Bandscheiben - Orthopädische Praxis Dr. Ivo Breitenbacher

Titelthema
Eine ruckartige Bewegung und schon schießt der Schmerz in den
Rücken. Hält der Schmerz längere Zeit an und strahlt in Arme oder
Beine aus, ist häufig die Bandscheibe betroffen. Bandscheibenvorfälle
können in der Regel gut behandelt werden – mit neuen Therapien
und meist ohne Operation.
Bandscheibenvorfall Ursachen und Therapien
„Mich hat es letztes Jahr erwischt. Ich spielte
gerade mit meiner Damen-Truppe Tennis, als
es mir dermaßen in den Rücken schoss, dass
ich mich kaum bewegen konnte. Ich saß minutenlang in gekrümmter Haltung auf der Bank
und wusste nicht, was geschehen war“, berichtet Carmen Witte (35) aus Kiel. „Meine
Freundin fuhr mich sofort zum Arzt. Die
Diagnose lautete Bandscheibenvorfall.
Ehrlich gesagt, wusste ich im ersten
Moment gar nicht so recht, was das
bedeutet. Bis mir mein Arzt alles
genau erklärte.“
Durch ein intensives Muskelaufbauprogramm
kann man bei einem Bandscheibenvorfall häufig
eine Operation umgehen
Die Bandscheiben liegen zwischen unseren Wirbeln, schützen sie vor Erschütterungen
und verteilen den Druck, der
zum Beispiel beim Tragen von
schweren Gegenständen auf
der Wirbelsäule lastet. Insgesamt
gibt es im Körper 23 Bandscheiben, die aus einem weichen Gallertkern und einem härteren Faserring bestehen. Der Kern speichert in
der Nacht Flüssigkeit, sodass er tagsüber wie eine Art Stoßdämpfer wirken
kann. Im Alter sinkt der Flüssigkeitsgehalt
der Bandscheiben – aber auch Bewegungsmangel führt dazu, dass die Bandscheiben
nicht mit genügend Wasser versorgt werden.
Übergewicht und ungewohnte Bewegungen
erhöhen den Druck auf die kleinen Puffer ebenfalls. Ein typisches Beispiel: Wer eine Wasserkiste aus dem Rücken heraus hochhebt, belastet seine Wirbelsäule enorm. Dann kann es
passieren, dass der Faserring aufgrund des
starken Drucks kleine Risse bekommt und der
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❱ Bandscheiben federn
Stöße ab
Gallertkern nach außen tritt. Drückt er
dann auf die Nervenbahnen, die entlang
der Wirbelsäule verlaufen, entsteht der
typische stechende und ausstrahlende
Schmerz im Rücken.
❱ Lendenwirbelsäule am häufigsten
betroffen
In fast 90 Prozent der Fälle treten Bandscheibenvorfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule auf. Dort ist häufig der
Ischiasnerv betroffen. Der Schmerz zieht
dann meist bis ins Bein. In einigen Fällen
beginnen die Beine zu kribbeln oder fühlen sich taub an. Manchmal ist zudem die
Funktion der Muskulatur eingeschränkt.
Das bedeutet, die Betroffenen können
nicht mehr auf den Zehenspitzen oder
Fersen stehen. Seltener kommen Bandscheibenvorfälle im Bereich der Brustund Halswirbelsäule vor. Hier strahlen
die Schmerzen häufig in die Arme und
den Nacken aus. In besonders schweren
Fällen kommt es zu Lähmungserscheinungen sowie Empfindungsstörungen.
Patienten spüren dann beispielsweise
nicht mehr, wenn sie berührt werden.
Dies ist jedoch eher selten der Fall. Ein
weiteres typisches Symptom eines Bandscheibenvorfalls: Jede Art von Bewegung verschlimmert die Schmerzen – wie
auch bei Carmen, die eine Schonhaltung
einnehmen musste, um die Schmerzen
zu ertragen.
❱ Arzt checkt typische Symptome
Carmens Orthopäde führte zunächst
eine ausführliche Anamnese durch. Das
bedeutet, er stellte der Tennisspielerin
folgende Fragen:
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1. Wie kam es zu dem Schmerz?
2. Wo sitzt der Schmerz und wohin
strahlt er aus?
3. Wie fühlt er sich an?
4. Wie lange besteht der Schmerz
schon?
5. Wird er schlimmer, wenn sie
sich bewegt?
