Interview: Die Ethnologin Susanne Schröter über tiefen Glauben

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Hessen 11.08.2015
Interview: Die Ethnologin Susanne Schröter über tiefen
Glauben, fromme Moslems und Dschihadismus
In Moscheen in Wiesbaden (auf dem Foto die Moschee in Mainz-Kostheim) hat die Ethnologin Susanne Schröter geforscht.
ArchivFoto: HBZ/Kristina Schäfer
Von Christoph Cuntz
WIESBADEN - Die Ethnologin Susanne Schröter erforscht seit Jahrzehnten den Islam. Zur Vielfalt dieser
Religion, aber auch zum Kopftuch hat sie provozierende Erkenntnisse gesammelt.
ECHO: Frau Schröter, Sie haben die 15 Moscheegemeinden in Wiesbaden studiert. Welchen Eindruck
haben Sie dort gewonnen?
ZUR PERSON
Susanne Schröter wurde 2008 von der Frankfurter Goethe-Universität als Professorin für
"Ethnologie kolonialer und postkolonialer Ordnungen" berufen. Seit November leitet die 57-Jährige
das Forschungszentrum Globaler Islam. Die Ethnologin hat in Wiesbaden zwischen 2011 und
2014 die 15 Moscheegemeinden studiert. Sie hat darüber ein Buch geschrieben, das im Januar
unter dem Titel "Gott näher sein als seiner eigenen Halsschlagader, Fromme Muslime in
Wiesbaden" im Campus-Verlag erscheint.
Susanne Schröter: Das Leben der frommen Muslime, die ihre Religion so wichtig nehmen, dass sie einen
großen Teil ihrer Freizeit in der Moschee verbringen, ist sehr heterogen. Die Vielfalt halte ich für
bemerkenswert. Es gibt nicht den einen Islam, der als fundamentalistisch oder demokratisch abgestempelt
werden kann.
ECHO: Zur Vielfalt gehört auch Islamismus.
Schröter: Unter Jugendlichen gibt es eine große Begeisterung für eine konservative Auslegung des Koran.
Sie teilen die Welt in Erlaubtes und Verbotenes, in "halal" und "haram". Ins Extreme zugespitzt wäre das eine
salafistische Orientierung des Islam.
ECHO: Haben Sie Erkenntnisse über dschihadistische Strömungen?
Schröter: Ich weiß, dass solche Strömungen existieren, auch wenn mir im Interview niemand gesagt hat: Ich
möchte Ungläubige töten. Manche aber haben ihre Überzeugung geäußert, dass nicht Muslime, sondern
Juden den Anschlag auf das World Trade Center verübt haben. Solche Verschwörungstheorien sind mir
relativ häufig begegnet. Es gibt einen großen Graubereich von jungen Leuten, die Sympathien für den
Dschihad haben, das aber nicht öffentlich äußern würden. Im Gefängnis gibt es vergleichsweise offene
geäußerte Sympathiebekundungen. Gefängnisse muss man sicherlich besonders im Auge behalten. Es gibt
gezielte Anwerbung junger Leute in Gefängnissen...
ECHO: ...was Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann stets dementiert.
Schröter: Ja, das macht sie natürlich. Doch das Gefängnis ist ein Raum, in dem mobilisiert wird, in dem man
genau die Klientel trifft, die sich an den Rand gedrängt fühlt oder sich selbst an den Rand gedrängt hat. Und
die eine Perspektive der Aufwertung sucht. Manche haben die Überzeugung, sie haben Sünde auf sich
geladen und müssen sich nun reinwaschen, indem sie sich Gott vollständig unterwerfen. Dafür erhalten sie in
einer bestimmten Szene Anerkennung.
ECHO: Werden Moslems in Deutschland diskriminiert?
Schröter: Sicherlich. Das ist kein Gerücht, dass man mit einem arabischen Namen schlechter eine Lehrstelle
bekommt. Aber die Beschwörung der eigenen Opferrolle ist maßlos übertrieben. Viele junge Muslime machen
Karriere.
ECHO: Ist das in Hessen geltende Kopftuch-Verbot eine Form der Diskriminierung?
Schröter: Alle muslimischen Kopftuch-Trägerinnen würden das sagen. Wenn man Lehrerin werden möchte
und trägt ein Kopftuch, kann der Berufswunsch nicht Wirklichkeit werden. Es ist eine Frage der Zeit, wann
das Verbot in Hessen fällt. Es gibt eine Reihe von Problemen mit dem Kopftuch und anderen religiösen
Symbolen in der Schule. In Deutschland wird mit zweierlei Maß gemessen, christliche Symbole sind erlaubt.
Das geht natürlich nicht. Entweder ist die Schule ein säkularer Raum, in dem religiöse Symbole nichts
verloren haben. Oder alle müssen zugelassen werden. Beim Kopftuch geht es Muslimen darum, dass Frauen
ihre körperliche Reize zu bedecken haben, damit bei Männern kein sündhaftes Begehren ausgelöst wird. Die
Frauen haben also die Verantwortung dafür, dass Männer ihren Trieb unter Kontrolle halten. Das ist der
theologische Sinn des Kopftuchs...
ECHO: ...was muslimische Frauen akzeptieren.
