„Bad Bank? Vergessen Sie`s! “

20 ENERGY AWARDS 2015
DONNERSTAG, 2. JULI 2015, NR. 124
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ENERGY AWARDS 2015 21
DONNERSTAG, 2. JULI 2015, NR. 124
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Energiewende Die Jury benannte die Kandidaten für die Branchen-Oscars – und diskutierte mit Eon-Vorstand Bernhard Reutersberg.
JURY-SITZUNG
Die Nominierten
„Bad Bank?
Vergessen Sie’s! “
Von Start-ups bis zu Konzernen ist alles dabei.
D
ie Energiewende ist zweifellos eine Mammutaufgabe – und
Deutschland kann jede Idee gebrauchen, damit der Umstieg auf die grüne Energiewelt zum Erfolg wird. Die besten Ideen und Projekte sollen auch in
diesem Jahr wieder mit den von Handelsblatt und General Electric (GE) initiierten Energy Awards gewürdigt werden.
Vergeben werden die Branchen-Oscars
von der Energy Academy, einem Think
Tank, der inzwischen rund 230 Experten aus allen Facetten der Energiebranche zusammenbringt.
Der Vorstand der Energy Academy
kam jetzt zusammen, um aus den mehr
als 100 Bewerbungen eine Vorauswahl
zu treffen. In fünf Kategorien wurden die
jeweils drei besten Vorschläge nominiert.
Darunter sind große Unternehmen wie
Volkswagen oder Trimet Aluminium,
aber auch Kommunalversorger wie die
Stadtwerke Wolfhagen oder Start-ups wie
Aquakin. Folgende Unternehmen und
Projekte wurden nominiert:
Eon-Manager Reutersberg erklärt, wie der Energiekonzern
neue Wettbewerber abwehren will und weshalb auch die
neue Gesellschaft Uniper eine glänzende Zukunft haben wird.
Das wurde also nicht alles von Ihrem
Vorstandschef bestimmt?
Wenn Sie meine Vita anschauen, dann
war die Entscheidung für Eon-Neu logisch. Mir liegt das eher kundenorientierte Geschäft.
Warum reagiert Eon so radikal auf die
Energiewende?
Zunächst sollte man klären, welche
Energiewende wir meinen. Meinen wir
das stark subventionsgetriebene deutsche Konzept zum Umbau der Energiesysteme? Das war nicht der Treiber für
unsere Entscheidung. Wir reagieren vielmehr auf die globalen Megatrends.
Die da wären?
Wir sehen ein enormes Wachstum bei
erneuerbaren Energien – aber auch einen prinzipiellen Trend zur Dezentralität, also der verbrauchsnahen Produktion von Strom. Zudem steigt die Bereitschaft der Leute, in eine eigene Photovoltaikanlage oder Batterie zu investieren. Sie wollen einen Teil des eigenen
Stromverbrauchs selbst herstellen. In
Kombination mit der Digitalisierung ent-
Welches Unternehmen fasziniert Sie besonders?
Zum Beispiel Sungevity. Die machen im
Grunde etwas ganz Einfaches und verkaufen Photovoltaikanlagen fürs Dach.
Aber sie haben sich den ganzen Wertschöpfungsprozess angesehen, von der
ersten Kundenakquisition bis zur Installation auf dem Dach, und sich dabei gefragt, wo die größten Kosten entstehen.
Also hat Sungevity die Kundenansprache optimiert. Die Mitarbeiter identifizieren in einer Stadt mit Hilfe von Google Earth die Häuser, die ein optimales
Dach haben, um Solarenergie zu nutzen. Dann berechnen sie exakt, wie groß
eine installierte Photovoltaik-Anlage
sein muss und liefern innerhalb kürzester Zeit Rechnungen für Energie und
Wirtschaftlichkeit. Und dann geben sie
diese Daten an ihr Callcenter. Die rufen
den Hausbesitzer an und fragen, ob er
eine bestimmte Marge aufs eingesetzte
Kapital verdienen will.
Sie brauchen ganz andere Mitarbeiterprofile.
Wir können uns die Welt nicht von heute
auf morgen neu erfinden. Wir haben
aber auch bei den neuen Energiefeldern
schon jetzt viele exzellente Mitarbeiter
an Bord. Natürlich müssen wir uns wie
andere Unternehmen ständig fragen, ob
wir an Schlüsselpositionen die Mitarbeiter mit den richtigen Profilen haben.
