Rebellen Rufen Landrat an | Südwest Presse Online

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Autor: ANDREA SPATZAL, 20.05.2015
Rebellen Rufen Landrat an
HECHINGEN: Mit aller Kraft wehren sich Anlieger im Wohngebiet "Am Tobel" gegen den Mensa-Standort.
Der Gemeinderatsbeschluss sei nicht rechtmäßig, sagen sie und fordern eine erneute Abstimmung.
Wie bestellt: Ein Tieflader, beladen mit Tischtennisplatten für die Alice-Salomon-Schule, versuchte gestern, sich an den Schulkindern
vorbei durch das schmale Gässchen "Am Schloßberg" zu zwängen - und fuhr dem Fotografen und "Tobelrebellen" Ralf Adler direkt vor
die Kamera. Dass die Stadt ausgerechnet in dieser engen Ecke eine Schulmensa bauen will, können dieTobel-Anlieger nicht
nachvollziehen. Fotograf: SPATZAL_A
Viele Hebel haben die "Tobelrebellen" schon in Bewegung gesetzt, um den Bau der Schulmensa am geplanten
Standort in der Straße "Am Schloßberg" zu verhindern. Die neu gegründete Bürgerinitiative hat die
Kommunalaufsichtsbehörde am Landratsamt angerufen. Das Schreiben ging auch an Landrat Günther-Martin
Pauli. Die Tobel-Anlieger bezweifeln, dass der Beschluss des Gemeinderates über den Mensa-Standort vom 7.
Mai rechtmäßig ist. Mit 16 zu elf Stimmen hatte sich der Gemeinderat für den Standort auf einem
Privatgrundstück in der Straße "Am Schloßberg" (Standort 1) - und gegen den von der Verwaltung
vorgeschlagenen Platz bei der Werkrealschule (Standort 3) entschieden. Bei der Abstimmung habe es "einen
erheblichen - nicht nur formalen - Fehler" gegeben, kritisiert der Sprecher der Bürgerinitiative, Ralf Adler.
Es geht um Befangenheit nach Paragraph 18 der Gemeindeordnung. SPD-Stadtrat Manfred Bensch, der im
Masurenweg und damit "sehr nah" am Standort 3 wohnt, hätte "weder an der Entscheidungsfindung noch an der
Abstimmung mitwirken dürfen". Gegen diese Behauptung legte Bürgermeisterin Dorothea Bachmann sofort ein
Veto ein: "Gründe für eine individualisierbare Betroffenheit von Herrn Bensch (. . .) sehen wir nicht."
Auch die Bürgermeisterin hat sich bereits bei der Kommunalaufsicht rückversichert - während die Bürgerinitiative
inzwischen Schützenhilfe von ganz anderer Seite bekommt: Der in Hechingen wohnende Hirnforscher Boris
Kotchoubey vom Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Uni Tübingen bestätigte
gestern: "Nach Paragraph 18 der Gemeindeordnung reicht es vollkommen aus, dass bei der Entscheidung am 7.
Mai ein Gemeinderatsmitglied dabei war, das befangen werden könnte. Schon damit ist der Beschluss null und
nichtig. Punkt. Ob besagter Gemeinderat tatsächlich befangen war, wie oder ob er abgestimmt oder ob er
während der Abstimmung zum Beispiel geschlafen hat - das alles spielt aus juristischer Sicht keine Rolle."
Die "Tobelrebellen" sind sich ihrer Sache sicher. Dem Gemeinderat will die Bürgerinitiative "die Möglichkeit
eröffnen, diesen Fehler durch eine sehr baldige Wiederholung der Abstimmung in einer weiteren Sondersitzung
des Gemeinderates auszubügeln". Als Querulanten belächeln lassen wollen sich die "Tobelrebellen" nicht. Man
habe noch einige Pfeile im Köcher, versichert Ralf Adler. Die Anlieger haben sich schon gewappnet und die
Anwaltskanzlei Hirt und Teufel an die Seite geholt. Als nächstes werde man sich an das Land, an Hörfunk und
Fernsehen wenden. Eine "Tobelrebellen"-Homepage mit dem Protestbrief der Anlieger und 40 Unterschriften
zum Abrufen sei auch schon in Arbeit. Spätestens beim nächsten Treffen der Bürgerinitiative am Pfingstsonntag
um 16 Uhr in Ralf Adlers Garten sollen weitere Schritte besprochen werden. Nach Ansicht der "Tobelrebellen" ist
der Gemeinderatsbeschluss zum Mensa-Standort "bürger- und umweltfeindlich". Vor allem von den Stadträten
der Bunten Liste hätte Ralf Adler mehr Umweltbewusstsein und Fingerspitzengefühl erwartet. Ganz über Kreuz
ist der selbstständige Fotograf mit der Bürgermeisterin. Der Hinweis Bachmanns, sie habe
Gemeinderatsbeschlüsse umzusetzen, ärgert ihn. "Mit Bürgern zu reden, ist doch nicht verboten", sagt Adler.
"Wir wollen wissen, wo sie eigentlich steht."
Mehrfach haben die Tobel-Anlieger schon betont, dass sie den Bau der Mensa nicht verhindern wollen. "Alle
wollen die Mensa, wir wollen nur eine Lösung finden, die für alle tragbar ist", unterstreicht Adler. Für ihn stecken
in der Standortsuche und -entscheidung viele Ungereimtheiten, und er spricht von "Vetterleswirtschaft".
Wie berichtet, wehrt sich die Bürgerinitiative gegen den Standort "Am Schloßberg", weil sich für die Anlieger die
Wohn- und Lebensqualität erheblich mindern und ein "kleines Biotop mit Turmfalken, Kolkraben und vielen
anderen Vogel- und Tierarten" regelrecht "zerquetscht" würde. Gegen den Standort sprächen auch "enge und
komplizierte Rettungswege, eine Gefährdung vor allem der Grundschüler sowie Mehrkosten".
Eine Mensa am Standort 3 - auf einem städtischen Grundstück am Schulhof der Werkrealschule in Richtung
Kreissporthalle, das mit Garagen bebaut ist - wäre nach Ansicht der "Tobelrebellen" billiger und sicherer. Ralf
Adler: "Die Grundschüler müssten nicht mal das Schulgelände verlassen."
Die Zeit drängt
Nach aktuellem Zeitplan soll der Gemeinderat am 23. Juli über die Entwürfe von drei
Architekturbüros entscheiden, am 24. September den Baubeschluss für die Schulmensa fassen,
und am 1. Oktober soll ein Zuschussantrag für den Mensabau beim Regierungspräsidium
gestelltwerden.
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