(Norbert Krammer).

Schriftleitung: Martin Greifeneder und Klaus Mayr
Österreichische Zeitschrift für
PFLEGERECHT
Zeitschrift für die Heim- und Pflegepraxis und Krankenanstalten
GuKG, Arbeitsrecht & Anstaltenrecht
Das Freiwillige Soziale Jahr
Pflegegeld & Sozialrecht
Reform der 24-Stunden-Betreuung
HeimAufG, UbG & Sachwalterrecht
Sachwalterschaft –
Angelegenheiten sind präzise festzulegen
Haftung, Kosten & Qualität
ISSN 2079-0953
Abgeltung von Pflegeleistungen
naher Angehöriger –
Das Pflegevermächtnis
pflegerecht.manz.at
P.b.b. Verlag Manz 1230 Wien, Gutheil Schoder Gasse 17, 15Z040328M
6/2015
HeimAufG, UbG & Sachwalterrecht
Mag. Norbert Krammer
Bereichsleiter bei VertretungsNetz – Sachwalterschaft
Sachwalterschaft – Angelegenheiten
sind präzise festzulegen
Sachwalterschaft und UN-Behindertenrechtskonvention. Die Angelegenheiten, mit deren Erledigung der Sachwalter mittels Gerichtsbeschluss betraut wird, sind genau zu beschreiben, müssen
aktuell sein und konkrete Vertretungstätigkeiten betreffen. Die Praxis weicht von diesem Ziel
oftmals ab. Dies wird anhand konkreter Beispiele kritisch diskutiert. Bereits jetzt und noch vor der
geplanten Änderung des Gesetzes bestehen Möglichkeiten zur Konkretisierung, die genutzt werden
sollten.
Viele Berührungspunkte in der Praxis
Einrichtungen der Pflege sowie der Senioren- und Behindertenbetreuung kommen
oft mit dem Rechtsinstrument Sachwalterschaft in Berührung, da sich ihre Dienstleistungen vielfach an Menschen mit intellektueller oder psychischer Beeinträchtigung
richten. Es stellt sich für sie beispielsweise
die Frage, ob der einzelne Betreute durch einen Sachwalter vertreten wird oder Geschäftsfähigkeit überprüft werden solle.
Reicht die bestehende Unterstützung –
auch durch soziale Dienste oder stationäre
Angebote – aus oder ist eine Überprüfung
durch das Gericht erforderlich? Bei der Beantwortung dieser Einschätzung kann neben der eigenen Recherche als Erstinformation auch das Beratungsangebot der Sachwaltervereine unterstützend sein. Bevor
ein Verfahren zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters bei
Gericht angeregt wird, sollten die Grundvoraussetzungen für die Bestellung reflektiert
und beachtet werden:
n
das Vorliegen einer intellektuellen
oder psychischen Behinderung im
Sinn des Gesetzes;
n
welche Angelegenheit liegt vor, die
nicht selbst ohne die Gefahr eines
konkreten Nachteils für den Betroffenen erledigt werden kann sowie
n
das Fehlen von Alternativen.
Ein Bündel an Fragestellungen, die eine genaue Prüfung erfordern. Seit einigen Jahren
können Bezirksgerichte im Zuge des Verfahrens einen Auftrag zu einem „Clearing“
an einen Sachwalterverein erteilen und so
mögliche Alternativen zur Sachwalterschaft
überprüfen. Mit diesem Instrument konnte
aufgrund von fachlichen Informationen
und qualitativen Berichten immerhin in
mehr als einem Drittel die Einstellung
des Verfahrens empfohlen werden. Wenn
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durch diese Bemühungen im Vorfeld des
Verfahrens keine umsetzbaren Alternativen
ermittelt werden konnten, wird das Verfahren weitergeführt. Das Gericht prüft dabei
mit Hilfe des Clearing-Berichts, des beauftragten medizinischen SachverständigenGutachtens und des Berichts des Verfahrenssachwalters, ob die Bestellung eines
Sachwalters unbedingt erforderlich ist.
Jüngste Daten belegen ein Sinken der Bestellungszahlen2: ein Erfolg nach dem rasanten Wachstum im letzten Jahrzehnt.
Auch der Anteil von Sachwaltern für die Erledigung „aller Angelegenheiten“ nimmt ab.
Diese einsetzenden Verbesserungen erhalten durch die aktuelle Diskussion über eine
notwendige, tiefgreifende Reform des Sachwalterrechts zusätzlichen Auftrieb.
