UE SS 2009 1 Lösungsvorschlag 3. Klausur I. Strafbarkeit des V wegen unkontrolliertem Weiterleiten der Pakete 1) Missbrauch der Amtsgewalt (§ 302 Abs 1) I TB 1. OTB - Beamter: Definiert in § 74 Abs 1 Z 4: = jede Person, die dazu bestellt ist, im Namen einer Gebietskörperschaft (Bund, Länder, Gemeinden) oder einer anderen Person des öffentlichen Rechts als deren Organ Rechtshandlungen vorzunehmen (1. Alt) oder die sonst mit Aufgaben der Bundes- Landes- oder Gemeindeverwaltung betraut ist (2. Alt). Fraglich ist, ob Justizwachebeamte Rechtshandlungen iS des § 74 Abs 1 Z 4, 1. Alt vornehmen; jedenfalls aber sind sie im Sinne des § 74 Abs 1 Z 4, 2. Alt mit Aufgaben der Bundesverwaltung betraut. Der Justizwachebeamte V ist also Beamter iS des § 74 Abs 1 Z 4, weil er im Rahmen der Justizverwaltung mit Aufgaben der Bundesverwaltung betraut ist. - In Vollziehung der Gesetze: In diesem Merkmal liegt eine Beschränkung des Amtsmissbrauchs auf die Hoheitsverwaltung, für die eine Über- und Unterordnung zwischen Rechtsträger und Normunterworfenen charakteristisch ist. Die Justizverwaltung ist Teil der Hoheitsverwaltung. V handelt daher „in Vollziehung der Gesetze“. - Befugnis, Amtsgeschäfte vorzunehmen: Amtsgeschäft = alle Verrichtungen, die zum eigentlichen Gegenstand des jeweiligen Amtsbetriebs gehören; der Begriff zerfällt in 2 Unterbereiche: 1) Rechtshandlungen: zB Urteilsfällung, Bescheiderlassung, Beschlussfassung, Treffen von Verfügungen, Beurkundungen. UE SS 2009 2 2) Faktische Verrichtungen, die wie Rechtshandlungen zu werten sind, diesen also gleichwertig sind (Gleichwertigkeitstheorie): zB Vorerledigung von Akten, Aufnahme von Anträgen, Vorbereitung von Entscheidungen. Das im vorliegenden SV einschlägige Amtsgeschäft ergibt sich aus § 91 StVG; denn danach sind die Justizwachebeamten verpflichtet und somit in gleicher Weise auch berechtigt, für Strafgefangene einlangende Pakete in deren Gegenwart zu öffnen; die im Paket enthaltenen Gegenstände sind dem Häftling nur dann auszufolgen, wenn ihm der Besitz gestattet werden kann. Die Ausübung dieser Kontrolle ist eine faktische Verrichtung, die wie eine Rechtshandlung zu werten ist. Es liegt daher ein Amtsgeschäft vor. Befugnis = Erlaubnis zur Vornahme von Amtsgeschäften. V hat also gem § 91 StVG die Befugnis, für Strafgefangene einlangende Pakete zu kontrollieren und damit die Befugnis, ein Amtsgeschäft vorzunehmen. - Befugnismissbrauch: = jeder pflichtwidrige Gebrauch der eingeräumten Befugnis. Darunter fallen sowohl die pflichtwidrige Ausübung als auch die pflichtwidrige Nichtausübung. 1) V übt seine Befugnis, die einlangenden Pakete zu kontrollieren insofern pflichtwidrig aus, als er die Pakete unkontrolliert weiterleitet. Das Weiterleiten ist als aktiver Befugnismissbrauch zu werten. 2) Möglich wäre auch, an das Unterlassen der Kontrolle der Pakete anzuknüpfen und somit von einer pflichtwidrigen Nichtausübung der Befugnis auszugehen. Dann hat man darauf einzugehen, ob für eine Verwirklichung des § 302 durch Unterlassen eine Garantenstellung erforderlich ist (str). Hier wird - dem Grundsatz vom Primat des Tuns entsprechend - aber ein aktiver Befugnismissbrauch angenommen. 