Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg, Klinik St.Hedwig Schwangerenbetreuung bei Drogenkonsum G. Huber Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde der Universität Regensburg - St. Hedwig Symposium der Stiftung für das behinderte Kind Deutscher Kongress für Perinatale Medizin Berlin 2015 Besondere andere Umstände Körperliche / psychische Situation der Schwangeren Schwangerschaftsverlauf und Geburt Ausgangssituationen Suchterkrankung (I) Keine Substitution und Polyvalenter Konsum von Heroin Kokain Cannabis Amphetamine Benzodiazepine NPS Nikotin, Alkohol Ausgangssituationen Suchterkrankung (II) Substituiert, aber Beikonsum Stabil substituiert, kein Beikonsum Körperliche Situation Hepatitis B/C, HIV, STD* Mangel-, Unterernährung Desolater Zahn-, Venenstatus *Metz V et al. Should pregnant women with substance use disorders be managed differently? Neuropsychiatry 2012. Psychische Situation Ignorieren der Verhütungsfrage: Amenorrhoe (Opiate: ↓GnRH-Sekretion Hypothalamus → HVL-Sekretion ↓ LH, FSH; Mangel,-Unterernährung) Suchtdruck steht im Vordergrund Substitution führt zu körperlicher Stabilisierung und (ovulatorischen) Menstruationszyklen Ungeplante Schwangerschaft (ca. 85%)* Schwangerschaft wird oft erst weit nach dem I. Trimenon bemerkt / sich eingestanden polytoxikomaner Substanzkonsum zur Zeit der Organogenese, insb. Alkohol Panik vor kindlicher Schädigung Cave bei psychiatrischer Komorbidität** *Heil et al., J Subst Abuse Treat. 2011, **Fenton et al., Addiction 2012 Psychiatrische Komorbiditäten Depressive Störung, Angst- und Panikstörung ADHS Persönlichkeitsstörungen Posttraumatische Belastungsstörung psychotische, schizoaffektive Störungen Bedeutung der Schwangerschaft Zusätzlicher Belastungsfaktor in einer instabilen Lebenssituation Gleichzeitig oft starker Wunsch nach dem Kind, Verbindung mit unrealistischen Zukunftswünschen Dysfunktionale Partnerschaft/Umfeld* *Velez ML et al. Exposure to violence among substance-dependent pregnant women and their children. J Subst Abuse Treat. 2006. Norman RE et al. The Long-Term Health Consequences of Child Physical Abuse, Emotional Abuse, and Neglect: A Systematic Review and Meta-Analysis. PLoS Med. 2012. Jede Schwangere hat ihre eigene Geschichte Fehlende Rollenvorbilder für Vertrauen, Zuverlässigkeit, körperliche Würde 75% der substanzkonsumierenden Schwangeren kommen aus Suchtfamilien mit kindlicher Vernachlässigung 50% waren als Kind/Jugendliche Gewalterfahrungen ausgesetzt Das eigene Verhalten wurde an diese Vorerfahrungen angepasst Schwieriger Vertrauensaufbau in das Hilfesystem (Hilfesystem als Kontrollinstanz) Niedrigschwellige Hilfsangebote Intensive Aufklärungsarbeit Angst vor Stigmatisierung Angst vor Inobhutnahme des Kindes Grundvoraussetzungen zur ärztlichen Hilfe Klare Absprachen Keine „heimlichen“ medizinischen Maßnahmen Schweigepflichtsentbindung Schutz des Ungeborenen und seiner Mutter Erkennen von Verantwortung Annehmen von Hilfe Vernetzung der Hilfesysteme (NICE 2010, ACOG 2012) Bündeln von Ressourcen, Verantwortung teilen Vermeiden unterschiedlicher Aussagen Schwangere in Eigenverantwortlichkeit fördern und fordern Überforderung vermeiden / rechtzeitig erkennen* *Calvin C et al. A special type of 'hard-to-reach' patient: experiences of pregnant women on methadone. J Prim Health Care 2010. Frühzeitige Kooperation zwischen Partner, Familienangehörigen, Betreuer Betreuenden Ärzten (Gynäkologie, Psychiatrie, Substitutionseinrichtung) Ambulante Beratungsstellen, Suchthilfe, Sozialdienste Koordinierende Kinderschutzstellen, Jugendamt Geburtsklinik, Hebamme, Pädiatrie, Familienhilfe Ärztliche Erwartungen anpassen