SCHWEINEHALTUNG Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben INHALT Bohnen im Trog lohnen ................ 31 Erbsen bereichern die Ration ........ 32 Woher kommt der Husten? ........... 34 Stall gut aufheizen ........................ 37 Richtig lüften – weniger Husten .... 38 Foto: Leichhauer Ebbe in der Kasse ........................ 40 Elisabeth und Benedikt Sprenker aus Beckum, Kreis Warendorf, verfüttern Ackerbohnen an ihre Schweine. Bohnen im Trog lohnen Der Anbau von Ackerbohnen bringt Familie Sprenker ackerbauliche Vorteile, die Verfütterung an die Schweine ökonomischen Mehrwert. A nbau O.K., Vermarktung K.o. – nachdem ihnen nur „Abwehrpreise“ für ihre Ackerbohnen geboten wurden, fackelten Benedikt und Elisabeth Sprenker nicht lange, als sie im Jahr 2008 in die Schweinemast einstiegen. Vom ersten Tag an war die Ackerbohne fester Bestandteil der Futterration. Über den Erzeugerring Westfalen machte sich das Landwirtsehepaar aus Beckum bei Berufskollegen schlau, worauf es achten musste. Futterwert über Marktwert Grund für den Ackerbohnenanbau war die fünffeldrige Fruchtfolge aus Getreide, Raps, Mais, Ackerbohnen und neuerdings Sojabohnen. Diese bringt dem 220-ha-Betrieb ackerbauliche Vorteile und 1 Futterration im Betrieb Sprenker Der Anteil der Ackerbohnen in der Mast steigt langsam von 6 auf 15 %. Über den Ergänzer werden die fehlenden Aminosäuren ausgeglichen. Futtermittel VM1) Gerste 25 Weizen 25 Triticale 25 Ackerbohnen 6 VM-Ergänzer 26 EM-Ergänzer – Gehalte bei 88 % Trockensubstanz MJ ME 13,15 Rohprotein, g/kg 16,4 Lysin, g/kg 10,6 Rohfaser, g/kg 44 1) Vormast, 2) Mittelmast, 3) Endmast MM2) 1 MM 2 EM3) 25 23 20 10 22 – 25 25 19 12 10 10 25 31 15 15 – 14 13,02 16,5 10,1 44 13,02 15,4 9,6 44 13,13 13,9 8,3 44 wird vom Land NRW finanziell gefördert. Mit den Erträgen von rund 48 dt/ha im Schnitt der Jahre sind Sprenkers zufrieden. Doch beim Verkauf ärgerten sie sich, da der Handel zumeist nur den Weizenpreis zahlen wollte. Und das, obwohl sich die eiweiß- und stärkereiche Ackerbohne im Trog deutlich besser verwertet. Wenn Weizen beispielsweise 18 €/dt kostet und Sojaschrot 37 €/dt, hat die Ackerbohne einen rechnerischen Futterwert von 28 €/dt. Im Schnitt setzen Sprenkers 10 % Ackerbohnen in den Mastrationen ein. Wie Übersicht 1 zeigt, starten sie mit 6 % in der Vormast, steigern über 10 bis 12 % in der Mittelmast auf 15 % in der Endmast. Das ist deutlich weniger als die 20 %, ab der die Beratung vor Verzehrsproblemen aufgrund des Gerbstoffs Tannin warnt. Es gibt auch tanninarme Sorten. Doch legt Benedikt Sprenker Wert auf eine ertragsstarke Sorte, die durchschnittliche Tanningehalte aufweist. Aminosäuren fehlen Die Eiweißqualität von Ackerbohnen reicht nicht an die von Soja- schrot heran. Das Lysin ist zu 86 % verdaulich, vergleichbar mit Sojaschrot. Doch liegen Methionin, Cystin und Tryptophan schon bei den Gehalten niedriger. Zudem haben sie eine schlechtere Verdaulichkeit gegenüber Sojaschrot. ➜ Eigene Sojabohnen Nach den guten Erfahrungen mit Ackerbohnen experimentieren Benedikt und Elisabeth Sprenker seit fünf Jahren mit dem Anbau von Sojabohnen. Verfüttert haben sie aber nur einen Teil der letztjährigen Ernte. Denn im Gegensatz zu Ackerbohnen bringen Sojabohnen im Handel einen guten Preis, da sie unter „gentechnikfrei“ firmieren. Zudem brauchen Sojabohnen eine Wärmebehandlung (Toasten oder Extrudieren), da andernfalls Futteraufnahme und Wohlbefinden der Schweine aufgrund von Trypsininhibitoren empfindlich leiden. Sprenkers haben versuchsweise 3 % Vollfettsoja in zwei Mastgruppen verfüttert. Die biologischen Leistungen waren unverändert. Doch ist das Soja für die konventionelle Mast zu teuer und auch zu fettreich. In der Ferkelaufzucht könnte sich der Einsatz lohnen. sb 50 / 2015 31 SCHWEINEHALTUNG Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben 2 Gute biologische Leistungen Ergebnisse im Betrieb Sprenker bei Fütterung von durchschnittlich 10 % Ackerbohnen und Jungebermast im Wirtschaftsjahr 2014/15 Tageszunahmen, g Verlust, % Mastdauer in Tagen Indexpunkte/kg Schlachtgewicht, kg Bauchfleischanteil, % Futterverwertung, 1 : Futter, kg/Tier/Tag Ackerbohnen haben eine relativ harte Schale. Auf den Verschleiß der Siebe bei der fahrbaren Mühle hatte das keinen Einfluss. Deshalb bestellen Sprenkers Ergänzer mit einem höheren Gehalt an kristallinen Aminosäuren. Der speziell für ihren Betrieb konzipierte Ergänzer enthält mehr Methionin und Threonin im Verhältnis zum Lysin. Optimiert wird die Ration auf ein Aminosäurenverhältnis von 1 : 0,58 : 0,62 : 0,18 (Lysin : Methionon+Cystin : Threonin : Tryptophan). Da die Schwankungsbreite der Inhaltsstoffe bei Ackerbohnen groß ist, gehört für Sprenkers die Untersuchung bei der LUFA selbstverständlich dazu. In diesem Jahr lagen ihre Bohnen sowohl bei Energie wie bei Protein über den Tabellenwerten mit 12,9 MJ ME/kg (Standardwert 12,6 MJ) sowie 18,9 g Lysin/kg (Standardwert 15,0 g). Die Ackerbohnen werden nach der Ernte getrocknet. Mit Mykotoxinen gab es bisher nie Probleme. Die fahrbare Mühle saugt die Bohnen aus dem Flachlager. Einen höheren Verschleiß der Siebe konnten Sprenkers nicht feststellen. Mit den biologischen Leistungen der Schweine ist das Ehepaar sehr zufrieden. Die Kreuzungen aus dänischer Mutter und PiétrainEber erzielten im Wirtschaftsjahr 2014/15 bei Jungebermast 809 g Tageszunahmen. Die Futterverwertung liegt bei 2,59. Tageszunahme und IXP top Die fleischreichen Tiere schaffen 1,003 Indexpunkte/kg bei einem Schlachtgewicht von knapp 95 kg. Für die Wirtschaftlichkeitsberechnung setzt das Landwirtsehepaar nicht den Marktpreis an, sondern bewertet die Bohnen aufgrund des Eiweißgehalts 2 €/dt höher als Weizen. Der Ergänzer ist durch die Zulage kristalliner Aminosäuren teurer. Deshalb liegen Sprenkers Schweine bei den Futterkosten pro dt im Schnitt der Erzeugerringbetriebe. Über die guten Leistungen in der Ebermast fallen die Futterkosten pro Schwein jedoch 3 € günstiger aus. sb Kausticks vom Feld Als Beschäftigungsmaterial im Zuge der Initiative Tierwohl immer gefragter wurde, wanderte Benedikt Sprenkers Blick prüfend über seine Pappel-Plantage: „Warum Dachlatten kaufen, wenn das Material vor der Tür wächst?