Prolog Folie 1 Medialität ist im Zusammenhang mit Literatur ein

Medialität von Literatur
Sommersemester 2005
Prolog
© Michael Gans 2005
Folie 1
Medialität ist im Zusammenhang mit Literatur ein disparater Begriff, dessen Aufschlüsselung als Programm des Seminars fungiert:
Erstens realisiert sich schriftlich fixierte Literatur traditionell im Medium Buch, wird
aber durch die digitalen Produktions- und Rezeptionsmöglichkeiten modifiziert
und weiter entwickelt.
Dabei nehmen die ›Neuen Medien‹ formal, inhaltlich und sprachlich Einfluss auf
Schreib-, Präsentations- und Lesegewohnheiten. Medien sind zweitens literarisches Thema: Handlungen konstituieren sich in Abhängigkeit von Medien, sie
sind milieubildend, geben Rätsel auf, schaffen Kommunikationsmöglichkeiten oder generieren Einsamkeit.
Drittens fungiert die Adaption von Literatur durch AV- Medien und PC sowie deren Rezeption als wesentliches Moment literarischer Sozialisation und ist insofern
Ausgangspunkt didaktischer Überlegungen:
Wie kann wem zu welchem Zweck Literatur mittels welcher Medien nahe gebracht werden? An ausgewählten Beispielen aus der Literatur (Buch, Film, Hörspiel, Computerspiel, Internet) werden mediale Aspekte der Texte erörtert und
Ansätze für einen medial orientierten Literaturunterricht konzipiert.
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12.04.05
19.04.05
26.04.05
03.05.05
10.05.05
24.05.05
31.05.05
07.06.05
14.06.05
21.06.05
28.06.05
05.07.05
12.07.05
Seminarprogramm
Text-Bilder
Rose Ausländers Malergedichte
Bücher über Bücher
Umberto Ecos Der Name der Rose
Entdeckung der Langsamkeit als didaktisches Prinzip der Filmanalyse
Filmische Adaption literarischer Vorlagen - Franz Kafkas Die Verwandlung
Literarische Adaption filmischer Vorlagen – Fellinis Boccacio
Ästhetik des Widerstands (Referat) Peter Weiss
Der Spiegel als literarisches Medium Thommie Bayer Der langsame Tanz
Die Leerstelle als literarisches Prinzip (Referat) Peter Bichsel
Netzliteratur (Referat) Mediale Modifikationen von Produktion + Rezeption
Kritisches Lesen als Medienereignis (Referat)
Medialität von Literatur im Unterricht (Referat)
Literarische Inszenierung »Pott-Purree« (Abendtermin)
Nachlese
1. Sitzung: Text-Bilder
Rose Ausländers Malergedichte
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie besuchen das Kunstmuseum Prado in
Madrid und gehen in den Saal mit Bildern des Spaniers Francisco de Goya. Dort
verweilen Sie...
Folie 3 (Saturn)
Folie 4 (Alte beim Essen)
Folie 5 (Hexensabbat)
Notieren Sie sich bitte ein paar Stichwörter zu den gesehenen Bildern!
Es sind Bilder aus Goyas ›Schwarzer Serie‹ (pinturas negras)
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Medialität von Literatur
Sommersemester 2005
© Michael Gans 2005
Goya malt zwischen 1820 und 1823 als über 70jähriger sein Landhaus aus, die
›Quinta del Sordo‹, das ›Haus des Tauben‹ (Goya war schon länger ertaubt). 14
großformatige Wandmalereien - der letzte Zyklus vor seinem Exil in Frankreich.
