Bohnen im Trog lohnen

SCHWEINEHALTUNG
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
INHALT
Bohnen im Trog lohnen ................ 31
Erbsen bereichern die Ration ........ 32
Woher kommt der Husten? ........... 34
Stall gut aufheizen ........................ 37
Richtig lüften – weniger Husten .... 38
Foto: Leichhauer
Ebbe in der Kasse ........................ 40
Elisabeth und Benedikt Sprenker aus Beckum, Kreis Warendorf, verfüttern Ackerbohnen an ihre Schweine.
Bohnen im Trog lohnen
Der Anbau von Ackerbohnen bringt Familie Sprenker ackerbauliche
Vorteile, die Verfütterung an die Schweine ökonomischen Mehrwert.
A
nbau O.K., Vermarktung K.o.
– nachdem ihnen nur „Abwehrpreise“ für ihre Ackerbohnen geboten wurden, fackelten
Benedikt und Elisabeth Sprenker
nicht lange, als sie im Jahr 2008 in
die Schweinemast einstiegen. Vom
ersten Tag an war die Ackerbohne
fester Bestandteil der Futterration.
Über den Erzeugerring Westfalen
machte sich das Landwirtsehepaar
aus Beckum bei Berufskollegen
schlau, worauf es achten musste.
Futterwert über Marktwert
Grund für den Ackerbohnenanbau
war die fünffeldrige Fruchtfolge
aus Getreide, Raps, Mais, Ackerbohnen und neuerdings Sojabohnen. Diese bringt dem 220-ha-Betrieb ackerbauliche Vorteile und
1 Futterration im Betrieb Sprenker
Der Anteil der Ackerbohnen in der Mast steigt langsam von 6 auf 15 %.
Über den Ergänzer werden die fehlenden Aminosäuren ausgeglichen.
Futtermittel
VM1)
Gerste
25
Weizen
25
Triticale
25
Ackerbohnen
6
VM-Ergänzer
26
EM-Ergänzer
–
Gehalte bei 88 % Trockensubstanz
MJ ME
13,15
Rohprotein, g/kg
16,4
Lysin, g/kg
10,6
Rohfaser, g/kg
44
1) Vormast, 2) Mittelmast, 3) Endmast
MM2) 1
MM 2
EM3)
25
23
20
10
22
–
25
25
19
12
10
10
25
31
15
15
–
14
13,02
16,5
10,1
44
13,02
15,4
9,6
44
13,13
13,9
8,3
44
wird vom Land NRW finanziell
gefördert. Mit den Erträgen von
rund 48 dt/ha im Schnitt der Jahre sind Sprenkers zufrieden. Doch
beim Verkauf ärgerten sie sich, da
der Handel zumeist nur den Weizenpreis zahlen wollte. Und das,
obwohl sich die eiweiß- und stärkereiche Ackerbohne im Trog
deutlich besser verwertet. Wenn
Weizen beispielsweise 18 €/dt kostet und Sojaschrot 37 €/dt, hat die
Ackerbohne einen rechnerischen
Futterwert von 28 €/dt.
Im Schnitt setzen Sprenkers 10 %
Ackerbohnen in den Mastrationen
ein. Wie Übersicht 1 zeigt, starten
sie mit 6 % in der Vormast, steigern
über 10 bis 12 % in der Mittelmast
auf 15 % in der Endmast. Das ist
deutlich weniger als die 20 %, ab
der die Beratung vor Verzehrsproblemen aufgrund des Gerbstoffs
Tannin warnt. Es gibt auch tanninarme Sorten. Doch legt Benedikt
Sprenker Wert auf eine ertragsstarke Sorte, die durchschnittliche Tanningehalte aufweist.
Aminosäuren fehlen
Die Eiweißqualität von Ackerbohnen reicht nicht an die von Soja-
schrot heran. Das Lysin ist zu 86 %
verdaulich, vergleichbar mit Sojaschrot. Doch liegen Methionin,
Cystin und Tryptophan schon bei
den Gehalten niedriger. Zudem haben sie eine schlechtere Verdaulichkeit gegenüber Sojaschrot. ➜
Eigene
Sojabohnen
Nach den guten Erfahrungen
mit Ackerbohnen experimentieren Benedikt und Elisabeth
Sprenker seit fünf Jahren mit
dem Anbau von Sojabohnen.
Verfüttert haben sie aber nur einen Teil der letztjährigen Ernte.
Denn im Gegensatz zu Ackerbohnen bringen Sojabohnen
im Handel einen guten Preis,
da sie unter „gentechnikfrei“
firmieren. Zudem brauchen Sojabohnen eine Wärmebehandlung (Toasten oder Extrudieren),
da andernfalls Futteraufnahme
und Wohlbefinden der Schweine aufgrund von Trypsininhibitoren empfindlich leiden.
Sprenkers haben versuchsweise 3 % Vollfettsoja in zwei
Mastgruppen verfüttert. Die
biologischen Leistungen waren
unverändert. Doch ist das Soja
für die konventionelle Mast zu
teuer und auch zu fettreich. In
der Ferkelaufzucht könnte sich
der Einsatz lohnen.
sb
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2 Gute biologische Leistungen
Ergebnisse im Betrieb Sprenker bei Fütterung von durchschnittlich 10 %
Ackerbohnen und Jungebermast im Wirtschaftsjahr 2014/15
Tageszunahmen, g
Verlust, %
Mastdauer in Tagen
Indexpunkte/kg
Schlachtgewicht, kg
Bauchfleischanteil, %
Futterverwertung, 1 :
Futter, kg/Tier/Tag
Ackerbohnen haben
eine relativ harte
Schale. Auf den
Verschleiß der Siebe
bei der fahrbaren
Mühle hatte das
keinen Einfluss.
Deshalb
bestellen
Sprenkers
Ergänzer mit einem höheren Gehalt an kristallinen Aminosäuren. Der speziell für ihren Betrieb
konzipierte Ergänzer enthält mehr
Methionin und Threonin im Verhältnis zum Lysin. Optimiert wird
die Ration auf ein Aminosäurenverhältnis von 1 : 0,58 : 0,62 : 0,18
(Lysin : Methionon+Cystin : Threonin : Tryptophan).
Da die Schwankungsbreite der Inhaltsstoffe bei Ackerbohnen groß
ist, gehört für Sprenkers die Untersuchung bei der LUFA selbstverständlich dazu. In diesem Jahr lagen ihre Bohnen sowohl bei Energie
wie bei Protein über den Tabellenwerten mit 12,9 MJ ME/kg (Standardwert 12,6 MJ) sowie 18,9 g Lysin/kg (Standardwert 15,0 g).
Die Ackerbohnen werden nach
der Ernte getrocknet. Mit Mykotoxinen gab es bisher nie Probleme.
Die fahrbare Mühle saugt die Bohnen aus dem Flachlager. Einen höheren Verschleiß der Siebe konnten Sprenkers nicht feststellen.
Mit den biologischen Leistungen
der Schweine ist das Ehepaar sehr
zufrieden. Die Kreuzungen aus
dänischer Mutter und PiétrainEber erzielten im Wirtschaftsjahr
2014/15 bei Jungebermast 809 g
Tageszunahmen. Die Futterverwertung liegt bei 2,59.
Tageszunahme und IXP top
Die fleischreichen Tiere schaffen
1,003 Indexpunkte/kg bei einem
Schlachtgewicht von knapp 95 kg.