“ Gezielt wählte er aus den schnell wachsenden Hölzern Stämmchen mit einem Durchmesser zwischen 3,5 und 6,5 cm aus, die in die herkömmlichen Halter für Knabberhölzer passen. Er schneidet Längen von 25 bis 50 cm. Diese sind je nach Aktivität der Schweine spätestens nach einem Durchgang kurzgenagt. Insbesondere die Rinde finden die Schweine hochinteressant. Weiterer Vorteil: Da es sich um naturbelassenes Weichholz handelt, splittert das Holz beim Kauen nicht, sodass keine Verletzungsgefahr für die Tiere besteht. sb Erbsen bereichern die Ration Berndt Riedemann versorgt seine Mastschweine mit 16 % Ackerbohnen und Erbsen. Die Vielzahl an Komponenten macht seine Mischung flexibel. W enn ein Betrieb Körnerleguminosen anbauen will, müssen drei Dinge passen: die Förderung, der ackerbauliche Standort und die innerbetriebliche Verwertung. Davon ist Landwirt Berndt Riedemann aus Tecklenburg, Kreis Steinfurt, überzeugt. Auf seinem Gemischtbetrieb mit Schweinehaltung im geschlossenen System baut er seit über sieben Jahren Ackerbohnen und Erbsen an und verfüttert sie an seine Mastschweine. Die finanzielle Förderung bekommt der Agraringenieur aus dem Programm „Vielfältige Kul- 32 50 / 2015 turen“ des Landes NRW. Für eine Prämie von 125 €/ha muss er über einen Zeitraum von fünf Jahren auf mindestens 10 % seiner Ackerfläche großkörnige Leguminosen anbauen. In diesem Jahr hat Berndt Riedemann die Vorgaben „übererfüllt“, denn auf seinem 78-haBetrieb hat er 7 ha mit Ackerbohnen und 3,8 ha mit Erbsen bestellt. Spitzenertrag von 61 dt/ha Auch die ackerbaulichen Vorzüge sind ein schlagendes Argument für den ehemaligen Pflanzenzuchtberater. „Leguminosen ver- 819 2,0 112 1,003 94,79 58,9 2,59 2,12 tragen eine extensive Aussaat, lockern die Fruchtfolge auf und können mit ihren Knöllchenbakterien Luftstickstoff binden. Außerdem reduzieren sie die Bearbeitungsintensität zur Folgekultur und senken den Unkrautdruck. Ich kann vor der Aussaat im Frühjahr effektiv gegen Ackerfuchsschwanz behandeln“, zählt Riedemann einige Vorteile von Ackerbohnen und Erbsen auf. Darüber hinaus kommt dem Praktiker der frühe Erntetermin gelegen. „Ich besitze sehr heterogene Böden, darunter einige schattige und feuchte Grenzstandorte. Dort passen die Bohnen viel Die Schweine lieben es, die Rinde der Pappelhölzer abzuknabbern. besser hin als zum Beispiel Mais, der deutlich später räumt“, erklärt Riedemann. Schließlich ist durch seine 560 Mastschweineplätze auch für die eigene Verwertung der kompletten Erntemengen gesorgt. Das ist wichtig, denn der zurzeit am Markt erzielbare Preis unterschätzt den Futterwert der Leguminosen. Dieses Jahr hat Berndt Riedemann bei den Erbsen 44 dt/ha und bei den Ackerbohnen 55 dt/ha von den Flächen geholt. In einem Spitzenjahr waren es schon mal 61 dt Ackerbohnen pro ha. Allerdings schwanken die Erträge je nach Witterung sehr stark. Auch Wildverbiss ist ein großes Problem. Schmackhaftigkeit sichern Die Leguminosen werden mit 17 % Feuchte gedroschen und über die eigene Umlauftrocknung getrocknet. Um sich bei den In- SCHWEINEHALTUNG Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben Foto: Schulte 1 Futterration im Betrieb Riedemann Ackerbohnen sind für Mäster Berndt Riedemann (links) und seinen Fütterungsberater Dr. Gerd Stalljohann ein wichtiger Bestandteil der Ration. haltsstoffen nicht auf Listenwerte verlassen zu müssen, sondern den Futterwert der protein- und stärkereichen Früchte richtig zu bewerten, lässt Riedemann das Erntegut bei der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) untersuchen. Generell gilt: Je höher das Ertragspotenzial, desto höher der Bitterstoff-Anteil. „Bei der Sortenauswahl gehe ich daher einen Kompromiss ein und orientiere mich an den Ergebnissen der Landessortenversuche“, erklärt Riedemann. Der Eigenmischer setzt aktuell 6 bis 10 % Ackerbohnen und durchgängig 6 % Erbsen in den Mastmischungen ein (siehe Übersicht 1). „Selbst bei 18 % Ackerbohnen in der Ration haben weder die Futteraufnahme noch die Tageszunahmen gelitten“, betont der Schweinehalter. Gleichzeitig hat er beobachtet, dass der recht hohe Faseranteil der Bohnen für mehr Ruhe im Stall sorgt und verhindert, dass die Schweine sich überfressen. Den Zuwachs hat Riedemann immer im Blick, weil er jedes einzelne Tier sowohl beim Umtreiben vom Vor- in den Endmaststall als auch vor dem Ausstallen über die Waage laufen lässt. „Je sauberer und schmackhafter alle anderen Komponenten sind, desto höher kann ich den Leguminosenanteil in der Ration drehen“, ist Riedemann überzeugt. Eine intensive Reinigung des eigenen Korns ist für den Praktiker daher selbstverständlich. Neben den klassischen Getreidesorten setzt er auch eigenen Roggen und Hafer ein. Den geringeren Der Anteil der Ackerbohnen und Erbsen in der Mast steigt von 12 auf 16 %. Über das Mineralfutter werden freie Amionosäuren ergänzt. Futtermittel Vormast Mittelmast Endmast Weizen % 30 30 31,5 Gerste % 24 20 27 Roggen % 10 15 10 Hafer % 10 10 10 HP-Sojaschrot % 10 5 2 Ackerbohnen % 6 10 10 Erbsen % 6 6 6 Mineralfutter % 3 3 3 Sojaöl % 1 1 0,5 Gehalte bei 88 % Trockensubstanz MJ ME je kg 13,09 13,03 12,85 Rohprotein % 15,76 14,40 13,43 Lysin % 1,11 1,02 0,95 Rohfaser % 4,42 4,47 4,65 Eiweißgehalt des Roggens gleichen die proteinreichen Leguminosen gut aus (Erbsen: 20 % Rohprotein). Mischung sehr vielseitig Berndt Riedemann kennt seine Futterkomponenten gut. Das macht ihn bei der Rationszusammenstellung sehr flexibel. Je nach Verfügbarkeit und Preis der Komponenten passt der Landwirt in Abstimmung mit seinem Fütterungsberater Dr. Gerhard Stalljohann von der Landwirtschaftkammer NRW seine Rationen an. Stalljohann weist auf eine weitere Besonderheit hin. „Der Betrieb Riedemann senkt sowohl die Phosphor- als auch die Rohproteingehalte in der Ration sehr stark ab und setzt dafür einen hohen Anteil an freien Aminosäuren ein.