
Vorsitzender der „Tax Policy Group“ der Fédération des Experts Comptables Européens (FEE), Mitglied der „Tax Good Governance Platform“ der
EU-Kommission und Vizepräsident der International Fiscal Association
(IFA) Österreich. Seit 2012 ist er auch Aufsichtsratsvorsitzender der Erste
Group Bank AG.
Anlässlich einer IFA-Veranstaltung Anfang Oktober zum Thema „Neuerungen für die Praxis des
internationalen Informationsaustausches“ baten wir ihm zum Interview.
BFGjournal: Nach den Vorträgen von Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabel und Mag. Doris Zingl
habe ich den Eindruck, es kommt aufgrund der Umsetzung des GSMG (Gemeinsamer
Meldestandard-Gesetz) Einiges auf die Banken zu. Wie sind die Aufgaben zu bewältigen?
Friedrich Rödler: Der automatische Informationsaustausch wird offensichtlich als Allheilmittel im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung gesehen. In den
letzten Jahren haben sich auf europäischer Ebene und zuletzt auch in der OECD unterschiedliche Regimes herausgebildet, mit denen der Informationsaustausch umgesetzt
werden soll: die EU-Zinsenrichtlinie, das FATCA-Regime der USA, die EU-Amtshilferichtlinie und zuletzt auf OECD-Ebene mit dem „Common Reporting Standard“, der mit
dem GMSG in Österreich eingeführt wird. Die Banken müssen innerhalb relativ kurzer
Zeit die notwendigen Systeme implementieren, um alle erforderlichen Daten zusammenzutragen.
Dem österreichischen und dem europäischen Gesetzgeber ist offenbar nicht bewusst,
welchen administrativen Aufwand die neuen Meldeverpflichtungen bei den Banken auslösen. Dass die verschiedenen Meldesysteme und die „Know-your-Customer“-Pflichten
der Finanzinstitute inhaltlich nicht aufeinander abgestimmt sind, stellt für die Banken
und deren Mitarbeiter eine große Herausforderung dar. Als Beispiel sei hier nur die unterschiedliche Definition des „beneficial owner“ in der Geldwäsche-Richtlinie und der
„controlling person“ von Stiftungen und juristischen Personen im Common Reporting
Standard genannt.
Für hunderttausende von bestehenden Konten müssen die Finanzinstitute eine Überprüfung der steuerlichen Ansässigkeit des jeweiligen Konteninhabers durchführen und
dann für jede Eröffnung einer neuen Kontobeziehung ab dem 1. 10. 2016 einen an die
geänderten Erfordernisse angepassten Kundenannahmeprozess einrichten. Besonders
aufwändig und kostenintensiv wird für die Banken die Umsetzung des KapitalabflussMeldegesetzes (die sogenannte „Abschleicher-Regelung“), die auch von vielen Experten als verfahrensrechtlich problematisch gesehen wird.
Die umfangreichen Anpassungen der EDV-Systeme, die Schulung der Mitarbeiter und
die Kommunikation mit den Kunden wird für jede größere Bank wieder Kosten von meh390
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reren Millionen Euro verursachen, mit denen die Kunden natürlich nicht belastet werden
können. Dass die Banken immer mehr Aufgaben im Bereich der Abgabenerhebung und
Datensammlung für die Finanzverwaltung übernehmen müssen, ist dem Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunden nicht zuträglich: Die Banken werden immer mehr als
verlängerter Arm und Erfüllungsgehilfe des Finanzamtes gesehen.
BFGjournal: Ab 2016 entscheidet das BFG über die Bewilligung einer Konteneinschau.
Sind hier auf Seiten der Banken auch Vorkehrungen zu treffen?