Für die Wirtschaftlichkeitsberechnung setzt das Landwirtsehepaar
nicht den Marktpreis an, sondern
bewertet die Bohnen aufgrund
des Eiweißgehalts 2 €/dt höher als
Weizen. Der Ergänzer ist durch die
Zulage kristalliner Aminosäuren
teurer. Deshalb liegen Sprenkers
Schweine bei den Futterkosten
pro dt im Schnitt der Erzeugerringbetriebe. Über die guten Leistungen in der Ebermast fallen die
Futterkosten pro Schwein jedoch
3 € günstiger aus.
sb
Kausticks vom Feld
Als Beschäftigungsmaterial im
Zuge der Initiative Tierwohl immer
gefragter wurde, wanderte Benedikt Sprenkers Blick prüfend über
seine Pappel-Plantage: „Warum
Dachlatten kaufen, wenn das Material vor der Tür wächst?“ Gezielt
wählte er aus den schnell wachsenden Hölzern Stämmchen mit
einem Durchmesser zwischen 3,5
und 6,5 cm aus, die in die herkömmlichen Halter für Knabberhölzer passen. Er schneidet Längen von 25 bis 50 cm. Diese sind
je nach Aktivität der Schweine
spätestens nach einem Durchgang kurzgenagt. Insbesondere
die Rinde finden die Schweine
hochinteressant. Weiterer Vorteil:
Da es sich um naturbelassenes
Weichholz handelt, splittert das
Holz beim Kauen nicht, sodass
keine Verletzungsgefahr für die
Tiere besteht.
sb
Erbsen bereichern die Ration
Berndt Riedemann versorgt seine Mastschweine mit 16 % Ackerbohnen
und Erbsen. Die Vielzahl an Komponenten macht seine Mischung flexibel.
W
enn ein Betrieb Körnerleguminosen anbauen will,
müssen drei Dinge passen:
die Förderung, der ackerbauliche
Standort und die innerbetriebliche
Verwertung. Davon ist Landwirt
Berndt Riedemann aus Tecklenburg, Kreis Steinfurt, überzeugt.
Auf seinem Gemischtbetrieb mit
Schweinehaltung im geschlossenen System baut er seit über sieben Jahren Ackerbohnen und Erbsen an und verfüttert sie an seine
Mastschweine.
Die finanzielle Förderung bekommt der Agraringenieur aus
dem Programm „Vielfältige Kul-
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turen“ des Landes NRW. Für eine
Prämie von 125 €/ha muss er über
einen Zeitraum von fünf Jahren auf
mindestens 10 % seiner Ackerfläche großkörnige Leguminosen anbauen. In diesem Jahr hat Berndt
Riedemann die Vorgaben „übererfüllt“, denn auf seinem 78-haBetrieb hat er 7 ha mit Ackerbohnen und 3,8 ha mit Erbsen bestellt.
Spitzenertrag von 61 dt/ha
Auch die ackerbaulichen Vorzüge
sind ein schlagendes Argument
für den ehemaligen Pflanzenzuchtberater. „Leguminosen ver-
819
2,0
112
1,003
94,79
58,9
2,59
2,12
tragen eine extensive Aussaat, lockern die Fruchtfolge auf und können mit ihren Knöllchenbakterien
Luftstickstoff binden. Außerdem
reduzieren sie die Bearbeitungsintensität zur Folgekultur und senken den Unkrautdruck. Ich kann
vor der Aussaat im Frühjahr effektiv gegen Ackerfuchsschwanz behandeln“, zählt Riedemann einige Vorteile von Ackerbohnen und
Erbsen auf. Darüber hinaus kommt
dem Praktiker der frühe Erntetermin gelegen. „Ich besitze sehr heterogene Böden, darunter einige
schattige und feuchte Grenzstandorte. Dort passen die Bohnen viel
Die Schweine lieben es, die Rinde
der Pappelhölzer abzuknabbern.
besser hin als zum Beispiel Mais,
der deutlich später räumt“, erklärt
Riedemann.
Schließlich ist durch seine
560 Mastschweineplätze auch für
die eigene Verwertung der kompletten Erntemengen gesorgt. Das
ist wichtig, denn der zurzeit am
Markt erzielbare Preis unterschätzt
den Futterwert der Leguminosen.
Dieses Jahr hat Berndt Riedemann
bei den Erbsen 44 dt/ha und bei
den Ackerbohnen 55 dt/ha von
den Flächen geholt. In einem Spitzenjahr waren es schon mal 61 dt
Ackerbohnen pro ha. Allerdings
schwanken die Erträge je nach Witterung sehr stark. Auch Wildverbiss ist ein großes Problem.
Schmackhaftigkeit sichern
Die Leguminosen werden mit
17 % Feuchte gedroschen und
über die eigene Umlauftrocknung
getrocknet. Um sich bei den In-
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Foto: Schulte
1 Futterration im Betrieb Riedemann
Ackerbohnen sind für Mäster Berndt Riedemann (links) und seinen Fütterungsberater Dr. Gerd Stalljohann ein wichtiger Bestandteil der Ration.
haltsstoffen nicht auf Listenwerte
verlassen zu müssen, sondern den
Futterwert der protein- und stärkereichen Früchte richtig zu bewerten, lässt Riedemann das Erntegut
bei der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) untersuchen.
Generell gilt: Je höher das Ertragspotenzial, desto höher der Bitterstoff-Anteil. „Bei der Sortenauswahl gehe ich daher einen Kompromiss ein und orientiere mich an
den Ergebnissen der Landessortenversuche“, erklärt Riedemann.
Der Eigenmischer setzt aktuell 6 bis 10 % Ackerbohnen und
durchgängig 6 % Erbsen in den
Mastmischungen ein (siehe Übersicht 1). „Selbst bei 18 % Ackerbohnen in der Ration haben weder die Futteraufnahme noch die
Tageszunahmen gelitten“, betont
der Schweinehalter. Gleichzeitig
hat er beobachtet, dass der recht
hohe Faseranteil der Bohnen für
mehr Ruhe im Stall sorgt und verhindert, dass die Schweine sich
überfressen.
Den Zuwachs hat Riedemann immer im Blick, weil er jedes einzelne Tier sowohl beim Umtreiben
vom Vor- in den Endmaststall als
auch vor dem Ausstallen über die
Waage laufen lässt.
„Je sauberer und schmackhafter
alle anderen Komponenten sind,
desto höher kann ich den Leguminosenanteil in der Ration drehen“,
ist Riedemann überzeugt. Eine intensive Reinigung des eigenen
Korns ist für den Praktiker daher
selbstverständlich.
Neben den klassischen Getreidesorten setzt er auch eigenen Roggen und Hafer ein. Den geringeren
Der Anteil der Ackerbohnen und Erbsen in der Mast steigt von 12 auf 16 %.
Über das Mineralfutter werden freie Amionosäuren ergänzt.
Futtermittel
Vormast
Mittelmast
Endmast
Weizen
%
30
30
31,5
Gerste
%
24
20
27
Roggen
%
10
15
10
Hafer
%
10
10
10
HP-Sojaschrot
%
10
5
2
Ackerbohnen
%
6
10
10
Erbsen
%
6
6
6
Mineralfutter
%
3
3
3
Sojaöl
%
1
1
0,5
Gehalte bei 88 % Trockensubstanz
MJ ME je kg
13,09
13,03
12,85
Rohprotein
%
15,76
14,40
13,43
Lysin
%
1,11
1,02
0,95
Rohfaser
%
4,42
4,47
4,65
Eiweißgehalt des Roggens gleichen
die proteinreichen Leguminosen
gut aus (Erbsen: 20 % Rohprotein).
Mischung sehr vielseitig
Berndt Riedemann kennt seine Futterkomponenten gut. Das
macht ihn bei der Rationszusammenstellung sehr flexibel. Je nach
Verfügbarkeit und Preis der Komponenten passt der Landwirt in
Abstimmung mit seinem Fütterungsberater Dr. Gerhard Stalljohann von der Landwirtschaftkammer NRW seine Rationen an.
Stalljohann weist auf eine weitere Besonderheit hin. „Der Betrieb
Riedemann senkt sowohl die Phosphor- als auch die Rohproteingehalte in der Ration sehr stark ab
und setzt dafür einen hohen Anteil an freien Aminosäuren ein.“
Wie Übersicht 1 zeigt, steigt Riedemann in der Vormast mit 15,8 %
Rohprotein ein und senkt dann
bis zur Endmast langsam auf
13,4 % ab.
Gute Mast- und Schlachtergebnisse geben dem Konzept recht.