“ Wie Übersicht 1 zeigt, steigt Riedemann in der Vormast mit 15,8 % Rohprotein ein und senkt dann bis zur Endmast langsam auf 13,4 % ab. Gute Mast- und Schlachtergebnisse geben dem Konzept recht. So erzielen Riedemanns Schweine im Schnitt im Stall rund 800 g Tageszunahmen und am Haken 1,02 Indexpunkte je kg bei einem Schlachtgewicht von 96 kg. Auch der Magerfleischanteil im Bauch liegt mit durchschnittlich 59 % auf hohem Niveau. Entsprechend fest ist der Speck. Aktuell setzt Riedemann noch geringe Mengen an Sojaextraktionsschrot ein. Er könnte sich aber auch vorstellen, komplett darauf zu verzichten, wenn er einen Vermarkter fände, der dies entsprechend honoriert. msch Denn da kommt unterm Strich mehr ‘raus. Ruhige Tiere, robuste Sauen, Ferkel und Masttiere mit hohen Überlebensraten und damit effizienter Futterverwertung bei weniger Arbeitsaufwand. Das sichert ein höheres Wohlbefinden für Mensch und Tier. So geht Schweinezucht heute. Quasi eine Win-Win Situation. team-wandres.de Jetzt hier den Film ansehen www.ich-will-ne-coole-sau.de 50 / 2015 33 SCHWEINEHALTUNG Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben Woher kommt der Husten? der klinischen Erkrankung hängt auch von den Umgebungsbedingungen (Belegdichte, Stallklima usw.), dem Immunstatus der Tiere und der sonstigen Keimflora ab. Insbesondere andere Atemwegserreger spielen hier eine Rolle. Ist die Immunität der Tiere durch Stress oder andere Infektionen vermindert, können auch die sonst schwach virulenten Stämme zu klassischen Krankheitsverläufen mit Husten, zum Teil blutigem Nasenausfluss und plötzlichen Todesfällen führen. Häufig sieht man auch Schweine, die eine hundesitzige Haltung einnehmen. Dies soll ihnen das Atmen erleichtern, wenn das Brustfell verklebt ist. Dabei handelt es sich um ein hauchdünnes, durchsichtiges Häutchen, das die Lunge und die Innenseite des Brustkorbes überzieht. Ist das Brustfell entzündet, wird es rau und kann verkleben, sodass die Lunge sich nicht mehr optimal ausdehnen kann und die Sauerstoffaufnahme – und damit auch die Leistungsfähigkeit des Schweins – beeinträchtigt ist. Foto: B. Lütke Hockenbeck Bei nasskaltem Wetter haben Atemwegsinfektionen Hochkonjunktur. APP, Influenza oder PRRS – was lässt die Mastschweine plötzlich husten? Und wie kann man vorbeugen statt mit Antibiotika behandeln zu müssen? Bei einem späten Infektionszeitpunkt kann es sinnvoll sein, die Tiere beim Einstallen in die Mast noch zu impfen. F ast ist die Mast geschafft, da liegt plötzlich morgens ein Mastschwein verendet in der Bucht. Das Tier ist schon über 90 kg schwer und war beim Stallrundgang am Abend vorher noch völlig unauffällig. Hinzu kommt, dass es nicht der erste Fall im Betrieb ist. Sowohl in dieser als auch schon in den vorherigen Mastgruppen hat es mehrere Tiere erwischt. Das bedeutet, es ist höchste Zeit, den Hoftierarzt hinzuzuziehen. Dieser stellt beim Bestandsdurchgang fest, dass einige Mastschweine husten oder eine pumpende Atmung zeigen. Doch Atemwegserkrankungen beim Schwein gibt es viele. APP, Enzootische Pneumonie, Influenza oder PRRS – woran kann es liegen, woher kommen die Probleme? Organcheck im Schlachthof Um den Ursachen auf den Grund zu gehen, entscheidet der Tierarzt in Absprache mit dem Landwirt zunächst, das frisch verendete Schwein direkt zur Sektion bringen zu lassen. Die Diagnose ist eindeutig: APP – Actinobacillus pleu- 34 50 / 2015 ropneumoniae. Die Lunge weist in den Hauptlappen die typischen schwarz-roten Entzündungsherde auf. Aus dem Gewebe kann auch der Erreger isoliert werden. Allerdings ist das zunächst einmal nur das Ergebnis der Untersuchung eines einzelnen Schweins. Um eine Fehldiagnose möglichst zu vermeiden und den APP-Nachweis stichfest zu machen, sollten eigentlich mindestens drei bis fünf Tiere eröffnet werden. Doch niemand trennt sich gerne in der Endmast von so vielen Schweinen. Daher beschließt der Hoftierarzt, sich eine ältere Gruppe aus dem Bestand, in der ähnliche Krankheitssymptome und auch plötzliche Todesfälle aufgetreten waren, am Schlachthof anzuschauen. Der Schlachtcheck bietet die Möglichkeit, eine große Stichprobe von Schweinen zu begutachten und gegebenenfalls auch gezielt Organproben von verändertem Gewebe für weiterführende Untersuchungen zu entnehmen. Er ist besonders geeignet, um Probleme in der Endmast abzuklären. Um ein repräsentatives Ergebnis zu erhalten, wählt der Hoftierarzt für den Schlachtcheck die Hauptpartie der Altersgruppe aus. Vorläufer und nachgemästete Tiere würden das Ergebnis verfälschen. Wie sich zeigt, weisen etwa 20 % der Schweine die typischen Lungenveränderungen mit schwarzroten Entzündungsherden und darüber entzündetem Brustfell auf. Zur weiteren Untersuchung schickt der Tierarzt noch einige veränderte Lungen an ein Labor, das den Verdacht der APP-Infektion bestätigt. Aktuell hoch im Kurs: APP APP ist aktuell in vielen Betrieben ein Problem. Doch APP ist nicht gleich APP. Es gibt insgesamt 15 sogenannte Serotypen, die unterschiedlich starke krankmachende (virulente) Eigenschaften haben. So zählen die Serotypen 1, 5, 9 und 11 zu den am stärksten krankmachenden Stämmen. Oft wird bei klinischen Erkrankungen auch der Serotyp 2 nachgewiesen. Andere Stämme hingegen verursachen weniger starke klinische Symptome. Doch auch hier gibt es Unterschiede und die Ausprägung Impfung statt Metaphylaxe Um Atemwegsinfektionen durch APP frühzeitig zu bekämpfen, wurde früher häufig bei der Einstallung oder etwas später eine Behandlung der Tiere über das Futter durchgeführt. In Zeiten der Antibiotika-Datenbank und der Pflicht zur Antibiotika-Reduktion sind diese Maßnahmen aber kritisch zu hinterfragen. Eine Alternative ist die Impfung gegen den Erreger. In Deutschland sind zwei kommerzielle Impfstoffe verfügbar: einer gegen Serotyp 2 und ein zweiter, der eine Serotyp-übergreifende Immunität erzielt. Außerdem besteht bei Nichtwirksamkeit der kommerziellen Impfstoffe die Möglichkeit, einen bestandsspezifischen Impfstoff herstellen zu lassen. Meist wird in der Mast jedoch mit dem Serotyp-übergreifenden Impfstoff gearbeitet. Dieser ist ab einem Lebensalter von sechs Wochen zweimal im Abstand von vier Wochen zu verabreichen. Mykoplasmen gut im Griff Doch nicht nur APP ist aktuell ein Problem in den Mastbeständen. Auch andere Erreger verursachen immer wieder Probleme, denen durch eine Optimierung der Haltungsbedingungen in Kombination mit einer Impfung entgegengewirkt werden kann. Den Erreger der Enzootischen Pneumonie, Mycoplasma hyo- SCHWEINEHALTUNG Foto: Löbert Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben Brustfell- und Lungenentzündungen sind Hinweise auf eine APP-Infektion. pneumoniae, haben die Betriebe heute dank der nahezu flächendeckenden Impfung der Ferkel sehr gut unter Kontrolle. Wenn trotzdem Probleme auftreten, die sich in Veränderungen an den Spitzenlappen der Lunge und im Stall als trockener Husten äußern, sind das Impfkonzept im Ferkelerzeugerbetrieb sowie die Impfdosis und -technik zu überprüfen. Problematischer als M. hyo sind die PRRS- und Influenza-Viren. Diese können bei alleiniger Infektion Probleme