Interview Vogtherr - Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Pressemitteilung
Blick von London auf Karlsruhe und Berlin
Christoph Vogtherr über Sammler und Museumsdirektoren
Am 16. Juli hält Dr. Christoph Martin Vogtherr, Direktor der Wallace Collection,
einen Vortrag in der Kunsthalle Karlsruhe anlässlich der Ausstellung „Die MeisterSammlerin. Karoline Luise von Baden“. Die Wallace Collection in London ist eines
der weltweit renommierten Museen für ältere, insbesondere französische Kunst.
Ein Interview über Gemeinsamkeiten mit der Kunsthalle und aktuell spannende
Entwicklungen in der Museumswelt in London und Berlin.
Ein Austausch zwischen der Kunsthalle und der Wallace Collection besteht
schon länger, wie kam es jetzt zu Ihrem Vortrag?
Die Kunsthalle in Karlsruhe ist eine der herausragen Sammlungen französischer
Kunst in Europa – und damit ein offensichtlicher Partner für die Wallace Collection. Ich hatte mich deshalb sehr gefreut, als die Kunsthalle zuerst Kontakt mit uns
aufgenahm, um mögliche Projekte zu diskutieren.
Meine persönlichen Forschungsschwerpunkte sind die französische Malerei und
das europäische Kunstsammeln des 18. Jahrhunderts. Deshalb bin ich sehr froh,
am Begleitprogramm der großartigen Karoline Luise-Ausstellung mitwirken zu
können, wo beide Themen zusammen kommen.
Was erfahren die Zuhörer in Ihrem Vortrag vom 16. Juli „Zwei Sammler im
Vergleich. Karoline Luise von Baden und Friedrich II. von Preußen“?
Mit Karoline Luise von Baden und Friedrich II. von Preußen vergleicht der Vortrag
zwei der herausragenden fürstlichen Kunstsammler des mittleren 18. Jahrhunderts.
Ich erörtere zunächst die Aufbruchssituation für die Kunstsammlungen im deutschen Reich ab etwa 1700, um dann im Vergleich Typisches und Spezifisches der
beiden Sammlungen besser zu fassen. Karoline Luise und Friedrich II. verband eine
besondere Vorliebe für die französische Malerei und ein sehr persönliches Interesse an der Kunst; beide unterschieden sich jedoch durch ihren jeweiligen Status
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Kontakt
Alexandra Hahn
Leitung Presse und Medien
T +49 721 926 3890
[email protected]
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Hans-Thoma-Straße 2 – 6
D-76133 Karlsruhe
– Frau und Mann, Markgräfin und König – und durch ihre finanziellen Möglichkeiten deutlich in ihren Entscheidungen.
Was interessiert Sie persönlich an Karoline Luise?
Karoline Luise ist eine der faszinierendsten Sammlerinnen des 18. Jahrhundert.
Karoline Luise hat im europäischen Maßstab gedacht, gelebt und gesammelt. Das
ist sehr modern – und besonders berührend. Ihre große Neugierde und ihre
intellektuelle Unersättlichkeit sind sehr sympathisch und bringen einem ihre
Sammlung sehr nahe. Man fühlt sich unmittelbar von ihren Entscheidungen angezogen. Viel mehr als bei vielen ihrer fürstlichen Zeitgenossen und Zeitgenössinnen
spürt man ihre eigene Persönlichkeit. Ihr Verhältnis zur Kunst ist das einer Privatsammlerin.
Für 2017 ist ein gemeinsames Projekt der beiden Museen in Planung –
worum wir es gehen?
Die Kunsthalle hat in den letzten Jahrzehnten eine bedeutende Sammlung französischer Zeichnungen aufgebaut. Wir werden gemeinsamn eine Auswahl von
wichtigen Werken des 17. bis 19. Jahrhunderts in der Wallace Collection zeigen
können.
Was ist der größte Gewinn bei so einer Kooperation für beide Seiten?
Die Wallace Collection besitzt eine wunderbare Sammlung französischer Kunst des
18. Jahrhunderts – aber leider keine Zeichnungen. Wir können also mit den Karlsruher Werken einen zentralen Aspekt der Epoche zeigen, der in unsererm Museum
nicht vertreten ist. Für die Kunsthalle hoffe ich, dass die Ausstellung dazu beitragen kann, dass ihre Sammlung in Großbritannien endlich so bekannt wird, wie sie
es verdient – und in Frankreich schon lange ist.
Sie und Martin Roth (Victoria & Albert Museum) sind derzeit als deutsche
Museumsdirektoren in London tätig, bald werden zwei Londoner Direktoren
– Neil MacGregor vom British Museum und der Belgier Chris Dercon von der
Tate Modern – nach Berlin kommen. Wie wird dies in der Londoner
Museumswelt gesehen?
Die Londoner Museumswelt ist traditionell international. An unserem Haus haben
wir gut 90 Mitarbeiter aus etwa einem Dutzend Ländern. Es ist trotzdem eine
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neue Qualität, dass ausländische Museumsdirektoren so selbstverständlich geworden sind. Ich persönlich fand die größte Überraschung, als ich Direktor wurde,
dass die Herkunft eine so geringe Rolle spielte.
Die neue Bewegung in die Gegenrichtung wird als viel ungewöhnlicher wahrgenommen und ist es sicher auch. Die Kommentare spiegeln gelegentlich die neue
britische Unsicherheit über die Rolle des Landes in der Welt und die Einsicht, dass
Großbritannien zurzeit deutlich an relativer Bedeutung verliert. Persönlich sehe ich
das auch als eine Normalisierung.
Welche Rolle spielen aktuelle (finanzielle) Entwicklungen in England bei
solchen Wechseln?
Großbritannien war in seiner gelungenen Kombination aus öffentlicher Förderung
und privatem Engagement für etwa zwanzig Jahre eine Art gelobtes Land der
Museen. Die Situation ist jetzt deutlich schwieriger, und das Interesse der Regierung an der Kunst ist extrem begrenzt. In einer solchen Sitaution werden
Museumssyteme anderer europäischer Länder mit einer stabileren staatlichen
Unterstützung und öffentlicher Wertschätzung natürlich wieder sehr viel
attraktiver.
Ist Berlin gerade ein besonders attraktiver Ort für Museumsleute?
Auf jeden Fall. Berlin ist in vielen Bereichen eines der großen Experimentierfelder.
Die Museumslandschaft ist dort im Umbruch, vieles ist noch zu tun – aber das
Potential ist enorm und die Internationalität und intellektuelle Energie der Stadt
groß. Die Berliner Sammlungen gehören zu den großen der Welt und werden
zunehmend auch wieder so wahrgenommen.
Was werden Sie sich in Karlsruhe und anlässlich des Stadtgeburtstags noch
ansehen?
Ich werde die Karoline-Luise-Ausstellung mit einem gründlichen Besuch im
Badischen Landesmuseum verbinden, wo ich schon viel zu lange nicht mehr war.
Und dann steht noch – auf der württembergischen Seite – Ludwigsburg auf dem
Programm. Aber die Sammlung der Kunsthalle ist immer ein wichtiger Programmpunkt.
Die Fragen stellte Alexandra Hahn
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