Die schöne neue Welt der Kredite

Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 16.09.2015
Die schöne neue Welt der Kredite
1. Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler sollen ...
1. unterschiedliche Formen von Krediten benennen.
2. die aktuellen Änderungen der rechtlichen Regelungen für Kreditverträge herausarbeiten.
3. deren Zielsetzungen, Ansatzpunkte und (anzunehmenden) Wirkungen
analysieren.
2. Aufgaben
1.
Beschreiben Sie in eigenen Worten die Charakteristika von Krediten. Benennen Sie unterschiedliche Kreditformen.
2.
Erschließen Sie sich anhand der Beispiele des Dispositions- sowie des Ratenkredits die Informationslage zwischen Anbietern und Nachfragern. Arbeiten
Sie zu erkennende Informationsasymmetrien heraus.
3.
Setzen Sie sich arbeitsteilig mit den aktuell vorgestellten bzw. geplanten Gesetzesänderungen auseinander. Analysieren Sie deren konkrete Zielsetzungen
und Ansatzpunkte.
4.
Diskutieren Sie, inwieweit die Regelungen geeignet scheinen, die bestehenden
Problemlagen zu beheben. Gehen Sie in diesem Zusammenhang auch auf die
Einschätzungen der Verbraucherschützer und Kreditinstitute ein.
1
Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 16.09.2015
Die schöne neue Welt der Kredite
Ein Gesetz soll zahlreiche Änderungen für private Schuldner bringen.
Verbraucherschützer fordern Nachbesserungen.
5
10
15
20
25
Heute laden die Verbraucherschützer nach Berlin. In der Rudi-Dutschke-Straße, einen
Block entfernt vom Deutschen Currywurst-Museum liegt die Zentrale des
Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv). Die Pressevertreter, die dorthin
kommen, wissen: Heute geht es nicht um Lebensmittelzusatzstoffe oder die
Entsorgung von Elektroschrott. Vielmehr geht es um einen Gesetzesentwurf, der neue
Regeln für die deutschen Kreditnehmer schafft. Die Bundesregierung soll die
Wohnimmobilienkreditrichtlinie der Europäischen Union umsetzen. Der
entsprechende Gesetzesentwurf geht am 25. September in den Bundestag und betrifft
alle Schuldner im Land. Kunden, die ihr Konto überziehen, ebenso wie Konsumenten,
die mit einem Ratenkredit den neuen Fernseher abbezahlen, oder Immobilienbesitzer,
die ihr Haus finanzieren. „Die neuen Regelungen sind äußerst wichtig, beim
Verbraucherschutz verpasst die Regierung aber eine große Chance“, sagt FrankChristian Pauli, Finanzen-Referent beim vzbv. Laut Bundesbank beträgt die Summe
an privaten Immobilienkrediten knapp 1,1 Billionen Euro und bei Ratenkrediten rund
175 Milliarden Euro. Das Handelsblatt analysiert die wichtigsten Änderungen für
private Schuldner.
1. Beratungspflicht der Banken bei Dispokrediten
Wenn das neue Gesetz wie geplant in Kraft tritt, muss jede Bank ihre Dispozinsen im
Internet veröffentlichen. Ob mehr Transparenz ausreicht, einen echten Wettbewerb
unter den Banken zu entfachen, ist fraglich. Nach einer Auswertung der FMH
Finanzberatung unter 35 Instituten liegt der Durchschnittszins derzeit bei 9,6 Prozent.
Das ist zwar knapp ein Prozentpunkt weniger als noch vor drei Jahren. Doch die
meisten Referenzzinsen, an die Disposätze gekoppelt sind, notieren derzeit im
negativen Bereich. Der teuerste Anbieter verlangt 12,75 Prozent. Ein Sprecher der
Deutschen Kreditwirtschaft (DK) erklärt, die Dispozinsen seien derzeit so günstig wie
seit mindestens zehn Jahren nicht. Viele Institute veröffentlichen jetzt schon ihre
Sätze, die Transparenz würde sich daher kaum erhöhen.