Zudem untersuchte er Carmen und prüfte, ob sie neurologische Ausfallerscheinungen zeigt. Dazu gehört beispielsweise ein Taubheitsgefühl im Bein. Unter
anderem musste sie sich auf den Rücken
legen und die Beine ausstrecken. Ihr Arzt
hob dann ein Bein an. Noch bevor er es
senkrecht nach oben strecken konnte,
zuckte Carmen zusammen – der Schmerz
war zu groß. Aufgrund von Carmens ty-
pischen Symptomen konnte der Orthopäde die
Diagnose Bandscheibenvorfall recht einfach
stellen. In einigen Fällen sichern sich Ärzte
mit radiologischen Verfahren wie Röntgenaufnahmen, Computertomografie (CT) oder
Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) ab.
❱ Schmerzmittel und Physiotherapie als erste Maßnahmen
Carmen hatte Glück. Ihr Bandscheibenvorfall konnte mit konventionellen Maßnahmen
behandelt werden. „Eine wichtige Säule bei
der Behandlung von Bandscheibenvorfällen
ist die Schmerztherapie“, veranschaulicht
Dr. Ivo Breitenbacher, Facharzt für Orthopädie aus Sindelfingen. „Hierzu erhalten die
Patienten Schmerzmittel – auch in Kombination mit Spritzen, die in hartnäckigen Fällen
auch Bildwandler- oder CT-gesteuert präzise an
die betroffenen Nervenwurzeln appliziert werden können.“ Breitenbacher rät: „Weiterhin sollte
bereits frühzeitig mit speziellen krankengymnastischen Übungen und Haltungstraining begonnen
werden, was ebenfalls zu einer Entlastung der betroffenen Bandscheibe und Nervenstrukturen beiträgt. Sehr wichtig ist hierbei eine intensive Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen Arzt und
Physiotherapeut, um eine Fehlhaltung zu vermeiden und Warnsignale wie zum Bespiel Lähmungen
rechtzeitig zu erkennen. Das kann ambulant,
aber auch im Rahmen einer stationären
Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt
werden. In diesem Zuge haben sich auch
Entspannungstechniken und ganzheitliche Konzepte wie Akupunktur bewährt.“
❱ Rücken langfristig stärken –
OP nur selten nötig
Auch Carmen bekam zunächst Schmerzmittel und ging zur Krankengymnastik.
Als die Schmerzen langsam nachließen,
begann ihr Physiotherapeut mit einem intensiven Muskelaufbauprogramm. „Das ist
besonders im reizärmeren Intervall wichtig. Es
findet meist im Rahmen einer gerätegestützten
Krankengymnastik oder analysegesteuerten medizinischen Trainingstherapie statt, um Muskeldysbalancen zu erkennen und die sehr häufig deutlich
abgeschwächte tiefe Rückenmuskulatur gezielt zu
trainieren“, erklärt Breitenbacher. Operationen seien laut des Orthopäden erst nötig, wenn die konventionellen Methoden keinen Erfolg zeigen oder
bereits gröbere oder akut neurologische Ausfälle
wie Lähmungen bestehen. Auch bei einer Blasenschwäche aufgrund eines Bandscheibenvorfalls
empfehlen sich operative Eingriffe, um Folgeschäden zu vermeiden. „Wenn möglich, sollten die Operationen minimalinvasiv mithilfe eines Endoskops
durchgeführt werden. Diese Verfahren sind meist
Bandscheibe
mit ausgetretenem
Gallertkern, der
auf den Spinalnerv
drückt
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Neue interessante Verfahren
bei Bandscheibenvorfällen
Dr. Breitenbacher berichtet aus seiner Praxis: „Es gibt
einige neue Methoden, die sich bei Bandscheibenvorfällen
bewährt haben, wissenschaftlich jedoch noch nicht vollständig anerkannt sind. Ein in den USA bereits übliches Verfahren
ist die Behandlung auf speziellen computerkontrollierten Extensionsliegen. Diese ermöglichen eine schmerzfeie Entlastung der
Bandscheiben und Nervenstrukturen und stellen eine Alternative
zu Operationen dar. Weiterhin empfehle ich effektive multimodale Behandlungskonzepte, unter anderem in Kombination mit
spezieller Physiotherapie, Muskeltraining wie Elektrostimulationstraining, Schmerztherapie, Psychotherapie, Entspannungsmethoden und ganzheitlichen Ansätzen. Unterstützend
können Patienten zudem auf myofasziale Therapiekonzepte
und Osteopathie setzen.“
Diese Patientin
entlastet ihre
Wirbelsäule auf einer
computerkontrollierten
Extensionsliege
Die Muskeln
können mithilfe
moderner Verfahren gestärkt
werden – hier
trainiert eine
Patientin mit
Elektrostimulation
❱ Gezielter Muskelaufbau kann
Bandscheibenvorfall vorbeugen
Wer das Risiko eines Bandscheibenvorfalls reduzieren möchte, sollte sich
vor allem regelmäßig bewegen. Das
ist besonders für Menschen wichtig, die viel im Sitzen arbeiten. Sie
sollten auf die richtigen Sitz- und
Arbeitsmöbel achten. „Der Trend
geht hierbei zu flexiblen Hockern
und Bürostühlen, die kleine aber
regelmäßige Bewegungen während des Sitzens ermöglichen
und damit gesunde Reize auf
Muskeln und Bandscheiben ausüben. So bleiben diese gesund
und beweglich und werden stets
mit ausreichend Flüssigkeit versorgt“, erklärt Breitenbacher. Wer
sein Leben lang kaum sportlich aktiv war, hat meist eine schlechte
Bauch- und Rückenmuskulatur.
