2015 4. Augsburger Pflegeaspekte Hämatologie/Onkologie Klinik/Praxis Palliative Wundversorgung Stöhr, Daniela Gesundheits- und Krankenpflegerin, Wundexpertin ICW, Studierende an der FHS St. Gallen Aussage einer Betroffenen... „Meine 7- jährige Tochter mag mich nicht mehr besuchen kommen, sie sagt, in meinem Zimmer stinkt es, ich möchte überhaupt keine Besuche mehr, ich schäme mich zu sehr. Ich sehe das Erschrecken in den Augen meiner Besucher und ich sehe auch, was für eine Belastung mein Verbandswechsel für die Pflegenden darstellt. Sie ekeln sich vor mir. Ich kann das verstehen, ich ekle mich ja auch vor mir selbst.“ 14. November 2015 1 Was ist der Unterschied zur onkologischen Wundversorgung? 14. November 2015 Inzidenz palliativer Wunden • Das Auftreten von palliativen Wunden wird in den Krebsregistern nicht erhoben • Aus vorhandenen Studien wurde eine Prävalenz von 6.6% gemessen • Das bedeutet, dass circa jeder siebte onkologische Patient im Laufe seiner Erkrankung eine oder mehrere solcher Wunden entwickelte • Menschen mit malignen, exulzerierenden Wunden müssen sich oftmals mit peinlichen, quälenden und teilweise stark entstellenden Wunden auseinandersetzen (Probst, Arber et al. 2009) 14. November 2015 2 Kennzeichen der malignen Wunde: • Schnelles Wachstum • Schmerzen • Geruch • Fistelbildung • Kraterbildung • Abheilung meist unrealistisch • Teils massive Exsudation • „Eine Kruste die nie abheilt“ 14. November 2015 Wo treten die Wunden auf? (Mercier et al., 2005; Probst, 2007) 14. November 2015 3 Betrachtung der Gesamtsituation Allgemein: •Was ist bisher geschehen? •Was wurde bisher gemacht? •Wer hat aktuell welches Problem? (Pflege, Patient, Umfeld) •Genereller Gesundheitszustand •Assessement der Wundsituation Im Besonderen: •Ressourcen des Patienten/Angehörige •Wünsche des Patienten/Angehörige •Wer benötigt welche Unterstützung 14. November 2015 Behandlungsziel: Realistisches Ziel ist meist nicht die Abheilung der Wunde, sondern eine gezielte Symptomkontrolle um die Lebensqualität und die soziale Integration der betroffenen Menschen zu erhalten oder zu verbessern. Dazu gehört auch ein kosmetisch akzeptabler und bewegungsfreundlicher Verband 14. November 2015 4 Symptomkontrolle beinhaltet: • Schmerzmanagement • Reduktion von Geruch • Exsudatmanagement • Blutungsmanagement • Reduktion von Juckreiz 14. November 2015 Wundschmerz- Hand drauf! • Schmerzen sind das am meist belastende Symptom bei chronischen Wunden • Er geht mit einer großen Einschränkung auf die Lebensqualität einher, dies wirkt sich auf die Therapietreue, die Mobilität und auf die Heilungsrate aus • Der Zusammenhang zwischen Schmerzen und Wundheilung ist nicht ganz geklärt, man kann aber davon ausgehen, dass andauernde Schmerzen ein Indikator für eine schlechtere Wundheilung sind (Woo und Sibbald, 2009) Eine Befragung von 3918 Wundbehandlern im klinischen Setting ergab: 1. Der stärkste Schmerz tritt während des Verbandwechsels auf 2. Schmerzen bei der Reinigung/ Debridement 3. Lösen von verklebendem, anhaftendem Wundmaterial 14. November 2015 5 Schmerzlinderung/ Vermeidung • • Wenn möglich die Wundursache beheben Analgesie: ausreichend systematisch und rechtzeitige Bedarfsmedikation! • Haftende Verbandstoffe mit ausreichend körperwarmen Flüssigkeit aufweichen (duschen) Ausreichend lange Nassphase (15-25 min) kann bewirken, dass irritierende, schmerzinduzierende Stoffe aus dem Wundgrund entzogen werden • 14. November 2015 Organisierte Menschlichkeit... • • Genügend Zeit, Ruhe, Lagerung, vertrauliche Atmosphäre, Intimschutz Angstabbau: welche Faktoren sind Schmerzauslösend • • • • • Den Patienten am Verfahren beteiligen Den Patienten das Tempo bestimmen lassen Zum langsamen rhythmischen Atmen anregen Pausen anbieten- Zeichen ausmachen Nach bekannten Entspannungstechniken fragen 14. November 2015 6 Weitere Möglichkeiten: Topische Lokalanästhetika • Nach Arztabsprache können auch Lokalanästhetika lokal appliziert werden (Einwirkzeit kann bis zu 60 min betragen!) • • Gesamte Fläche ausreichend bedecken Nekrosen, zähe Fibrinbeläge können Wirksamkeit negativ beeinflussen Zur Anwendung kommen: Lidocain, Morphin Auf mögliche Nebenwirkungen von Lidocain hinweisen: • Kurzfristiges Brennen, lokale Rötung, Abblassen der Haut, Allergie 14. November 2015 Topische Lokalanästhetika- Morphin • • • • • Zur Wundbehandlung und bei Mukositis (Morphingel 0,1- 0.2%) Morphin Ampullen, Morphin Tropfen in