Safiyo wurde als 10-Jährige in ihrer Heimat Somalia brutal beschnitten: „Ich dachte,... Seite 1 von 7 (HTTP://WWW.BILD.DE/) JAHRELANGES LEIDEN: SAFIYO WURDE ALS 10-JÄHRIGE IN IHRER HEIMAT BESCHNITTEN „Ich habe es gehasst, dass ich als Frau geboren wurde“ Wie der Somalierin im Berliner „Desert Flower Center“ geholfen wurde Safiyo (re.) mit der Koordinatorin des „Desert Flower Center“, Dr. Cornelia Strunz. In der Mitte: Dolmetscherin Farhia Mohamed Foto: Stefanie Herbst 20.09.2015 - 17:24 Uhr VON BEATE KRAUSE Ein Entkommen gab es nicht: Jemand hielt ihre Arme fest, spreizte Safiyos Beine. Eine alte Frau saß vor ihr, ein Messer in der Hand, mit dem schnitt sie die Klitoris ab. Die gellenden Schreie des Mädchens beachtete die Alte nicht, die schon oft die grausame Prozedur durchgeführt hatte. Sie schnitt weiter, entfernte jetzt auch die kleinen Schamlippen und Teile der großen Schamlippen. Anschließend nähte sie die blutige, klaffende Wunde mit Fäden zu ... Berlin – Safiyo war zehn Jahre alt, als sie in ihrer Heimat Somalia Opfer dieses brutalen Rituals, der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM, Female Genital Mutilation), wurde. http://www.bild.de/bild-plus/news/inland/beschneidung/weibliche-genitalverstuemmel... 21.09.2015 Safiyo wurde als 10-Jährige in ihrer Heimat Somalia brutal beschnitten: „Ich dachte,... Seite 2 von 7 Sie erlitt die extremste Form, die Infibulation oder die „pharaonische Beschneidung“. Dabei wird praktisch das gesamte Genital entfernt. Zurück bleibt dickes Narbengewebe – und eine Öffnung zum Wasserlassen und für das Menstruationsblut, oft nur so groß wie ein Streichholzkopf. „Ich wusste gar nicht, was die fremde Frau da mit mir macht. Ich dachte, ich muss sterben“, sagt die heute 21Jährige, als BILD sie im „Desert Flower Center“ (http://www.krankenhauswaldfriede.de/krankenhaus/index.php?id=266)am Krankenhaus Waldfriede*) in Berlin trifft. Dort ist die junge Frau am Vortag operiert worden, Klitoris und kleine Schamlippen wurden rekonstruiert. Er führt die Operationen im „Desert Flower Center“ durch: Dr. Uwe von Fritschen, Chefarzt der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie am Berliner HELIOS Klinikum Emil von Behring Foto: HELIOS Klinikum Emil von Behring Safiyo hat Tränen in den Augen, spricht mit leiser stockender Stimme, immer wieder greift sie zum Taschentuch. Dr. Cornelia Strunz (44) drückt Safiyos Hand: „Die Frauen, die zu uns kommen, sind stark traumatisiert, haben Furchtbares erlitten. Wir tun hier alles, um ihnen zu helfen.“ Das Center ist weltweit einmalig, so Dr. Strunz: „Hier werden Frauen nicht nur operiert sondern auch umfassend beraten und betreut, in Einzelgesprächen und einer Selbsthilfegruppe.“ Sie ist als Koordinatorin von Anfang an dabei, seit das Center am 11. September 2013 eröffnet wurde. Oft tröstet sie die verzweifelten Frauen. „Manchmal liegen wir uns weinend in den Armen“, sagt sie. http://www.bild.de/bild-plus/news/inland/beschneidung/weibliche-genitalverstuemmel... 