Fleisch und Hunger entwicklungspolitisch

 Macht keinen Hunger !? Fleisch aus Weidehaltung
Fachtagung an der HAHL vom 27. 11. 2014
Referat 3: von Andrea Hüsser, Erklärung von Bern
Fleisch und Hunger
entwicklungspolitisch
Inhalt
  Fleisch im globalen Markt und seine Akteure
Andrea Hüsser, Fachbereich Konsum EvB
Macht keinen Hunger?! Fleisch aus Weidehaltung.
Öffentliche Fachtagung, HAFL Zollikon, 27.11.2014
  Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen
  Die Schweiz und ihr Fleisch
Sehr geehrte Damen und Herren
Der globalisierte Nahrungsmittelmarkt hat ganz viele Facetten. Einerseits gibt es die Rohstoffe und die
Rohstoffgewinnung, welche für die Produktion der Nahrungsmittel sorgt und andererseits die Nahrungsmittel
und ihre Verarbeitung.
Die Gewinnung und die Produktion finden oft an kostengünstigen Orten statt. Dabei bestimmen neben
Lohnkosten auch niedrige Umwelt- und Sicherheitsbestimmungen, wo produziert wird. Dass viele unserer
Nahrungsmittel aus dem globalen Süden bzw. «Entwicklungsländern» kommen, hat seinen Ursprung zum Teil in
der Kolonialzeit. Die Kolonialmächte trimmten ihre kolonialisierten Zulieferländer auf die Produktion von
landwirtschaftlichen Produkten, wie Baumwolle und Kaffee für den Konsum in Europa. Das prägt noch heute
die Landwirtschafts-Situation in den Ländern des Südens.
In den 1980er, 1990er Jahren, haben die Weltbank, der internationale Währungsfond sowie andere Akteure die
Ideologie geprägt, dass die Entwicklungsländer in den Weltmarkt miteinbezogen werden müssen. Einerseits
soll da produziert werden wo es am günstigsten ist und das, was die Leute am besten können. Das bedeutet
dann aber auch, dass statt Eigenanbau Lebensmittel eingeführt werden sollen, die anderswo auf der Welt
günstiger produziert werden können. Die Forderung nach Ernährungssouveränität, die in den letzten Jahren
verstärkt aufkam, ist ein Gegentrend zu diesem Paradigma, das aber weiterhin vertreten wird.
Ein weiteres Merkmal der globalisierten Nahrungsmittelproduktion ist die stetige Zunahme von Markt- und
Machtkonzentration in der ganzen Wertschöpfungskette.
Diese Entwicklung am Nahrungsmittelmarkt haben potentielle Probleme nach sich gezogen, wie die Menschenund Arbeitsrechtverletzungen auf allen Ebenen der Produktionskette, Umweltverschmutzungen, die Gefährdung
der Artenvielfalt, die Gefahr von Machtmissbrauch auf verschiedenen Ebenen, vor allem die Beeinflussung der
Politik durch grosse Konzerne und die Ernährungssicherung des Südens.
Referat 3, Andrea Hüsser, Erklärung von Bern
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Globalisierter
Nahrungsmittelmarkt
Mögliche Probleme
Nahrungsmittel –
landwirtschaftliche Rohstoffe
Verletzungen von Menschen- und
Arbeitsrechten in der Produktion
Kostengünstigste Produktion
Umweltverschmutzung (Folgen von
Monokulturen, Transport, Energie)
Schwieriges Erbe der Kolonialzeit
Gefährdung der Artenvielfalt
(Sortenschutz)
Entwicklung durch Einbindung in
den Weltmarkt
Gefahr von Machtmissbrauch,
Beeinflussung der Politik
Markt- und Machtkonzentration in
den Wertschöpfungsketten
Gefährdung der
Ernährungssicherung in den
Ländern des Südens
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In der Werbung für Nahrungsmittel werden oft Bilder der Landwirtschaft benutzt, die so aussehen wie in dieser
Grafik. Sie kennen vielleicht die MIGROS Werbung mit dem Huhn, welches vom Hof über Wiesen und Alpen zur
MIGROS läuft, dort ihr Ei legt und dann zum Hof zurückkehrt.
Natürlich wissen wir, dass die wirkliche Landwirtschaft anders aussieht, aber wie, wissen wir doch nicht so
genau.
«Traditioneller Hof»
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Die zweite Grafik ist eine schematische Darstellung wie die globalisierte Nahrungsmittelproduktionskette in
Etwa aussehen könnte.