Die deutsch-jüdische Lyrikerin Rose Ausländer war 1957 auf ihrer Südeuropareise in
Madrid und hat die Quinta-Bilder im Prado gesehen. Sie erkannte in den Bildern wohl
spontan eine ›Seelenverwandtschaft‹ und versuchte in der Tradition der lyrischen
Ekphrase (einer poetischen Bildbeschreibung) das Gesehene als gedankliche und
künstlerische Inspiration zu nutzen: Wahrscheinlich hat Rose Ausländer unter unmittelbarem Einfluss der Originale ihre erste Ideenskizze zu Papier gebracht (so wie Sie
vorhin Stichworte zu den gesehenen Bildern notiert haben). Rose Ausländer hatte
eine literarische und existentielle Motivation:
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»Ich habe, was man Wirklichkeit nennt, auf meine Weise geträumt, das Geträumte in
Worte verwandelt und meine geträumte Wortwirklichkeit in die Wirklichkeit der Welt
hinausgeschickt. Und die Welt ist zu mir zurückgekommen.« MA 85
Wir werfen einen Blick in ihre poetische Werkstatt, versuchen am vorliegenden Material, des literarischen Nachlasses, das der PH Ludwigsburg zur wissenschaftlichen
Bearbeitung zur Verfügung steht, die Entstehung eines Gedichts nachzuvollziehen.
Aufgrund der Beobachtung und Beschreibung von Textgenesen können Hypothesen
über autortypische Gestaltungsmerkmale der Autorin bei der Überarbeitung von Gedichten aufgestellt werden.
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(Goyas schwarze Serie)
»Schwarz
schwärzer als schwarz
Pupillenangst
Genius
im finstern Feuer
tanzt
sein Schatten
Den die Dämonen lieben
gnadenlos
wild singt im
Hexensabbatsee
der schwarze Schwan«
Welche Anknüpfungspunkte für die Auseinandersetzung mit der Textstelle, sog. Kontextuierungen lassen sich denken?
> Kommentare: z.B. das Buch von Eva Heller Wie Farben wirken. Sie setzt sich darin ausführlich und verständlich auch mit Schwarz auseinander.
> Abbildungen der Quinta-Serie
> zeitgeschichtliches Quellenmaterial z.B. zu Goya oder Rose Ausländer
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> poetologische Äußerungen von Rose Ausländer, wie das gesehene Credo
> Korrespondenzgedichte (z.B. »Lob der Ferne« von Paul Celan. In der dritten Strophe des Gedichts heißt es: »Schwärzer im Schwarz, bin ich nackter.« oder die Eingangsstrophe seines Gedichts »Auf Reisen«: »Es ist eine Stunde, die macht [...] dein
schwarzes Aug zum schwärzesten Auge.«. Beide Gedichte entstammen Celans Gedichtband Mohn und Gedächtnis von 1952. Rose Ausländer kannte diesen Band
sehr genau. Bewusst oder unbewusst könnten die Zitate als Vorlage für die Eingangsstrophe des Goya-Gedichts gedient haben.)
Folie 8 »Hexensabbat«
»wild singt / im Hexensabbatsee / der schwarze Schwan«
»Hexensabbat« ist eines der beiden Breitformate aus der schwarzen Serie (140 x
438cm):
Was ist ein ›Hexensabbat‹? Ein Zeitgenosse der Inquisition berichtet:
»So pflegen also die Hexen, sobald sie sich mit ihren Salben eingerieben haben, auf
Stöcken, Gabeln oder Holzscheiten zum Sabbat zu gehen, indem sie entweder einen
Fuß darauf stützen und auch auf Besen oder Schilfrohren reiten, [...]. Sie kommen
zum ›Spiel der guten Gesellschaft‹ [...], wo der Teufel erleuchtet vom Feuer, schrecklich und ernst auf einem Thron präsidiert, meistens in Gestalt eines Ziegenbockes
oder Hundes. Sie nähern sich ihm, um ihn anzubeten, aber immer auf verschiedene
Weise: die einen knien sich nieder und flehen ihn an, andere kehren ihm den Rücken
zu, wieder andere laufen auf den Händen, den Kopf nach unter, aber so, daß das
Kinn nach oben sieht. Danach reichen sie ihm Kerzen, die aus Pech oder Nabelschnüren von Kindern gemacht sind, und küssen ihn zum Zeichen der Huldigung auf
das Hinterteil. Und um das Verbrechen vollkommen zu machen, zelebrieren sie eine
Scheinmesse, wobei sie geweihtes Wasser benützen und dem katholischen Ritus
folgen [...] Danach bieten sie dem Teufel zwei Kinder dar. [...]«
Martin del Rio (1599) aus: Becker u.a.: Aus der Zeit der Verzweiflung. Frankfurt a.M.,
1977, S. 392
Der Schwanengesang ist das letzte Werk eines Dichters vor seinem Tode oder einer
Epoche vor deren Ausklang, nach der antiken Vorstellung, dass der Schwan vor seinem Tod melodische Klagelaute singe.