So erzielen Riedemanns Schweine im Schnitt im Stall rund 800 g
Tageszunahmen und am Haken
1,02 Indexpunkte je kg bei einem
Schlachtgewicht von 96 kg. Auch
der Magerfleischanteil im Bauch
liegt mit durchschnittlich 59 %
auf hohem Niveau. Entsprechend
fest ist der Speck.
Aktuell setzt Riedemann noch geringe Mengen an Sojaextraktionsschrot ein. Er könnte sich aber
auch vorstellen, komplett darauf
zu verzichten, wenn er einen Vermarkter fände, der dies entsprechend honoriert.
msch
Denn da kommt unterm Strich mehr ‘raus.
Ruhige Tiere, robuste Sauen, Ferkel und Masttiere mit hohen
Überlebensraten und damit effizienter Futterverwertung
bei weniger Arbeitsaufwand. Das sichert ein höheres Wohlbefinden für Mensch und Tier. So geht Schweinezucht heute.
Quasi eine Win-Win Situation.
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Woher kommt der Husten?
der klinischen Erkrankung hängt
auch von den Umgebungsbedingungen (Belegdichte, Stallklima
usw.), dem Immunstatus der Tiere
und der sonstigen Keimflora ab.
Insbesondere andere Atemwegserreger spielen hier eine Rolle. Ist die
Immunität der Tiere durch Stress
oder andere Infektionen vermindert, können auch die sonst
schwach virulenten Stämme zu
klassischen Krankheitsverläufen
mit Husten, zum Teil blutigem Nasenausfluss und plötzlichen Todesfällen führen.
Häufig sieht man auch Schweine,
die eine hundesitzige Haltung einnehmen. Dies soll ihnen das Atmen erleichtern, wenn das Brustfell verklebt ist. Dabei handelt es
sich um ein hauchdünnes, durchsichtiges Häutchen, das die Lunge
und die Innenseite des Brustkorbes überzieht. Ist das Brustfell entzündet, wird es rau und kann verkleben, sodass die Lunge sich
nicht mehr optimal ausdehnen
kann und die Sauerstoffaufnahme
– und damit auch die Leistungsfähigkeit des Schweins – beeinträchtigt ist.
Foto: B. Lütke Hockenbeck
Bei nasskaltem Wetter haben Atemwegsinfektionen Hochkonjunktur.
APP, Influenza oder PRRS – was lässt die Mastschweine plötzlich husten?
Und wie kann man vorbeugen statt mit Antibiotika behandeln zu müssen?
Bei einem späten Infektionszeitpunkt kann es sinnvoll sein, die Tiere beim Einstallen in die Mast noch zu impfen.
F
ast ist die Mast geschafft, da
liegt plötzlich morgens ein
Mastschwein verendet in der
Bucht. Das Tier ist schon über
90 kg schwer und war beim Stallrundgang am Abend vorher noch
völlig unauffällig. Hinzu kommt,
dass es nicht der erste Fall im Betrieb ist. Sowohl in dieser als auch
schon in den vorherigen Mastgruppen hat es mehrere Tiere erwischt.
Das bedeutet, es ist höchste Zeit,
den Hoftierarzt hinzuzuziehen.
Dieser stellt beim Bestandsdurchgang fest, dass einige Mastschweine husten oder eine pumpende Atmung zeigen. Doch Atemwegserkrankungen beim Schwein gibt es
viele. APP, Enzootische Pneumonie, Influenza oder PRRS – woran
kann es liegen, woher kommen die
Probleme?
Organcheck im Schlachthof
Um den Ursachen auf den Grund
zu gehen, entscheidet der Tierarzt
in Absprache mit dem Landwirt
zunächst, das frisch verendete
Schwein direkt zur Sektion bringen zu lassen. Die Diagnose ist eindeutig: APP – Actinobacillus pleu-
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ropneumoniae. Die Lunge weist in
den Hauptlappen die typischen
schwarz-roten Entzündungsherde
auf. Aus dem Gewebe kann auch
der Erreger isoliert werden.
Allerdings ist das zunächst einmal
nur das Ergebnis der Untersuchung eines einzelnen Schweins.
Um eine Fehldiagnose möglichst
zu vermeiden und den APP-Nachweis stichfest zu machen, sollten
eigentlich mindestens drei bis fünf
Tiere eröffnet werden. Doch niemand trennt sich gerne in der Endmast von so vielen Schweinen.
Daher beschließt der Hoftierarzt,
sich eine ältere Gruppe aus dem
Bestand, in der ähnliche Krankheitssymptome und auch plötzliche Todesfälle aufgetreten waren,
am Schlachthof anzuschauen. Der
Schlachtcheck bietet die Möglichkeit, eine große Stichprobe von
Schweinen zu begutachten und gegebenenfalls auch gezielt Organproben von verändertem Gewebe
für weiterführende Untersuchungen zu entnehmen. Er ist besonders geeignet, um Probleme in der
Endmast abzuklären.
Um ein repräsentatives Ergebnis
zu erhalten, wählt der Hoftierarzt
für den Schlachtcheck die Hauptpartie der Altersgruppe aus. Vorläufer und nachgemästete Tiere
würden das Ergebnis verfälschen.
Wie sich zeigt, weisen etwa 20 %
der Schweine die typischen Lungenveränderungen mit schwarzroten Entzündungsherden und
darüber entzündetem Brustfell
auf. Zur weiteren Untersuchung
schickt der Tierarzt noch einige
veränderte Lungen an ein Labor,
das den Verdacht der APP-Infektion bestätigt.
Aktuell hoch im Kurs: APP
APP ist aktuell in vielen Betrieben
ein Problem. Doch APP ist nicht
gleich APP. Es gibt insgesamt
15 sogenannte Serotypen, die unterschiedlich starke krankmachende (virulente) Eigenschaften haben. So zählen die Serotypen 1, 5,
9 und 11 zu den am stärksten
krankmachenden Stämmen. Oft
wird bei klinischen Erkrankungen
auch der Serotyp 2 nachgewiesen.
Andere Stämme hingegen verursachen weniger starke klinische
Symptome. Doch auch hier gibt es
Unterschiede und die Ausprägung
Impfung statt Metaphylaxe
Um Atemwegsinfektionen durch
APP frühzeitig zu bekämpfen,
wurde früher häufig bei der
Einstallung oder etwas später eine
Behandlung der Tiere über das
Futter durchgeführt. In Zeiten der
Antibiotika-Datenbank und der
Pflicht zur Antibiotika-Reduktion
sind diese Maßnahmen aber kritisch zu hinterfragen.
Eine Alternative ist die Impfung
gegen den Erreger. In Deutschland
sind zwei kommerzielle Impfstoffe
verfügbar: einer gegen Serotyp 2
und ein zweiter, der eine Serotyp-übergreifende Immunität erzielt. Außerdem besteht bei Nichtwirksamkeit der kommerziellen
Impfstoffe die Möglichkeit, einen
bestandsspezifischen
Impfstoff
herstellen zu lassen. Meist wird in
der Mast jedoch mit dem Serotyp-übergreifenden Impfstoff gearbeitet. Dieser ist ab einem Lebensalter von sechs Wochen zweimal
im Abstand von vier Wochen zu
verabreichen.
Mykoplasmen gut im Griff
Doch nicht nur APP ist aktuell ein
Problem in den Mastbeständen.
Auch andere Erreger verursachen
immer wieder Probleme, denen
durch eine Optimierung der Haltungsbedingungen in Kombination mit einer Impfung entgegengewirkt werden kann.
Den Erreger der Enzootischen
Pneumonie, Mycoplasma hyo-
SCHWEINEHALTUNG
Foto: Löbert
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Brustfell- und Lungenentzündungen sind Hinweise
auf eine APP-Infektion.
pneumoniae, haben die Betriebe heute dank der
nahezu flächendeckenden Impfung der Ferkel
sehr gut unter Kontrolle. Wenn trotzdem Probleme auftreten, die sich in Veränderungen an
den Spitzenlappen der Lunge und im Stall als
trockener Husten äußern, sind das Impfkonzept
im Ferkelerzeugerbetrieb sowie die Impfdosis
und -technik zu überprüfen.