Die Bestellung eines Sachwalters erfordert ein gerichtliches Verfahren. Mit Clearing im Vorfeld konnte durch
Alternativen bisher in mehr
als 1/3 der Anregungen eine
Sachwalterschaft vermieden
werden.
Kritische Überprüfung und Anträge
Schon jetzt und heute, und damit bereits
vor diskutierten Gesetzesänderungen, kann
und soll die Intention des Sachwalterrechts
noch deutlicher in der Praxis zur Geltung
kommen. Dabei sind nicht nur die bestellten Sachwalter und die Gerichte im Rahmen der jährlichen Berichte und Überprüfungen gefordert, sondern alle Beratungsund Betreuungseinrichtungen, die Menschen mit Beeinträchtigung bei Anträgen
unterstützen können.
Kritisch sind zwei Dinge zu beleuchten:
erstens, ob das Instrument Sachwalterschaft tatsächlich unerlässlich ist und keine
alternativen Unterstützungsmöglichkeiten
bestehen. Zweitens müssen die Angelegenheiten, mit denen der Sachwalter betraut
ist, immer wieder kritisch betrachtet werden. Sachwalterschaft ist nicht als präventives Instrument konzipiert, denn der
Sachwalter übernimmt eine StellvertreterFunktion, und dadurch verliert der Mensch
mit Beeinträchtigung auch Teile der Selbstbestimmung. Angelegenheiten, mit denen
das Gericht den Sachwalter beauftragt,
müssen konkret beschrieben sein und einen
aktuellen Nachteil betreffen.
Die besondere Bedeutung des medizinischen Sachverständigen ist nicht unumstritten, da damit das medizinische Modell
von Behinderung bei der Beurteilung herangezogen wird. Die Diskussion rund um die
UN-Behindertenrechtskonvention1 verändert diesen Blickwinkel nachhaltig in Richtung soziales Modell der Behinderung. Die
sich abzeichnende Neudefinition fließt auch
in die in Österreich aktuell geplante Reform
ein.
Am Ende des Verfahrens entscheidet
das Gericht, ob die Bestellung notwendig
ist und welche Person mit der Erledigung
der definierten Angelegenheiten betraut
wird. Die Angelegenheiten des Sachwalters
müssen im Gerichtsbeschluss konkret beschrieben werden und dürfen nur aktuelle
Erfordernisse umfassen. In den letzten Jahren hat sich diese differenzierte Sichtweise
und Umsetzung des Rechtsinstruments
Sachwalterschaft zunehmend durchgesetzt.
1
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl III 2008/155. 2 Obwohl die absolute Anzahl an
Bestellungen 2014 noch geringfügig gestiegen ist, reduziert
sich statistisch durch die angewachsene Bevölkerung der relative Prozentsatz an Sachwalterschaften.
HeimAufG, UbG & Sachwalterrecht
Wieder mehr eigene
Verantwortungsbereiche
Befreiungsantrag von der Telefongrundgebühr und plant gemeinsam mit dem
Sachwalter eine schrittweise Übernahme
der eigenständigen Verwaltung des
Für Herrn Hubert Sehler macht es einen
Sparbuchs. Weitere Schritte der Selbst-
Unterschied, ob der für ihn bestellte
bestimmung werden folgen.
Sachwalter, den er grundsätzlich als unterstützend erlebt und mit dem er ein gutes Gesprächsklima hat, vom Gericht für
die Erledigung „aller Angelegenheiten“
betraut wird oder ob doch konkrete Aufgaben benannt werden. Herr Sehler, der
aufgrund seiner Beeinträchtigung weitreichende Unterstützung bei finanziellen Angelegenheiten benötigt, schätzt
die Verwaltung des Kontos, die Erledigung der Überweisungen und die Verwaltung des kleinen Sparvermögens.
Auch in notwendigen Vertretungsange-
Den Betrieb des Autos
selbst verantworten
Noch ein Beispiel: Gerade in ländlichen Gebieten ist nur mittels Individualverkehr
Mobilität herzustellen – auch für Menschen mit Beeinträchtigung. Daher genießt
das Auto, das Motorrad oder das Mopedauto für viele Menschen einen hohen Stellenwert. Sachwalterschaft ändert am Bedarf nichts.
der Intention des Sachwalterrechts auszulegen sei. Somit bleibt im Fall einer Sachwalterschaft nur die Klärung im Zuge der
Angelegenheiten.
Nur eine differenzierte Formulierung der Angelegenheit unterstützt das Ziel
möglichst weitgehender
Selbstbestimmung.