verursachen, fungieren aber häufig auch als „Wegbereiter“ für bakterielle Sekundärinfektionen mit Hämophilus parasuis, Pasteurellen und Bordetellen. PRRS stört Immunabwehr PRRS-Infektionen als Ursache einer Atemwegserkrankung können sowohl in der Ferkelaufzucht als auch in der Mast auftreten. Das klinische Bild ist geprägt von Husten und geröteten Augen mit der Bildung von „Tränenstraßen“ unter dem inneren Augenwinkel. Häufig kommt es auch zu Leistungseinbußen, die durch bakterielle Sekundärinfektionen noch verstärkt werden. Hier ist es wichtig zu wissen, dass die PRRS-Viren Makrophagen in der Lunge infizieren. Diese sind Zellen, die für die Beseitigung von körperfremden Mikroorganismen zuständig sind. Sind diese „Fresszellen“ geschädigt, funktioniert die Abwehr in der Lunge nicht mehr korrekt. In der Folge kommt es zu einer bakteriellen Sekundärinfektion beispielsweise mit Bordetellen oder Pasteurellen, welche dann gegebenenfalls antibiotisch zu behandeln ist. Um PRRS-Infektionen vorzubeugen, sind die Ferkel heutzutage häufig geimpft. Wichtig für die Bestimmung des richtigen Impfzeitpunktes ist es, den Infektionszeitpunkt zu kennen. Wenn die Probleme im Flatdeck beginnen, sollte die Impfung bereits im Abferkelbereich durchgeführt werden. Findet in der Ferkelaufzucht noch keine PRRS-Infektion statt, kann die Impfung auch später erfolgen. Dabei sollte immer auch der Impfstatus der Sauen im eigenen Betrieb und in der Umgebung berücksichtigt werden. Insbesondere wenn Mastund Sauenstall unter einem Dach oder räumlich nah beieinanderliegen, ist immer auch die Impfung der Sauen abzuwägen, denn PRRS-Viren sind leicht über die Luft übertragbar. Influenza bereitet Sorge Auch mit Influenza-Viren haben manche Mastbetriebe immer wieder zu kämpfen – insbesondere in der nasskalten Jahreszeit und wenn der Betrieb in einem schweinedichten Gebiet liegt. Während Ferkelerzeuger oft die Sauen regelmäßig impfen, um Aborte und Umrauschen durch das bei Influenza häufig sehr hohe Fieber zu vermeiden, werden die Ferkel nur sehr selten geimpft. Der Kostenaufwand einer routinemäßigen Impfung aller Ferkel ist zugegebenermaßen sehr hoch. In manchen Mastbetrieben, die immer wieder Probleme mit bestimmten Influenzastämmen haben, kann es aber durchaus Keine Angst vor Kennzahl 2 Selbst wenn ein Betrieb an allen Schrauben dreht, um die Haltung und das Management zu optimieren, wird es immer wieder passieren, dass Schweine krank werden. Ist dies der Fall, müssen diese Tiere unter Hinzuziehen des Hoftierarztes ordnungsgemäß, das heißt ausreichend hoch dosiert und lange genug, behandelt werden. Das ist praktischer Tierschutz! Doch in der Praxis herrscht aktuell eine große Angst davor, Schweine behandeln zu müssen und damit beim Antibiotika-Monitoring eventuell die Kennzahl 2 zu überschreiten. Schließlich will kein Tierhalter ins Visier der Behörden geraten! Dabei ist jedoch zu beachten, dass begründete antibiotische Behandlungen, die in Zusammenhang mit einer gründlichen Diagnostik und gleichzeitiger Optimierung der Umgebungsbedingungen stehen, nach wie vor erlaubt sind. Vielmehr ist das Unterlassen einer notwendigen Behandlung ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und damit kein Kavaliersdelikt! Auch wer eigenmächtig die Dosis verringert oder die Behandlung frühzeitig abbricht, weil die Krankheitssymptome bereits verschwunden sind, handelt grob fahrlässig: Beides kann fatale Folgen für die Resistenzsituation haben. Denn zunächst werden die empfindlichen Keime zwar abgetötet oder im Wachstum gehemmt. Sind diese verschwunden, kann sich bereits wieder ein Gleichgewicht bilden, sodass das Schwein nach außen hin wieder gesund erscheint. Es bleiben aber immer noch Krankheitserreger übrig, die robuster sind als die anderen und nur durch eine ausreichend lange und hohe Dosierung bekämpft werden können. Andernfalls breiten sich genau diese robusteren Erreger aus und vermehren sich weiter. Zudem übt jeder Antibiotika-Einsatz einen Selektionsdruck auf die vorhandene Keimflora aus. Dadurch besteht immer das Risiko, dass resistente Keime entstehen bzw. unerwünschte Keime einen Selektionsvorteil erhalten. Bei Gruppenbehandlungen über Futter oder Wasser besteht die Gefahr, dass nicht infizierte Tiere mitbehandelt werden. Daher gilt es, diese, wo es möglich ist, durch Einzeltierbehandlungen zu ersetzen. Das ist allerdings nur praktikabel, wenn die Erkrankung durch gute Tierbeobachtung sehr früh erkannt wird. Dr. Sandra Löbert 50 / 2015 35 SCHWEINEHALTUNG 36 50 / 2015 Auf den Punkt gebracht • Foto: Dr. Harlizius sinnvoll sein, eine Impfung in Betracht zu ziehen. Um die Schweine vor einer klinischen Erkrankung durch Influenza-Viren zu schützen, werden sie dann einmalig bei Masteinstallung vakziniert. Ein Impfstoff gegen Influenza enthält die beim Schwein gängigen Stämme H1N1, H3N2 und H1N2. Während bei den beiden erstgenannten die Infektion mit Husten und hohem Fieber meist schnell durch den ganzen Bestand zieht und die Schweine sich bei unkomplizierten Krankheitsverläufen schnell wieder erholen, kommt es bei letztgenanntem zu einem eher schleichenden Krankheitsverlauf, sodass der Erreger länger im Bestand verbleibt und immer wieder auf empfängliche Tiere trifft. Unabhängig vom Virus-Stamm kann es ähnlich wie bei einer PRRS-Infektion zu bakteriellen Sekundärinfektionen kommen, die den Krankheitsverlauf verschlimmern. Anders als PRRS-Viren, die die Immunzellen der Lunge befallen, vermehren sich Influenza-Viren in den Flimmerepithelzellen der Lunge und zerstören diese. Diese Zellen kleiden den größten Teil der Atemwege aus und sind für die Reinigung der Atemwege zuständig, indem sie Schleim und Schmutz abtransportieren und in Richtung Maul bzw. Nase befördern. Kann der Schleim aus den Atemwegen nicht mehr abtransportiert werden, stellt er insbesondere in der Lunge einen hervorragenden Nährboden für Bakterien dar. Neben Husten, Nasenausfluss und Fieber treten dann auch Leistungseinbußen auf. Diese sind bedingt durch die längere Krankheitsdauer mit verringerter Futteraufnahme, Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben Gerötete Augen mit „Tränenstraßen“ deuten auf eine PRRS-Infektion hin. aber auch durch Gewebeschäden, die den Sauerstoffaustausch beeinträchtigen. Auf der Rampe impfen? Nicht immer ist es jedoch möglich, dass Ferkel bereits im Abferkelstall oder in der Aufzucht geimpft werden. Dann