Folie 9 »Goya«
Das Initialwort des Gedichts, den Maler benennend, den »Genius« mit seiner kunsthistorischen Bedeutung, »Den die Dämonen lieben« (als Verweis auf sein psychisches Schicksal: Goya war ›besessen‹, hatte massive Angstträume und Wahnvorstellungen), »der schwarze Schwan« (Hinweis auf seine bildnerische Ausdruckskraft).
Folie 10 Duktus
Wenn Sie schon einmal ein Bild gemalt haben, mit dem Pinsel viel Farbe auf eine
Leinwand aufgebracht, dann haben Sie sicherlich eine Vorstellung von dem Geräusch des entschlossenen Farbauftrages. Rose Ausländer nimmt diese expressive
Malweise lautmalerisch auf und arbeitet mit Alliterationen: »Schwarz / schwärzer als
schwarz ... schwarze Schwan«. Die Suche nach analogen sprachlichen Mitteln um
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den Maler, sein Werk und sein künstlerisches Konzept zu charakterisieren, ist kennzeichnend für die sog. ›Malergedichte‹
Ich lade Sie ein zu einem lyrischen Quiz der besonderen Art: Anhand der Texte können Sie den portraitierten Maler zu erschließen suchen:
Picasso
Hexenmeister
im Bund mit dem Besen
sperrt den Spieler
in die Gitarre
Ruft Rosa ruft Blau
ewiges Braun
Getrudes Röntgenaugen
Schrei aus Guernica
Dinge dienen
Wieviele Mühlen
erschlug Don Pablo
Es heißt
er sei
Methusalem
Folie 11
Chagall
Auf dem Dach der Nacht
umarmt er
die Violine
Häuser rittlings
schlafwandelsicher
schwebt er
über Giebeln
Blau
schaut dich an
die Kuh
Blumen
zartestes Glück
Wolkenbalkone
im Flug liebt
der Bräutigam
die Braut
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Folie 12
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Lionel Feininger
Die Atmosphäre schimmert
und verweilt
im absoluten
Ort der Ruhe
Farben erfinden Türme
mit raumlosen Spitzen
Der ideal
Mensch
Balance
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Das bildbeschreibende Prinzip und die Repräsentation (Reulecke, 2002)
»Um klären zu können, warum Texte, die sich mit Kunstwerken beschäftigen, in besonderem Maße die Fragen der Repräsentation aufwerfen, sollen einige systematische Überlegungen vorangestellt werden, die für das Wort-Bild-Verhältnis bedeutsam sind. Murray Krieger nennt als weiteste Auslegung des bild beschreibenden
Prinzips die »Konstruktion eines literarischen Werks, die bestrebt ist, dieses Werk als
Konstrukt zum totalen Objekt zu machen, zum verbalen Äquivalent eines Objekts der
bildenden Kunst«. D. h. die Ekphrasis will das Kunstwerk in Sprache übersetzen oder
ihm zumindest mit sprachlichen Mitteln gerecht werden. Der Bezug zum Kunstwerk
stellt also immer auch die Frage in den Raum, ob der geschriebene Text in adäquater Weise das behandelte Kunstwerk präsentiert. Auch Michel Foucault thematisiert
in seiner berühmten Analyse des Bildes »Las Meninas« von Velazquez das – abendländische – Begehren, in Bildbeschreibungen das Bild in einen Text überführen zu
wollen. Doch er fügt sogleich an, daß es aus strukturellen Gründen keine endgültige
Konvergenz von Bild und Sprache geben kann, gehören doch Bild und Schrift unterschiedlichen Registern an, die einander zwangsläufig verfehlen:
»[Aber] die Beziehung der Sprache zur Malerei ist eine unendliche Beziehung; das
heißt nicht, daß das Wort unvollkommen ist und angesichts des Sichtbaren sich in
einem Defizit befindet, das es vergeblich auszuwetzen versuchte. Sprache und Malerei verhalten sich zueinander irreduzibel: vergeblich spricht man das aus, was man
sieht: das was man sieht, liegt nie in dem, was man sagt; und vergeblich zeigt man
durch Bilder, Metaphern, Vergleiche das, was man zu sagen im Begriff ist.«