2. Subj. TB a) Tatvorsatz: hinsichtlich - Beamteneigenschaft: Es ist davon auszugehen, dass V weiß, dass er Beamter ist; Wissentlichkeit, § 5 Abs 3. Zumindest hat er dies in seinem Begleitwissen (Mitbewusstsein). - In Vollziehung der Gesetze: Auch hier ist Wissentlichkeit anzunehmen; B weiß, dass er in Form der Hoheitsverwaltung tätig ist, Wissentlichkeit, § 5 Abs 3. Auch dafür reicht Begleitwissen (Mitbewusstsein) aus. UE SS 2009 3 - Befugnis, Amtsgeschäfte vorzunehmen: V weiß, dass die Kontrolle der einlangenden Pakete zu seinem Amtsbereich gehört; somit weiß er, dass dies ein Amtsgeschäft darstellt, zu dessen Vornahme er befugt ist. - Befugnismissbrauch: Wissentlichkeit Der Beamte muss seinen Befugnismissbrauch iS von § 5 Abs 3 für gewiss halten, es wird also ausdrücklich vom Gesetz Wissentlichkeit verlangt. V weiß als Justizwachebeamter, dass er verpflichtet ist, bei den Strafgefangenen einlangende Pakete zu kontrollieren und dass er, wenn er die Pakete den Häftlingen unkontrolliert weitergibt, seine ihm eingeräumte Kontrollbefugnis missbraucht. V handelt hinsichtlich des Befugnismissbrauchs daher wissentlich iS von § 5 Abs 3. b) Erweiterter Vorsatz Der Beamte muss mit dem erweiterten Vorsatz gehandelt haben, einen anderen an seinen Rechten zu schädigen (Schädigungsvorsatz). Dieser kann sich sowohl auf private als auch auf konkrete öffentliche Rechte beziehen. Indem V die Pakete unkontrolliert weiterleitet, hält er es ernstlich für möglich und findet sich damit ab, den Staat in seinem konkreten Recht auf einen gesetzmäßigen Strafvollzug zu schädigen. Sein Vorsatz ist also auf die Schädigung des Staates an einem konkreten öffentlichen Recht, bestehend in dem Anspruch auf einen ordnungsgemäßen Strafvollzug, gerichtet. Zudem kam es V sogar darauf an, dass A und B die Flucht gelingt. Auch deshalb hat er Vorsatz auf Schädigung des Staates in seinem konkreten Recht auf gesetzmäßigen Strafvollzug. Der subj TB ist daher ebenfalls zu bejahen. II und III unproblematisch V verwirklicht § 302 Abs 1. 2) Qualifizierte Geschenkannahme durch Amtsträger (§ 304 Abs 1 und 3) I TB 1. OTB UE SS 2009 4 - Amtsträger: V ist als Beamter Amtsträger iS des § 74 Abs 1 Z 4a. - Einen Vorteil annehmen bzw sich versprechen lassen: V lässt sich von A und B sowohl einen Vorteil in Höhe von € 4000.- versprechen als auch nimmt er diesen Vorteil an, weil ihm lt SV das Geld auch übergeben wird. Insgesamt hat sich also der Beamte V einen Vorteil versprechen lassen und einen solchen auch angenommen. Der obj TB des § 304 ist damit erfüllt. - Qualifikationsbegründendes Merkmal: Wert des Vorteils über € 3000.- gem Abs 3. Der Vorteil beträgt € 4.000.-, übersteigt also € 3000.-. Die Qualifikation ist daher objektiv erfüllt. 2. Subj. TB a) Tatvorsatz - Amtsträgereigenschaft: V weiß, dass er Amtsträger ist. - Versprechen lassen bzw Annahme eines Vorteils: V weiß, dass er sich einen Vorteil in Höhe von € 4000.- versprechen lässt bzw er diesen annimmt, ob es ihm im Sinne einer Absicht auch darauf angekommen ist, lässt sich dem SV nicht entnehmen. - Qualifikationsbegründendem Merkmal: V weiß, dass der Wert des Vorteils mehr als € 3000.- beträgt, weil davon auszugehen ist, dass er weiß, wie viel ihm versprochen worden ist. b) Erweiterter Vorsatz : Für eine Handlung im Zusammenhang mit der Amtsführung (anders die hM: objektives Tatbestandsmerkmal) V weiß, dass die Kontrolle von Paketen eine Handlung ist, die zu seiner Amtsführung zählt. Er weiß, dass er zur Kontrolle verpflichtet ist, unterlässt diese aber bewusst. Ferner weiß er, dass er sich die € 4000.