Friedrich Rödler: Mit dem Kontenregister und dem umfassenden Einschaurecht der
Finanzverwaltung in die Bankkonten wurde das Bankgeheimnis in Österreich – entgegen den anderslautenden Beteuerungen des Finanzministers – de facto abgeschafft.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die Richtschnur für die zukünftige Genehmigungspraxis des BFG sein, um missbräuchliche Konteneinsicht durch übereifrige Betriebsprüfer zu verhindern.
Die Erfahrungen aus Deutschland, wo es ein bundesweites Kontenregister schon seit
vielen Jahren gibt, lassen auch befürchten, dass der Kreis der zur Einsichtnahme in das
Kontenregister Berechtigten laufend erweitert werden wird: Nachdem in Deutschland
die Einsicht in das Kontenregister ursprünglich nur den Finanzbehörden und den Gerichten vorbehalten war, steht das Einsichtsrecht mittlerweile auch den Sozialversicherungsträgern, den Gemeinden und sogar Gerichtsvollziehern zu. Die Banken werden
natürlich die organisatorischen Vorkehrungen zu treffen haben, um die Meldungen an
das Kontenregister zeitgerecht und vollständig erstatten zu können.
BFGjournal: Eine Frage zur Steuerreform. Als Gegenfinanzierung zur Tarifsenkung
durch die Steuerreform wurde die KESt in mehreren Bereichen auf 27,5 % erhöht. Wie
beurteilen Sie diese Maßnahme?
Friedrich Rödler: Die Aufgabe der einheitlichen Besteuerung und die systemwidrige
Anhebung der KESt auf Dividenden und einige andere Kapitalerträge auf 27,5 % sind
grundsätzlich abzulehnen. Warum Gewinnausschüttungen von Unternehmen höher besteuert werden sollen als Sparbuchzinsen, ist steuerpolitisch unverständlich. Damit wird
eine kapitalfeindliche und standortschädigende Maßnahme gesetzt, die nur aus populistischen und kurzsichtigen fiskalischen Überlegungen erklärbar ist. Dass es jetzt zwei
KESt-Sätze gibt, dient sicher nicht der Vereinfachung. In Zukunft wird der einfache Gesetzgeber für verschiedene Kapitaleinkünfte sogar noch weitere Steuersätze zwischen
20 % und 27,5 % einführen können.
BFGjournal: Der VwGH hat entschieden, dass der Durchgriff auf die hinter einer Kapitalgesellschaft stehenden natürlichen Personen nur in Ausnahmefällen möglich ist.
Durch das AbgÄG 2015 soll diese Durchgriffsmöglichkeit nunmehr gesetzlich verankert
werden. Wie sehen Sie diese Reaktion des Gesetzgebers auf nicht genehme gerichtliche Entscheidungen?
Friedrich Rödler: Leider ist es generell eine zwar schon lange geübte, deswegen aber
noch immer bedauerliche Unsitte des österreichischen Gesetzgebers, unbequeme Judikatur möglichst rasch durch Gesetzesänderungen zu „reparieren“. Wenn Judikate des
VfGH durch Verfassungsgesetze wieder korrigiert werden, hebt das keinesfalls das Vertrauen der Bürger in Rechtssicherheit und Planbarkeit.
BFGjournal: Nun zu einem anderen Thema. Sie sind seit 1982 Steuerberater. Wenn
Sie auf Ihr langjähriges Beratungsleben zurückblicken: Wie hat sich die Steuerberatung
in den letzten Jahrzehnten entwickelt?
Friedrich Rödler: Generell ist es heute viel schwieriger, Mandanten richtig zu beraten.
Das Steuerrecht ist unübersichtlicher, komplexer und unsystematischer geworden. Betriebsprüfungen laufen heute konfliktgeladener ab, für Betriebsprüfer zählt oft das MehrerNovember 2015
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gebnis mehr als die Rechtsrichtigkeit. Ich würde mir wünschen, dass bei der Leistungsbeurteilung der Betriebsprüfer die Zahl der verlorenen Rechtsmittel berücksichtigt würde.