besteht die Möglichkeit, die Tiere gegebenenfalls noch bei Einstallung in die Mast nachzuimpfen. Wichtig ist hierbei, den Infektionszeitpunkt in der Mast zu kennen, denn die Impfung ist nur erfolgversprechend, wenn sie vor der Infektion erfolgt. Die Impfung bei Masteinstallung ist auch dann zu empfehlen, wenn Schweine mit unterschiedlichem Impfstatus im gleichen Betrieb eingestallt werden. Hier ist es immer sinnvoll, die Tiere auf den gleichen Stand zu bringen, da es sonst zu schwerwiegenden Erkrankungen der un- geimpften Schweine kommen kann. Die Impfung bedeutet zwar einen erhöhten arbeitswirtschaftlichen und finanziellen Aufwand. Doch dieser lässt sich in der Regel durch höhere Zunahmen, eine bessere Futterverwertung und weniger Verluste ausgleichen. Früherkennung wichtig Obwohl Impfungen eine gute Maßnahme zur Krankheitsvorbeuge darstellen, sind sie als alleinige Maßnahme keine Wunderwaffe. Zur erfolgreichen Prophylaxe gehört es auch immer, die Haltungsbedingungen der Schweine zu optimieren. Denn letztlich können weder Antibiotika noch Impfungen Haltungs-, Hygiene- und Managementmängel beheben. Die Schweinehalter sollten auch versuchen, ihre Kenntnisse in der Tierbeobachtung zu verbessern. Im Winter haben besonders viele Mastbetriebe mit Atemwegsinfektionen zu kämpfen. • Aktuell sind Probleme mit APP sehr häufig. Aber auch PRRS- und Influenza-Viren spielen immer wieder eine Rolle. • Impfungen gehören zu einer wirksamen Krankheitsvorbeuge dazu. • Um den richtigen Impfzeitpunkt zu finden, ist der Infektionszeitpunkt entscheidend. • Nicht immer sind antibiotische Behandlungen vermeidbar. Auf diese Weise können sie Krankheitsausbrüche früher erkennen und den Tierarzt informieren. Im frühen Stadium einer Infektion reichen Einzeltierbehandlungen vielfach aus, sodass die Nachteile von Gruppenbehandlungen umgangen werden können. Zwar ist der Arbeitsaufwand etwas höher. Der Nutzen ist jedoch groß, da jedes erkrankte Tier genau die Dosis erhält, die für eine erfolgreiche Erreger-Eliminierung notwendig ist. Denn nicht selten nehmen kranke Tiere bei einer Gruppenbehandlung über Futter oder Wasser gar nicht genügend Wirkstoff auf, weil sie häufig weniger fressen und trinken. Genau die Tiere, die die Behandlung am nötigsten hätten und die meisten Erreger in sich tragen, bekommen so nicht genug Wirkstoff ab. Dr. Sandra Löbert, Schweinegesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer NRW SCHWEINEHALTUNG Stall gut aufheizen Damit die Ferkel unter optimalen Bedingungen in die Mast starten können, sollten sie einen gut vorgewärmten Stall vorfinden. D er Start in die Mast ist für die Ferkel zumeist mit Aufregung und Stress verbunden: Sortieren, Neugruppierung, Futter- und Stallwechsel sowie Transport zehren an den Kräften und belasten das Immunsystem. Insbesondere den Futterwechsel und den Stallwechsel kann der Mäster jedoch positiv begleiten. Im Bereich der Fütterung haben sich „Begrüßungsfutter“ durchgesetzt. Diese besonders hochwertigen Futter kommen den Bedarfswerten von Ferkelmischungen sehr nahe und sind optimalerweise auf das letzte Futter abgestimmt, welches die Tiere beim Ferkelerzeuger gefressen haben (zum Teil gleiche oder sehr ähnliche Komponenten). Der Stall muss warm sein Ein weiterer wichtiger Punkt ist die neue Stallumgebung bei der Ankunft der Ferkel. Neben einer ordentlichen Reinigung und Desinfektion des Stalles und der technischen Anlagen sollte der Stall nachhaltig aufgeheizt werden. Ziel ist hier die spätere Raumtemperatur. Werden die Ferkel zum Beispiel mit 28 °C eingestallt, werden sich auch die Temperaturen der Stalleinrichtung, der Wände und des Boden nach und nach auf diese Temperatur einstellen. Durch konzentriertes Aufheizen sollte diese Zieltemperatur jedoch schon vor dem Einstallen auch im Bereich der Stalleinrichtung (Stallboden und Wände) erreicht werden. Sonst kommt es zu einem unerwünschten und für die Tiere gefährlichen Wärmeabfluss: Wenn die Temperatur der Bauteile in den ersten Tagen nach dem Belegen niedriger als die beispielsweise angepeilten 28 °C Lufttemperatur ist, „heizen“ die Ferkel den Spaltenboden beim Liegen über Körperkontakt auf! Genau das darf nicht passieren, weil die jungen Tiere dabei auskühlen und anfällig für Infektionen bzw. Erkältungen werden. Außerdem sind die Ferkel dann so sehr mit der Wärmeproduktion beschäftigt, dass ihnen Kraft und Energie für das gewünschte Wachstum und die Stärkung des Immunsystems fehlen. Bevor die Ferkel eingestallt werden, muss der Stall also gut aufgeheizt werden. Am effektivsten geht das, wenn die Heizquelle (Gaskanone oder Ölmaster) direkt im Abteil steht. Dann geht am wenigsten Wärme verloren. Aus dem gleichen Grund sollten die Zu- und Abluftöffnungen beim Aufheizen so gut es geht verschlossen sein. Zwölf Stunden, 40 °C Es macht zudem Sinn, beim Aufheizen mit höheren Temperaturen zu arbeiten – allerdings, ohne einzelne Stalleinrichtungen aus empfindlichem Material zu gefährden (Kunststoffleitungen!?). Bei einer hohen Temperaturdifferenz dringt die Wärme der Luft nämlich schneller in das Material ein, wird dort gespeichert und hält den Gegenstand trocken und warm. In zwölf Stunden mit 40 °C Raumtemperatur erwärmt sich ein Betonspaltenboden genauso schnell wie bei 48 Stunden mit 30 °C. Allerdings gehen bei der kurzen Variante 36 Stunden weniger Wärme durch die Bauteile verloren. Dies spart etwa ein Drittel der Energie. Ob der Stall gut genug aufgeheizt ist, lässt sich am besten über die Temperatur des Stallbodens kontrollieren: Ist dieser noch nicht warm genug oder gar noch feucht, muss weiter aufgeheizt werden. Frisches Tränkwasser Vor dem Einstallen wird dann gut gelüftet (Stoßlüftung!), um die Verbrennungsgase zu entfernen. Auch sollte das Tränkwasser aus den Leitungen abgelassen werden, denn dieses ist beim Aufheizen ebenfalls schön warm geworden, was aber aus mikrobiologischer Sicht nicht optimal ist. Die neuen Ferkel legen sich dann nach dem Einstallen gerne auf den warmen Fußboden und können nach einer kleinen Ruhepause ohne Unterbrechung weiter an Gewicht zunehmen – auf jeden Fall wird die wertvolle Futterenergie nicht für eine unnötige Wärmeproduktion verbraucht. Der Stall soll schließlich mit Öl oder Gas aufgeheizt werden und nicht über die Tiere. Ulrich Averberg, Landwirtschaftskammer NRW 50 / 2015 37 SCHWEINEHALTUNG Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben