Dialogabend „..bereit, sich neu zu erfinden“

Dialogabend „..bereit, sich neu zu erfinden“
- Resümee einer Diskussion im Kreis mittelständischer Unternehmer -
Der Einladung der Hanseatische Mittelstands Treuhand folgten am Abend des 2. Februar 2016
über 50 Teilnehmer aus 28 Unternehmen. Das Thema des Abends wurde in hochkarätiger Runde
fast zwei Stunden lang unter verschiedensten – teilweise kontroversen – Gesichtspunkten diskutiert. Das hohe Interesse an dem Gedankenaustausch mit Unternehmerkollegen zeigte sich an
den fortgesetzten Diskussionen in kleineren Gesprächsrunden während und nach dem abendlichen Imbiss, die bis in den späten Abend hinein fortgesetzt wurden.
Die dem Thema „…bereit, sich neu zu erfinden“ innewohnende Kraft und Entschlossenheit zeigte
von Beginn an und durch den gesamten Abend hindurch die erwartete polarisierende Wirkung.
Das Einstellungsspektrum der anwesenden Unternehmer schlug sich in so gegensätzlichen
Statements nieder wie „…dass Unternehmen sich wirklich neu erfinden, gibt es nicht, habe ich
jedenfalls nie erlebt“ (Henning Rehder1) oder „ …revolutionäre Umbrüche gehören zum Optionenspektrum in der Unternehmensentwicklung und müssen trotz aller damit verbundenen Risiken
in bestimmten Situationen entschlossen durchgeführt werden“ (Michael Friemel2).
Als ursächlich für diese sich diametral gegenüberstehenden Standpunkte zeigten sich im Verlauf
der Diskussion insbesondere die unterschiedlichen Rahmenbedingungen, denen verschiedene Industrien bzw. Branchen ausgesetzt sind. Eher als konservativ eingeschätzten Branchen, genannt wurden die Lebensmittelindustrie und die Medizintechnik, stehen stark technologiegetriebene Branchen wie z.B. der Anlagenbau und die Softwarebranche sowie die hoch wettbewerbsintensive und veränderungssensitive Dienstleistungsbranche gegenüber, hier insbesondere die Bereiche Marketing und Werbung aber auch die Wirtschaftsprüfung.
Breites Einvernehmen bestand in der Beurteilung des wechselseitigen Zusammenhangs zwischen dem Grad des wirtschaftlichen Handlungsdrucks für u.U. radikale Veränderungen und der
gerade bei
sich schnell verengenden Handlungsoptionen gebotenen Entschlossenheit zur
schnellstmöglichen Umsetzung von Maßnahmen. Unverkennbar sei in jedem Fall das mit zunehmender Radikalität der Lösung und zunehmender Umsetzungsgeschwindigkeit steigende
Risiko von Fehlschlägen.
Das Zwischenfazit war einvernehmlich: Radikale Umbrüche im Sinne eines Neuerfindens gehören zwingend zu den grundsätzlichen unternehmerischen Handlungsoptionen,
sind wegen der mit Ihnen verbundenen Risiken jedoch möglichst zu vermeiden.
Demgemäß rankte sich die weitere Diskussion um die Frage, wie die Reaktionszeiten verlängert
werden können. Als Lösungsansätze standen einerseits die Implementierung eines permanenten
Change-Prozesses und andererseits die Errichtung eines hochreagiblen Frühwarnsystems im
Mittelpunkt.
Ein effizientes Frühwarnsystem erfordert ständiges strategisches Hinterfragen des aktuellen
Businesscases unter systematischer Ausschöpfung aller im Kreis der Mitarbeiter vorhandener
Erkenntnispotentiale (Prof. Dr. Gerhard Schewe3) sowie sämtlicher bestehender Informationsres-
sourcen zur frühzeiteigen Erfassung von sich abzeichnenden Veränderungen, sei es in Schlüsseltechnologien,
im Zusammenhang mit der Digitalisierung - einschl. Industrie 4.0 (Tom StreiSeite 2
! von !4 zum Vermerk zum Dialogabend im Februar 2016 („…bereit, sich neu zu erfinden“)
cher4) und bezüglich demografischer Entwicklungen, sei es in nationaler und internationaler Regulatorik oder im Hinblick auf den Eintritt gänzlich neuer Wettbewerber mit Bedrohungspotential
für die eigene Position.
Die Diskussion darüber, was man mit Change-Prozessen erreichen kann und insbesondere welches die entscheidenden Faktoren sind, um Change-Prozesse erfolgreich zu gestalten, lässt sich
in folgenden Statements zusammenfassen:
-
Sie müssen ambitioniert, auch unter Inkaufnahme von Konflikten und Polarisierungen,
aufgesetzt werden (Henning Rehders Keynote: „Change – sicherer Tod oder die Chance
zu Überleben“).