Problematischer als M. hyo sind die PRRS- und
Influenza-Viren. Diese können bei alleiniger Infektion Probleme verursachen, fungieren aber
häufig auch als „Wegbereiter“ für bakterielle
Sekundärinfektionen mit Hämophilus parasuis,
Pasteurellen und Bordetellen.
PRRS stört Immunabwehr
PRRS-Infektionen als Ursache einer Atemwegserkrankung können sowohl in der Ferkelaufzucht als auch in der Mast auftreten. Das
klinische Bild ist geprägt von Husten und geröteten Augen mit der Bildung von „Tränenstraßen“ unter dem inneren Augenwinkel. Häufig kommt es auch zu Leistungseinbußen, die
durch bakterielle Sekundärinfektionen noch
verstärkt werden. Hier ist es wichtig zu wissen,
dass die PRRS-Viren Makrophagen in der Lunge infizieren. Diese sind Zellen, die für die Beseitigung von körperfremden Mikroorganismen
zuständig sind. Sind diese „Fresszellen“ geschädigt, funktioniert die Abwehr in der Lunge
nicht mehr korrekt. In der Folge kommt es zu
einer bakteriellen Sekundärinfektion beispielsweise mit Bordetellen oder Pasteurellen, welche dann gegebenenfalls antibiotisch zu behandeln ist.
Um PRRS-Infektionen vorzubeugen, sind die
Ferkel heutzutage häufig geimpft. Wichtig für
die Bestimmung des richtigen Impfzeitpunktes
ist es, den Infektionszeitpunkt zu kennen. Wenn
die Probleme im Flatdeck beginnen, sollte die
Impfung bereits im Abferkelbereich durchgeführt werden. Findet in der Ferkelaufzucht
noch keine PRRS-Infektion statt, kann die Impfung auch später erfolgen.
Dabei sollte immer auch der Impfstatus der Sauen im eigenen Betrieb und in der Umgebung berücksichtigt werden. Insbesondere wenn Mastund Sauenstall unter einem Dach oder räumlich
nah beieinanderliegen, ist immer auch die Impfung der Sauen abzuwägen, denn PRRS-Viren
sind leicht über die Luft übertragbar.
Influenza bereitet Sorge
Auch mit Influenza-Viren haben manche Mastbetriebe immer wieder zu kämpfen – insbesondere in der nasskalten Jahreszeit und wenn der
Betrieb in einem schweinedichten Gebiet liegt.
Während Ferkelerzeuger oft die Sauen regelmäßig impfen, um Aborte und Umrauschen durch
das bei Influenza häufig sehr hohe Fieber zu
vermeiden, werden die Ferkel nur sehr selten
geimpft. Der Kostenaufwand einer routinemäßigen Impfung aller Ferkel ist zugegebenermaßen sehr hoch. In manchen Mastbetrieben, die
immer wieder Probleme mit bestimmten Influenzastämmen haben, kann es aber durchaus
Keine Angst vor Kennzahl 2
Selbst wenn ein Betrieb an allen Schrauben
dreht, um die Haltung und das Management zu
optimieren, wird es immer wieder passieren,
dass Schweine krank werden. Ist dies der Fall,
müssen diese Tiere unter Hinzuziehen des Hoftierarztes ordnungsgemäß, das heißt ausreichend hoch dosiert und lange genug, behandelt
werden. Das ist praktischer Tierschutz!
Doch in der Praxis herrscht aktuell eine große
Angst davor, Schweine behandeln zu müssen
und damit beim Antibiotika-Monitoring eventuell die Kennzahl 2 zu überschreiten. Schließlich
will kein Tierhalter ins Visier der Behörden geraten!
Dabei ist jedoch zu beachten, dass begründete
antibiotische Behandlungen, die in Zusammenhang mit einer gründlichen Diagnostik und
gleichzeitiger Optimierung der Umgebungsbedingungen stehen, nach wie vor erlaubt sind.
Vielmehr ist das Unterlassen einer notwendigen
Behandlung ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und damit kein Kavaliersdelikt!
Auch wer eigenmächtig die Dosis verringert
oder die Behandlung frühzeitig abbricht, weil
die Krankheitssymptome bereits verschwunden
sind, handelt grob fahrlässig: Beides kann fatale
Folgen für die Resistenzsituation haben. Denn
zunächst werden die empfindlichen Keime zwar
abgetötet oder im Wachstum gehemmt. Sind
diese verschwunden, kann sich bereits wieder
ein Gleichgewicht bilden, sodass das Schwein
nach außen hin wieder gesund erscheint. Es
bleiben aber immer noch Krankheitserreger übrig, die robuster sind als die anderen und nur
durch eine ausreichend lange und hohe Dosierung bekämpft werden können. Andernfalls
breiten sich genau diese robusteren Erreger aus
und vermehren sich weiter.
Zudem übt jeder Antibiotika-Einsatz einen
Selektionsdruck auf die vorhandene Keimflora
aus. Dadurch besteht immer das Risiko, dass
resistente Keime entstehen bzw. unerwünschte
Keime einen Selektionsvorteil erhalten. Bei
Gruppenbehandlungen über Futter oder Wasser
besteht die Gefahr, dass nicht infizierte Tiere
mitbehandelt werden. Daher gilt es, diese, wo
es möglich ist, durch Einzeltierbehandlungen zu
ersetzen. Das ist allerdings nur praktikabel,
wenn die Erkrankung durch gute Tierbeobachtung sehr früh erkannt wird.
Dr. Sandra Löbert
50 / 2015
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36
50 / 2015
Auf den Punkt gebracht
•
Foto: Dr. Harlizius
sinnvoll sein, eine Impfung in Betracht zu ziehen. Um die Schweine
vor einer klinischen Erkrankung
durch Influenza-Viren zu schützen, werden sie dann einmalig bei
Masteinstallung vakziniert.
Ein Impfstoff gegen Influenza enthält die beim Schwein gängigen
Stämme H1N1, H3N2 und H1N2.
Während bei den beiden erstgenannten die Infektion mit Husten
und hohem Fieber meist schnell
durch den ganzen Bestand zieht
und die Schweine sich bei unkomplizierten
Krankheitsverläufen
schnell wieder erholen, kommt es
bei letztgenanntem zu einem eher
schleichenden Krankheitsverlauf,
sodass der Erreger länger im Bestand verbleibt und immer wieder
auf empfängliche Tiere trifft.
Unabhängig vom Virus-Stamm
kann es ähnlich wie bei einer
PRRS-Infektion zu bakteriellen Sekundärinfektionen kommen, die
den Krankheitsverlauf verschlimmern. Anders als PRRS-Viren, die
die Immunzellen der Lunge befallen, vermehren sich Influenza-Viren in den Flimmerepithelzellen
der Lunge und zerstören diese.
Diese Zellen kleiden den größten
Teil der Atemwege aus und sind
für die Reinigung der Atemwege
zuständig, indem sie Schleim und
Schmutz abtransportieren und in
Richtung Maul bzw. Nase befördern.
Kann der Schleim aus den Atemwegen nicht mehr abtransportiert
werden, stellt er insbesondere in
der Lunge einen hervorragenden
Nährboden für Bakterien dar. Neben Husten, Nasenausfluss und
Fieber treten dann auch Leistungseinbußen auf. Diese sind bedingt
durch die längere Krankheitsdauer
mit verringerter Futteraufnahme,
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Gerötete Augen mit „Tränenstraßen“ deuten auf eine PRRS-Infektion hin.
aber auch durch Gewebeschäden,
die den Sauerstoffaustausch beeinträchtigen.
Auf der Rampe impfen?