Diese Transformation ist ein Prozess.
Wir werden auf Dauer auch nicht umhin
kommen, neue Mitarbeiter aus anderen
Branchen anzuwerben, die uns unterstützen, die neue Kultur umzusetzen.
Bernhard
Reutersberg:
Der Eon-Vorstand
war selbst im
Silicon Valley, um
sich Anregungen
zu holen.
Warum schließen Sie keine Partnerschaft mit anderen Unternehmen ab, um
etwa das mangelnde digitale Know-how
bei Eon auszugleichen?
Ich schließe das nicht aus, selbst eine Allianz mit Unternehmen wie Google wäre
prinzipiell möglich. Partnering ist ein
ganz wichtiges Element. Am Ende muss
es für beide Partner eine Win-win-Situation geben. Ein Partner muss uns Fähigkeiten bringen, die wir so nicht haben
Die Lehre aus dem Silicon Valley ist für
viele, dass die deutschen Versorger viel
zu behäbig sind. Dabei müsste man
komplett neu denken. Kann das ein Unternehmen wie Eon überhaupt?
Wenn wir davon nicht überzeugt wären,
dürften wir solch eine Strategie nicht
verfolgen.
Man hat schon Strategien scheitern sehen. Für das angestrebte neue Geschäft
benötigt Eon eine ganz neue Firmenkultur. Wie wollen Sie das schaffen?
Start-up Aquakin (Kleinstwasserkraftwerk Blue Freedom), Thermondo (Digitalisierung des Heizungswechsels),
SmartB Energy Management (Softwarelösung für die energetische Überwachung von Gewerbeimmobilien in Echtzeit)
Lena Boehm für Handelsblatt
Sie spielen auf die jungen Wilden aus
dem Silicon Valley an. Sie waren selbst
mehrmals dort. Was haben Sie gesucht
und was gefunden?
In Deutschland wird Energie häufig mit
negativem Tenor diskutiert. Im Silicon
Valley dagegen ist Energie als etwas Positives in aller Munde – etwas, das Zukunft hat. Hier geht es nicht um großtechnische Anlagen, sondern darum,
wie der einzelne Kunde möglichst effizient mit Energie umgeht. Wie kann dieser selbst Strom produzieren? Wie den
Strom verkaufen? Im Valley haben die
Firmen eine ganz andere Perspektive.
Das ist sehr belebend. Deswegen haben
wir ein Team nach San Francisco gesetzt
und uns an 14 Start-ups beteiligt.
Das ist sicherlich eine der größten Herausforderungen. Kulturelle Veränderungen sind sehr schwierig zu bewältigen. Und sie brauchen Zeit. Es bedarf intensiver Arbeit, um die Denkweise der
Menschen zu ändern. Wir fangen aber
nicht bei null an. Schon in den vergangenen Jahren haben wir sehr viel mehr in
Fähigkeiten investiert, unsere Kunden
besser zu verstehen. Wir sind zwar noch
nicht da, wo wir hinwollen – aber angefangen beim Vorstand beginnen wir immer stärker, die Dinge aus der Perspektive des Kunden zu sehen. Daraus leiten
wir Bedürfnisse ab, treiben Innovationsprozesse voran und bieten Lösungen.
Und über diese gesamte Arbeit wird sich
die Kultur im Unternehmen ändern.
Bernhard Reutersberg (M.), Handelsblatt-Chefredakteur
Hans-Jürgen Jakobs (l.) und Energieexperte Jürgen Flauger.
oder nicht schnell genug selbst aufbauen können.
Haben Sie nicht ein Glaubwürdigkeitsproblem? Ein Versorger, der für riesige
Kraftwerke und Zentralismus bekannt
ist, will jetzt grün und dezentral sein?
Wenn ich die Resonanz aus Politik und
Medien Revue passieren lasse, dann
kann ich mich nicht daran erinnern, dass
unsere Glaubwürdigkeit angezweifelt
wurde. Wir bekommen im Moment gerade aus der Politik sehr viel Zustimmung.
Es ist andersherum: Wenn wir die Struktur so beibehalten würden, hätten wir ein
Glaubwürdigkeitsproblem. Wir als Eon
mussten uns entscheiden, ob wir Großproduzent sind oder für Kunden maßgeschneiderte Lösungen anbieten wollen.
Die Netze sind reguliert und erneuerbare
Energien abhängig von Förderungen. Im
Vertrieb sind die Margen gering. Wo ist da
das Wachstumspotenzial?