In diesem Spannungsfeld nämlich, des Wunsches nach Übersetzung und der Unmöglichkeit von Übersetzung, bewegt sich die Bildbeschreibung. Sie will dem Bild eine Ent-Sprechung sein und muss gleichzeitig vor dem Bild versagen. Sie will das Bild
in den Text übersetzen, doch die Unmöglichkeit oder Begrenzung dieser Übersetzung verweist auf einen grundlegenden Mangel der Schrift im Verhältnis zur Ordnung
der Dinge. Die Bildbeschreibung ruft in Erinnerung, dass die Schrift niemals identisch
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mit ihrem Referenten werden kann. Das heißt, dass die literarische Auseinandersetzung mit der bildenden Kunst immer auch eine selbstreflexive Bewegung initiiert, die
um die Frage nach den Bedingungen und Begrenzungen der literarischen Schreibweise kreist. Die grundsätzlich inadäquate Sprache wird sich selbst zum Problem.
Von daher ist die Bildbeschreibung immer auch poetologische Reflexion. Abbildung,
Darstellung, Täuschung, Wahrheit und Schein sind Kategorien, an denen Autoren,
die ›Bilder in Texten‹ thematisieren, nicht vorbeigehen können. Wo Bilder ins Spiel
kommen, steht die Frage im Raum, wie die ›Dinge‹ – je nachdem auch als ›Realität‹,
›Natur‹, ›Wirklichkeit‹ oder ›Erleben‹ bezeichnet – eine adäquate Übertragung finden.
Wenn an Bildern im Text die Pole ›mimetisch‹ [nachahmend] oder ›abstrakt‹ sowie
›realistisch‹ oder ›allegorisch‹ thematisiert werden, dient das immer auch der Suche
nach dem eigenen poetologischen Standort, der Schriftsteller führt seine eigene ›Realismusdebatte‹.
Doch der Text, der sich mit bildender Kunst auseinandersetzt, wird noch auf andere
Weise mit dem Begriff der ›Re-Präsentation‹ konfrontiert. Denn das »Verhältnis Beschreibung/Beschreibungsgegenstand ist analog dem Verhältnis Bild/abgebildeter
Gegenstand –, und das Bild seinerseits verhält sich über eine bestimmte Relation der
Ähnlichkeit oder Nachahmung zu seinem Gegenstand« (Emil Angehrn). Mit anderen
Worten: Die im Ensemble der literarischen Gattungen eher marginalisierte Ekphrasis
ruft auf unübersehbare und privilegierte Weise eine der zentralen zeichentheoretischen Debatten auf. Über die Beschäftigung mit dem Werk der bildenden Kunst
kommt sie zu der Frage, mit welchen Mitteln denn das Kunstwerk darzustellen vermag, wie Abbildung, Nachahmung oder Symbolisierung funktionieren – und damit
zur ›Gretchenfrage‹ der abendländischen Kultur. Denn jedes in einen literarischen
Text eingeführte Bild, mag es sich auf ein in der Realität oder auf ein in der Phantasie eines Schriftstellers existierendes Bild beziehen, stellt die Frage nach Darstellung, Gegenstand und Bedeutung. »In der Kunst« so Roland Barthes, »sind die
Probleme der Sprache niemals wirklich beigelegt: Die Sprache kommt immer wieder
auf sich selbst zurück. Es ist also (trotz aller Einschüchterungen der Kultur, und vor
allem der spezialisierten Kultur) nicht naiv, sich angesichts eines Bildes zu fragen,
was es abbildet. Der Sinn klebt am Menschen [...].« Die Bildbeschreibung, die über
den Wunsch, das Bild zu übersetzen, an die Grenzen ihrer eigenen DarsteIlbarkeit
gekommen ist, gibt somit die Frage der DarsteIlbarkeit an die Kunst zurück.«
Ich darf Sie wiederum zu einem Versuch einladen: Rose Ausländer gibt eine Art
›lyrischen Zeichenimpuls‹, den ich ihnen gerne weitergeben möchte:
Folie 14
Paul Klee I
Verknüpf die Fäden
zu einem Spinnwebnetz
Stell die ungleichen Stücke
zusammen
Beschwöre den Baum
Öffne im Kreis
die Blume
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© Michael Gans 2005
Zeug Kinderköpfe
Atme den Atem
ins Bild
Zaubere
das All
aus dem Nichts
Vielleicht ›verknüpfen‹ Sie Fäden zu einem Spinnwebnetz und versuchen sich
mal an einer zeichnerischen Umsetzung des Gedichts, dessen Titel ich ihnen natürlich noch vorenthalte...
