Von der direkten zur indirekten Steuerung: das Ende des 20. Jahrhunderts Die Unternehmensberater traten damals - und sie tun es heute noch - mit großem Selbstbewusstsein an die Unternehmen heran und versprachen enorme Steigerungen der Profitabilität. Ein Slogan lautete beispielsweise: „Wenn Sie einen Sumpf trockenlegen wollen, dürfen sie die Frösche nicht fragen.“ Dieser Slogan diente der Dequalifizierung traditionellen Management-Wissens. In der Vorstellung der Unternehmensberater hatten die Manager ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Struktur der direkten Steuerung. Demnach hätten sich die Manager zu sehr im „Sumpf“ der zu niedrigen Profitabilität eingerichtet. Stattdessen sollten die Unternehmen „an das Gold in den Köpfen der Beschäftigten“ herankommen, um dieses implizite Wissen und die Kreativität der Beschäftigten für die Unternehmen optimal nutzen zu können. Denn Menschen, die in Unternehmen tätig sind, nehmen neben der Arbeit verantwortungsvolle Aufgaben wahr: • Sie bauen zum Beispiel Häuser, erziehen Kinder und führen Vereine, ohne dafür einer Anweisung zu bedürfen. Diese Energien und Fähigkeiten sollten für die Unternehmen zur Erhöhung der Profitabilität eingesetzt werden. Mit diesen Vorstellungen begleiteten und begleiten die Unternehmensberater zahlreiche Firmen-Umgestaltungen - teilweise mit sehr großem, teilweise mit weniger Erfolg. Seit den 1990er Jahren hat sich diese Form der Arbeitsorganisation in großen - und auch in kleineren - Unternehmen flächendeckend durchgesetzt. Ihr Erfolg zeigt sich in einer enormen Steigerung der Produktivität der Beschäftigten. So stieg nach Aussage des Statistischen Bundesamts die Arbeitsproduktivität in Deutschland zwischen • 1991 und 2007 pro Beschäftigtem um 22%, pro Beschäftigtenstunde sogar um 32%. Diese Steigerung ist nicht nur auf die Arbeitsorganisation, sondern auch auf die Veränderung der Technologien zurückzuführen. Für die Durchsetzung erhöhter Innovationsfähigkeit in den Unternehmen spielt jedoch die Arbeitsorganisation eine bedeutende Rolle. Mit den sozialen Medien hat diese Umgestaltung seit etwa 2005 einen neuen Namen: Enterprise 2.01. Dieser Name suggeriert, es handele sich um eine Anpassung an die technischen Möglichkeiten. In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Die neuen Kooperationsformen finden ihren technischen Ausdruck im Social Intranet. 1 Enterprise 2.0 bezeichnet im engeren Sinn den Einsatz von sozialer Software zur Projektkoordination, zum Wissensmanagement und zur Innen- und Außenkommunikation in Unternehmen. Diese Werkzeuge fördern den freien Wissensaustausch unter den Mitarbeitern; sie erfordern ihn aber auch, um sinnvoll zu funktionieren. Im weiteren Sinn umfasst der Begriff nicht nur die Werkzeuge selbst, sondern auch die Tendenz der Unternehmenskultur weg von der hierarchischen, zentralen Steuerung und hin zur autonomen Selbststeuerung von Teams, die von Managern eher moderiert als geführt werden. 1 Mit Enterprise 2.0 ist ein mit Social Intranet organisiertes Unternehmen gemeint. Mit den neuen Medien ist es möglich, virtuelle Teams zu bilden und mit Aufgaben zu versorgen. Die Beziehungen zwischen den Team-Mitgliedern können von der Unternehmensleitung besser kontrolliert werden, denn die Zusammenarbeit und deren Dokumentation fallen zusammen. Jeder und jede Beschäftigte muss ein eigenes Profil, ähnlich wie bei Facebook, erstellen - und kann oder sollte sich hier auch als Experte/-in für bestimmte Themen profilieren. Diese Profilierung führt schnell dazu, dass auch teamübergreifend Anfragen an die Beschäftigten gestellt werden können. Aus: Das unternehmerische Wir, Seite 18 | Stephan Siemens mit Martina Frenzel | 176 Seiten | EUR 16.80 | ISBN 978-3-89965-625-1 2
© Copyright 2024 ExpyDoc