Wir sehen in allen drei Bereichen – Verteilnetze, erneuerbare Energien und
Kundenlösungen – gute Wachstumspotenziale. Der Anteil der erneuerbaren
Energien am Energiemix wächst weltweit sogar überproportional…
…aber nur in Abhängigkeit von staatlichen Vorgaben.
Nicht nur. Die staatlichen Vorgaben gehen zurück. Photovoltaik ist in einzelnen
Bereichen heute schon vollständig ohne
Subventionen wettbewerbsfähig. Wenn
dann noch kostengünstige Batterien dazukommen, werden wir irgendwann
überhaupt keine staatlichen Förderungen mehr für diesen Bereich brauchen.
Außerdem ist der Stand der Regulierung
in jeder Weltregion anders. Unser Erfolg
hängt nicht mehr an einzelnen Ländern.
Das sollen die Manager mächtiger Finanzfonds glauben?
Wir setzen auf die richtigen Trends. Und
Fonds schätzen ja gerade die Tatsache,
dass ein großer Teil unseres Geschäfts
schwankungsarm und damit kalkulierbar ist.
Auf welche Zukunftstechnologien setzt
Eon: Kraft-Wärme-Kopplung, Windanlagen an Land, Meerwindparks, Photovoltaikparks, dezentrale Energielösungen –
oder alles zusammen?
In puncto Technologien möchte ich explizit nichts ausschließen. Wir sind bei
Offshore-Windanlagen sehr aktiv und
gehören zu den drei größten Investoren
weltweit. Gerade haben wir entschieden, mit Rampion einen großen Meereswindpark südlich von England zu bauen. Die gleiche Systematik gilt für Onshore-Wind. Da sind wir vorwiegend am
nordamerikanischen Markt unterwegs.
Und dezentrale Erzeugung und Energieeffizienz sind ein absolutes Muss. Auch
bei Photovoltaik wollen wir wachsen.
Wir sind zwar noch nicht
da, wo wir hinwollen –
aber angefangen beim
Vorstand beginnen wir
immer stärker, die Dinge
aus der Perspektive
des Kunden zu sehen.
Bernhard Reutersberg
Eon-Vorstand
VITA BERNHARD
REUTERSBERG
Der Manager Bernhard Reutersberg hat den rasanten Aufstieg
von Eon nach der Gründung im
Jahr 2000 ebenso mitgemacht
wie den rasanten Absturz. Der
61-Jährige hat unter anderem den
Vertrieb geführt und die Gastochter Ruhrgas. Seit fünf Jahren sitzt
er im Konzernvorstand.
S. Reimelt (l.) und G. Dejouany (r.).
Industrie Volkswagen (ganzheitliches
ökologisches Unternehmensprogramm
Think Blue.Factory.), Trimet Aluminium
(Aluminiumelektrolyse mit flexibler
Energiezufuhr), Sunfire (Reversible
Elektrolyse vereint Brennstoffzelle und
Elektrolyse in einer Anlage)
Die Aufgabe Reutersberg wird
auch nach der Aufteilung des
Energiekonzerns bei der Eon SE
bleiben. Als Chief Markets Officer
ist er für Kundenlösungen, dezentrale Erzeugung, digitale Transformation und Technologie & Innovation zuständig – also die Suche
nach neuen Geschäften.
Mobilität Kreisel Electric (Lithium-Ionen-Batterietechnologie), Wiener Stadtwerke und ÖBB Personenverkehr („smile“-App kombiniert als Plattform die verschiedensten Verkehrsmittel“), Terberg
Nordlift (Terminal-Zugmaschinen mit
vollelektrischem Antrieb)
Utilities & Stadtwerke Stadtwerke Wolfhagen (genossenschaftliche Erzeugung
von erneuerbaren Energien), Netze BW
(Netzautomatisierungslösung zur Integration regenerativer Energien), Grundgrün Energie (Grundgrüner Strom Index Spot – ein Produkt für die digitale
Energiewirtschaft 4.0)
Zu den Vorstandsmitgliedern zählen neben den beiden Chairmen Hans-Jürgen
Jakobs (Handelsblatt) und Stephan Reimelt (GE) Michael Wübbels (VKU),
Frank Schmidt (Deutsche Telekom),
Matthias Wendel (Dong Energy), Stephanie Schoss (Susi Partners), Sven Becker (Trianel), Marc Oliver Bettzüge
(Universität Köln), Olaf Heil (RWE), Jens
Raschke (Bearing Point), Gonzague Dejouany (EDF Deutschland) und Dr. Georg Kofler (Kofler Energies).