Nicht immer ist es jedoch möglich,
dass Ferkel bereits im Abferkelstall oder in der Aufzucht geimpft
werden. Dann besteht die Möglichkeit, die Tiere gegebenenfalls noch
bei Einstallung in die Mast nachzuimpfen. Wichtig ist hierbei, den
Infektionszeitpunkt in der Mast zu
kennen, denn die Impfung ist nur
erfolgversprechend, wenn sie vor
der Infektion erfolgt. Die Impfung
bei Masteinstallung ist auch dann
zu empfehlen, wenn Schweine mit
unterschiedlichem Impfstatus im
gleichen Betrieb eingestallt werden. Hier ist es immer sinnvoll, die
Tiere auf den gleichen Stand zu
bringen, da es sonst zu schwerwiegenden Erkrankungen der un-
geimpften Schweine kommen
kann. Die Impfung bedeutet zwar
einen erhöhten arbeitswirtschaftlichen und finanziellen Aufwand.
Doch dieser lässt sich in der Regel
durch höhere Zunahmen, eine bessere Futterverwertung und weniger Verluste ausgleichen.
Früherkennung wichtig
Obwohl Impfungen eine gute Maßnahme zur Krankheitsvorbeuge
darstellen, sind sie als alleinige
Maßnahme keine Wunderwaffe.
Zur erfolgreichen Prophylaxe gehört es auch immer, die Haltungsbedingungen der Schweine zu optimieren. Denn letztlich können
weder Antibiotika noch Impfungen Haltungs-, Hygiene- und Managementmängel beheben.
Die Schweinehalter sollten auch
versuchen, ihre Kenntnisse in der
Tierbeobachtung zu verbessern.
Im Winter haben besonders
viele Mastbetriebe mit Atemwegsinfektionen zu kämpfen.
• Aktuell sind Probleme mit
APP sehr häufig. Aber auch
PRRS- und Influenza-Viren
spielen immer wieder eine Rolle.
• Impfungen gehören zu einer
wirksamen Krankheitsvorbeuge
dazu.
• Um den richtigen Impfzeitpunkt zu finden, ist der Infektionszeitpunkt entscheidend.
• Nicht immer sind antibiotische Behandlungen vermeidbar.
Auf diese Weise können sie Krankheitsausbrüche früher erkennen
und den Tierarzt informieren. Im
frühen Stadium einer Infektion reichen Einzeltierbehandlungen vielfach aus, sodass die Nachteile von
Gruppenbehandlungen umgangen
werden können.
Zwar ist der Arbeitsaufwand etwas
höher. Der Nutzen ist jedoch groß,
da jedes erkrankte Tier genau die
Dosis erhält, die für eine erfolgreiche Erreger-Eliminierung notwendig ist. Denn nicht selten nehmen
kranke Tiere bei einer Gruppenbehandlung über Futter oder Wasser
gar nicht genügend Wirkstoff auf,
weil sie häufig weniger fressen
und trinken. Genau die Tiere, die
die Behandlung am nötigsten hätten und die meisten Erreger in sich
tragen, bekommen so nicht genug
Wirkstoff ab.
Dr. Sandra Löbert, Schweinegesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer NRW
SCHWEINEHALTUNG
Stall gut aufheizen
Damit die Ferkel unter optimalen Bedingungen
in die Mast starten können, sollten sie einen gut
vorgewärmten Stall vorfinden.
D
er Start in die Mast ist für
die Ferkel zumeist mit Aufregung und Stress verbunden: Sortieren, Neugruppierung,
Futter- und Stallwechsel sowie
Transport zehren an den Kräften
und belasten das Immunsystem.
Insbesondere den Futterwechsel
und den Stallwechsel kann der
Mäster jedoch positiv begleiten.
Im Bereich der Fütterung haben
sich „Begrüßungsfutter“ durchgesetzt. Diese besonders hochwertigen Futter kommen den Bedarfswerten von Ferkelmischungen
sehr nahe und sind optimalerweise auf das letzte Futter abgestimmt,
welches die Tiere beim Ferkelerzeuger gefressen haben (zum Teil
gleiche oder sehr ähnliche Komponenten).
Der Stall muss warm sein
Ein weiterer wichtiger Punkt ist
die neue Stallumgebung bei der
Ankunft der Ferkel. Neben einer
ordentlichen Reinigung und Desinfektion des Stalles und der technischen Anlagen sollte der Stall
nachhaltig aufgeheizt werden. Ziel
ist hier die spätere Raumtemperatur. Werden die Ferkel zum Beispiel mit 28 °C eingestallt, werden
sich auch die Temperaturen der
Stalleinrichtung, der Wände und
des Boden nach und nach auf diese Temperatur einstellen.
Durch konzentriertes Aufheizen
sollte diese Zieltemperatur jedoch
schon vor dem Einstallen auch
im Bereich der Stalleinrichtung
(Stallboden und Wände) erreicht
werden. Sonst kommt es zu einem
unerwünschten und für die Tiere
gefährlichen Wärmeabfluss: Wenn
die Temperatur der Bauteile in den
ersten Tagen nach dem Belegen
niedriger als die beispielsweise
angepeilten 28 °C Lufttemperatur
ist, „heizen“ die Ferkel den Spaltenboden beim Liegen über Körperkontakt auf! Genau das darf
nicht passieren, weil die jungen
Tiere dabei auskühlen und anfällig für Infektionen bzw. Erkältungen werden. Außerdem sind die
Ferkel dann so sehr mit der
Wärmeproduktion
beschäftigt,
dass ihnen Kraft und Energie für
das gewünschte Wachstum und
die Stärkung des Immunsystems
fehlen.
Bevor die Ferkel eingestallt werden, muss der Stall also gut aufgeheizt werden. Am effektivsten
geht das, wenn die Heizquelle
(Gaskanone oder Ölmaster) direkt
im Abteil steht. Dann geht am wenigsten Wärme verloren. Aus dem
gleichen Grund sollten die Zu- und
Abluftöffnungen beim Aufheizen
so gut es geht verschlossen sein.
Zwölf Stunden, 40 °C
Es macht zudem Sinn, beim Aufheizen mit höheren Temperaturen
zu arbeiten – allerdings, ohne einzelne Stalleinrichtungen aus empfindlichem Material zu gefährden
(Kunststoffleitungen!?). Bei einer
hohen Temperaturdifferenz dringt
die Wärme der Luft nämlich
schneller in das Material ein, wird
dort gespeichert und hält den Gegenstand trocken und warm. In
zwölf Stunden mit 40 °C Raumtemperatur erwärmt sich ein Betonspaltenboden genauso schnell wie
bei 48 Stunden mit 30 °C. Allerdings gehen bei der kurzen Variante 36 Stunden weniger Wärme
durch die Bauteile verloren. Dies
spart etwa ein Drittel der Energie.
Ob der Stall gut genug aufgeheizt
ist, lässt sich am besten über die
Temperatur des Stallbodens kontrollieren: Ist dieser noch nicht
warm genug oder gar noch feucht,
muss weiter aufgeheizt werden.
Frisches Tränkwasser
Vor dem Einstallen wird dann gut
gelüftet (Stoßlüftung!), um die Verbrennungsgase zu entfernen. Auch
sollte das Tränkwasser aus den Leitungen abgelassen werden, denn
dieses ist beim Aufheizen ebenfalls schön warm geworden, was
aber aus mikrobiologischer Sicht
nicht optimal ist.
Die neuen Ferkel legen sich dann
nach dem Einstallen gerne auf den
warmen Fußboden und können
nach einer kleinen Ruhepause
ohne Unterbrechung weiter an Gewicht zunehmen – auf jeden Fall
wird die wertvolle Futterenergie
nicht für eine unnötige Wärmeproduktion verbraucht. Der Stall soll
schließlich mit Öl oder Gas aufgeheizt werden und nicht über die
Tiere.
Ulrich Averberg,
Landwirtschaftskammer NRW
50 / 2015
37
SCHWEINEHALTUNG
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Richtig lüften – weniger Husten
Wenn die Mastschweine häufig husten, können Umstellungen an der
Lüftung das Problem lösen helfen. Das jedenfalls zeigt ein Praxisfall aus
Möhnesee-Wippringsen im Kreis Soest.
