WENN FAHRZEUGE SELBER BREMSEN

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csi entwicklungstechnik GmbH
www.csi-online.de
Inzwischen gibt es Bestrebungen, die vorhandenen passiven
Maßnahmen durch aktiven Fuß­gängerschutz zu ergänzen. Unter der
Bezeichnung Autonomous Emergency Braking (AEB) werden ab 2016
diverse Lösungen beim Verbraucherschutz Institut EuroNCAP
getestet und bewertet. (Bild: 4Active Systems)
FUSSGÄNGERSCHUTZ DER ZUKUNFT
WENN FAHRZEUGE SELBER BREMSEN
Getreu dem Motto, der Stärkere gibt nach, gelten EU-weit seit zehn Jahren Fußgängerschutz­
richtlinien, die den Menschen beim Zusammenprall mit Fahrzeugen bestmöglich vor Verletzungen schützen sollen. Neueste Bestrebungen, an denen sich csi beteiligt, gehen nun noch
einen großen Schritt weiter. Das Ziel: Automobile sollen Menschen selbstständig erkennen und
rechtzeitig bremsen.
Automobilhersteller müssen in vielfältiger Weise hohe Sicherheitsrichtlinien erfüllen. Dabei reicht es bereits seit
rund zehn Jahren nicht mehr, nur die Insassen der Fahrzeuge zu schützen. Auch die Sicherheit von Fußgängern
gilt es zu berücksichtigen. Dementsprechend werden seit Oktober 2005 (Phase 1) EU-weit neue Fahrzeugtypen
nur noch zugelassen, wenn sie eine Reihe von Fuß­gängerschutztests erfolgreich absolviert haben. Steffen Boll,
Geschäftsführer der csi entwicklungstechnik GmbH, hat sich mit seinem Unternehmen als einer der ersten Automobilentwickler dieses Themas angenommen: „Wir haben schon 2001 erste Lösungen entwickelt. Dieses umfangreiche Know-how stellen wir heute verschiedenen Automobilherstellern zur Verfügung.“
Welche Tests zu absolvieren sind, ist in EU-Rahmenrichtlinien festgeschrieben, die vom TÜV im Rahmen der
allgemeinen Zulassung geprüft werden. Teil davon sind seit der Phase 1 sogenannte Kopf- und Bein-ImpaktorTests. Diese beinhalten unter anderem, dass beim Aufprall mit vordefinierten Geschwindigkeiten von 35 km/h
keine schwerwiegenden Kopfverlet­zungen, Bein-­Knochen­brüche bzw. Knie-Verletzungen auftreten dürfen.
Entscheidenden Anteil daran haben z. B. innovativ gestaltete Frontmodule mit Energie absor­bierenden Strukturen
und sogenannte auf­stel­lende Motor­hauben, die sich bei einem Aufprall inner­halb von Millisekunden automatisch
anheben. Die einzelnen Grenzwerte wurden in der 2013 gestarteten Phase 2 nochmal deutlich verschärft, so dass
nun die Verletzungsschwere nochmal um mindestens 15 % reduziert wird.
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Eine besondere Herausforderung bei der Integration solcher passiven Fußgängerschutz-Maßnahmen sieht csi
darin, die verschiedenen Anforderungen bei der Ge­staltung eines Vorderwagens in Einklang zu bringen.
Regelmäßig stehen die Realisierung diverser Funktionen, die Umsetzung moderner Designs und die Anforderungen des Fußgängerschutzes bezüglich der technischen Machbarkeit im Widerspruch zueinander.
Kurze Entwicklungszeiten und niedrige Produktkosten sind nur dann möglich, wenn Konstruktion und virtuelle Funktionsauslegung eng und intensiv zusammen arbeiten. Eine hohe technische Kompetenz, die Kenntnis der
OEM-spezifischen Prozesse sowie die kreative Kommunikation aller Projektbeteiligten sind dabei unerlässlich.
Zukunftsthema: Aktiver Fußgängerschutz
Darüber hinaus gibt es inzwischen Bestrebungen, die vorhandenen passiven Maßnahmen durch aktiven Fußgängerschutz zu ergänzen. Das Fahrzeug soll also in die Lage versetzt werden, etwaige Kollisionen mit Fußgängern
und anderen Objekten so früh wie möglich zu detektieren, einzustufen und im besten Fall zu verhindern. Unter
der Bezeichnung Autonomous Emergency Braking (AEB) werden ab 2016 solche Lösungen beim Verbraucherschutz Institut EuroNCAP getestet und bewertet. Die durchzuführenden Tests sind derzeit zwar noch nicht final
verabschiedet, es gibt aber Vorschläge der europäischen Arbeitsgruppe AsPeCSS
(Assessment of Pedestrian and Cyclist Safety Systems).
Diese Simulation stellt die
Unfallkinematik mit einem
Fußgänger-Dummy dar.
(Bild: csi)
Dazu zählen vier Test-Szenarien, die aus vorhandenen Unfall-Statistiken abgeleitet wurden. Sie betreffen Erwachsene und Kinder, die mit oder ohne
Verdeckung (z. B. hinter einem geparkten Fahrzeug) auf die Straße treten.
Automobile müssen dies zum Beispiel mit Hilfe von Kameras erkennen
und selbstständig bremsen. csi-Chef Steffen Boll formuliert eine
mögliche Anforderung so: „Es wird davon gesprochen, Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h zum Stand zu
bringen, ohne den Fußgänger zu berühren.“ Bei Geschwindigkeiten zwischen 40 und 60 km/h ist derzeit im Gespräch, diese bis
zu einer Restgeschwindigkeit von maximal 20 km/h abzubauen.
Wichtig dabei: Die Erkennungssysteme müssen so zuverlässig funktionieren, dass kein unmotiviertes Bremsen des Fahrzeugs ausgelöst wird, denn Fehlwarnungen bzw. Fehlauslösungen der Notbremse können Fahrer nicht akzeptieren. Das heißt: Die Erkennungssysteme müssen das
Verhalten des Fußgängers unmittelbar vor dem Unfall bestmöglich prognostizieren und die Auslösungsentscheidung fallspezifisch anpassen. „Die Dynamik des Verhaltens eines Fußgängers ist jedoch sehr komplex und
wird aktuell noch weltweit erforscht“, erklärt der csi-Chef.
Während die ersten Tests mit Puppen bei Tageslicht durchgeführt werden, stehen in einer weiteren Phase gleichgeartete Versuche auf dem Programm, die erschwerende Faktoren wie Dunkelheit sowie Ver­blendungen durch
Nässe oder Straßenbeleuchtung berücksichtigen. Darüber hinaus soll ab 2018 eine zusätzliche Initiative starten,
die den Radfahrerschutz betrifft. Als erstes müssen hierfür Unfallstatistiken länderübergreifend (z.B. auf der
europäischen Ebene) ausgewertet werden. Basierend darauf lassen sich dann typische Unfall-Szenarien definieren, die im nächsten Schritt als Test-Szenarien für die Erprobung des aktiven Radfahrer­schutz zu übernehmen
wären. Steffen Boll ergänzt: „Parallel zu diesen Vor­gängen sollten Test-Dummys für die Abbildung des Rad­
fahrers entwickelt werden. Das spart wertvolle Zeit. Und es wäre natürlich ideal, wenn sich die Kamera-Systeme
der Fußgänger­erkennung auch direkt für Radfahrer anpassen ließen.“
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