- gerade dafür hat versprechen hat lassen und angenommen hat. Wissentlichkeit, § 5 Abs 3. II und III RW und Schuld sind unproblematisch. UE SS 2009 5 V verwirklicht § 304 Abs 1 und Abs 3. 3) Begünstigung (§ 299 Abs1) I. TB 1. OTB A ist Strafgefangener, er hat also eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen. V entzieht den A der Strafvollstreckung, weil er ihm dazu Hilfe leistet, auszubrechen. Denn das unkontrollierte Weiterleiten der Pakete war mitkausal dafür, dass A fliehen konnte. 2. STB § 299 verlangt auf subjektiver Tatseite Absichtlichkeit in Bezug auf die Entzugshandlung. Diese ist bei V zu bejahen; denn es kam ihm darauf an, den A der Strafvollstreckung zu entziehen; denn laut SV wünschte es V inständig, dass A die Flucht gelingt. Dass es sich bei A um jemanden handelt, der eine Straftat begangen hat, weiß V. Ergebnis: V verwirklicht § 299. Da er die Begünstigung außerdem unter Ausnützung seiner Amtstellung begangen hat, kommt die Strafschärfung nach § 313 zum Tragen. 4) Versuchte Begünstigung (§§ 15 Abs 1, 299 Abs 1) I. TB 1. OTB B ist Strafgefangener, er hat also eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen. V entzieht den B aber nicht der Strafvollstreckung, weil B letztlich von einem Ausbruch absieht. Mangels Erfolgs ist damit der oTB nicht erfüllt. UE SS 2009 6 V setzt eine Ausführungshandlung, indem er das Paket unkontrolliert weiter leitet; denn nach seinem Tatplan hat er damit alles getan, um zum Entzug der Strafvollstreckung Hilfe zu leiten. Das unkontrollierte Weiterleiten der Pakete stellt keinen absolut untauglichen Versuch dar; denn es ist zu diesem Zeitpunkt aus der Sicht eines objektiven Dritten nicht geradezu ausgeschlossen, dass B nicht doch geflohen wäre. 2. STB § 299 verlangt auf subjektiver Tatseite Absichtlichkeit in Bezug auf die Entzugshandlung. Diese ist bei V zu bejahen; denn es kam ihm auch darauf an, den B der Strafvollstreckung zu entziehen; denn laut SV wünschte es V inständig, dass B die Flucht gelingt. Dass es sich bei B um jemanden handelt, der eine Straftat begangen hat, weiß V. Ergebnis: V verwirklicht §§ 15 Abs 1, 299. Da er den Begünstigungsversuch außerdem unter Ausnützung seiner Amtstellung begangen hat, kommt die Strafschärfung nach § 313 zum Tragen. 5) Befreiung von Gefangenen (§ 300 Abs 1) I. TB 1. OTB A ist Strafgefangener. Er ist also ein Gefangener, der auf Grund einer Entscheidung eines Gerichts (strafgerichtliche Verurteilung) festgehalten wird. V leistet zum Entweichen des A Hilfe, indem er das an den A geschickte Paket unkontrolliert weiter leitet. Die Hilfeleistung führt hier direkt zur unmittelbaren Täterschaft (und nicht bloß – wie sonst – zu einer Beitragstäterschaft). Zudem ist der Erfolg des Entweichens eingetreten, weil A aus der Strafanstalt flieht. 2. STB V kam es darauf an, zum Entweichen des A Hilfe zu leisten. Denn laut SV wünschte es V inständig, dass A die Flucht gelingt. UE SS 2009 7 Dass es sich bei A um einen Gefangenen handelt, der aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung festgehalten wird, weiß V. Ergebnis: V verwirklicht § 300. Da er die Befreiung von Gefangenen außerdem unter Ausnützung seiner Amtstellung begangen hat, kommt die Strafschärfung nach § 313 zum Tragen. 