Richtig lüften – weniger Husten Wenn die Mastschweine häufig husten, können Umstellungen an der Lüftung das Problem lösen helfen. Das jedenfalls zeigt ein Praxisfall aus Möhnesee-Wippringsen im Kreis Soest. Massive Hustenprobleme Der Betrieb Zacharias ist Mitglied im Erzeugerring Westfalen und im Unternehmerkreis der Landwirtschaftskammer NRW. Er hält direkten Kontakt zu seinem Ferkelerzeuger und der Bestand wird von einem renommierten Schweinefachtierarzt betreut. Trotzdem gab es im Maststall etwa seit Anfang 2013 immer öfter Probleme mit der Tiergesundheit. Zumeist waren Schweine um die 60 kg betroffen, erklärt der Landwirt im Gespräch mit dem Wochenblatt: „Der Husten Fotos: Waldeyer M anchmal kann weniger auch mehr sein. Diese Erfahrung hat Landwirt Ludger Zacharias aus MöhneseeWippringsen im Kreis Soest gemacht. In seinem Fall trifft das auf die Schweinestall-Lüftung zu. Seit etwa einem Jahr arbeitet der Mäster mit einer bewusst reduzierten Luftrate und hat damit die Tiergesundheit im Bestand spürbar verbessert. Doch der Reihe nach: Ludger Zacharias hat in seinem Maststall außerhalb des Ortes Platz für rund 1080 Mastschweine. Gemästet werden immer zwei Altersgruppen von jeweils 540 Tieren. Die Ferkel dafür bezieht er direkt von einem Sauenhalter mit etwa 8 kg und zieht sie zunächst in dafür hergerichteten Altgebäuden am Hof im Ortskern auf. Mit 26 bis 27 kg wechseln die Tiere dann in die Mast. Für die Gesundheit der Schweine ist eine optimal eingestellte Lüftung wichtig. Bei Bedarf bzw. Problemen sollte daher ein Fachmann hinzugezogen werden. kam immer sehr plötzlich, nachmittags schien noch alles in Ordnung zu sein. Am Morgen darauf husteten etliche Tiere sehr stark. Das wurde zudem begleitet von hohem Fieber. Einige Tiere verendeten und die Erkrankung setzte sich im Stall binnen zwei Tagen von Abteil zu Abteil fort. Als Sofortmaßnahme haben wir dann in Zusammenarbeit mit dem Hoftierarzt zumeist die ganze Tiergruppe mit Medikamenten behandeln müssen, um das Schlimmste zu verhindern.“ Weil das Problem damit auf Dauer jedoch nicht gelöst wurde und die regelmäßigen Antibiotika-Behandlungen seinem Selbstverständnis Im Betrieb Zacharias wurde die Solltemperatur um etwa 2 °C angehoben. 38 50 / 2015 als Landwirt widersprach, lud Ludger Zacharias im August 2014 seine Berater, den Ferkelerzeuger und den Hoftierarzt zu einem Ortstermin ein. Gemeinsam wurde nach den Ursachen geforscht und nach Lösungsansätzen gesucht. „Das war schon sehr beeindruckend, wie alle Beteiligten zusammengearbeitet haben“, erinnert sich der Landwirt. Zugluft vermeiden Beim Bestandsbesuch fiel dann Landwirtschaftskammer-Bauberater Ulrich Averberg auf, dass die Luftrate im Stall recht hoch eingestellt war. Die Luftqualität (Ammoniakgehalt) war zwar nach menschlichem Empfinden sehr gut, die Strömungsgeschwindigkeit der Luft jedoch zu hoch und die Luftfeuchtigkeit gleichzeitig zu niedrig. „Das birgt die Gefahr, dass sich die Schweine durch Zugluft erkälten und wegen der zu niedrigen Luftfeuchte trockenen Husten entwickeln“, so Averberg. Er schlug vor, die Solltemperatur langsam und dosiert um insgesamt etwa 2 °C zu erhöhen (alle zwei Tage um +0,5 °C). Die Lüftung befördert die Stallluft dann nicht so schnell hinaus und Zugluft durch zu hohe Strömungsgeschwindigkeiten wird vermieden. Grundsätzlich haben Mastschweine eine relativ große Komforttemperaturzone, erklärt Averberg. Wichtig ist jedoch eine gleichmäßige Stalltemperatur. Große Schwankungen sollten vermieden werden. Das gelte nicht nur für die viel beschriebenen Tag-NachtSchwankungen, sondern auch für die „Großwetterlage“ bzw. saisonale Einflüsse. „Im Hochsommer beispielsweise empfiehlt sich eine höhere Solltemperatur als im Winterhalbjahr, damit die Lüftung nicht ständig unter Volllast läuft und es schnell zu schädlicher Zugluft kommt“, so der Kammerfachmann. Diese gilt es unbedingt zu vermeiden. Um gute Leistungen mit gesunden Schweinen zu erzielen, darf die Stallluft aber auch nicht zu trocken sein, wie das Beispiel im Betrieb Zacharias zeigt. Das lässt sich über eine dosierte Verringerung der Luftrate einstellen. Bei der richtigen – zum Stall passenden – Auslegung der Lüftungsanlage reicht sogar oftmals die Minimumluftrate aus, um Schadgase aus dem Stall zu lüften und die Luftfeuchte im für die Tiere angenehmen Rahmen zu halten, haben Averberg und Landwirt Zacharias festgestellt. Erwünschte Effekte Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die maximale Luftrate nur dann benötigt wird, wenn die Außentemperaturen so hoch sind, dass die Ventilatoren die überschüssige Wärme nur bei voller Drehzahl aus dem Stall entfernen können. Diese Volllast-Situation sollte aber nicht der Regelfall sein, sonst ist die Lüftung falsch eingestellt oder installiert. Auf den Punkt gebracht • Um optimale Leistungen zu erzielen, sind bei der Einstellung der Lüftungsanlage stets die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. • Mastschweine haben eine relativ große Komforttemperaturzone. Deshalb kann die Solltemperatur bei Bedarf auch etwas höher eingestellt sein. • Zugluft als Folge einer zu hohen Luftrate sowie zu niedrige Luftfeuchten sind dagegen unbedingt zu vermeiden, sonst können die Tiere ernsthaft erkranken. • In unserem Praxisfall verbesserte sich die Tiergesundheit nach einer allmählichen Lüftungsumstellung zusehends. • Weitere Effekte wurden mit einer intensiven Aufheizung des Maststalles vor der Neubelegung erzielt. SCHWEINEHALTUNG Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben Im Stall von Ludger Zacharias hat die Lüftungsanpassung jedenfalls den gewünschten Erfolg gebracht. Der Landwirt arbeitet heute mit etwa 2 °C höheren Solltemperaturen, wobei die Temperatur zu Beginn der Mast etwa 1,5 °C über den einschlägigen Empfehlungen liegt und zum Mastende auch schon mal mit bis zu 2,5 °C höheren Werten gearbeitet wird. Bei unserem Betriebsbesuch Ende Oktober lag die gewünschte Stalltemperatur für die Mittelmastschweine mit 80 kg Lebendgewicht beispielsweise bei 26,5 °C. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Mastabteile werden jetzt vor der Neubelegung intensiv aufgeheizt. Ludger Zacharias (rechts) und seine Auszubildende Anika Holweg diskutieren mit Kammerberater Ulrich Averberg die Effekte der Klimaumstellung. Das senkt die Luftrate und Zugluftgefahr und bekommt den Schweinen offensichtlich sehr gut, wie der Landwirt erklärt. So sind die Mastleistungen seit der Umstellung keinesfalls schlechter geworden: Im zweiten Halbjahr 2014 wurden im Mittel knapp 900 g Tageszunahme und durchschnittlich 0,999 Autofom-Indexpunkte je kg Schlachtgewicht (IXP/kg SG) erzielt. Für die erste Hälfte 2015 kommt Zacharias auf 940 g und 1,006 IXP/kg. Noch wichtiger sind dem Praktiker aber die Gesundheitsparameter. „Seit wir die Lüftung angepasst haben, sind die Verluste von 2,5 auf 1,4 % zurückgegangen. Parallel hat sich der Arzneimitteleinsatz spürbar verringert. Im jüngsten abgeschlossen Mastdurchgang bin ich sogar ganz ohne Antibiotika-Anwendung ausgekommen“, freut sich der Schweinehalter. Das werde sicher nicht immer so sein, aber der Unterschied zu früher sei schon beachtlich. Beim Energiebedarf haben sich durch die geänderte Lüftungsstrategie indessen keine großen Effekte ergeben. „Der Gesamtjahresverbrauch ist in etwa gleich geblieben, auch wenn man vielleicht eine leichte Einsparung erwartet hätte, weil die Lüfter ja jetzt insgesamt seltener und langsamer laufen“, so der Landwirt nach einem Blick in die Buchführungszahlen. Dieser Punkt war aber auch nicht ausschlaggebend. Ferkel brauchen Wärme Interessanter ist Folgendes: Als zweite Maßnahme zur Verbesserung der Schweinegesundheit hat Ludger Zacharias die Vorbereitung des Stalles vor dem Neubelegen verändert. Nach dem Ausstallen der letzten Verkaufspartie wird gereinigt und desinfiziert. Dann bleibt das Abteil eine Woche leer, bevor die neuen Ferkel eingestallt werden. Damit die jungen Tiere optimale Startbedingungen vorfinden, wird der Maststall jetzt vor dem Belegen intensiv 24 Stunden lang aufgeheizt – und zwar auf eine Raumtemperatur von 40 °C (mehr dazu im Beitrag „Den Stall gut aufheizen“ auf Seite 37 dieser Wochenblatt-Ausgabe). Um das leichter zu schaffen, hat der Landwirt eine zusätzliche Gaskanone angeschafft. Von den Ergebnissen sind Ludger Zacharias und seine derzeitige Auszubildende Anika Holweg jedenfalls positiv angetan: „Die Stallböden sind nach einem Tag Intensiv-Heizung gut trocken und warm, sodass die Ferkel nicht Gefahr laufen, auszukühlen. Und der Gasverbrauch ist sogar niedriger als bei der klassischen Aufheizung über zwei Tage mit rund 30 °C.“ Außerdem hat der Landwirt beobachtet, dass die Ferkel seit der geänderten Stallvorbereitung viel besser „losmarschieren“ und nicht erst einige Tage lang wenig fressen und viel frieren. „So soll es sein, und so macht die Schweinehaltung Spaß“, ist Ludger Zacharias froh über die Tipps seines Beraters. Denn dass zu viel Frischluft den Schweinen auch schaden kann, daran hatte er bislang nicht gedacht. Heinz Georg Waldeyer 50 / 2015 39 SCHWEINEHALTUNG Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben Fotos: Schulte, Meierkord (2) Ebbe in der Kasse Ferkelerzeuger schreiben schon länger tiefrote Zahlen. Jetzt geraten auch die Mäster in die Verlustzone. Die Zuversicht schwindet. D en Schweinehaltern steht das Wasser bis zum Hals. Für einen Teil der Betriebe geht es um die nackte Existenz. Hohe Schlachtzahlen und ein schwacher Schweinefleischabsatz im In- und Ausland haben zum Preisverfall geführt, der sich einem Rekordtief nähert. In der Schlachtbranche herrscht ebenfalls große Ratlosigkeit. Zweifellos kämpft die gesamte Schweinebranche derzeit mit finanziellen Einbußen. Am gravierendsten trifft es derzeit die Sauenhalter. Die Ferkelpreise des vergangenen Wirtschaftsjahres reichten bei Weitem nicht an das Vorjahresniveau heran. Selbst das Frühjahr, das sich traditionell durch bessere Ferkelpreise auszeichnet, blieb preislich deutlich hinter den Erwartungen zurück. Ferkelerzeuger am Limit Seit dem Frühsommer dieses Jahres kämpfen die Ferkelerzeuger mit extrem schwachen Erlösen – und haben dabei die Defizite aus dem Herbsthalbjahr 2014 noch nicht verkraftet. Bei einer aktuellen Notierung von 30 € für ein 25-kg-Ferkel ist nicht nur die psychologische, sondern auch die wirtschaftliche Untergrenze längst durchbrochen. Mit Vermarktungserlösen auf diesem Niveau können selbst Betriebe mit besten Leistungen die Direktkosten für Futter, Tierarzt etc. nicht mehr abdecken – da helfen auch Qualitätszuschläge und Umsatzsteuer nicht weiter, wie Übersicht 1 offenlegt. Von der Finanzierung der Zinsen, der Abschreibungen oder Gerhard Gietmann zweifelt, ob er seinem Sohn der Entlohnung der eingeStefan zum Einstieg in den Betrieb raten soll. setzten Arbeit ganz zu Für einzelne Ferkelerzeuger steht die Zukunft des Betriebes auf dem Spiel. Vor allem, wenn sie in den letzten Jahren große Wachstumsschritte gewagt haben. schweigen. Die heute wirtschaftenden Ferkelerzeuger – seien es Großanlagen im Osten oder der typische bäuerliche Sauenhalter in Westdeutschland mit 250 Sauen – haben im Regelfall in den letzten Jahren erheblich investiert, um die Ställe auf den neusten Stand zu bringen und die Nachfrage der Mäster nach größeren Gruppen zu bedienen. Bei Ferkelerzeugern kommt erschwerend hinzu, dass sie eher wenig Fläche haben. Nur in seltenen Fällen können sie ihre Betriebe mit den Einnahmen aus dem Ackerbau finanziell stützen. Ruinöses Preisniveau! Landwirt Gerd Gietmann aus Kevelaer am Niederrhein bewirtschaftet 41 ha Ackerbau und hält 210 Sauen. Seine Qualitätsferkel gehen fast ausschließlich in feste Partnerschaften mit Mästern. Gietmann beklagt: „Die Preistäler ziehen sich immer länger hin. Das lässt auch gut geführte Familienbetriebe in Existenznöte geraten. Gleichzeitig steigen die gesetzli- 1 Ferkelerzeugung – es geht um die Existenz Ob oberes oder unteres Viertel, Alt- oder Neubau – von der Vollkostendeckung sind Sauenhalter zurzeit weit entfernt. hohe Leistung hohe Leistung hohe Leistung niedrige Leistung Ø-Leistung obere 25 % FER obere 25 % FER obere 25 % FER untere 25 % Ø-FER Fertigfutter –2 €/dt Futter –10 €/Ferkel untere 25 % 25 % Gülleabg. Gülleabgabe eigene Düngung Vermarktungs- eigene Düngung älterer Stall Neubau Neubau probleme älterer Stall Stück 32,54 28,49 32,54 32,54 23,75 €/Ferkel 45,49 45,49 45,49 35,49 45,49 €/Sau 1534 1351 1534 1208 1133 Leistungen und Kosten in der Sauenhaltung aktuell November 2015 Betriebszweigabrechnung aufgezogene Ferkel/Sau/Jahr Erlös 30-kg-Ferkel Gesamtmarktleistung Direktkosten €/Sau Futteraufwand inkl. Nachzucht €/Sau Summe Direktkosten €/Sau Direktkostenfreie Leistung €/Sau Fixkosten: Zinsansatz, Gebäude, Allgemeinkosten €/Sau Sachkostenfreie Leistung Akh/Sau Arbeitsaufwand €/Akh Arbeitsentlohnung bei 6 % Zinsansatz % Kapitalverzinsung bei 20 €/Akh €/Ferkel Produktionsschwelle €/Ferkel Vollkosten Quelle: Heinz-Willi Boekels, LWK NRW 40 50 / 2015 864 1355 179 523 826 1297 54 262 812 1267 267 523 864 1355 –147 523 780 1242 –109 223 –345 12,6 –27,36 –207 13,4 –15,48 –257 12,6 –20,37 –671 12,6 –53,22 –332 14,0 –23,69 –14,0 –24,5 –11,0 –24,9 –39,7 40,0 63,83 43,6 62,17 37,3 61,12 40,0 63,84 50,1 71,24 chen Auflagen für die weitere betriebliche Entwicklung.