-
Sie müssen als permanenter Prozess ausgestaltet sein, der sich immer wieder regeneriert
und nie zum Erliegen kommt, am Besten aus dem Tagesgeschäft heraus (Stefan Leitz5).
-
Um die Mitarbeiter mitzunehmen und nicht vorzeitig zu ermüden, sind viele kleine Schritte
besser als gelegentliche inszenierte „big bangs“ (Jens Jürgens6 mit dem Beispiel des Marathonläufers), und umgekehrt dürfen Kreativität und Initiative an der Basis nicht durch
hirachische Filter erstickt werden (Jens Reinhard7).
-
Es braucht auf allen Ebenen, insbesondere aber an der Unternehmensspitze „Typen“, d.h.
Menschen mit Mut und Entschlossenheit, klar im Denken, immer nach noch besseren Lösungen suchend (Stefan Leitz) und insbesondere befähigt, die in den Köpfen und Herzen
der Mitarbeiter vorhandenen Kräfte und Möglichkeiten für den erfolgreichen Veränderungsprozess zu erschließen (Jürgen Schaffert8). Es wird skeptisch hinterfragt, ob es solche „Typen“ heutzutage noch ausreichend gibt und wie man die wenigen finden kann (Astrid Busch9).
-
Unerlässlich ist die Kreativität und Nachhaltigkeit bei der Überwindung von Erfolgshemmnissen, sei es von außen (z.B. überbordende Compliance-Vorschriften - warnende Hinweise kamen von Jens Jürgens und Astrid Busch), sei es von innen aus dem Unternehmen heraus (z.B. erstickende Regelwerke - genannt wurden das „Siemens Handbuch“,
interne Qualitätsregulatorik sowie strukturelle Verkrustungen nach dem Muster „haben wir
schon immer so gemacht“) oder von Hemmnissen in den Köpfen der Mitarbeiter (tradierte
Verhaltensweisen / Bequemlichkeit).
-
Es muss die Bereitschaft erzeugt werden, mit Veränderungen bei sich selbst anzufangen
anstatt auf Veränderungserfordernisse bei anderen zu verweisen, sowie Change als willkommen anzunehmen anstatt als Bedrohung zu empfinden; Ängste müssen erkannt und
ernst genommen, notorische Verweigerer konsequent ausgesteuert werden.
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! von !4 zum Vermerk zum Dialogabend im Februar 2016 („…bereit, sich neu zu erfinden“)
Als zentrale Botschaften des Dialogabends hält Dr. H.-W. Kortmann10 in der
Schlussmoderation fest:
•
Die „Bereitschaft, sich neu zu erfinden“, ist eine unerlässliche unternehmerische
Eigenschaft, um sich in Zeiten fundamentaler Umbrüche von Rahmenbedingungen
erfolgreich behaupten zu können.
•
Ein radikales Neuerfinden birgt hohe Risiken und ist daher durch geeignete vorgelagerte Prozesse im Sinne eines permanenten Change – Management, unterstützt
durch hochreagible Frühwarnsysteme, möglichst zu vermeiden.
•
„Bereitschaft, sich neu zu erfinden“ stellt keinen Imperativ dar, sondern bringt einen wünschenswerten Bewusstseins- und Spannungszustand des weitsichtig han-
Wir danken Herrn Rehder für seine Keynotes, den mitdiskutierenden Unternehmern für ihre Beiträge und allen Gästen für die stets gespannte Aufmerksamkeit beim Zuhören, was alles zu einem sehr gelungenen Abend beigetragen hat. Wir sehen dem nächsten Dialogabend für mittelständische Unternehmer gespannt entgegen.
1 Henning Rehder, Vorsitzender des Beirats Carl Kühne KG, Non-executive Director Celesio AG
2 Michael Friemel, Vorsitzender des Vorstands CSS AG
3 Univ.-Prof. Dr. Gerhard Schewe, Lehrstuhl für Organisation, Personal und Innovation an der Universität Münster
4 Tom Streicher, Vorstand ECOVIS AG
5 Stefan Leitz ,Vorsitzender der Geschäftsleitung Carl Kühne KG (GmbH & Co.)
6 Jens Jürgens, Geschäftsführer der Möller Wedel GmbH & Co. KG – ein Unternehmen der Haag-Streit Gruppe
7 Jens Reinhard, Managing Partner RelevantFirst GbR
8 Jürgen Schaffert, Geschäftsführer der Altonaer Technologie Holding GmbH
9 Astrid Busch, geschäftsführende Gesellschafterin Hanseatische Mittelstands Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
10 Dr. H.-W. Kortmann, geschäftsführender Gesellschafter Hanseatische Mittelstands Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
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