Massive Hustenprobleme
Der Betrieb Zacharias ist Mitglied
im Erzeugerring Westfalen und im
Unternehmerkreis der Landwirtschaftskammer NRW. Er hält direkten Kontakt zu seinem Ferkelerzeuger und der Bestand wird von
einem renommierten Schweinefachtierarzt betreut. Trotzdem gab
es im Maststall etwa seit Anfang
2013 immer öfter Probleme mit der
Tiergesundheit. Zumeist waren
Schweine um die 60 kg betroffen,
erklärt der Landwirt im Gespräch
mit dem Wochenblatt: „Der Husten
Fotos: Waldeyer
M
anchmal kann weniger
auch mehr sein. Diese Erfahrung hat Landwirt Ludger Zacharias aus MöhneseeWippringsen im Kreis Soest gemacht. In seinem Fall trifft das auf
die Schweinestall-Lüftung zu. Seit
etwa einem Jahr arbeitet der Mäster mit einer bewusst reduzierten
Luftrate und hat damit die Tiergesundheit im Bestand spürbar verbessert.
Doch der Reihe nach: Ludger Zacharias hat in seinem Maststall außerhalb des Ortes Platz für rund
1080 Mastschweine. Gemästet
werden immer zwei Altersgruppen von jeweils 540 Tieren. Die
Ferkel dafür bezieht er direkt von
einem Sauenhalter mit etwa 8 kg
und zieht sie zunächst in dafür
hergerichteten Altgebäuden am
Hof im Ortskern auf. Mit 26 bis
27 kg wechseln die Tiere dann in
die Mast.
Für die Gesundheit der Schweine ist eine optimal eingestellte Lüftung wichtig.
Bei Bedarf bzw. Problemen sollte daher ein Fachmann hinzugezogen werden.
kam immer sehr plötzlich, nachmittags schien noch alles in Ordnung zu sein. Am Morgen darauf
husteten etliche Tiere sehr stark.
Das wurde zudem begleitet von hohem Fieber. Einige Tiere verendeten und die Erkrankung setzte sich
im Stall binnen zwei Tagen von
Abteil zu Abteil fort. Als Sofortmaßnahme haben wir dann in Zusammenarbeit mit dem Hoftierarzt
zumeist die ganze Tiergruppe mit
Medikamenten behandeln müssen, um das Schlimmste zu verhindern.“
Weil das Problem damit auf Dauer
jedoch nicht gelöst wurde und die
regelmäßigen Antibiotika-Behandlungen seinem Selbstverständnis
Im Betrieb Zacharias wurde die Solltemperatur um etwa 2 °C angehoben.
38
50 / 2015
als Landwirt widersprach, lud
Ludger Zacharias im August 2014
seine Berater, den Ferkelerzeuger
und den Hoftierarzt zu einem Ortstermin ein. Gemeinsam wurde
nach den Ursachen geforscht und
nach Lösungsansätzen gesucht.
„Das war schon sehr beeindruckend, wie alle Beteiligten zusammengearbeitet haben“, erinnert sich der Landwirt.
Zugluft vermeiden
Beim Bestandsbesuch fiel dann
Landwirtschaftskammer-Bauberater Ulrich Averberg auf, dass die
Luftrate im Stall recht hoch eingestellt war. Die Luftqualität (Ammoniakgehalt) war zwar nach menschlichem Empfinden sehr gut, die
Strömungsgeschwindigkeit der
Luft jedoch zu hoch und die Luftfeuchtigkeit gleichzeitig zu niedrig. „Das birgt die Gefahr, dass sich
die Schweine durch Zugluft erkälten und wegen der zu niedrigen
Luftfeuchte trockenen Husten entwickeln“, so Averberg.
Er schlug vor, die Solltemperatur
langsam und dosiert um insgesamt
etwa 2 °C zu erhöhen (alle zwei
Tage um +0,5 °C). Die Lüftung befördert die Stallluft dann nicht so
schnell hinaus und Zugluft durch
zu hohe Strömungsgeschwindigkeiten wird vermieden.
Grundsätzlich haben Mastschweine eine relativ große Komforttemperaturzone, erklärt Averberg.
Wichtig ist jedoch eine gleichmäßige Stalltemperatur. Große
Schwankungen sollten vermieden
werden. Das gelte nicht nur für die
viel beschriebenen Tag-NachtSchwankungen, sondern auch für
die „Großwetterlage“ bzw. saisonale Einflüsse. „Im Hochsommer beispielsweise empfiehlt sich eine höhere Solltemperatur als im Winterhalbjahr, damit die Lüftung nicht
ständig unter Volllast läuft und es
schnell zu schädlicher Zugluft
kommt“, so der Kammerfachmann.
Diese gilt es unbedingt zu vermeiden. Um gute Leistungen mit gesunden Schweinen zu erzielen,
darf die Stallluft aber auch nicht zu
trocken sein, wie das Beispiel im
Betrieb Zacharias zeigt. Das lässt
sich über eine dosierte Verringerung der Luftrate einstellen. Bei der
richtigen – zum Stall passenden –
Auslegung der Lüftungsanlage
reicht sogar oftmals die Minimumluftrate aus, um Schadgase aus dem
Stall zu lüften und die Luftfeuchte
im für die Tiere angenehmen Rahmen zu halten, haben Averberg und
Landwirt Zacharias festgestellt.
Erwünschte Effekte
Im Umkehrschluss bedeutet dies,
dass die maximale Luftrate nur
dann benötigt wird, wenn die Außentemperaturen so hoch sind,
dass die Ventilatoren die überschüssige Wärme nur bei voller
Drehzahl aus dem Stall entfernen
können. Diese Volllast-Situation
sollte aber nicht der Regelfall sein,
sonst ist die Lüftung falsch eingestellt oder installiert.
Auf den Punkt gebracht
•
Um optimale Leistungen zu
erzielen, sind bei der Einstellung
der Lüftungsanlage stets die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen.
• Mastschweine haben eine relativ große Komforttemperaturzone. Deshalb kann die Solltemperatur bei Bedarf auch etwas
höher eingestellt sein.
• Zugluft als Folge einer zu hohen Luftrate sowie zu niedrige
Luftfeuchten sind dagegen unbedingt zu vermeiden, sonst können die Tiere ernsthaft erkranken.
• In unserem Praxisfall verbesserte sich die Tiergesundheit
nach einer allmählichen Lüftungsumstellung zusehends.
• Weitere Effekte wurden mit einer intensiven Aufheizung des
Maststalles vor der Neubelegung
erzielt.
SCHWEINEHALTUNG
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Im Stall von Ludger Zacharias hat
die Lüftungsanpassung jedenfalls
den gewünschten Erfolg gebracht.
Der Landwirt arbeitet heute mit
etwa 2 °C höheren Solltemperaturen, wobei die Temperatur zu Beginn der Mast etwa 1,5 °C über den
einschlägigen Empfehlungen liegt
und zum Mastende auch schon
mal mit bis zu 2,5 °C höheren Werten gearbeitet wird. Bei unserem
Betriebsbesuch Ende Oktober lag
die gewünschte Stalltemperatur
für die Mittelmastschweine mit
80 kg Lebendgewicht beispielsweise bei 26,5 °C.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Die
Mastabteile werden jetzt vor der
Neubelegung intensiv aufgeheizt.
Ludger Zacharias (rechts) und seine Auszubildende Anika Holweg diskutieren
mit Kammerberater Ulrich Averberg die Effekte der Klimaumstellung.
Das senkt die Luftrate und Zugluftgefahr und bekommt den Schweinen offensichtlich sehr gut, wie der
Landwirt erklärt. So sind die Mastleistungen seit der Umstellung keinesfalls schlechter geworden: Im
zweiten Halbjahr 2014 wurden im
Mittel knapp 900 g Tageszunahme
und durchschnittlich 0,999 Autofom-Indexpunkte je kg Schlachtgewicht (IXP/kg SG) erzielt. Für die
erste Hälfte 2015 kommt Zacharias
auf 940 g und 1,006 IXP/kg. Noch
wichtiger sind dem Praktiker aber
die Gesundheitsparameter. „Seit
wir die Lüftung angepasst haben,
sind die Verluste von 2,5 auf 1,4 %
zurückgegangen. Parallel hat sich
der Arzneimitteleinsatz spürbar
verringert. Im jüngsten abgeschlossen Mastdurchgang bin ich sogar
ganz ohne Antibiotika-Anwendung ausgekommen“, freut sich
der Schweinehalter. Das werde sicher nicht immer so sein, aber der
Unterschied zu früher sei schon
beachtlich.