“ Sein 21-jähriger Sohn Stefan, der aktuell die landwirtschaftliche Fachschule besucht, ergänzt: „Wer als Junglandwirt mit dieser finanziellen Situation konfrontiert wird, macht sich Gedanken über die Zukunft und den Start ins Berufsleben.“ Nach dem Abschluss der Fachschule muss der Junior sich entscheiden, ob er in den Familienbetrieb einsteigen will: „Den Willen habe ich schon! Aber wenn ich mir die Perspektiven anschaue, kann man Zweifel bekommen.“ Ferkelerzeuger Theo Verhülsdonk aus dem benachbarten Weeze hält 300 Sauen und bewirtschaftet 42 ha. Der Absatz ist kein Problem, da er seine Ferkel an feste Partner liefert. Wenn nur der Preis passen würde. Verhülsdonk sieht bang in die Zukunft: „Noch zehren wir etwas von den finanziellen Reserven aus dem guten Wirtschaftsjahr 2013/14. Doch bei diesem ruinösen Preisniveau sind jegliche Rücklagen bald aufgebraucht.“ Die jetzt angebotenen Förderdarlehen zur Liquiditätssicherung sieht Verhülsdonk mit gemischten Gefühlen: „Sie helfen vielleicht kurzfristig, belasten den Betrieb aber auf Dauer. Das große Problem der spezialisierten Sauenhalter bleibt: Die Betriebe haben oft keine alternativen Standbeine.“ Mäster in den roten Zahlen Aber auch in der Schweinemast sieht es in den letzten Wochen und Monaten ganz schlecht aus. Bis zu einem Preisniveau von 1,30 € je kg Schlachtgewicht war – aufgrund des preiswerteren Ferkeleinkaufs – noch eine positive Direktkostenfreie Leistung machbar. Die rund 20 € pro Schwein, die für Arbeitsentlohnung, Abschreibung und Verzinsung aufzubringen sind, waren davon aber schon nicht mehr zu bezahlen. In den letzten Wochen sind die Schweinepreise aber so dramatisch gefallen, dass selbst bei guten biologischen Leistungen Minusrunden bei der Di- 2 Mäster schreiben Verluste SCHWEINEHALTUNG Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben Stand: November 2015, Basispreis 1,25 €/kg Schlachtgewicht Ferkelpreis Juli 2015 € 54,50 Ferkelgewicht kg 30 Schlachtgewicht kg 95 Erlös je kg inkl. MwSt. € 1,35 Erlös je Mastschwein inkl. MwSt. € 128,58 Futterkosten je Schwein € 60,00 Allgemeinkosten (Strom usw.) € 4,40 Verlustkosten € 2,50 Direktkostenfreie Leistung € 7,18 abzüglich Abschreibung Stall € 8,00 abzüglich Lohnansatz € 12,50 abzüglich Verzinsung € 1,25 Ergebnis pro Schwein € –14,57 Quelle: Dr. Frank Greshake rektkostenfreien Leistung nicht auszuschließen sind. Wie Übersicht 2 zeigt, rechnet sich die Schweinemast bei einem Preisniveau von 1,20 €/kg genauso wenig wie die Ferkelerzeugung bei einem Basispreis von 30 €/Ferkel. Kostentreiber Gülle Und noch etwas belastet die Finanzen: Immer mehr zusätzliche Kosten kommen auf die Veredlungsbetriebe zu. Entsorgungskosten für Gülle beispielsweise waren für viele Betriebe vor Jahren ein Fremdwort. Heute sind sie Realität. Mit der nächsten Düngeverordnung werden sie für viele Betriebe zum steigenden Kostenfaktor. Wer Flächen pachten will, um seine Gülle nicht teuer entsorgen zu müssen, ist immer noch mit deutlich anziehenden Pachtpreisen konfrontiert. Gleichzeitig steigt auch das Pachtniveau für bestehende Altverträge. Andere Positionen kommen auf der Ausgabenseite neu hinzu. Die seit Anfang des Jahres neu geregelte Tierkörperentsorgung führt bei größerenMast-undSauenbetrieben zu einer spürbaren Kostenbelastung. Die Liste ließe sich fortsetzen – bis hin zu Kleinbeträgen von 10 € für die Tierhalterversicherung in Sachen Antibiotika-Einsatz. Wie geht es weiter? Was die Landwirte am meisten bedrückt: Am Ende des Tunnels ist kein Licht in Sicht. Bis zur Jahreswende ist nicht mit steigenden Erlösen zu rechnen. In der Schweinemast erleben wir traditionell, dass mit dem Weihnachtsurlaub von Fleischverarbeitern die Nach- frage zurückgeht. Zudem fehlen Schlachttage. Traditionell dauert es bis in den Januar hinein, bevor sich daran etwas ändert. Die EU-Kommission hat für den Jahresanfang eine private Lagerhaltung (PLH) angekündigt, die für Fleisch- und für Fettartikel gilt. Aber schon die letzte PLH hat den Markt nicht wesentlich entlastet. Bereits jetzt melden einige Schlachtbetriebe, dass ihre Gefrierkapazitäten so voll sind, dass sie diese Aktion nur begrenzt oder gar nicht in Anspruch nehmen. Der Schweinefleischverzehr sinkt jährlich zwischen 2 und 4 %. In diesem Zusammenhang hätte man sich von den Schlachtunternehmen deutliche Worte gewünscht, dass der seit Jahren viel beschworene „Export“ nicht reicht, um die Erzeugererlöse zu stabilisieren. Das liegt nicht nur an Russland. Wenn bei dem derzeitigen Eurokurs keine lukrativen Exporte in Drittstaaten möglich sind, wann dann? Noch sichert bei vielen Mast- und Ferkelerzeugerbetrieben das selbst Auf den Punkt gebracht • Die Schweinehalter plagen aktuell große finanzielle Sorgen. • Bei 30 €/Ferkel und 1,20 €/ kg Schlachtgewicht schreiben die Landwirte rote Zahlen. • Gerade Ferkelerzeuger trifft es hart. Die Rücklagen sind oftmals schon aufgebraucht. Noch kann Theo Verhülsdonk von finanziellen Rücklagen zehren. erzeugte Futter die Liquidität. Sehnlichst warten viele auf die Flächenprämie, um Rechnungen bezahlen zu können. Aber im Januar ist sowohl das EU-Geld als auch das eigen erzeugte Getreide in den meisten Betrieben schlicht und ergreifend „alle“. Und im Frühling kommen die Kosten für die Frühjahrsbestellung hinzu. Bereits jetzt leben viele Betriebe von der Substanz. Sie greifen auf Zwischenkredite zurück oder „verbraten“ die Lebensversicherung. Letztlich sind das alles nur vorübergehende Maßnahmen. Am Schweinepreis muss sich etwas ändern, damit Ferkelerzeuger und Mäster wieder Luft bekommen. Absehbar ist, dass viele Betriebe die Aufgabe der Schweinehaltung konkret ins Auge fassen. Die Besamungen sind um etwa 5 % rückläufig. Doch wird dies zur Hälfte durch steigende biologische Leistungen ausgeglichen. Keine guten Aussichten. Dr. Frank Greshake, Landwirtschaftskammer NRW 50 / 2015 41
© Copyright 2024 ExpyDoc