Düngemittel und Pestizide sowie Saatgut werden für die Produktion von Futtermittel (Getreide, Soja, Mais)
benötigt, welches wiederum die Basis für die Tierzucht ist. Die fertiggestellten Güter, werden anschließend an
Zwischenhändler verkauft und weiter verarbeitet. Nach der Verarbeitung werden sie in den Einzelhandel
transportiert und vom Verbraucher konsumiert.
Beim Beispiel Fleisch kommt das zu Futtermittel verarbeitete Getreide zurück in den Zyklus und wird an die
Nutztiere verfüttert. Die Tiere werden wiederum zum Schlachthof transportiert und verarbeitet, bevor sie im
Einzelhandel landen und vom Verbraucher konsumiert werden.
Auffallend ist, dass es auf allen diesen Ebenen eine grosse Konzentration von Akteuren gibt. Die Genetik der
Legehennen beispielsweise wird weltweit von nur drei Unternehmen betrieben. Bei den Masthühnern sind es
vier Unternehmen und bei den Rinder und Schweinen noch ein paar mehr.
Beim Saatgut sieht es ähnlich aus, die Top-10-Konzerne beherrschen 75% des weltweiten Saatgutmarktes und
bei den Pestiziden sind es sogar 95%. Die Schweiz spielt dabei eine interessante Rolle, da Syngenta als einer
der wichtigsten Akteure eine Schweizer Firma ist.
27. 11. 2014, HAFL, Referat 3, Andrea Hüsser, Erklärung von Bern
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Nahrungsmittelproduktionskette
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Als Beispiel für die vertikale Integration wurde das Unternehmen Cargill ausgewählt, welche in diversen
Sektoren tätig ist.
Cargill ist weltweit die Nummer zwei in der Futtermittelproduktion. Auch beim Saatgut und den Düngemittel
liegt sie weit vorne. 1998 hat sie ihr globales Saatgutgeschäft, außer dieses in den USA, an Monsanto
verkauft.
Auf der Stufe der Produktion arbeitet Cargill im Rahmen von Vertragslandwirtschaft, mit Rinder- und
Schweinemastbetrieben. Im Handel ist Cargill mit Getreide, Mais und Soja tätig, das zu Futtermitteln
verarbeitet wird. Auf der Stufe der Fleisch-Verarbeitung besitzt das Unternehmen selber viele Schlachtbetriebe,
so gehen etwa 25% des in den USA konsumierten Fleischs über Schlachthöfe, die Cargill gehören. Sie besitzen
Lieferverträge mit dem Detailhandel.
Bei den Konsumenten ist Cargill allerdings weniger bekannt, jedoch dominiert das Unternehmen fast die
gesamte Produktionskette.
Cargill: Beispiel für vertikale Integration
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Die Grafik zum Tierzucht Monopol soll zeigen, dass die Tierzüchtung fast unbemerkt von der Öffentlichkeit in
eine stark konzentrierte Biotechindustrie umfunktioniert wurde. Die grössten Konzerne produzieren Genetik
mehrere Nutztierarten. Bei Rindern und Schweinen entsprechen die Gene von vielen Millionen Tieren nur noch
weniger als 100 Tieren.
Beim Huhn gibt es sogar nur noch 24 Zuchtlinien aus nur 3 Unternehmen, welche die Geflügelgenetik für
Legehennen liefern.
Probleme:
- Verlorene Vielfalt
- Ohne Kraftfutter und Medikamente können die Leistungen nicht mehr erbracht werden
- Grössere Auswirkungen und Gefahren von Tierseuchen
- Hoher Einsatz von Antibiotika (in Deutschland werden 2/3 der verkauften Antibiotika in Tierfabriken
eingesetzt)
- Resistente Bakterien – immer mehr Menschen sind mit Antibiotika nicht mehr heilbar
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Verschiedene Risiken verbergen sich hinter dieser Marktkonzentration. Erstens sind es nur wenige Konzerne,
die den Markt dominieren: Bauern werden von Konzernen unter Druck gesetzt mit dem Resultat von niedrigen
Abnahmepreisen, hohen Preisen für Saatgut, Pestizide, Dünger, Energie und Futtermittel. Zweitens wird der
Markt von Lobbyarbeit der Konzerne statt vom Wettbewerb dominiert. Denn der Einfluss von Konzernen auf
Politik und Öffentlichkeit wächst immer mehr (Beispiel Nestlé an Weltausstellung in Milano). Ein weiteres
Beispiel dafür ist der „Round Table on Responsible Soy (RTRS)”: Bis heute ist im Rahmen des Standards RTRS
genmanipulierter Soja erlaubt, ebenso wie die Verwendung des Herbizids Paraquat.