6) Versuchte Befreiung von Gefangenen (§§ 15 Abs 1, 300 Abs 1) I. TB 1. OTB B ist Strafgefangener. Er ist also ein Gefangener, der auf Grund einer Entscheidung eines Gerichts (strafgerichtliche Verurteilung) festgehalten wird. Da B letztlich zurück bleibt, fehlt es am Erfolg des Entweichens iS des § 300. Der Tatbestand ist daher nicht vollendet. V setzt eine Ausführungshandlung, indem er das Paket unkontrolliert weiter leitet; denn nach seinem Tatplan hat er damit alles getan, um zum Entweichen des B Hilfe zu leiten. Das unkontrollierte Weiterleiten der Pakete stellt keinen absolut untauglichen Versuch dar; denn es ist zu diesem Zeitpunkt aus der Sicht eines objektiven Dritten nicht geradezu ausgeschlossen, dass B nicht doch geflohen wäre. 2. STB V kam es darauf an, zum Entweichen des B Hilfe zu leisten. Denn laut SV wünschte es V inständig, dass B die Flucht gelingt. Dass es sich bei B um einen Gefangenen handelt, der aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung festgehalten wird, weiß V. Ergebnis: V verwirklicht §§ 15 Abs 1, 300. Da er die Befreiung von Gefangenen außerdem unter Ausnützung seiner Amtstellung begangen hat, kommt die Strafschärfung nach § 313 zum Tragen. UE SS 2009 8 Strafbarkeit von A und B 1) Bestimmung zum Amtsmissbrauch, §§ 12, 2. Fall, 14 Abs 1, 302 Abs 1 I TB 1. OTB - Tatsubjekt: Erfordernisse des § 14 Abs 1: Kann ein Nichtbeamter wie A bzw B Amtsmissbrauch verwirklichen? Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein, die sich aus § 14 Abs 1 ergeben: 2 1) § 302 ist ein unrechtsbezogenes Sonderdelikt, dh die Beamteneigenschaft betrifft das Unrecht der Tat. Über die Sonderregelung des § 14 Abs 1 Satz 1 können auch Nichtqualifizierte, dh in diesem Fall Nichtbeamte, Amtsmissbrauch als Beteiligte verwirklichen, wenn auch nur einer der Beteiligten Beamteneigenschaft hat. Es muss also einer der Beteiligten bzw Tatausführenden Beamter sein. Wie bereits mehrfach geprüft, ist einer der Beteiligten, nämlich V, Beamter; V verwirklicht, wie bereits geprüft, § 302 als unmittelbarer Täter; die sich aus § 14 Abs 1 Satz 1 ergebende erste Voraussetzung für die Strafbarkeit eines Nichtbeamten - die Mitwirkung eines Beamten - ist also gegeben. Dieser hat zudem die Tat des § 302 vollendet und damit liegt auch dessen Tatausführung vor; Verweis auf oben. 2) § 302 ist zudem eine Sonderpflichtdelikt gem § 14 Abs 1 Satz 2 letzter Fall, dh zusätzliche Voraussetzung für die Strafbarkeit eines Nichtbeamten ist, dass der Beamte „sonst in bestimmter Weise mitwirkt“ = unter Missbrauch einer besonderen Pflichtenstellung. Wann ein Missbrauch einer solchen besonderen Pflichtenstellung für § 302 vorliegt, wird unterschiedlich ausgelegt: a) Rsp und Teil der Lehre: Der Beamte müsse vorsätzlich handeln, dh zumindest mit dolus eventualis. Bei einem unvorsätzlichem Handeln könne von keinem Missbrauch einer Pflichtenstellung gesprochen werden. Für die Möglichkeit der Bestrafung von Nichtbeamten nach § 302 verlangt die hM also zusätzlich, dass der Beamte vorsätzlich mitgewirkt hat. Die sich aus § 14 Abs 1 Satz 2, letzter