Und dies geschah auch bei Frau Maierhofer: Ein Antrag beim zuständigen Bezirksgericht auf Einschränkung der Angelegenheiten der Sachwalterin wurde
unter Verweis auf die OGH-Entscheidung 10 Ob 12/13 g eingebracht. Das Gericht fasste den gewünschten Beschluss,
legenheiten gegenüber einzelnen Behör-
dass zukünftig die Verantwortung in
den besteht Bedarf.
Fehlende Alternativen, wie unterstützte
Kontoverwaltung durch persönliche Assistenz, nachgehende Erwachsenensozialarbeit
oder antragslose Leistungsgewährung der
Sozialbehörden, erfordern nach derzeitiger
Rechtslage weiterhin die Bestellung eines
Sachwalters. Aber eben mit konkret beschriebenen Angelegenheiten, beispielsweise
die Verwaltung des Kontos oder des Einkommens und die Vertretung gegenüber
der Bezirkshauptmannschaft.
Sachwalterschaft bedeutet
immer Beschränkung der
Selbstbestimmung. Eine
konkrete Beschreibung der
Angelegenheiten reduziert
diesen Eingriff auf das unbedingt erforderliche Ausmaß.
Der von Herrn Sehler mit Unterstützung der Sozialberatungsstelle eingebrachte Antrag auf Einschränkung der
Angelegenheiten führte zu deren Neudefinition. Wie wichtig diese Rückeroberung von Selbstbestimmung für Herrn
Sehler ist, wurde auch für die Betreuerinnen erst nachträglich sichtbar. Jetzt will
Herr Sehler wieder offiziell selbst Verantwortung für die Ausstellung seines
Passes übernehmen, kümmert sich gemeinsam mit seiner Betreuerin um den
Der Weg von ihrer Wohnung zum Ar-
Zusammenhang mit dem Betrieb des
beitsplatz bei einer Reinigungsfirma ist
Kfz von den bisherigen Angelegenhei-
für Frau Maierhofer nicht mit öffentli-
ten der Sachwalterin ausgenommen
chen Verkehrsmitteln zu bewältigen.
bleibt. Ein Erfolg für Frau Maierhofer.
Mit ihrem Einkommen konnte sie sich
die nötigen Mittel für den Ankauf eines
Mopedautos ansparen. Vorher wurde
noch der Führerschein in Angriff genommen. Nach bestandener Prüfung schien
alles klar und der Erhalt des Arbeitsplatzes gesichert. Unterstützt wurde Frau
In gut einem Dutzend ähnlich gelagerter Situationen konnten wir durch Hinweis auf
die OGH-Judikatur eine Eigenverantwortung der Menschen mit Beeinträchtigung sicherstellen.
Maierhofer bei der Umsetzung von der
Mobilen Betreuung und von ihrer Sachwalterin, die gemäß Gerichtsbeschluss
für die Verwaltung von Einkommen
und Vermögen sowie der Vertretung
vor Behörden zuständig ist. Bereits bei
der Anmeldung des Mopedautos erlebte
Frau Maierhofer die Einschränkung
durch Sachwalterschaft deutlich, denn
ohne Zustimmung der Sachwalterin ging
gar nichts.
Aus rechtlicher Sicht reicht die Vertretung
sogar noch weiter: Im Kraftfahrgesetz
(KFG) wird pauschal normiert, dass bei
Bestellung eines Sachwalters dieser für
die dem Zulassungsbesitzer auferlegten
Pflichten verantwortlich ist. Hier kann es
zu Konflikten kommen, jedenfalls aber zu
unnötiger Einschränkung der Selbstbestimmung. Der Oberste Gerichtshof (OGH)
stellte in einem von VertretungsNetz angestrengten Rechtsmittelverfahren – unter
Hinweis auf Zierl3 – bereits 2013 fest, dass
die Bestimmung im KFG entsprechend
„Alle Angelegenheiten“ als Relikt
der Entmündigungsordnung
Aus rechtlicher Sicht können die Angelegenheiten, mit deren Erledigung der Sachwalter durch das Gericht betraut wird, in
drei Kategorien unterteilt werden:4 einzelne
Angelegenheiten, ein bestimmter Kreis von
Angelegenheiten und die Erledigung „aller
Angelegenheiten“. Zum Jahresende 2014
gab es in Österreich nach Angaben des Justizministers in einer parlamentarischen Anfrage insgesamt rund 60.000 Sachwalterschaften, wobei der bisher kontinuierliche
Anstieg eingedämmt werden konnte. Dies
wird vor allem aus der Anzahl jährlicher
Neubestellungen ersichtlich, die auf rund
7.500 gesunken sind. Obwohl die Anzahl
der Bestellung für „alle Angelegenheiten“
ebenfalls kontinuierlich zurückgeht, verwundert der hohe Anteil von weiterhin
rund 50 Prozent. Denn bereits zu Beginn
der 1980er Jahre wollte der Gesetzgeber
Zierl, Die Interpretation der Begriffe „Eigenberechtigung“ und
„Geschäftsfähigkeit“ im Verwaltungsrecht. Zugleich eine Besprechung der Entscheidung OGH 10 Ob 12/13 g, ZfV 2014/
200. 4 Vgl dazu § 268 Abs 3 ABGB.