Als ich meine Berufslaufbahn begonnen habe, galt im Steuerrecht noch der Grundsatz:
„Was nicht verboten ist, ist erlaubt.“ Mit anderen Worten: Ein guter Steuerberater war, wer
Gesetzeslücken finden und kreativ zum Vorteil für seine Mandanten nützen konnte. Das
Bankgeheimnis machte es manchmal schwierig, Mandanten auf den Weg der Steuerehrlichkeit zu führen. Im internationalen Bereich konnten vor allem große Konzerne das Steuersatzgefälle und Besteuerungslücken aufgrund unterschiedlicher nationaler Steuerregelungen ausnützen. Solange alle relevanten Aspekte des Sachverhalts offengelegt und
sich die gewählte Vorgangsweise auf eine solide vertretbare Rechtsansicht oder – noch
besser – auf ein „Ruling“ stützen konnte, war alles in Ordnung. Das genügt heute nicht
mehr: Die Öffentlichkeit erwartet sich, gerade von großen Unternehmen, nicht nur, dass
sie sich im Rahmen des geltenden Rechts bewegen, sondern auch, dass sie keine „aggressive Steuerplanung“ betreiben. Ich halte das für eine Fehlentwicklung: In einem
Rechtsstaat darf sich die Steuerbelastung nicht daraus ergeben, was von Medien oder
NGOs als „fair“ angesehen wird, sondern daraus, was „rechtens“ ist, also was sich aus
Gesetz und Judikatur ergibt.
BFGjournal: Sie haben die Entwicklung von der analogen zu digitalen Arbeitswelt verfolgt. Letztere begünstigt Transparenz, Steuer- und Bankgeheimnis geraten ins Wanken. Wo sehen Sie die Grenzen dieser Entwicklungen bzw noch drastischer ausgedrückt: Was passiert mit den übrig gebliebenen Resten der Geheimhaltung?
Friedrich Rödler: Ich frage mich manchmal, was die Finanzverwaltung mit all den Daten machen wird, die sie in Zukunft zur Verfügung hat. Es ist schon bemerkenswert,
dass sich die Bürger in Österreich offenbar mehr sorgen, wenn personenbezogene Daten an den US-Geheimdienst gehen, als wenn der Fiskus bis in die privatesten Bereiche
seiner Bürger hineinschaut. Dem BFG wird als richterliche Prüf- und Rechtsschutzinstanz bei der Konteneinschau eine wichtige Rolle zukommen, um das Grundrecht auf
Schutz der Privatsphäre einigermaßen zu schützen.
BFGjournal: Sie sind bei der IFA im Vorstand, auch beim Forum Alpbach bringen Sie
sich ein. Welche Impulse können Sie hier setzen, bzw was sind die Beweggründe für Ihr
Engagement?
Friedrich Rödler: Das Steuerrecht ist das Rechtsgebiet, das sich – nicht nur in Österreich – am raschesten verändert und unsystematischer wird und gleichzeitig einer wirklichen Strukturreform nicht leicht zugänglich ist. Angesagte Steuerreformen verenden
meist im Irrgarten der Partikularinteressen. Die IFA, das Forum Alpbach und ähnliche
Institutionen erlauben eine Diskussion und einen Gedankenaustausch in einem informellen Rahmen abseits der Tagespolitik.
1) Mein Ziel für heuer ist (beruflich oder privat) …
… die neue Immobilienbesteuerung zu verstehen.
2) Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Barbara Tuchmann: „The March of Folly“ – der deutsche Titel „Die Torheit der Regierenden“
beschreibt sehr deutlich, worum es in diesem Buch geht.
3) Das größte Vergnügen für mich ist …
… ein schwieriges Rechtsmittel vor dem BFG zu gewinnen!
4) Welche Persönlichkeit würden Sie gerne näher kennenlernen?
Marcel Koller. Wie hat er das nur geschafft?
5) Nach der Arbeit ...
… spiele ich gerne Bridge.
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