Beim Energiebedarf haben sich
durch die geänderte Lüftungsstrategie indessen keine großen Effekte ergeben. „Der Gesamtjahresverbrauch ist in etwa gleich geblieben, auch wenn man vielleicht eine
leichte Einsparung erwartet hätte,
weil die Lüfter ja jetzt insgesamt
seltener und langsamer laufen“, so
der Landwirt nach einem Blick in
die Buchführungszahlen. Dieser
Punkt war aber auch nicht ausschlaggebend.
Ferkel brauchen Wärme
Interessanter ist Folgendes: Als
zweite Maßnahme zur Verbesserung der Schweinegesundheit hat
Ludger Zacharias die Vorbereitung
des Stalles vor dem Neubelegen
verändert. Nach dem Ausstallen
der letzten Verkaufspartie wird gereinigt und desinfiziert.
Dann bleibt das Abteil eine Woche
leer, bevor die neuen Ferkel eingestallt werden. Damit die jungen
Tiere optimale Startbedingungen
vorfinden, wird der Maststall jetzt
vor dem Belegen intensiv 24 Stunden lang aufgeheizt – und zwar auf
eine Raumtemperatur von 40 °C
(mehr dazu im Beitrag „Den Stall
gut aufheizen“ auf Seite 37 dieser
Wochenblatt-Ausgabe).
Um das leichter zu schaffen, hat
der Landwirt eine zusätzliche Gaskanone angeschafft. Von den Ergebnissen sind Ludger Zacharias
und seine derzeitige Auszubildende Anika Holweg jedenfalls positiv
angetan: „Die Stallböden sind
nach einem Tag Intensiv-Heizung
gut trocken und warm, sodass die
Ferkel nicht Gefahr laufen, auszukühlen. Und der Gasverbrauch ist
sogar niedriger als bei der klassischen Aufheizung über zwei Tage
mit rund 30 °C.“
Außerdem hat der Landwirt beobachtet, dass die Ferkel seit der geänderten Stallvorbereitung viel
besser „losmarschieren“ und nicht
erst einige Tage lang wenig fressen
und viel frieren. „So soll es sein,
und so macht die Schweinehaltung Spaß“, ist Ludger Zacharias
froh über die Tipps seines Beraters.
Denn dass zu viel Frischluft den
Schweinen auch schaden kann,
daran hatte er bislang nicht gedacht.
Heinz Georg Waldeyer
50 / 2015
39
SCHWEINEHALTUNG
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Fotos: Schulte, Meierkord (2)
Ebbe in der Kasse
Ferkelerzeuger schreiben schon länger tiefrote
Zahlen. Jetzt geraten auch die Mäster in die
Verlustzone. Die Zuversicht schwindet.
D
en Schweinehaltern steht
das Wasser bis zum Hals.
Für einen Teil der Betriebe
geht es um die nackte Existenz.
Hohe Schlachtzahlen und ein
schwacher Schweinefleischabsatz
im In- und Ausland haben zum
Preisverfall geführt, der sich einem
Rekordtief nähert. In der Schlachtbranche herrscht ebenfalls große
Ratlosigkeit. Zweifellos kämpft die
gesamte Schweinebranche derzeit
mit finanziellen Einbußen.
Am gravierendsten trifft es derzeit
die Sauenhalter. Die Ferkelpreise
des vergangenen Wirtschaftsjahres
reichten bei Weitem nicht an das
Vorjahresniveau heran. Selbst das
Frühjahr, das sich traditionell
durch bessere Ferkelpreise auszeichnet, blieb preislich deutlich
hinter den Erwartungen zurück.
Ferkelerzeuger am Limit
Seit dem Frühsommer dieses Jahres kämpfen die Ferkelerzeuger
mit extrem schwachen Erlösen –
und haben dabei die Defizite aus
dem Herbsthalbjahr 2014 noch
nicht verkraftet. Bei einer aktuellen Notierung von 30 € für ein
25-kg-Ferkel ist nicht nur
die psychologische, sondern auch die wirtschaftliche Untergrenze längst
durchbrochen. Mit Vermarktungserlösen auf diesem Niveau können selbst
Betriebe mit besten Leistungen die Direktkosten
für Futter, Tierarzt etc.
nicht mehr abdecken – da
helfen auch Qualitätszuschläge und Umsatzsteuer
nicht weiter, wie Übersicht 1 offenlegt. Von der
Finanzierung der Zinsen,
der Abschreibungen oder
Gerhard Gietmann zweifelt, ob er seinem Sohn
der Entlohnung der eingeStefan zum Einstieg in den Betrieb raten soll.
setzten Arbeit ganz zu
Für einzelne Ferkelerzeuger steht die Zukunft des Betriebes auf dem Spiel. Vor
allem, wenn sie in den letzten Jahren große Wachstumsschritte gewagt haben.
schweigen. Die heute wirtschaftenden Ferkelerzeuger – seien es
Großanlagen im Osten oder der typische bäuerliche Sauenhalter in
Westdeutschland mit 250 Sauen –
haben im Regelfall in den letzten
Jahren erheblich investiert, um die
Ställe auf den neusten Stand zu
bringen und die Nachfrage der
Mäster nach größeren Gruppen zu
bedienen. Bei Ferkelerzeugern
kommt erschwerend hinzu, dass
sie eher wenig Fläche haben. Nur
in seltenen Fällen können sie ihre
Betriebe mit den Einnahmen aus
dem Ackerbau finanziell stützen.
Ruinöses Preisniveau!
Landwirt Gerd Gietmann aus Kevelaer am Niederrhein bewirtschaftet 41 ha Ackerbau und hält
210 Sauen. Seine Qualitätsferkel
gehen fast ausschließlich in feste
Partnerschaften mit Mästern. Gietmann beklagt: „Die Preistäler ziehen sich immer länger hin. Das
lässt auch gut geführte Familienbetriebe in Existenznöte geraten.
Gleichzeitig steigen die gesetzli-
1 Ferkelerzeugung – es geht um die Existenz
Ob oberes oder unteres Viertel, Alt- oder Neubau – von der Vollkostendeckung sind Sauenhalter zurzeit weit entfernt.
hohe Leistung
hohe Leistung
hohe Leistung niedrige Leistung
Ø-Leistung
obere 25 % FER
obere 25 % FER obere 25 % FER
untere 25 %
Ø-FER
Fertigfutter
–2 €/dt Futter
–10 €/Ferkel
untere 25 %
25 % Gülleabg.
