Pressetext Wolfgang Nestler - Kraft, die niemand fürchtet

Wolfgang Nestler
„Kraft, die niemand fürchtet“
17.1.- 28.2.2016
Vita
1943
1967-73
1972-77
1987-89
1989-2007
geboren in Gershausen, aufgewachsen in Witten an der Ruhr
Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Erwin Heerich,
Meisterschüler
Kunsterzieher in Aachen
Professor an der Universität Gesamthochschule Siegen
Professor für Plastik/Bildhauerei an der Hochschule der Bildenden Künste Saar,
Saarbrücken
Auszeichnungen
1974
1975
1977
1976
1977
1980
1995
2005
Stipendium der Stadt Aachen
Kunstpreis Berlin
Kunstpreis der Böttcherstraße, Bremen
Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen
Karl Schmidt-Rottluff Stipendium, Berlin
Preis der deutschen Kunstkritiker
Robert-Schuman-Preis für Bildende Kunst
Landespreis Hochschullehre für das Projekt „Weltkulturerbe im Austausch
Der direkte körperliche Bezug aktiviert das Spannungsfeld zwischen Sehen
und Erkennen, Vorstellen und Begreifen.
(Joachim Heusinger von Waldegg, Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst. S. 3)
Wolfgang Nestler, geboren am 8. September 1943 in Gershausen im Landkreis Hersfeld,
Deutschland. Wolfgang Nestler wuchs in Witten an der Ruhr auf. Er war Meisterschüler bei Erwin
Heerich. Von 1972 bis 1977 war er als Kunsterzieher in Aachen tätig. Von 1987 bis 1989 hatte er
eine Professur an der Universität Siegen und seitdem 1990 war er Professor für Plastik und
Bildhauerei an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken. Er erhielt zahlreiche
Preise (u.a. den Preis der deutschen Kunstkritiker und den Robert Schumann Preis).
Seine Werke befinden sich in wichtigen Sammlungen, zum Beispiel in der Nationalgalerie in
Berlin, in der Staatsgalerie Stuttgart, in der Kunsthalle Mannheim, im Lehmbruck Museum Duis-
burg, im Lehnbachhaus München sowie in der Sammlung Ludwig in Aachen. Zahlreiche Arbeiten
befinden sich im öffentlichen Raum, unter anderem sechs Plastiken beim Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in Bonn, eine Stahlplastik anlässlich der Bundesgartenschau
Stuttgart, eine Steinskulptur als Mahnmal für die Opfer des Naziregimes in Krefeld und eine
Rauminstallation im Ministerium für Justiz in Berlin.
Nestlers Thema ist die Balance des Schwerpunktes; er inszeniert bei seinen Arbeiten oft ein fragiles Kräftespiel von Eisenstangen, Gelenkstücken, Scharnieren oder er balanciert massive Blöcke
aus. Jede seiner Plastiken besitzt eine spezifische Pyschophysik. Ähnlich geben zum Beispiel
Richard Serra und Klaus Rinke der physischen Erscheinung eigene Interpretationen.
Auch aus Styropor und Schaumstoff schafft Nester luminöse und leichtgewichtige Werke, doch
seine bevorzugten Ausdrucksträger sind Eisen und Stahl, die er durch Schmieden, Schweißen,
Gießen und Zerteilen bearbeitet. Wichtiger Moment seiner künstlerischen Arbeit ist die soziale
Interaktion, die im Rahmen seiner Kunstprojekte und Ausstellungsinszenierungen stattfindet
(unter anderem Tischgalerie, Hommage an Sophie Taeuber- Arp, Kunsthalle Ziegelhütte,
Appenzell, 100 Bilder für Ellwangen, Kunstverein Ellwangen, Der Faun frißt Feuer-Innenleben
Couvenmuseum Aachen, Auf Arbeit. 100 Bilder am Arbeitsplatz, „EMA-Economy meets Art“,
Herzogenrath).
Werdeform - Plastik als Prozess
(Dr. Britta Schmitz, Hamburger Bahnhof Berlin, 2015 )
Im Bewegen gibt es keinen Halt, doch das Erleben von Materialität, Gewicht, Beweglichkeit und
Energie schafft einen Resonanzraum, in dem Künstler und Betrachter agieren. Dieser ist real
vorhanden, hat aber eine unsichtbare Realität (Wolfgang Nestler)
In Gullivers Reisen erzählt der Autor Jonathan Swift von Menschen, die eine sehr spezielle Sprache haben. Sie reden nicht, sondern tragen immer einen großen Sack mit sich, aus dem sie
Objekte herausziehen, die sie als Kommunikationsmittel gebrauchen. Manchmal kombinieren sie
mehrere Objekte miteinander. In dieser Sprache sind Kategorien nicht notwendig, weil die
Bezeichnungen und die Gestaltung der Objekte zusammen gehören.
In unserer eigenen Sprache und Umwelt sind wir ziemlich weit entfernt von Dingen, die uns
umgeben und die wir verstehen wollen. Wir brauchen Kategorien und Erfahrungen, wir können
und sollten diese befragen und notfalls erfinden, damit wir uns verständigen und unser Verhältnis
zur Welt bestimmen können. Kategorien helfen uns eine dialektische Reibung zu erzeugen, von
wo aus Bedeutungen und Erfahrbarkeiten entstehen und der Kommunikation einen Resonanzraum erst bieten.
Wolfgang Nestler hat seit Jahrzehnten ebenso unaufdringliche wie eindrückliche plastische
Objekte hergestellt, die sich sprachlich tatsächlich nur ungenügend fixieren lassen. Das Erscheinungsbild seiner Kunst ist unrethorisch und sachlich, elementar, mitunter lapidar, streng und voraussetzungslos.
Anders als die Malerei, Fotografie, Film usw. kennen Objekte und Skulpturen keinen idealen
Betrachterstandpunkt. Es gibt keine Hierarchie. Objekte und Skulpturen sind ein Motiv für Bewegung, für körperliches Gegenüber. Wolfgang Nestler bietet uns an, mit dem ihm eigenen Langzeitcharakter der Werke, zu erfahren wie Dinge und Bezüge sich im Akt der Erfahrung unterscheiden und durcheinander geraten. Mit einem vom Dekor gereinigten, variablen System und
mit primären Strukturen stellen seine Werke ganz buchstäblich das Verhältnis von Körper und
Raum, Masse und Gewicht, dynamischen und ruhenden Elementen in eine Relation. Den einfachen Grundformen wird auf den Grund gegangen und der Betrachter zum Benutzer seines
plastischen Werkes.