Flüchtlinge- eine Bedrohung für uns ?

Flüchtlinge- eine Bedrohung für uns ?
Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab. Erfreulicherweise ist die Hilfsbereitschaft der Menschen hier vor Ort
groß, zeugt sie doch davon, dass wir -trotz Individualisierung- unsere Solidarität mit den Schwächsten und
unser Bestreben nach einem friedlichen Miteinander nicht verloren haben. Gleichzeitig entstehen aber auch
Ängste und Vorurteile. Wir bieten Ihnen hier einige Antworten.
„Wir können nicht die ganze Not der Welt auffangen.“
Die Asylbewerber werden im Allgemeinen als eine Masse von armen und mittellosen Menschen dargestellt, die eine
vollständige und ständige Unterstützung fordert. Aber diese Menschen stammen aus allen Bereichen des Lebens und
bilden eine Gruppe, die so vielfältig wie die unsere ist: Angestellte, Arbeitnehmer, Studenten, Kinder... Ihre einzige
Gemeinsamkeit ist der Zwang, vor Krieg und Gewalt in ihren Ländern fliehen zu müssen, wie unsere Eltern und Großeltern
es 1940 getan haben. Asylbewerber bringen nicht das Elend, sie flüchten davor.
Darüber hinaus sind wir in Belgien und in Europa weit davon entfernt, alle Asylbewerber aufzunehmen: Seit Anfang des
Jahres erhielten 7.000 Personen das Flüchtlingsstatut oder einen subsidiären Schutzsstatus in Belgien. Dies entspricht
0,06 % der Bevölkerung. In Europa stellen die 625.000 Asylsuchende 0,1 % der Bevölkerung dar. Im Vergleich dazu
empfingen die Türkei, der Libanon und Jordanien mehr als 4.000.000 syrische Flüchtlinge. Europa (darunter Belgien) hat
somit Kapazitäten, um weit mehr zur Aufnahme von Flüchtlingen zu tun.
„Wenn sie zu uns kommen, dann weil sie es so wollen.“
Flüchtlinge « kommen nicht zu uns »: Sie gehen nicht in ein Land, sondern sie verlassen das ihre zur Flucht vor Armut,
Vergewaltigung, Tod…
Mit den Qualifikationen und einem Job in ihrem Land haben die meisten Flüchtlinge keinen Grund, nach Belgien zu
kommen, wenn es keine Frage des Überlebens wäre. Sie verlassen ihr Haus, ihre Freunde und ihre Wurzeln und verkaufen
alles was sie haben, um ihr Glück auf Booten zu versuchen, wo oft der Tod auf sie wartet. Nur aus Verzweiflung kann man
ein solches Risiko auf sich nehmen.
„Es ist nicht unsere Schuld, wenn diese Länder im Krieg sind, und wir müssen nicht deren Probleme lösen.“
Individuell gesehen ist es sicher nicht unsere Schuld. Aber die Fortsetzung der derzeitigen Kriege, die den größten
Zustrom von Asylbewerbern verursachen, haben vor allem die westlichen Länder, vor allem die Vereinigten Staaten und
Europa (darunter Belgien) entschieden bzw. mit der Lieferung von Waffen unterstützt. Die Flucht der Bevölkerung aus
diesen Länder war also seit Beginn der Konflikte eine vorhersehbare und erwartete Folge und die Länder, die sich daran
beteiligt haben, müssen nun auch die Verantwortung tragen, diese Menschen aufzunehmen.
Abgesehen davon: Wenn wir individuell keine Schuld tragen, dann tragen die Frauen, Männer und Kinder , die vor dem
Krieg und dem Elend flüchten, auch keine individuelle Schuld.
„Wir werden überlaufen. Außerdem schlafen sie in Parks, weil wir unfähig sind, diese Flut von Anfragen zu
verarbeiten.“
Die Regierung organisiert den Anschein der Desorganisation, damit wir den Eindruck erhalten, überlaufen zu werden und
dass bereits zu viele hier angekommen sind.
In Wirklichkeit würde es genügen, zeitweilig mehr Personal zu beschäftigen, damit mehr Büros funktionieren, die
Öffnungszeiten ausgedehnt werden, am Wochenende zu öffnen,… damit die Anfragen täglich bearbeitet werden. Wir
verfügen immer noch über hohe Kapazitäten der kollektiven Unterbringung in nicht bewohnten Gebäuden (alte Kasernen,
ehemalige Krankenhäuser…).
Die Regierung ist umso mehr verantwortlich, da sie seit 2013 (unter der vorherigen Regierung) 6.500 Empfangsplätze
gestrichen hat. Darunter einige im Juni und Juli dieses Jahres, während sich die aktuelle Entwicklung schon abzeichnete!
Und, wie schon gesagt, seit Anfang des Jahres erhielten 7.000 Personen das Flüchtlingsstatut oder den subsidiären
Schutzstatus in Belgien. Das sind 0,06 % der belgischen Bevölkerung. Da kann man wirklich nicht von einer Invasion
reden…
„Ein Flüchtling braucht nur bei uns anzukommen, um 38 Euro pro Tag zu erhalten.“
Der Asylbewerber bekommt keine finanzielle Hilfe, sondern nur den Empfang. Daher auch die Kontroverse über den
Platzmangel in den Auffangzentren und die Notfallunterbringung. So gibt es für die Flüchtlinge keine 38 Euro pro Tag.