Über die endgültigen Gewinner der
Energy Awards entscheiden dann anhand der Nominierungen alle gut 230
Mitglieder der Energy Academy. Verliehen werden die Preise schließlich am 8.
Oktober im Rahmen einer feierlichen
Gala im Museum für Kommunikation in
Berlin.
Dabei wird auch der „Energizer des
Jahres“ gekürt. Mit diesem Sonderpreis
will die Energy Academy Persönlichkeiten auszeichnen, die sich als Visionäre um die Energiewende verdient
machen.
2014 wurde Bertrand Piccard geehrt,
der zurzeit mit seinem Solarflugzeug
einen Rekordflug rund um die Welt versucht. Im Jahr zuvor war es Jeremy Rifkin. HB
Und da teilen Sie sich einfach auf?
Die neue Strategie von Eon ist nicht,
sich zu teilen. Die Teilung ist die Voraussetzung für die Neuausrichtung
von Eon. Also das Ausrichten auf Kundenlösungen, das Schaffen von werthaltigen innovativen Produkten.
Und Uniper wird zur „Bad Bank“ der
deutschen Energiewirtschaft?
Nein, in keiner Weise. Das Geschäftsmodell von Uniper wird noch für Dekaden benötigt. Das Unternehmen besitzt
werthaltige Assets, die für eine sichere
Energieversorgung unverzichtbar sind.
Bad Bank? Vergessen Sie’s!
Die Fragen stellten Hans-Jürgen
Jakobs, Jürgen Flauger und der
Vorstand der Energy Academy.
Lena Boehm für Handelsblatt (2)
Herr Reutersberg, Sie werden nach der
Aufspaltung des Energiekonzerns Eon
im Vorstand der Eon SE sitzen, die sich
ums Geschäft mit der Energiewende
kümmert. Wie erleichtert sind Sie, nicht
zur neuen Gesellschaft Uniper mit den
konventionellen Kraftwerken wechseln
zu müssen?
Wieso erleichtert? Ich bin überzeugt,
dass beide Unternehmen gute Chancen
in ihren jeweiligen Märkten haben. Bei
der Wahl zwischen Eon und Uniper gab
es natürlich gewisse Vorqualifizierungen. Daraus ergab sich, wer wohl in welche Richtung geht.
steht hier eine ungeheure Dynamik. Sie
wird die Energiewirtschaft in den kommenden Jahren nachhaltiger als jemals
zuvor verändern. Die Industrie wird sich
nicht nur mit ihresgleichen auseinandersetzen müssen – es werden ganz andere Unternehmen mit ihren Geschäftsmodellen bei uns wildern oder unsere
Wertschöpfungskette angreifen.
Lena Boehm für Handelsblatt
D
ie Energiewende wird immer weniger von den traditionellen Versorgern getrieben als zunehmend von
kleinen Start-ups. Viele pfiffige Ideen waren auch in diesem Jahr
wieder unter den mehr als 100 Bewerbungen für die Energy Awards, die das
Handelsblatt gemeinsam mit Partnern
vergibt. Gut sechs Stunden lang brütete
die Jury in der Bibliothek des Handelsblatts in Düsseldorf über Vorschläge und
traf unter den besten Kandidaten eine
Vorauswahl. Anschließend war auf der
Dachterrasse ein Vertreter der etablierten Energiewirtschaft zu Gast: Bernhard
Reutersberg, im Vorstand von Eon unter
anderem zuständig für die Suche nach
neuen Kundenlösungen und dezentrale
Energien, erläuterte, wie ernst Deutschlands größter Energiekonzern die neue
Konkurrenz nimmt.
Smart Home Tado (Thermostat, automatische Heizungsregelung mit Hilfe einer App), HHS Planer + Architekten
(Mehrfamilien-Wohnhaus im Effizienzhaus-Plus-Standard), Provedo (Mehrgenerationenhaus AWO Wohnpark – eine
Smart-Home-Automationslösung)
Der Vorstand der Energy Academy diskutiert in der Bibliothek des Handelsblatts: Aus den gut hundert Bewerbungen wurden in fünf Kategorien jeweils
drei Kandidaten nominiert.