Fall nach hM ergebende Voraussetzung, dass der Beamte vorsätzlich mitwirken müsse, ist im SV ebenfalls gegeben, weil der Beamte V § 302 vorsätzlich als unmittelbarer Täter verwirklicht hat; siehe oben. UE SS 2009 9 b) Fuchs: der Beamte muss nicht nur vorsätzlich seine Befugnis missbraucht haben, sondern wissentlich. Nur unter dieser Voraussetzung kann sich ein Nichtbeamter am Amtsmissbrauch eines Beamten beteiligen. c) Triffterer: Der Beamte muss nach Triffterer nicht vorsätzlich, sondern lediglich objektiv sorgfaltswidrig gehandelt haben. Ist dies der Fall, können auch Nichtbeamte über § 14 Abs 1, Satz 2, letzter Fall, nach § 302 bestraft werden. Nach Triffterer reicht also objektiv sorgfaltswidriges Mitwirken eines Beamten aus. Für den vorliegenden Fall ist der Meinungsstreit bedeutungslos, weil der Beamte V bei Begehung des Amtsmissbrauchs gem § 302 sowohl objektiv sorgfaltswidrig als auch vorsätzlich als auch wissentlich gehandelt hat. Die Tatausführung durch einen anderen unter den Voraussetzungen des § 14 Abs 1 ist also insgesamt gegeben. - Bestimmungshandlung: = Hervorrufen des Tatentschlusses beim unmittelbaren Täter. Durch das Versprechen von € 4000.- haben A und B in V den Tatentschluss zur unkontrollierten Weitergabe der Pakete hervorgerufen; arg „V war damit einverstanden“. - Tatvollendung durch den unmittelbaren Täter: V vollendet § 302; siehe oben. 2. Subj. TB Alle subjektiv erforderlichen Merkmale müssen auch beim Bestimmungstäter vorliegen. a) Bestimmungsvorsatz A und B ist es iS eines notwendigen Durchgangsstadiums darauf angekommen, im Beamten V den Tatentschluss zum Amtsmissbrauch zu wecken, weil dies ein notwendiges Zwischenziel ihres Ausbruches war. Absicht in bezug auf die Bestimmungshandlung. b) Tatvorsatz - Hins der Beamteneigenschaft des B: A und B als Strafgefangene wissen wohl sogar, dass V Beamter ist, Wissentlichkeit (Begleitwissen). § 5 Abs 3. UE SS 2009 10 - Befugnis, Amtsgeschäfte vorzunehmen: A und B wissen als Strafgefangene, dass V die Befugnis hat, einlangende Pakete zu kontrollieren und dies zum Tätigkeitsbereich von Strafvollzugsbediensteten gehört. Somit wissen sie, dass V die Befugnis hat, ein Amtsgeschäft vorzunehmen. - Wissentlichkeit hins des Befugnismissbrauchs: Der Bestimmungstäter muss in eigener Person Befugnismissbrauchs des Beamten handeln. wissentlich bezüglich des A und B wissen, dass V seine Befugnis, Pakete zu kontrollieren, missbraucht, indem er diese unkontrolliert an A und B weitergibt. Gerade weil sie den Missbrauch des V für gewiss hielten, haben sie auch dem V die € 4000.- versprochen, um ihm dem Missbrauch etwas leichter zu machen. Deswegen handelten A und B also wissentlich iS von § 5 Abs 3 hins des Befugnismissbrauchs durch V. Der Tatvorsatz ist damit insgesamt zu bejahen. c) Erweiterter Vorsatz Vorsatz, einen anderen an seinen Rechten zu schädigen (Schädigungsvorsatz). A und B hielten es zumindest ernstlich für möglich und fanden sich damit ab, dass mit der unkontrollierten Weitergabe der Pakete der Staat in seinem konkreten Hoheitsrecht auf Sicherheit des Strafvollzugs geschädigt wird, dolus eventualis gem § 5 Abs 1, zweiter Halbsatz. RW und Schuld unproblematisch. A und B verwirklichen Amtsmissbrauch als Bestimmungstäter gem § 302 Abs 1, § 12, 2. Fall, § 14 Abs 1. 