21.09.2015 Safiyo wurde als 10-Jährige in ihrer Heimat Somalia brutal beschnitten: „Ich dachte,... Seite 3 von 7 Im Krankenhaus Waldfriede in Berlin-Zehlendorf ist das „Desert Flower Center“ untergebracht. Tafeln an dem Gebäude weisen auf die Arbeit des Expertenteams hin Foto: Stefanie Herbst Über 80 Frauen hat die Ärztin mittlerweile beraten, bis Ende September werden sich 45 einer OP unterzogen haben. Die Kosten dafür werden von der Krankenkasse übernommen, bei nicht versicherten Frauen in einigen Fällen vom Sozialamt oder vom Förderverein des Centers, das sich über Spenden finanziert. Frau Dr. Strunz und Frauen der Selbsthilfegruppe des „Desert Flower Center“. „Manche Frauen wollen erst mal nur reden, sind froh, dass ihnen endlich jemand zuhört“, sagt die Ärztin Foto: Dr. C. Strunz Ihr zur Seite steht Farhia Mohamed: Die Somalierin übersetzt bei den Beratungsgesprächen, kennt die Sorgen und Nöte der Frauen. Ihr können sich die Frauen anvertrauen. Safiyo ist eine von geschätzt 150 Millionen Frauen weltweit, die verstümmelt wurden. In Europa sollen laut UNICEF 500 000 davon betroffen sein, davon rund 35 000 in Deutschland (Stand: 2009). Alle 11 Sekunden wird ein Mädchen beschnitten, schätzt die WHO. Allein in Afrika wird FGM in 28 Ländern praktiziert, in einem Gürtel, der sich quer über den Kontinent zieht: Von http://www.bild.de/bild-plus/news/inland/beschneidung/weibliche-genitalverstuemmel... 21.09.2015 Safiyo wurde als 10-Jährige in ihrer Heimat Somalia brutal beschnitten: „Ich dachte,... Seite 4 von 7 Guinea und Mali im Westen, der Elfenbeinküste, Nigeria, Tschad, Sudan und Äypten bis nach Somalia und Kenia im Osten. In Somalia sind fast 100 Prozent der Frauen betroffen, in Ägypten noch über 90 Prozent. Dr. Strunz mit den beiden ersten Patientinnen des Centers: Senait (l.) aus Äthiopien und und Inab aus Dschibouti, die am 12. September 2013 operiert worden waren Foto: Dr. C. Strunz Für die Mädchen und Frauen ist die Prozedur – sofern sie sie überhaupt überleben – der Beginn eines Lebens voller Schmerzen, Angst, schlimmer Infektionen. So wie für Safiyo: „Seit der Beschneidung verging kein Tag, an dem ich keine Schmerzen hatte.“ Die Beschneidung ist für die betroffenen Frauen auch das Ende ihrer Sexualität, sie können keine Lust mehr empfinden. Doch das sollen sie ja auch gar nicht! „Weibliche Sexualität ist in diesen Ländern ein Tabu, gilt als schmutzig und unrein“, sagt Dr. Strunz. „Spaß am Sex sollen nur Männer haben, deshalb wird die Frau ihrer Lust beraubt. Die Klitoris wird als böser Stachel angesehen, der entfernt werden muss.“ Frauen gelten in diesen Gesellschaften als minderwertig, weniger wert als eine Ziege oder ein Schaf, gerade mal notwendig als Gebärmaschine. http://www.bild.de/bild-plus/news/inland/beschneidung/weibliche-genitalverstuemmel... 21.09.2015 Safiyo wurde als 10-Jährige in ihrer Heimat Somalia brutal beschnitten: „Ich dachte,... Seite 5 von 7 Trost, und Verständnis – das finden die Patientinnen in dem Center Foto: Stefanie Herbst Das hat auch Safiyo, die in einem Dorf südlich von Mogadishu lebte, erfahren: „Mädchen werden beschimpft und geschlagen. Ihnen wird gesagt: ,Du bist unrein!' Erst eine Beschneidung würde sie zur ,richtigen' Frau machen.