3
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HeimAufG, UbG & Sachwalterrecht
mit der differenzierten Beschreibung der
Angelegenheiten im Sachwalterrecht eine
Abkehr von der früher möglichen vollen
Entmündigung deutlich machen. Das Parlament schärfte beim Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 nochmals nach: In § 268
Abs 3 Z 3 ABGB wurde die neue Formulierung „soweit dies unvermeidlich ist“ als Bekräftigung einfügt und damit klargestellt,
dass die Bestellung eines Sachwalters für
„alle Angelegenheiten“ eine ultima ratio
darstellt.5
Die Praxiserfahrung lässt vermuten,
dass vor allem der – grundsätzlich positive
– Fürsorgegedanke eine Bestellung für „alle
Angelegenheiten“ begünstigt. Dies betrifft
einerseits hochbetagte Menschen, deren
Pflegebedarf zunimmt und die in einer Einrichtung betreut werden. Andererseits wird
der Wirkungskreis oft auch bei jüngeren
Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und Pflegebedarf nicht ausreichend
differenziert festgelegt.
Fürsorge und umfassende
Erwartungen begünstigen
die Bestellung eines Sachwalters für „alle Angelegenheiten“.
fand sie nicht mehr das Auslagen und
eine 24-Stunden-Betreuung scheiterte
am Fehlen der notwendigen Wohnmöglichkeit für die Betreuerin. In dieser Situation entschloss sich Frau Meister im
bei den Aufgabestellungen
des Sachwalters bringen.
Davon profitieren letztendlich alle Beteiligten.
87. Lebensjahr zur Anmeldung im Seniorenwohnhaus. Die Aufnahme verzögerte sich noch über zwei Jahre. Die
Übersiedlung verursachte viel Stress,
Frau Meister wurde nochmals befragt
Frau Meister war mit den vielen oft sehr
und gab wieder an, dass ihre Nichte ihr
komplexen Aufgabestellungen (Heim-
Vertrauen genießt. Nach einem Bera-
vertrag, Eigenleistung, Übergabe der
tungsgespräch bei einem Sachwalterver-
Mietwohnung, Kündigung von Verträ-
ein wurde für die Familie Meister nicht
gen, verschiedene Anträgen, etc) überfor-
nur die Aufgabenstellung des Sachwal-
dert. Leider konnte ihre Nichte, wegen
ters deutlicher, sondern auch der Wir-
der großen räumlichen Distanz, nicht
kungskreis kritisch hinterfragt. Konkret
die notwendige laufende Unterstützung
galt es die Finanzen in Teilbereichen zu
bieten. Kleine Unterstützungen konnte
verwalten. Die täglichen Angelegenhei-
die Heimleitung übernehmen, regte aber
ten hatte Frau Meister nach Abschluss
in der Folge doch bei Gericht eine Sach-
der Übersiedlung wieder gut geordnet.
walterbestellung an. Ohne vorgeschalte-
Einem entsprechenden Antrag auf Ein-
tes Clearing wurde das Verfahren einge-
schränkung wurde nach Prüfung durch
leitet und eine Privatperson, die bereits
das Gericht entsprochen, die Nichte
öfters als Sachwalter tätig war, zum Ver-
wurde als Sachwalterin neu bestellt. Als
fahrenssachwalter bestellt. Der beauf-
Kreis von Angelegenheiten konnte prä-
tragte medizinische Sachverständige
zise die Vertretung gegenüber dem So-
stellte unter Hinweis der demenziellen
zialhilfeträger und der Pensionsversiche-
Entwicklung fest, dass für Frau Meister
rung sowie die Verwaltung des Einkom-
bei allen Angelegenheiten die Gefahr ei-
mens festgelegt werden.
nes Nachteils besteht und sie daher einen Sachwalter benötigt.
Anträge auf Einschränkung der Angelegenheiten werden nicht immer von den Betreuungseinrichtungen unterstützt, da diese
Veränderung manchmal auch als Verunsicherung der Zuständigkeit erlebt wird.