Drittens entsteht ein immer grösserer Druck auf den Nähstoffkreislauf: Die Kreislaufwirtschaft findet nicht
mehr auf dem Hof statt, sondern auf der ganzen Welt mit negativen Folgen für Böden, Wasser, Tiere,
Gesundheit.
Und viertens findet die Wertschöpfung nicht bei den Bauern statt.
Risiken durch Marktkonzentration
 Macht dominiert die Kette
 Lobby statt Wettbewerb
 Wertschöpfung statt Nährstoff- und
Energiekreislauf
 Unfaire Wertschöpfungsverteilung
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Soja ist ein wichtiges Futtermittel für die Produktion von Fleisch, besonders für Hühner- und Schweinefleisch.
Allerdings hat der massive Anbau von Soja verheerende Auswirkungen in den Anbauländern. Die Schweiz
importiert jährlich ungefähr 300 000 Tonnen Soja für die Futtermittelproduktion. Das stammt hauptsächlich
aus Brasilien, wo es nach wie vor grössere Mengen an nicht genmanipuliertem Soja gibt. Die Schweiz ist eines
der wenigen Länder, das während den letzten Jahren kein genverändertes Soja mehr importiert hat. In
Paraguay, Argentinien und den USA wird fast ausschliesslich genveränderter Soja angebaut.
Soja wird grossmehrheitlich industriell angebaut. Der konventionelle, industrielle Anbau von Soja fordert
enorme Landflächen, sonst kann nicht effizient genug produziert werden. Das Zusammenfügen von grossen
Flächen verlangt jedoch hohe Kapitaleinsätze. Kleinbauern, die einen Teil der Flächen bewirtschaften, können
sich das nicht leisten. Die Folge sind Enteignung und Vertreibungen. Mit illegalen Mittel zur Landgewinnung
wird die lokale Bevölkerung vertrieben. Zum effizienten Anbau gehört auch ein hoher Einsatz von Dünger und
starken Pestiziden mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier, die Wasserqualität
und die Böden. Zusätzlich sind für den Anbau von Soja in den letzten Jahrzehnten Millionen von Hektaren an
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Grasland, Savanne und Regenwald abgeholzt und in Ackerland umgewandelt worden, vor allem im Amazonasund im Cerrado-Gebiet.
Werden die Kleinbauern verdrängt, verringert sich auch die Produktion von lokalen Nahrungsmitteln. Müssen
lokale Produkte durch das Land transportiert oder importiert werden, steigen die Produktionskosten und somit
auch die Nahrungsmittelpreise. Steigen die Lebensmittelpreise kann das fatale Auswirkungen auf die
Ernährungssituation der lokalen Bevölkerung haben. Mit der Verdrängung der Kleinbauern beginnt die
Armutsspirale zu wirken: Die Arbeitslosigkeit steigt, die Ernährungssituation verschlechtert sich, die Menschen
wandern in die Vorstadtregionen ab.
Wer sich zur Wehr setzt, muss damit rechnen, gewaltsam vertrieben zu werden. Da gerade in Brasilien die
Agrarreform nie zu Ende gebracht wurde und das staatliche Interesse an den Devisen aus dem Sojaexport hoch
ist, ist es für die Betroffenen oft schwierig, ihre Rechte einzufordern. So verlieren viele Kleinbauernfamilien
und Indigene ihre Lebensgrundlage.
Fleischkonsum pro Kopf & Jahr
Die Schweiz und ihr Fleisch
Land
Pro Kopf
Konsum
Land
Pro Kopf
Konsum
USA
116.3 kg
Australien
119.3 kg
Brasilien
92.7 kg
Schweiz
74.6 kg (= 53.7 kg
  Prokopfkonsum: 74.6 kg (= 53.7 kg verkaufsfertiges
Fleisch )
  20% des Fleisches wird importiert (v.a. Poulet)
verkaufsfertiges Fleisch )
China
60.5 kg
Südafrika
65 kg
Japan
49.3 kg
Ukraine
22.9 kg
Nigeria
8.7 kg
Indien
4.9 kg
  Ca. 40% des Kraftfutters wird importiert
Quelle: FAO 2012
  Entwicklungs- und Schwellenländer: 32.7 kg
  Industrieländer: 79 kg
  Weltdurchschnitt: 42,5 kg
  1 500 000 Tonnen Kraftfutter jährlich (v.a. Soja aus
!