>>> Ergebnisbetrachtung
Folie 15
Der Status des Zeichens im Zeitalter der neuen Medien (Reulecke, 2002)
»Mit der Thematisierung der bildenden Kunst schreiben sich die ›Texte geschriebener Bilder‹ – nolens volens – in die Gattung der ›Ekphrasis‹ ein, deren tradierte Formen sie jedoch gleichzeitig überschreiten. Das heißt, sie verschieben die Aufgabe,
das jeweilige thematisierte Kunstwerk in einer wie auch immer gearteten Äquivalenz, Analogie- oder Konvergenz-Beziehung von Bild und Schrift zu vertreten, zu der Frage, welche darstellungstheoretischen Implikationen sich in der Bild-SchriftÜbersetzung verbergen. Dem entspricht, dass sie bei ihrer Beschäftigung mit Werken der bildenden Kunst nicht nur die Frage stellen, was diese abbilden, sondern vor
allem auch, wie diese abbilden. Dass die Fragen nach der Symbolisierungsform des
Kunstwerks in den ›Texten geschriebener Bilder‹ geradezu zum zentralen Thema
werden, hat mit dem medienhistorischen Kontext ihrer eigenen Entstehung zu tun.
Dieser ist gekennzeichnet durch einen medialen Umbruch, eine ›kopernikanische
Wende‹ von der Hegemonie der Sprache zur Hegemonie des Bildes.
Die ›Texte geschriebener Bilder‹ entstehen in einer Situation, in der sich durch neue
elektronische Medien wie Computer, Video und Internet die Wahrnehmungsformen
und Schreibbedingungen gravierend zu verändern beginnen und insofern für viele
Gegenwartsautoren die poetologische Frage nach der Funktion des Schreibens erneut virulent geworden ist. Die ›Texte geschriebener Bilder‹, so eine weitere These
meiner Untersuchung, stellen Bewältigungsversuche in einer postmodernen Gesellschaft dar, deren Zustand unter dem Kürzel ›Krise der Repräsentation‹ zusammengefasst worden ist. Interessant dabei ist, dass in den vorliegenden literarischen Texten die Radikalität der medialen Revolution, die erst gegenwärtig in ihrem ganzen
Ausmaß sichtbar wird, schon zum Thema wird. Die poetische Sprache vermag,
gesellschaftliche Problemstellungen wahrnehmbar zu machen und zum Ausdruck zu
bringen, bevor sie in den Diskursen der Wissenschaft und der Medien zum Topos
und damit explizit werden.«
Ein Gedicht hab’ ich noch...
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Medialität von Literatur
Sommersemester 2005
© Michael Gans 2005
Salvador Dalí
Schlaff
das Zifferblatt
kennt keine Zeit
wiederholt
die Traumfrau
Schlummerdinge
Darüber das makellose
transparente Gesicht
in traumrealer Landschaft
Folie 16
Vielen Dank!
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