Auch unreflektierte Haftungsängste verhindern eine Unterstützung zur Selbstbestimmung. Der Aspekt der Einschränkung
für den Menschen findet nicht immer Beachtung. Gemeinsame Diskussionen über
die Notwendigkeit der präzisen Formulierung sind daher für deren Akzeptanz unerlässlich.
Obwohl die Festlegung des Wirkungskreises eindeutig eine rechtliche Beurteilung
darstellt, übernehmen die Richter teilweise
die medizinisch/neuropsychiatrische Sichtweise der Sachverständigen. Während der
Sachverständige im Sinn des medizinischen
Modells von Behinderung ein Defizit feststellt, wird der Richter im Regelfall prüfen,
welche Angelegenheit konkret und aktuell
zu einem Nachteil führen kann. Und daher
sollte der Wirkungskreis entsprechend formuliert sein.
Frau Meister, die seit rund einem Jahr im
Seniorenwohnhaus einer kleineren Ge-
Bei Frau Meister bestellte das Bezirksge-
meinde lebt, war ganz froh darüber, dass
richt die bereits zuvor tätige Privatper-
sie die schon lange mühsamen Bankge-
son und betraute den Sachwalter mit
schäfte nicht mehr selbst erledigen
der Erledigung „aller Angelegenheiten“.
musste. Diese wurden von einem ihr
Kurze Zeit später übersiedelte der pri-
nicht sehr gut bekannten Herrn durchge-
vate Sachwalter und beantragte seine
führt, den das Gericht als Sachwalter be-
Enthebung.
stellt hatte.
Wie kam es dazu? Die Ärzte hatten bei
Frau Meister eine beginnende Demenz
diagnostiziert, mit der Haushaltshilfe
182 ÖZPR 6 | 2015
Einschränkung der Angelegenheiten kann Klarheit
Überprüfungen und Anträge sind
notwendig und machen Sinn
Das Rechtsinstrument Sachwalterschaft
steht vor der nächsten, weitreichenden Reform und der Umsetzung der Zielsetzungen der UN-Behindertenrechtskonvention. Nach derzeitigem Informationsstand
wird aber erst Mitte 2016 ein kompakter Gesetzesvorschlag für das projektierte neue Erwachsenenrecht vorgelegt. Der parlamentarische Entscheidungsweg samt Begutachtung nimmt anschließend auch geraume
Zeit in Anspruch, wodurch das bestehende
Sachwalterrecht noch nicht so schnell abgelöst werden wird. Bereits jetzt können und
sollen die Chancen der genauen Beschreibung von Angelegenheiten im Rahmen
der bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten
genutzt werden, damit Selbstbestimmung
und Eigenverantwortung erhalten bleiben.
Die im Beitrag exemplarisch dargestellten
Beispiele zeigen diese Aussicht auf und können hoffentlich zur Nachahmung anregen.
ÖZPR 2015/116
Vgl dazu weiterführend: Barth/Ganner, Grundlagen des materiellen Sachwalterrechts, in Barth/Ganner (Hrsg), Handbuch des
Sachwalterrechts (2007) 52.
5
HeimAufG, UbG & Sachwalterrecht
Zum Thema
In Kürze
Die Bestellung eines Sachwalters ist aufgrund der weitreichenden Eingriffe durch die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit zwingend an ein
gerichtliches Verfahren gebunden. In mehreren Schritten wird geprüft, ob die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters tatsächlich unbedingt
erforderlich ist oder nicht doch durch eine alternative Unterstützung gewährleistet werden kann. Bei Bestellung eines Sachwalters legt das
Gericht auch die Angelegenheiten fest, mit deren Erledigung der Sachwalter betraut wird. Dabei ist noch immer eine zu weitreichende Festlegung zu konstatieren. Besonders deutlich wird dies bei Bestellungen für „alle Angelegenheiten“. Die Angelegenheiten müssen präzise beschrieben werden und aktuelle Nachteile betreffen. Im Einzelfall empfiehlt sich eine Überprüfung und gegebenenfalls auch ein Antrag auf
Einschränkung der Angelegenheiten.
Über den Autor
Mag. Norbert Krammer ist als Vereinssachwalter und Bereichsleiter bei VertretungsNetz – Sachwalterschaft für die Region Salzburg/Oberösterreich II zuständig. Kontaktadresse: Petersbrunnstraße 9, 5020 Salzburg. Tel: +43 (0)662 877 74 90, E-Mail: norbert.krammer@sachwalter.
at, Internet: www.sachwalter.at
Literatur
Barth/Ganner, Grundlagen des materiellen Sachwalterrechts, in Barth/Ganner (Hrsg), Handbuch des Sachwalterrechts (2007).
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