Diese Summe entspricht dem, was eine vollständige Unterstützung durchschnittlich pro Flüchtling kostet (Unterbringung,
Nahrung, Gesundheitspflege, Unterricht für die Kinder, Sprachkurse für die Erwachsenen und alles was zum Leben
unbedingt notwendig ist). An Bargeld erhalten die Asylbewerber alles in allem 7,40 Euro pro Woche.
Diese Ausgaben stärken zudem das wirtschaftliche Wachstum: Das Geld wird direkt wieder in unsere Wirtschaft gesteckt,
um Güter zu konsumieren oder um Arbeitnehmer in Belgien zu bezahlen.
„Es ist eine Schande, so viel Geld für Fremde auszugeben, während unsere belgischen Obdachlosen auf der
Straße schlafen.“
Ein Asylbewerber stielt einem Obdachlosen nicht seinen Platz. Die Öffentliche Hand hat heute die Möglichkeit, den
Obdachlosen ein Dach über dem Kopf zu bieten, wie sie auch die Möglichkeit hat, Asylbewerber aufzunehmen, in
Übereinstimmung mit unseren internationalen Verpflichtungen.
Mit oder ohne Asylbewerber wird der Skandal der Obdachlosigkeit durch politische Trägheit verursacht. Tausende von
Häusern und Wohnungen stehen aus spekulativen Gründen leer, und ein belgisches Gesetz ermöglicht es, diese in
Beschlag zu nehmen, um jenen ein Dach zu bieten, die keines haben. Dieses Gesetz wurde niemals angewandt und
deshalb schlafen Tausende in den Straßen. Außerdem könnte eine bescheidene aber ständige Investition seitens der
Öffentlichen Hand in den sozialen Wohnungsbau dieses Problem schnell lösen.
„Wenn wir zu viele Flüchtlinge aufnehmen, sprengt das die soziale Sicherheit.“
Das ist falsch: Die Finanzierung der Aufnahme von Asylbewerbern hängt nicht von der sozialen Sicherheit ab, daher hat
eine vermehrte Aufnahme keine Auswirkungen auf diesen Haushalt . Im Gegensatz zu dem, was manche Leute
behaupten, erhalten die Asylbewerber keine Arbeitslosenentschädigungen, keine Familienzulagen, keine
Krankenentschädigungen, usw. von der sozialen Sicherheit.
Erst wenn sie als Flüchtling anerkannt sind, arbeiten gehen und damit einen Sozialbeitrag zahlen, haben sie auch Zugang
zu unserem System der sozialen Sicherheit. So erhält zum Beispiel ein Flüchtling von 40 Jahren erst nach mindestens zwei
Jahren Arbeit (vollzeitig) das Recht auf Arbeitslosenentschädigungen.
Wenn es der sozialen Sicherheit schlecht geht, dann weil die Regierungen seit 30 Jahren deren Finanzierung kürzen,
indem sie vor allem den Arbeitgebern Beitragsreduzierungen gewähren.
„Diese Leute haben nicht die gleiche Kultur wie wir und wollen sich nicht integrieren. Bald werden wir
gezwungen sein, uns den Regeln des Islam zu unterwerfen.“
Der Terrorismus und die ihn umgebende Propaganda haben die Angst vor dem Islam geschaffen. Die Muslime, wie andere
Gläubige auch, teilen aber respektable und respektvolle Werte, die mit den verschiedenen Strömungen, die bereits
unsere gemeinsame Kultur bilden, völlig einhergehen. Ebenso ist klar, dass die „Islamisierung“ unserer Gesellschaft ein
Mythos ist: während die Belgier schätzen, dass 29 % unserer Bevölkerung Muslime sind, stellen diese in Wirklichkeit nur
6 % der Bevölkerung dar.
Nur durch eine bessere Integration können wir vermeiden, dass diese verschiedenen Gemeinschaften sich abkapseln.
Eine Gesellschaft, die sich über ihre Kulturen, Traditionen und Religionen austauscht, stärkt, bereichert und beruhigt sich.
Außerdem sind wir schon das Ergebnis mehrerer Völkermischungen! Wer von uns weiß heute, ob er eher von den
Westgoten, den Römern, den Österreichern oder den Spaniern abstammt?
Der Flüchtlingsstrom stellt uns also vor eine riesige Herausforderung. Den Kriegsflüchtlingen werden
später Klimaflüchtlinge folgen. Vielleicht gehören wir oder unser Kinder und Enkel eines Tages auch
dazu. Wenn es der Menschheit möglich ist, Milliarden Euro, Dollar und Rubel in die Erforschung des
Weltalls und in die Aufrüstung zu investieren, dann sollte es dieser hoch entwickelten Gesellschaft
auch möglich sein, ein weltweites System aufzubauen, das alle Menschen vor Hunger, Kälte und Krieg
schützt. Es ist eine Frage der Wahl, der Priorität. Treffen Sie die richtige Wahl und machen Sie jedem
klar, in was für einer Welt Sie leben möchten!