2) Bestechung (§ 307 Abs 1 Z 1) I TB 1. OTB - Der Bestochene muss Amtsträger sein. V ist Amtsträger, wie oben bereits nachgewiesen. (Verweis genügt). UE SS 2009 11 - Versprechen und Gewähren eines Vorteils: A und B versprechen lt SV dem V € 4000.-, also einen Vorteil; unproblematisch. Zudem gewähren sie dem V diesen Vorteil, weil sie ihm das Geld laut SV übergeben. 2. STB a) Tatvorsatz: hins - Beamtenstellung: A und B wissen, dass V Beamter ist. - Versprechen und Gewähren eines Vorteils: Das Ziel von A und B war der Ausbruch. Um dieses Ziel zu erreichen, war es aus ihrer Sicht offenbar notwendig, dem Beamten V einen Vorteil zu versprechen bzw zu gewähren. Hinsichtlich des Versprechens und Gewährens eines Vorteils liegt also Absicht iS des notw Durchgangsstadiums vor. b) Erweiterter Vorsatz: Für eine Handlung im Zusammenhang mit seiner Amtsführung A und B wissen als Strafgefangene, dass die Kontrolle der Pakete zur Amtsführung des V zählt und dass V diese unterlässt. Sie wissen ferner, dass sie dem V gerade dafür die € 4000.versprochen haben. RW und Schuld unproblematisch. A und B verwirklichen § 307 Abs 1 Z 1. (Die formal ebenfalls verwirklichte Bestimmungstäterschaft von A und B zur Geschenkannahme des V gem § 304, § 12, 2. Fall ist nicht zu prüfen, weil § 307 diesen Fall abschließend regelt iS einer tatbestandsausschließenden Exklusivität; kein Konkurrenzproblem!). Konkurrenzen V: §§ 302 Abs 1, 304 Abs 1 und Abs 3: § 302 verdrängt § 304 aufgrund von materieller Subsidiarität des § 304. § 299 Abs 1 verdrängt § 300 Abs 1. UE SS 2009 12 §§ 15, 299 Abs 1 verdrängt §§ 15, 300 Abs 1. § 302 und § 299 bzw §§ 15 Abs 1, 299: § 302 geht nach hM auch dem § 299 bzw den §§ 15 Abs 1, 299 vor; es lässt sich aber auch echte Konkurrenz vertreten (unterschiedliche Rechtsgüter). A + B: §§ 12, 2. Fall, 14 Abs 1, 302; 307 Abs 1 Z 1. Der in Bestimmungstäterschaft begangene Bestechung, weil letztere materiell subsidiär ist. Amtsmissbrauch verdrängt die UE SS 2009 13 II. 1. E wird wegen Einbruchsdiebstahls (§ 129 Z 1 StGB) vom zuständigen Einzelrichter verurteilt. E erhebt ein Rechtsmittel mit der Begründung, er sei in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nicht durch einen Verteidiger vertreten gewesen. a) Um welches Rechtsmittel handelt es sich? b) Wird es Erfolg haben? c) Wie wird die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ausfallen? a) Rechtsmittel: Bei dem von E eingebrachten Rechtsmittel handelt es sich um eine Nichtigkeitsberufung. Sie gründet sich auf § 489 Abs 1 letzter Satz iVm § 281 Abs 1 Z 1a StPO (Verletzung des Verteidigerzwanges). b) Die Berufung wird keinen Erfolg haben. Gem § 61 Abs 1 Z 5 StPO besteht Verteidigerzwang vor dem Einzelrichter, wenn es sich um eine Straftat handelt, die eine 3 Jahre übersteigende Freiheitsstrafe androht. Ausdrücklich ausgenommen von diesem Verteidigerzwang sind aber insb Verhandlungen wegen den in § 129 Z 1 bis 3 StGB genannten Fällen. Obwohl es sich also bei § 129 Z 1 StGB um eine Straftat handelt, die mit einer 3 Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, besteht aufgrund der ausdrücklichen Ausnahme in § 61 Abs 1 Z 5 StPO vorliegend kein Verteidigerzwang. c) Entscheidung des Berufungsgerichts: Die Berufung wird gem § 489 Abs 1 iVm § 474 StPO vom zuständigen Berufungsgericht (OLG gem § 489 Abs 1 Satz 1 StPO) als unbegründet zurückgewiesen. 