Schröter: Ja. Dann gibt es auch muslimische Mädchen in der Schule, die unter Druck stehen, weil sie kein
Kopftuch tragen. Die werden von muslimischen Jungs schlecht behandelt. Dann fragen sie die Kopftuch
tragende Lehrerin: Ist das Kopftuch im Islam Pflicht? Wenn die dann Ja sagt, haben diese Mädchen ziemlich
viel Boden unter den Füßen verloren. Da wird eine islamische Moral normativ aufgewertet, die zum Schaden
muslimischer Mädchen instrumentalisiert werden kann.
ECHO: Haben Sie feststellen können, wie sich Moscheen finanzieren?
Schröter: Das ist ein großes Geheimnis. Mir wurde immer erzählt, alles geht über Spenden. Das ist natürlich
nicht möglich. Der Neubau einer Moschee kann nicht allein mit Spendengeldern finanziert werden.
ECHO: Wie werden die Imame bezahlt?
Schröter: Zum Teil vom türkischen Staat. Kleinere Moscheen müssen ihre Imame selbst bezahlen. Die
bekommen oft nur ein kleines Taschengeld. Das Problem wird man lösen müssen. Wenn wir hier Imame an
Universitäten ausbilden, dann sind das Imame, die gut bezahlt werden wollen.
ECHO: Dann müsste der Staat die Gehälter zahlen, wodurch ein Imam nicht mehr abhängig vom
türkischen Staat wäre.
Schröter: Absolut. Ein Imam aus der Türkei ist nicht vertraut mit den Verhältnissen in Deutschland und den
Themen der Jugendlichen. Er spricht oft kaum Deutsch. Diese Imame können oft gar nicht mit den
Jugendlichen kommunizieren, anders als die salafistischen Prediger. Wenn der Staat für hier ausgebildete
Imame die Gehälter zahlt, werden wir auch Imame haben, die nicht ihre selbst gestrickte Ideologie verbreiten.
Von: Stefan Nikolajewitsch 11.08.2015
Kruzifix im Klassenzimmer
Und selbst wenn die Wand des Klassenzimmers durch ein Kreuz geschmückt wird, dann ist dies hinzunehmen.
Wir befinden uns hier in einem christlich geprägten Land, dies ist schon seit Jahrhunderten so.
Wer in ein anderes Land einwandert, der hat die dortigen Gepflogenheiten zu respektieren.
Diese Menschen haben zu respektieren, dass in Bayern und Baden Württemberg in manchem Klassenzimmer ein Kreuz an der
Wand hängt. Wenn ich in einem Land ein Lehramt ausüben möchte, dann habe ich mich ebenso den Gepflogenheiten zu
beugen. Als Lehrer bin ich unter Anderem, ein Repräsentant des Staates in dem ich lebe.
Ich kann nicht nach Deutschland kommen und den hier lebenden Menschen vorwerfen sie äßen dreckiges Fleisch.
Wenn mich all dies stört, warum bleibe ich dann nicht in dem Land in dem alles so ist, wie ich es gerne hätte, oder warum ziehe
ich nicht dorthin zurück wo alles viel besser ist?
Von: Thorsten Weis 11.08.2015
An meiner Schule...
...gab es keine christlichen Symbole, zumindest sind mir keine aufgefallen und hätten mich auch nicht besonders interessiert.
Außerdem ist Religiösität nicht der einzige Grund, ein Kopftuch zu tragen, das ist schließlich in erster Linie eine Kopfbedeckung
wie sie z.B. hierzulande von Frauen in der Landwirtschaft als Schutz vor Schmutz getragen wurde und möglicherweise noch
wird. Außerdem verstehe ich die Jugendlichen nicht, die im Knast radikalisiert werden. Die sind im Knast, weil sie nicht in der
Lage sind, sich an Vorschriften zu halten, aber schließen sich dann ausgerechnet einer Gruppierung mit noch strengeren
Regeln an und diese Vorschriften können sie dann auf einmal einhalten? Was, wenn der Jugendliche wegen Diebstahls einsitzt,
bekommt der gesagt, dass ihm nach den Vorschriften, denen er vorhat sich zu unterwerfen, die Hand abgehackt worden wäre?
Bekommt der gesagt, dass Schweinefleisch, Alkohol und Drogen tabu sind? Das mit dem Moscheebau aus Spenden scheint
mir dagegen glaubhaft, zumindest sind Spenden im Islam ausdrücklich vorgesehen. Zitat: "Das ist natürlich nicht möglich. Der
Neubau einer Moschee kann nicht allein mit Spendengeldern finanziert werden." Würde mich mal interessieren, wie Frau
Schröter zu dieser Einschätzung kommt, Beweise dafür bleibt sie schuldig. Anstatt also einfach zu VERMUTEN, dass sich der
Bau einer Moschee nicht über Spenden finanzieren lässt (vermutlich weil Millionenbeträge zusammenkommen müssten), sollte
man sich lieber mal Gedanken darüber machen was es heißt, wenn eine relativ kleine Glaubensgemeinschaft dermaßen viel an
Spenden zusammenbekommt. Das hieße nämlich, dass da sehr solvente Personen im Hintergrund agieren.
Von: Max aus dem Waldt 11.08.2015
Mit Begeisterung ...