“ Doch was das bedeutet, ist den Mädchen, die meist im Alter von 4 bis 10 verstümmelt werden, unklar. Safiyo erinnert sich: „Wir feierten ein großes Fest, als ich zusammen mit einem anderen Mädchen in einen anderen Raum gebracht wurde. Das andere Mädchen verblutete dabei – doch das kümmerte niemanden. Alle sagten nur: ,Ihre Zeit war gekommen.'“ Immer wieder kommen Safiyo die Tränen: „Ich bin danach zwei Mal weggelaufen. Doch sie fingen mich wieder ein, beschnitten mich jedes Mal zur Strafe erneut – also insgesamt drei Mal“, sagt sie. Neben Farhia Mohamed (l) gehört auch die Kenianerin Evelyn Brenda zum Team von Dr. Strunz Foto: Dr. C. Strunz Damit sie nicht wieder wegläuft, werden ihre Beine verbunden und sie wird gefesselt. Die Wunde an ihrem Unterleib wird mit dem Ast eines Strauches „vernäht“. http://www.bild.de/bild-plus/news/inland/beschneidung/weibliche-genitalverstuemmel... 21.09.2015 Safiyo wurde als 10-Jährige in ihrer Heimat Somalia brutal beschnitten: „Ich dachte,... Seite 6 von 7 Safiyo leidet unglaubliche Qualen: „Ich hatte furchtbare Schmerzen, trank tagelang nichts, um nicht Wasser lassen zu müssen.“ Safiyo verflucht die Frau, die sie verstümmelte: „Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich sie getötet“. Sie verlässt schließlich das Dorf, arbeitet als Haushaltshilfe – und beschließt im Frühjahr 2013 aus Somalia zu fliehen. Über Libyen gelangt sie zunächst nach Italien, seit April 2014 lebt sie in einem Asylbwerberheim in Luckenwalde (Brandenburg). Ihr droht die Abschiebung – doch Dr. Strunz und ihr Team wollen erreichen, dass sie bleiben kann. Safiyo hat die Beschneidung überlebt – jetzt hofft sie auf eine gute Zukunft Foto: Stefanie Herbst Safiyo: „Es gab eine Zeit, da habe ich es gehasst, dass ich als Frau geboren wurde.“ Inzwischen ist sie wieder hoffnungsvoll. Für die Zukunft hat sie nur einen Wunsch: „Ich möchte hier einen guten Mann finden und eine Familie gründen.“ http://www.bild.de/bild-plus/news/inland/beschneidung/weibliche-genitalverstuemmel... 21.09.2015 Safiyo wurde als 10-Jährige in ihrer Heimat Somalia brutal beschnitten: „Ich dachte,... Seite 7 von 7 Am 1. Oktober 2015 erscheint Waris Diries Buch „Schmerzenskinder“ als Taschenbuch bei Knaur (Preis: 9,99, 272 Seiten). Damit startete sie ihre Kampagne gegen weibliche Genitalverstümmelung in Europa – darunter auch Deutschland Foto: Droemer Knaur *) Schirmherrin des „Desert Flower Center“ ist Waris Dirie, früher Supermodel, inzwischen Menschenrechtsaktivistin im Kampf gegen FGM. Die Somalierin wurde als Kind selbst Opfer dieser Praxis. Ihr erstes Buch „Wüstenblume“ wurde verfilmt. Seit 2002 engagiert sie sich mit ihrer Stiftung „Desert Flower Foundation“ weltweit, um dieses grausame Ritual zu stoppen. Ihr Buch „Schmerzenskinder“ erscheint am 1. Oktober bei Knaur als Taschenbuch. PS: Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von BILD.de-News (http://www.facebook.com/BILDnews)! © Axel Springer AG. Alle Rechte vorbehalten http://www.bild.de/bild-plus/news/inland/beschneidung/weibliche-genitalverstuemmel... 21.09.2015
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