30
35
40
Notorischen Dispo-Kunden sollen die Banken in Zukunft Beratungsgespräche
anbieten müssen. Denn die Zinsen für Ratenkredite oder Abrufkredite sind in der
Regel günstiger. Das Problem: Kunden mit schlechter Bonität dürften sich bei einer
Kreditprüfung schwertun und nur sehr teure oder - nach den neuen strengeren
Vorgaben des Gesetzes - gar keine Ratenkredite ergattern. „Bei Kunden mit echten
Finanzproblemen wäre eine Budget- oder Schuldnerberatung vorab wichtig, nur dann
kann sichergestellt werden, dass eine tragfähige Umschuldung zu niedrigeren Zinsen
auch funktioniert“, sagt Pauli. „Kreditinstitute sollten an den Kosten beteiligt werden,
da es in ihrem Gläubigerinteresse ist, einen Zahlungsausfall zu vermeiden.“ Banken
steht es außerdem frei, den Dispo oder die geduldete Überziehung über den
vereinbarten Rahmen kurzfristig zu kündigen. In einem solchen Fall drohen
Verbrauchern auch in Zukunft Zahlungsausfälle. Eine Rückzahlungsfrist, in der man
den Dispobetrag umschulden oder aus anderen Mitteln ausgleichen kann, ist im neuen
Gesetz bislang nicht vorgesehen.
2
Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 16.09.2015
45
50
55
60
65
70
75
80
2. Transparente Zinsangaben bei Ratenkrediten
Wer den günstigsten Kredit finden möchte, ist auf einen Effektivzins angewiesen, der
alle Kosten enthält. Neben dem eigentlichen Zins gehören etwa die Provisionen der
Vermittler dazu, aber auch Aufschläge für Sondertilgungen und die Kosten für
enthaltene Versicherungspolicen. Es gibt zwar klare Vorgaben sowohl in der
bisherigen Verbraucherkreditrichtlinie als auch der geplanten neuen
Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Trotzdem gibt es bei bestimmten Kombinationen
Lücken. Beim Abschluss eines Ratenkredits offerieren viele Vermittler
Restschuldpolicen, die eine Rückzahlung garantieren, wenn der Schuldner seine Raten
nicht mehr leisten kann. Während Pflichtversicherungen im Effektivzins
berücksichtigt werden müssen, werden optionale Restschuldpolicen nicht immer
eingerechnet. „Kreditnehmer erfahren so gut wie nie, wie erheblich die Versicherung
das Darlehen verteuert“, sagt Pauli. „Jeder Kunde sollte erfahren, wie hoch der
Effektivzins mit und ohne Police ist.“ Ein Sprecher der DK verweist auf klare
Vorgaben beim Effektivzins und die gesetzlichen Informationspflichten, die für
Versicherungen jetzt schon gelten. […]
3. Nachweis der Bonitätsprüfung der Banken
Banken haben nach Vorgabe der EU demnächst eine Pflicht, die Kreditwürdigkeit der
Kunden zu überprüfen. „Eine verpflichtende Bonitätsprüfung ist bereits gelebte Praxis
in allen Instituten“, erklärt der DK-Sprecher. Bei nachweisbaren Pflichtverstößen
haben Kreditnehmer gute Karten. Wenn beim Abschluss erhebliche Zweifel daran
bestehen, dass der Darlehensnehmer seine Raten zahlen kann, drohen Sanktionen. Die
Bank darf dann nur noch die marktüblichen Refinanzierungszinssätze berechnen und
muss auf ihre Marge verzichten. „Der Kreditnehmer kann in diesem Fall den Vertrag
fristlos kündigen, ohne dass Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden
dürfen“, sagt Pauli. „Diese Möglichkeit hilft Verbrauchern aber nur, wenn der
Darlehensbetrag auch zurückgezahlt werden kann.“ Bei einem Zahlungsausfall kann
die Bank keine Verzugszinsen geltend machen, wenn sie die Bonität vor dem
Vertragsschluss nur mangelhaft überprüfte. Diese Regelungen sollen Banker
abschrecken, im Zinstief die Kredite allzu lax zu vermitteln. Sie könnten für
bonitätsschwache Kunden aber Nachteile bringen. „Wenn eine Bank einen Kunden
ablehnt, dürften sich die anderen Banken schwertun, diesem Kunden einen Kredit
anzubieten“, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH Finanzberatung.
Quelle: Hagen, J., Handelsblatt, Nr. 178, 16.09.2015, 32
3
Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 16.09.2015
4