Jeder Vierte scheitert – oder glaube nur der Statistik, die du selbst

Fachgewerkschaft der Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer in Sachsen-Anhalt
JederViertescheitert–oderglaubenurderStatistik,dieduselbstgefälschthast
PhilologenverbandSachsen-AnhaltzumMZ-Artikelvom29.03.2016
WennFrauAnjaFörtschbehauptet,jedervierteGymnasiastscheitert,istdiesschlichtwegfalsch
undunpassendoderinterpretiertstatistischesMaterialsehrunzulänglich.
ErmitteltmandieZahlderSchülerinnenundSchüler,diezuBeginnder5.KlasseaneinGymnasium
wechseln,derzeitsinddasetwa40%allerGrundschüler,lässtmanalldiekünftigenAbiturientinnen
und Abiturienten außeracht, die an Gesamtschulen, an Fachgymnasien oder nach erfolgreichem
mittleren Schulabschluss an der Sekundarschule an die Gymnasien wechseln und dann ihre
Hochschulreifeablegen.Manverkenntmithin,dassdieDurchlässigkeitindenBildungsgängender
SekundarstufevielenSchülerinnenundSchülerneinenschulischenLaufbahnwechselvomundzum
Gymnasiumermöglicht,derihrenindividuellenFähigkeitenundBedürfnissengerechtwirdundzu
erfolgreichen mittleren oder höheren Abschlüssen führt. Ebenso wird ein Wechsel von
GymnasiastenzumEndeder10.JahrgangsstufeineineerfolgreicheberuflicheAusbildungmitund
ohne Abitur fälschlich als Scheitern einer schulischen Ausbildung dargestellt. Es gibt heute eine
Vielzahl von Schülerinnen und Schülern, die nicht in der kürzesten Ausbildungszeit (G8) ein
erfolgreichesAbiturablegen.SogibtesnatürlichWiederholereinzelnerSchuljahrgänge,aberauch
SchülerinnenundSchüler,diedurcheinAuslandsjahr,durchSchulformwechselnacherfolgreichem
mittleren Abschluss oder im Zuge des freiwilligen Wiederholens - dies ist in den Jahrgängen der
OberstufekeinseltenesPhänomenmehr-in13SchuljahrenerfolgreichihrAbiturablegen.
Wenn 31,8 % der Schülerinnen und Schüler eines Jahrganges in Sachsen-Anhalt erfolgreich ein
Abiturablegen(Stat.Bundesamt2014),dannreihtsichSachsen-AnhaltsichernichtanderSpitze
ein, es hat jedoch auch keine Übergangsquoten zum Gymnasium von mehr als 50 %, wie die
Bundesländer,indenen40%undmehreinAbiturablegen.QuantitätistganzsicherkeinMaßstab
fürQualität.Sicherjedochist,dassSachsen-AnhaltsSchülerinnenundSchülerindenletztenJahren
erfolgreicherihrAbiturabgelegthaben.ImJahr2014lagderAbiturdurchschnittbei2,42.Damitlag
Sachsen-AnhaltimBundesländervergleichaufPlatzsieben,vorLändernwieBaden-Württemberg
und Niedersachsen. Wenn die These vom besonders schweren Abitur in unserem Bundesland
zuträfe, müsste unter Beachtung einer Normalverteilung auch der Gesamtnotendurchschnitt
wesentlich niedriger sein. Es entspricht keineswegs den Tatsachen, dass das Abitur in unserem
BundeslandinsgesamtschwierigerundanspruchsvolleralsinanderenRegionenDeutschlandsist.
Sachsen-AnhaltsAbiturientensindgutaufgestelltundvorallemgutvorbereitet,wennesdarum
gehtStudiengängemitNumerus-Claususanzustreben.
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Wenn ehemalige Lehrer oder Elterninitiativen sich aufmachen und untersuchen, mit welchen
schlechtesten Lernergebnissen man in welchem Bundesland noch gerade eine Zulassung zu den
Abiturprüfungen schafft oder ein Abitur besteht, also erfolgreich Führungskraft in unserer
Gesellschaft werden kann, und daraus Rückschlüsse auf Chancengleichheit, Anforderungen und
QualitäteinerhochschulvorbereitendenAusbildungzieht,dannstelltdiesansichschoneinesehr
eigenwillige Betrachtungsweise dar. Da werden Minderleistungen als streich- oder ersetzbar
untersucht,ohnezubeachten,dassSchülerinnenundSchülermitdiesenFächerkombinationenin
anderen Ländern nicht einmal die gymnasiale Oberstufe besuchen könnten. Unterschiedlichste
Belegungsverpflichtungen in den Bundesländern werden ebenso ignoriert, wie
Einbringungsverpflichtungen und Gesamtqualifikationen. Chancengleichheit und Qualität eines
AbitursmisstsichfürdiesenPersonenkreisausschließlichanderZahldergeradenochzumAbitur
führenden schlechtesten Leistung eines Schülers. Völlig unbeachtet bleiben Untersuchungen,
welche Durchschnittnoten ein durchschnittlich guter oder sehr guter Abiturient unter ähnlichen
BedingungenindeneinzelnenBundesländernhätte.
Kriterium für die Erlangung der allgemeinen Hochschulreife sollte nicht der Blick an das
LeistungsendeoderdasFeilschenumZehnteloderHundertstelDurchschnittspunkte,sonderndie
Studierfähigkeit sein. Diese bildet die Voraussetzung für die Erlangung und Ausgabe der
Abiturzeugnisse.
Aufgrund der Bildungspluralität mit 16 verschiedenen Bildungssystemen und Berechnungsmodi
wird man immer Fälle konstruieren können, in denen einzelne Schülerinnen und Schüler in
bestimmtenBundesländernbevor-oderbenachteiligtwerden.InsofernistderAnsatzrichtig,weiter
an einer Vereinheitlichung der Abiturstandards und Abiturprüfungen zu arbeiten. Mit dem
AufgabenpoolfürKernfächer,unddenBildungsstandardswerdenhierbereitsWegeindierichtige
Richtungbeschritten.
AufkeinenFalldarfesdazukommen,dasssichBundesländergegenseitiginihrenAnforderungen
unterbieten. Eine hohe Abiturientenquote und eine niedrige Gesamtdurchschnittsnote sind kein
Wert an sich. Tendenzen einer inflationären Entwicklung positiver Leistungsbewertungen sind
ohnehinindenverschiedenstenBildungsbereichenzuerkennen.DiedeutlicheLeistungsabsenkung
imneuenLeistungsbewertungserlassinSachsen-AnhaltisteinBeispieldafür.Bildungsqualitäteines
Landes misst sich nicht ausschließlich an Übergangs- und Abschlussquoten und Durchschnitten,
sondern daran, wie es gelingt, junge Menschen auf ihre weitere berufliche oder akademische
Ausbildungvorzubereiten.
SchließlichweistderPhilologenverbanddaraufhin,dasserseitJahrenverbindlicheKriterienfürden
ZugangzumgymnasialenBildungsgangfordert.Einbegabungs-undleistungsgerechterZugangzum
Abitur würde wahrscheinlich das eine oder andere „scheitern“ in der Qualifikationsphase
vermeiden.
GeschäftsführenderVorstanddesPhVSA
Merseburg,30.März2016
Philologenverband Sachsen-Anhalt
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