2. R wird vom zuständigen Gericht wegen Kurpfuscherei nach § 184 StGB verurteilt, obwohl im Urteil ausdrücklich festgestellt wird, dass R nicht gewerbsmäßig gehandelt hat. a) Mit welchem Rechtsmittel könnte dieses Urteil bekämpft werden? b) Wer entscheidet darüber? Ad a) Für die Aburteilung der Kurpfuscherei ist gem § 30 Abs 1 StPO das Bezirksgericht zuständig, weil die Strafdrohung nicht über einem Jahr Freiheitsstrafe liegt. Bei Einordnung der Gewerbsmäßigkeit als subjektives Tatbestandsmerkmal (erweiterter Vorsatz): Das Urteil kann mit Nichtigkeitsberufung gem § 468 Abs 1 Z 4 iVm § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO angefochten werden, weil das Urteil zu unrecht das Vorliegen UE SS 2009 14 eines gerichtlich strafbaren Tatbestandes angenommen hat und in der Folge zu unrecht einen Schuldspruch statt richtig einen Freispruch gefällt hat. Denn eine Strafbarkeit wegen Kurpfuscherei setzt zwingend gewerbsmäßiges Handeln voraus. Die rechtswidrige Verurteilung ist daher nichtig. Ordnet man die Gewerbsmäßigkeit dagegen als Schuldmerkmal ein, ist Nichtigkeitsberufung nach § 468 Abs 1 Z 4 iVm § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO zu erheben, weil dann die Gesetzesverletzung in der unrichtigen Beurteilung eines Schuldmerkmals liegt. Es liegt jedoch keine Nichtigkeit nach § 468 Abs 1 Z 4 iVm § 281 Abs 1 Z 10 StPO vor, weil das Gericht nicht unter einen falschen Tatbestand subsumiert hat, sondern zu Unrecht eine (überhaupt) gerichtlich strafbare Tat angenommen hat. Ad b) Über diese Nichtigkeitsberufung entscheidet der 3-Richter-Senat am Landesgericht (§ 31 Abs 5 Z 1 StPO). 3. T wird wegen Totschlags (§ 76 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt. Das Gericht wertete es in der Strafzumessung als mildernd, dass sich T durch eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung zur Tat hinreißen ließ. a) Bestehen Anfechtungsmöglichkeiten? b) Wie hat das Rechtsmittelgericht vorzugehen? a) Für das Strafverfahren wegen § 76 StGB war aufgrund des Strafrahmens von fünf bis zehn Jahren Freiheitsstrafe gem § 31 Abs 3 Z 1 StPO das Schöffengericht zuständig. Der Umstand, dass sich T durch eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung zur Tat hatte hinreißen lassen, war bereits für die – im Vergleich zum Mord gem § 75 StGB – privilegierende Strafdrohung des § 76 StGB ausschlaggebend. Die mildernde Wertung dieses Umstands in der Strafzumessung verstößt daher gegen das in § 32 Abs 2 Satz 1 StGB normierte Doppelverwertungsverbot. Der StA kann somit mit einer Nichtigkeitsbeschwerde gem § 281 Abs 1 Z 11 StPO (Sanktionsrüge) geltend machen, dass das Gericht in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen hat. b) Über die Nichtigkeitsbeschwerde entscheidet der OGH (§ 34 Abs 1 Z 1, § 280 StPO). Er hat im vorliegenden Fall grundsätzlich gem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu entscheiden (reformatorische Entscheidung), da es sich bei § 281 Abs 1 Z 11 StPO um einen materiellen Nichtigkeitsgrund handelt. Der OGH wird den Strafausspruch aufheben und die Strafe neu (strenger) bemessen.
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