Gülleabgabe
eigene Düngung Vermarktungs- eigene Düngung
älterer Stall
Neubau
Neubau
probleme
älterer Stall
Stück
32,54
28,49
32,54
32,54
23,75
€/Ferkel
45,49
45,49
45,49
35,49
45,49
€/Sau
1534
1351
1534
1208
1133
Leistungen und Kosten in der Sauenhaltung
aktuell November 2015
Betriebszweigabrechnung
aufgezogene Ferkel/Sau/Jahr
Erlös 30-kg-Ferkel
Gesamtmarktleistung
Direktkosten
€/Sau
Futteraufwand inkl. Nachzucht
€/Sau
Summe Direktkosten
€/Sau
Direktkostenfreie Leistung
€/Sau
Fixkosten: Zinsansatz,
Gebäude, Allgemeinkosten
€/Sau
Sachkostenfreie Leistung
Akh/Sau
Arbeitsaufwand
€/Akh
Arbeitsentlohnung bei
6 % Zinsansatz
%
Kapitalverzinsung bei
20 €/Akh
€/Ferkel
Produktionsschwelle
€/Ferkel
Vollkosten
Quelle: Heinz-Willi Boekels, LWK NRW
40
50 / 2015
864
1355
179
523
826
1297
54
262
812
1267
267
523
864
1355
–147
523
780
1242
–109
223
–345
12,6
–27,36
–207
13,4
–15,48
–257
12,6
–20,37
–671
12,6
–53,22
–332
14,0
–23,69
–14,0
–24,5
–11,0
–24,9
–39,7
40,0
63,83
43,6
62,17
37,3
61,12
40,0
63,84
50,1
71,24
chen Auflagen für die weitere
betriebliche Entwicklung.“ Sein
21-jähriger Sohn Stefan, der aktuell die landwirtschaftliche Fachschule besucht, ergänzt: „Wer als
Junglandwirt mit dieser finanziellen Situation konfrontiert wird,
macht sich Gedanken über die Zukunft und den Start ins Berufsleben.“ Nach dem Abschluss der
Fachschule muss der Junior sich
entscheiden, ob er in den Familienbetrieb einsteigen will: „Den
Willen habe ich schon! Aber wenn
ich mir die Perspektiven anschaue,
kann man Zweifel bekommen.“
Ferkelerzeuger Theo Verhülsdonk
aus dem benachbarten Weeze hält
300 Sauen und bewirtschaftet
42 ha. Der Absatz ist kein Problem,
da er seine Ferkel an feste Partner
liefert. Wenn nur der Preis passen
würde. Verhülsdonk sieht bang in
die Zukunft: „Noch zehren wir etwas von den finanziellen Reserven
aus dem guten Wirtschaftsjahr
2013/14. Doch bei diesem ruinösen Preisniveau sind jegliche
Rücklagen bald aufgebraucht.“
Die jetzt angebotenen Förderdarlehen zur Liquiditätssicherung sieht
Verhülsdonk mit gemischten Gefühlen: „Sie helfen vielleicht kurzfristig, belasten den Betrieb aber
auf Dauer. Das große Problem der
spezialisierten Sauenhalter bleibt:
Die Betriebe haben oft keine alternativen Standbeine.“
Mäster in den roten Zahlen
Aber auch in der Schweinemast
sieht es in den letzten Wochen und
Monaten ganz schlecht aus. Bis zu
einem Preisniveau von 1,30 € je kg
Schlachtgewicht war – aufgrund
des preiswerteren Ferkeleinkaufs – noch eine positive Direktkostenfreie Leistung machbar. Die
rund 20 € pro Schwein, die für
Arbeitsentlohnung, Abschreibung
und Verzinsung aufzubringen sind,
waren davon aber schon nicht
mehr zu bezahlen. In den letzten
Wochen sind die Schweinepreise
aber so dramatisch gefallen, dass
selbst bei guten biologischen Leistungen Minusrunden bei der Di-
2 Mäster schreiben Verluste
SCHWEINEHALTUNG
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Stand: November 2015, Basispreis 1,25 €/kg Schlachtgewicht
Ferkelpreis Juli 2015
€
54,50
Ferkelgewicht
kg
30
Schlachtgewicht
kg
95
Erlös je kg inkl. MwSt.
€
1,35
Erlös je Mastschwein inkl. MwSt.
€
128,58
Futterkosten je Schwein
€
60,00
Allgemeinkosten (Strom usw.)
€
4,40
Verlustkosten
€
2,50
Direktkostenfreie Leistung
€
7,18
abzüglich Abschreibung Stall
€
8,00
abzüglich Lohnansatz
€
12,50
abzüglich Verzinsung
€
1,25
Ergebnis pro Schwein
€
–14,57
Quelle: Dr. Frank Greshake
rektkostenfreien Leistung nicht
auszuschließen sind. Wie Übersicht 2 zeigt, rechnet sich die
Schweinemast bei einem Preisniveau von 1,20 €/kg genauso wenig
wie die Ferkelerzeugung bei einem
Basispreis von 30 €/Ferkel.
Kostentreiber Gülle
Und noch etwas belastet die Finanzen: Immer mehr zusätzliche Kosten kommen auf die Veredlungsbetriebe zu. Entsorgungskosten für
Gülle beispielsweise waren für
viele Betriebe vor Jahren ein
Fremdwort. Heute sind sie Realität. Mit der nächsten Düngeverordnung werden sie für viele Betriebe
zum steigenden Kostenfaktor.
Wer Flächen pachten will, um seine Gülle nicht teuer entsorgen zu
müssen, ist immer noch mit deutlich anziehenden Pachtpreisen
konfrontiert. Gleichzeitig steigt
auch das Pachtniveau für bestehende Altverträge.
Andere Positionen kommen auf
der Ausgabenseite neu hinzu. Die
seit Anfang des Jahres neu geregelte Tierkörperentsorgung führt bei
größerenMast-undSauenbetrieben
zu einer spürbaren Kostenbelastung. Die Liste ließe sich fortsetzen – bis hin zu Kleinbeträgen von
10 € für die Tierhalterversicherung
in Sachen Antibiotika-Einsatz.
Wie geht es weiter?
Was die Landwirte am meisten bedrückt: Am Ende des Tunnels ist
kein Licht in Sicht. Bis zur Jahreswende ist nicht mit steigenden Erlösen zu rechnen. In der Schweinemast erleben wir traditionell,
dass mit dem Weihnachtsurlaub
von Fleischverarbeitern die Nach-
frage zurückgeht. Zudem fehlen
Schlachttage. Traditionell dauert
es bis in den Januar hinein, bevor
sich daran etwas ändert.
Die EU-Kommission hat für den
Jahresanfang eine private Lagerhaltung (PLH) angekündigt, die für
Fleisch- und für Fettartikel gilt.
Aber schon die letzte PLH hat den
Markt nicht wesentlich entlastet.
Bereits jetzt melden einige
Schlachtbetriebe, dass ihre Gefrierkapazitäten so voll sind, dass
sie diese Aktion nur begrenzt oder
gar nicht in Anspruch nehmen.
Der Schweinefleischverzehr sinkt
jährlich zwischen 2 und 4 %. In diesem Zusammenhang hätte man sich
von den Schlachtunternehmen
deutliche Worte gewünscht, dass
der seit Jahren viel beschworene
„Export“ nicht reicht, um die Erzeugererlöse zu stabilisieren. Das
liegt nicht nur an Russland. Wenn
bei dem derzeitigen Eurokurs keine
lukrativen Exporte in Drittstaaten
möglich sind, wann dann?
Noch sichert bei vielen Mast- und
Ferkelerzeugerbetrieben das selbst
Auf den Punkt gebracht
•
Die Schweinehalter plagen
aktuell große finanzielle Sorgen.
• Bei 30 €/Ferkel und 1,20 €/
kg Schlachtgewicht schreiben
die Landwirte rote Zahlen.
• Gerade Ferkelerzeuger trifft
es hart. Die Rücklagen sind oftmals schon aufgebraucht.
Noch kann Theo Verhülsdonk von
finanziellen Rücklagen zehren.
erzeugte Futter die Liquidität.
Sehnlichst warten viele auf die
Flächenprämie, um Rechnungen
bezahlen zu können. Aber im Januar ist sowohl das EU-Geld als auch
das eigen erzeugte Getreide in den
meisten Betrieben schlicht und ergreifend „alle“. Und im Frühling
kommen die Kosten für die Frühjahrsbestellung hinzu.
Bereits jetzt leben viele Betriebe
von der Substanz. Sie greifen auf
Zwischenkredite zurück oder
„verbraten“ die Lebensversicherung. Letztlich sind das alles nur
vorübergehende Maßnahmen. Am
Schweinepreis muss sich etwas
ändern, damit Ferkelerzeuger und
Mäster wieder Luft bekommen.
Absehbar ist, dass viele Betriebe
die Aufgabe der Schweinehaltung
konkret ins Auge fassen. Die Besamungen sind um etwa 5 % rückläufig. Doch wird dies zur Hälfte
durch steigende biologische Leistungen ausgeglichen. Keine guten
Aussichten.
Dr. Frank Greshake,
Landwirtschaftskammer NRW
50 / 2015
41