08. Juli 2015
Seite: 12
Autor: Christina Neuhaus
Neue Zürcher Zeitung
8021 Zürich
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Geschichte einer Zerstörung
Der Zürcher Heimatschutz prangert am Beispiel eines dem
Was droht Eigentümern, wenn
sie denkmalgeschützte Häuser
vorsätzlich verlottern lassen?
Praktisch nichts, klagt der
Zürcher Heimatschutz. De facto
würden sie sogar belohnt.
Christina Neuhaus
Martin Kilias ist der sechste Präsident
des Zürcher Heimatschutzes, der sich
mit dem Schicksal der Liegenschaft
Fröschegrueb in Regensdorf befasst.
Das sagt zwar einiges über die schnelle
Frequenz personeller Wechsel an der
Spitze der altehrwürdigen Institution
aus, verdeutlicht aber auch das Ausmass, das der Rechtsstreit um das Gebäude mittlerweile angenommen hat.
Jahrelanges Gezerre
Das 1559 erbaute Bauernhaus ist eine
der ältesten Liegenschaften der Gemeinde. 1989 wurde das später als
Handwerkerhaus genutzte Gebäude in
das kommunale Inventar der Heimat
und Denkmalschutzobjekte aufgenommen. Wegen seiner siedlungsgeschichtlichen Bedeutung kommt ihm der Rang
eines regionalen Denkmals zu. Heute
präsentiert sich das Haus allerdings in
einem traurigen Zustand. Eine Ecke ist
eingestürzt, die Fenster sind blind, die
Balken morsch, und aus dem ' Dach
ragen Bauprofilstangen. Der Eigentümer möchte grosse Teile des Ensembles,
zu dem auch eine Scheune und ein
Nachbarhaus gehören, ersetzen: Geplant ist ein Neubau samt Tiefgarage,
der dem historischen Gebäude «optisch
sehr nahekommt». Ein Gesuch für das
Projekt ist bereits eingereicht, der Hei-
-
Zerfall preisgegebenen Bauernhauses in Regensdorf Behördenversagen
matschutz hat dagegen Rekurs erhoben.
Zudem hat er am letzten Freitag eine
Aufsichtsbeschwerde gegen den Gemeinderat von Regensdorf eingereicht.
Dies, weil die Behörde den Schutz der
Liegenschaft jahrelang vernachlässigt
und trotz rechtskräftiger Unterschutzstellung des Gebäudes mehrfach dessen
Abbruch bewilligt habe.
Tatsächlich liest sich die jüngste Geschichte des Hauses wie ein bauhistorisches Trauerspiel: Noch 2003 hatte die
Gemeinde dem ursprünglichen Besitzer
den Abbruch verweigert und diesen
zum Unterhalt der Liegenschaft verpflichtet. Dies erboste diesen so sehr,
dass er zwei Jahre danach zum Hammer
griff und einen Kachelofen aus dem
18. Jahrhundert zertrümmerte. Der Gemeinderat erwog nun, die Liegenschaft
zu kaufen und aus ihr ein Ortsmuseum
zu machen. Weil die Gemeinde zu wenig
geboten hatte, verkaufte der damalige
Besitzer an den heutigen Eigentümer,
einen bauwilligen Architekten. Dieser
wiederum brachte den Gemeinderat mit
viel Überzeugungsarbeit dazu, das Gebäude aus dem Schutz zu entlassen, wogegen der Heimatschutz Beschwerde
bei der Baurekurskommission einlegte.
Diese bestätigte 2008 die Schutzwürdigkeit und rügte Besitzer und Gemeinde
deutlich. Seither hat das Gezerre um
das Schicksal des Hauses allerdings
mehrere weitere Wendungen genommen. Im Dezember 2012 bewilligt der
Gemeinderat erneut den Abbruch des
Gebäudes, obwohl der Schutzentscheid
der Baurekurskommission noch rechtsgültig ist. Der neue Besitzer hatte sich
bereit erklärt, einige kleinere Schutzmassnahmen im Gebäudeensemble zu
treffen, worauf die Behörde die Schutz-
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an
verfügung durch einen Schutzvertrag
ersetzte. Parallel dazu gab der Gemeinderat ein Privatgutachten in Auftrag,
das zum Schluss kam, der Zerfallsprozess des Hauses habe schon vor dem
Jahr 1700 begonnen und könne nicht
dem Eigentümer angelastet werden.
Dieser Lesart hat der neue Heimatschutzpräsident Martin Kilias an einer
Ortsbegehung am Dienstag allerdings
eine deutliche Abfuhr erteilt. Kilias
fragte sich laut, ob der Einsturz der
Hausecke nicht absichtlich herbeigeführt worden sei, und sprach gar von
Sägespuren. Für den renommierten
Strafrechtler ist das Schicksal der «Fröschegrueb» ein Paradebeispiel dafür,
dass sich Rechtsmissbrauch lohnen
kann. Strafrechtlich sei die Folgenlosigkeit garantiert, sagte er. Der Statthalter
habe gar befunden, dass eine Bestrafung des Eigentümers gegen den
Grundsatz «Keine Strafe ohne Gesetz»
verstossen würde. Dies, weil die Unterhaltspflicht im Planungs- und Baugesetz
nicht klar genug geregelt sei. Der Heimatschutz, so Kilias, werde sich deshalb
weiterhin mit allen Mitteln gegen den
Abbruch wehren. Denn werde das Haus
abgebrochen, sei die Lehre ernüchternd: Wer baufällige Häuser kaufe, um
sie vorsätzlich verlottern zu lassen, werde am Ende mit einer Baubewilligung
und erklecklichem Mehrwert belohnt.
Ein «Schandfleck»
So hehr die Absicht des Heimatschutzes
auch sein mag: In Regensberg geniesst
die Institution mit dieser Haltung nicht
mehr viele Sympathien. Die Bewohner
haben den Anblick der verlotterten Liegenschaft satt: Der Schandfleck gehöre
endlich abgerissen, sagen sie.
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