Kombination mit einer Hydrofaser (5-10mg) Wirkzeit bei Wunden = 2- 24 Stunden Wirkzeit bei Mukositis = 1- 5 Stunden Die topische Applikation von Morphin kann bei Bedarf zu beginn der Behandlung, 4-6 stündl. wiederholt werden. Die Erfahrung zeigt, dass nach 2-3 Behandlungstagen die Wunschmerzen meistens unter Kontrolle sind und die Anwendungshäufigkeit reduziert werden kann • • Lokale Entzündung muss ausreichen vorhanden sein Bioverfügbarkeit muss neben der lokalen Entzündung gegeben sein (bei gestörter Mikrozirkulation, ischämischer Genese der Wunden und bei Nekrosen nicht vorhanden) Es besteht kein Hinweis zur systemsichen Resorption von topisch angewandte Morphin- Überdosierung vermeiden durch systemische Reduktion • 14. November 2015 7 Exsudatmanagement • Bis zu einem Liter sind keine Seltenheit! • Solange das Exsudat nicht unter Kontrolle ist kann man Begleitprobleme wie Mazeration und Geruch nicht verbessern • Neben den bekannten Verbandstechniken wie z.B. Hydrofaser, Calciumalginat, Polyurethanschaumstoffe können auch: – Stoma Materialien, v.a. Systeme für Kinder – Inkontinenzeinlagen verwendet werden. • Mazerationsschutz! Denn mazerierte Haut tut weh! 14. November 2015 Wundgeruch • Schränkt maximal psychisch und sozial ein • Auswirkungen auf das gesamte Lebensumfeld Einschätzung nach Haughton&Young (1995) Stark: Geruch merkbar bei betreten des Raumes bei intaktem Verband (2-3m) Moderat: Geruch merkbar beim Betreten des Raumes ohne Verband Leicht: Geruch merkbar nahe am Patienten ohne Verband Kein Geruch 14. November 2015 8 Die Frage nach der Lebensqualität: Wundgeruch Beeinträchtigt das eigene Körperbild Appetitlosigkeit/ Gewichtsverlust Soziale Isolation Übelkeit/Erbr echen 14. November 2015 Wundgeruch- Maßnahmen: Generell: •Nicht okkludierende Verbände anwenden (anaeroben Keime) •Optimierte Wundreinigung •Raumpflege (Rasierschaum, Intervalle mit Düften) •Unterstützende Gespräche Angepasster Verband: •Keimbindende Wundauflagen, Auflagen mit Aktivkohle •Antibiotika lokal/systemisch (Metronidazol i.v. 2x tägl.) •Chlorophyll Lösung (benötigt eher lange) Liegt ein wichtiger Besuch an, kann für einen kurzen „befreiten“ Moment die Wunde auch mit Folie abgedeckt werden! 14. November 2015 9 Blutung • V.a. bei kutanen Metastasen keine Seltenheit • Oft arterielle Blutungen • Bei Vorhersehbarkeit mit dem Patienten, dem Umfeld und im Behandlungsteam Maßnahmen besprechen, treffen und schriftlich festlegen (Patientenverfügung, grüne Tücher bereitlegen, Sedierende Medikation) Hinweis: WISO Best.Nr.: 2132651 Tuch, Bauch, grün steril 14. November 2015 Juckreiz = Pruritus • Provoziert das Kratzen • Ist oft ein Symptom für eine zugrundeliegende Erkrankung • Schmerz ist wichtiger und kann Pruritus verdrängen/ unterdrücken • Ein unterdrücken des Schmerzes mit Opioiden kann also den Pruritus mehr hervorheben • Juckreiz hat ebenso ein Gedächtnis- wie der Schmerz Dermatologische Ursachen und verschiedene Arten wie z.B.: Trockene Haut, Leber/Nierenerkrankungen, verletzte Neurostruktur, immunologisch bedingt, psychogen, durch hämatologische Erkrankungen, systemische Erkrankungen Abklärung: Hautstatus, Medikamente, Blutbild, Stuhl auf Parasiten • Juckreiz kann aufgrund von Hitze, Angst, Dehydratation oder Langeweile vermehrt empfunden werden 14. November 2015 10 Nicht-medikamentöse Therapien: • Pflege und Maßnahmen gegen Hauttrockenheit • Haut leicht tupfen, niemals reiben • Atmungsaktive Kleidung • Ruhige Atmosphäre • Nägel kurz halten • Ggf. über Nacht feine Baumwollhandschuhe anziehen (über Reinigung) • Abwechslung im Alltag anbieten • Kratzkissen im Bett • Gut gelüftete Räume 14. November 2015 Dekubitus am Lebensende • • • • • • Häufig trotz aller prophylaktischer Maßnahmen nicht vermeidbar Körper ist am Ende seiner Ressourcen Blutvolumen zentralisiert Mangelnde Fähigkeit andere Lage einzunehmen Veränderung der Wahrnehmung Flüssigkeits- und Ernährungszustand sind schlecht Aussage der S3- Leitlinie Palliativmedizin: „10.32. Alle medizinischen, pflegerischen und physiotherapeutischen Maßnahmen, die nicht dem Therapieziel bestmöglicher Lebensqualität dienen, sollen in der Sterbephase nicht eingeleitet oder falls sie im Vorfeld eingeleitet wurden, beendet werden: z.B. ...Lagerung zur Dekubitus- oder Pneumonieprophylaxe“. 14. November 2015 11 Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit 14. November 2015 12
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