Auch das erhöht das Risiko
eines Bandscheibenvorfalls,
da die Muskulatur die Wirbelsäule stützt – beispielsweise,
wenn wir schwer heben. Auch
Carmen nimmt nun regelmäßig an speziellen Rückenkursen
in ihrem Fitnessstudio teil. „Es ist
unglaublich, wie sehr sich dadurch
auch meine ganze Körperhaltung verbessert hat. Ich sitze gerade und habe
dadurch kaum noch Nacken- oder Rückenschmerzen – wie sonst nach einem
Bürotag“, erzählt sie. „Ideal sind zudem
sportliche Aktivitäten, die die Rückenmuskeln stärken wie Schwimmen, Klettern, Qi Gong, Pilates, Yoga oder als neuer Trend Faszientraining“, ergänzt der
Orthopäde.
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Fotos: Orthopädische Praxis Dr. Ivo Breitenbacher, www.blackroll-orange.de, Fotolia.com, Illustratioenen: Fotolia.com
schonender und hinterlassen kaum Narben“, sagt
Breitenbacher. Auch Bandscheibenprothesen kommen in einigen Fällen zum Einsatz, beispielsweise
dann, wenn die beschädigte Bandscheibe nicht
mehr zu retten ist. Die Implantate bestehen in der
Regel aus Kunststoff oder Metall und sorgen dafür,
dass die Wirbelsäule im betroffenen Bereich beweglich bleibt. Bevor sich Patienten jedoch einer
Operation unterziehen, sollten sie auf jeden Fall
eine Zweitmeinung einholen und sich umfassend
untersuchen lassen.
Mythos: Hexenschuss
gleich Bandscheibenvorfall –
was ist dran?
❱ Neuester Trend Faszienrolle:
Muskulatur lockern und stärken
In vielen Fitnessstudios und sogar in einigen Wohnzimmern liegen sie bereits:
sogenannte Faszienrollen. Dieses etwa
30 Zentimeter lange Trainingsgerät massiert verschiedene Muskelgruppen und
hilft diese zu entspannen und zu regenerieren. Es gibt unterschiedliche Übungen – je nach Körperzone, die trainiert werden soll. Dabei stimulieren sie bestimmte
Druckpunkte am Körper, die die Muskulatur aufbauen, verklebte Stellen im Bindegewebe lösen
und Verspannungen lockern. Jede Einheit dauert
in der Regel nur wenige Sekunden. Die Übungen
eignen sich daher auch ideal für zwischendurch – im
Büro oder abends vor dem Fernseher.
„Ich habe einen Hexenschuss.“ Das ist eine sehr
unspezifische Aussage und sagt nichts über die Ursache der stechenden Schmerzen aus. Viele setzen einen
Hexenschuss mit einem Bandscheibenvorfall gleich. Das
ist jedoch nicht ganz richtig. Der umgangssprachliche
Begriff bezeichnet lediglich die Art der Schmerzen, nicht
aber, woher sie kommen. Ein Hexenschuss entsteht häufig
aufgrund von Verspannungen oder Nervenreizungen. Die
Beschwerden lassen in der Regel nach einigen Tagen von
alleine nach. Ein Bandscheibenvorfall hingegen ist eine
eigene Erkrankung, die meist mit langandauernden
Schmerzen einhergeht und sich ohne ärztliche und
therapeutische Hilfe nicht bessert.
Fotos: Orthopädische Praxis Dr. Ivo Breitenbacher, www.blackroll-orange.de, Fotolia.com, Illustratioenen: Fotolia.com
Katharina Münster
Hexenschuss
und Bandscheibenvorfall
werden oft verwechselt –
sie bezeichnen jedoch
nicht dasselbe, obwohl sie
ursächlich zusammenhängen können
Faszientraining ist der neue Trend auf
dem Fitnessmarkt. Es lockert Muskeln
und löst Verspannungen
Unser Experte
Dr. Ivo Breitenbacher, Facharzt für
Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie,
Akupunktur und Osteologie
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