Unregelmäßige Vorsorgen Keine Tagesstruktur (Erkrankung, Arbeitslosigkeit) Mangelnde medikamentöse Therapieadhärenz Angst vor kindlicher Schädigung Fehlende Krankheitseinsicht Beikonsum trotz Substitution/Umgang mit Rückfällen Psychisch kranker Partner Schwangerschaftsverlauf Feststellen des Schwangerschaftsalters Fetale Substanzexposition klären Therapiebedürftige Erkrankungen, Krebsvorsorge, Infektionsserologie 2-wöchige Vorsorgen: Ausschluss Frühgeburtsbestrebungen Fetale Wachstumskontrollen Maternale Parameter (Gewicht, bb, Fe, LW) Im III. Trimenon Verlaufskontrolle Serologie (Hepatitis, HIV) Schwangerschaftsverlauf Erweiterter, differenzierter Organultraschall kein erhöhtes Risiko für chromosomale Störung des Feten Cave: invasive Diagnostik und Hepatitis/HIV, ggf. alternativ NIPD* Erhöhtes Fehlbildungsrisiko des Feten (Amphetamine, Crystal, Alkohol) * Lopez M et al. Chronic viral infections and invasive procedures: risk of vertical transmission and current recommendations. Fetal Diagn Ther. 2010 Schwangerenvorsorge als Chance Um die Mutter-Kind-Bindung zu fördern (Kindsbewegungen, Ultraschallbilder) Um positives mütterliches Verhalten zu verstärken (Wachstumskurven) Um mit der Patientin in Kontakt zu bleiben* *Welle-Strand GK et al. Neonatal outcomes following in utero exposure to methadone or buprenorphine: A National Cohort Study of opioid-agonist treatment of Pregnant Women in Norway from 1996 to 2009. Drug Alcohol Depend. 2013. Polyvalenter Konsum Mischkonsum / Streckungsmittel in Auswirkung auf Feten unkalkulierbar Alle Substanzen passieren Plazentaschranke (Fetale Substanzkonzentration wie bei Mutter oder ↑) In Kombination mit Nikotin weisen die meisten Kinder eine intrauterine Wachstumsrestriktion auf, diese verstärkt das NAS Benzodiazepine bewirken ebenfalls ein NAS Polyvalenter Konsum - fetale/maternale Komplikationen IUGR/Frühgeburtlichkeit: Heroin, Kokain, Crystal, Cannabis Vorzeitige Plazentalösung/IUFT: Kokain, Crystal Kalter Entzug Heroin: vorzeitige Wehen, fetale Herztonalteration/Hypoxämie Kalter Entzug Benzodiazepine: maternale Krampfanfälle, intrauteriner Fruchttod Wichtig für die Geburtsklinik Vorstellung Anästhesie: Venensituation, Infektionsstatus Vorstellung Geburtshilfe: Infektionsstatus, Geburtsmodus, Stillen Substitution intra-, postpartal (Ansprechpartner auch am WE/nachts!) Vorstellung Pädiatrie: NAS (Medikamente, Dosierung, Nikotin) Verbleib des Kindes postpartal Geburt bei mütterlicher Infektion Keine Kontraindikation gegen vaginale Geburt bei Hepatitis C Sectio bringt keinen eindeutigen Vorteil bzgl.maternofetaler Transmission, auch bei hoher VL > 600.000 IU/ml (Ghamar Chereh ME et al., Arch Gynecol Obstet 2011) HIV, wenn ART durchgeführt und VL < 50 Kopie/ml (Deutsch-Österreichische Leitlinie, 5/2014) Stillen bei mütterlicher Infektion HIV→ Kontraindikation (Europa) Hepatitis C → Stillen prinzipiell möglich Vorsicht bei blutigen Brustwarzen, hoher Viruslast bei frischer Infektion (Nationale Stillkommission, 2008) Substitution → Stillen möglich Nikotin → prinzipiell möglich (< 5-8 Zig./24h) (Nationale Stillkommission, 2007) Schmerzerleichterung unter/nach der Geburt Schmerzempfinden kann reduziert sein Hyperalgesie ebenfalls möglich Geburtswehen Regionalanästhesie Mittel der Wahl Postpartal z.B. Ibuprofen/Oxycodon (Jones HE et al., Am J Alcohol Drug Abuse 2009) Vor der Klinikentlassung Verhütung klären! Fazit Die Betreuung drogenabhängiger Schwangerer bleibt eine komplexe Aufgabe – trotz der vielfältigen Hilfsangebote. Kinderschutz beginnt in der Schwangerschaft – deshalb dürfen wir auch diese Schwangeren nicht aufgeben.
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