Brasilien)
!
  Genetik und Zucht stammen von internationalen Firmen
!
!
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In der Schweiz werden jährlich fast 75 kg Fleisch (Schlachtgewicht) konsumiert, davon sind 54 kg verkauf
fertiges Fleisch, sprich es werden durchschnittlich 1 kg pro Kopf und Woche konsumiert.
Ungefähr 20% des in der Schweiz konsumierten Fleisch und 40% des Kraftfutters wird importiert.
Die Genetik und die Zucht stammen von internationalen Unternehmen.
Chance
Ohne Kraftfutter- und Fleischimporte in die Schweiz:
50% Fleischkonsum
Bedingungen:
- reduzierte Fütterung von Milchkühen und
Mastrindern
- Schweinebestand auf 50% reduzieren
- Mastgeflügel um 20% reduzieren
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Es stellt sich nun die Frage, wie viel Fleisch man essen dürfte oder wie viel Fleisch pro Person ein
angemessener Konsum wäre.
Auf die Frage wie viel Fleisch man pro Tag esse, antworteten die meisten mit „nicht viel“. Die wenigsten sagen
„viel oder sehr viel“. In Anbetracht der 54 kg Fleisch pro Person und Jahr, wird in der Schweiz doch eine recht
grosse Menge konsumiert.
Die EvB hat sich nun die Frage gestellt, wie viel Fleisch die Schweizerinnen und Schweizer noch essen
könnten, wenn sie kein Fleisch und auch kein Kraftfutter mehr importieren würden.
Eine Studie, welche die EvB zu dieser Frage in Auftrag gegeben hat, hat ergeben, dass wir den Konsum in der
Schweiz halbieren müssten. Das heisst, statt einem ganzen Kilo dürfte jede und jeder nur noch 500 g Fleisch
pro Woche essen. Das ist die Grundaussage.
Es kommt allerdings auch darauf an, von welchem Tier das Fleisch stammt. In der Studie wurde angenommen,
dass die Fütterung von Milchkühen und Mastrindern reduziert werden müsste. Und der Schweinebestand
müsste um 50% und der Hühnerbestand um 20% reduziert werden.
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Fazit
  Marktkonzentration mit potenziellem
Marktmissbrauch
  Der hohe Pestizideinsatz im Soja-Anbau führt zu
diversen Umweltproblemen
  Der immer grössere Fleischhunger verschärft
Landkonflikte und treibt die Menschen in
Lateinamerika noch mehr in Armut
  Fleischkonsum ist nicht nur eine private
Angelegenheit sondern hat eine politische
Dimension
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Fazit
Die massive Produktion von Soja, das für Futtermittel eingesetzt wird, hat für Mensch und Umwelt verheerende
Auswirkungen. Der weltweit immer grösser werdende Fleischhunger verschärft vor allem in Lateinamerika
Landkonflikte und treibt die Menschen in die Armut. Profitieren tun davon vor allem wenige, dafür umso
grössere Konzerne, welche durch ihre Marktmacht die Rahmenbedingungen innerhalb der Produktionskette
bestimmen können.
Deshalb ist Fleischkonsum ist nicht nur eine private, sondern eine hoch-politische Angelegenheit, auf die wir
mit unserem Verhalten direkt Einfluss nehmen können. Als Anmerkung ist hier anzufügen; wird hier vom
Fleischkonsum gesprochen, ist immer auch der Konsum von Milch, Butter und Ei gemeint.
Verhaltenstipps
Die Hälfte des üblichen Fleischkonsum reicht auch aus, weniger Konsumabfälle, weniger Luxusfleischstücke,
Fleisch aus Weidehaltung vorziehen, sich informieren und bewusst konsumieren, vermehrt Vegi-Gerichte essen,
sowie den Konsum von Butter und Käse einschränken.
Andrea Hüsser Studium der Ethnologie und Journalistik, tätig als Redaktorin und mehrere Jahre in
mexikanischen NGOs in den Bereichen nachhaltige Produktion, rurale Entwicklung und Gender.
Seit 2008 bei der Erklärung von Bern (EvB) verantwortlich für den Fachbereich Konsum.
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