Sicherheit hat ihren Preis

Datum: 01.04.2016
2016
22 SCHWEIZER VERSICHERUNG
Cyber-Versicherungen
schützen Unternehmen vor
grossen Verlusten. Für
Anbieter sind die Risiken
jedoch schwer abzuschätzen.
Sicherheit hat
ihren Preis
nur welchen?
Die Verbreitung von Cyber-Policen ist bisher
erschreckend tief. Mit neuen Standards,
Modellen und Tools sollen die Risiken besser abschätzund auch handelbar gemacht werden.
Von Matthias Niklowitz
Themen-Nr.: 660.003
Abo-Nr.: 660003
Auflage: 6'679
Argus Ref.: 61094006
Datum: 01.04.2016
yber-Attacken auf Firmen machen Höhe der Prämien. Versicherungsheute weltweit Schlagzeilen. Derzeit broker schätzen die Höhe der globalen
besonders beliebt sind Angriffe auf die Prämieneinnahmen für 2015 auf
Server der grossen Hotel-Ketten: Die knapp 3 Milliarden Dollar. Davon
hüten in ihren Kunden-Loyalitätsda- entfallen rund 90 Prozent alleine auf
tenbanken viele individuelle Daten, den US-Markt - und dennoch hat
mit denen Hacker dann falsche Profile auch dort lediglich jede dritte grosse
von Managern anlegen - und diese Firma einen entsprechenden VersiProfile dann für gezielte Attacken, bei- cherungsschutz. In Grossbritannien
spielsweise für die Herausgabe von verfügen gemäss Meldungen lediglich
Passwörtern, nutzen können. Bei die- zwei Prozent der Firmen über eine
sen Hotelketten fehlt gemäss IT-Spezi-
alisten das traditionelle Bewusstsein
für die Exposition, das beispielsweise
Finanzdienstleister eher haben - auch
wenn diese genauso beliebte Ziele für
Cyber-Attacken sind.
Weniger Schlagzeilen machen die
weiteren Umstände solcher Angriffe:
Lediglich ein ganz kleiner Teil der von
Datendiebstahl und Attacken betrof-
fenen Firmen hat selber entsprechende Versicherungen abgeschlossen
und sich so wenigstens vor den finanziellen Folgen von Datendiebstahl geschützt. «Es besteht kein Zweifel, dass
Cyber-Versicherungen erhebliche
Chancen für Umsatzwachstum bieten», sagt Patrick Mäder, der die Versi-
cherungsberatung bei PwC leitet.
«Gleichzeitig ist zu beachten, dass Cyberrisiken potenziell verheerende Ver-
luste verursachen können und auch
der effektiv gemessene wirtschaftliche
Schaden durch Computerkriminalität
stetig wächst. Daher zögern viele Versicherer, in den Markt einzusteigen.»
Geringe Verbreitung
Das widerspiegelt sich auch an der
Cyber-Police. «Wir schätzen, dass der
Cyber-Versicherungsmarkt, gemessen an jährlichen Prämien, bis 2018
auf 5 Milliarden und bis 2020 auf
7,5
Gemäss
Schätzungen
von Experten
könnte der
Cyber-Versicherungsmarkt bis
2020 auf 7,5
Milliarden
US-Dollar
anwachsen.
mindestens 7,5 Milliarden US-Dollar
anwachsen könnte», so Mäder.
In der Schweiz ist es nicht besser als
in anderen Märkten. «Hierzulande ist
die Penetration von Cyber-Versicherungen ebenfalls noch relativ gering»,
sagt Mäder. Der Anreiz für eine weitere Expansion in die Cyber-Versicherungen für schweizerische Versiche-
rungen sei jedoch hoch, da das
Preisniveau attraktiv ist. So seien die
Kosten für die Cyber-Versicherung in
Bezug auf die Haftungsgrenze in der
Regel drei Mal so hoch wie bei der Ab-
deckung für etablierte allgemeine
Haftpflichtrisiken. «Ein Grund für die
hohen Preise ist unter anderem die immer noch begrenzte Anzahl von Versicherern, die eine solche Deckung bietet», so Mäder.
Aufgrund des Fehlens von robusten, versicherungsmathematischen
Daten ist die Kalkulation des technischen Preises für Cyber-Policen weiterhin eine grosse Herausforderung.
«Daher sollten neuere Smart-Ana- Kalkulationsmethoden vergleichbar lytics-Methoden verwendet werden, es würden jedoch relativ tiefe Hafdie es erlauben, auch kleinere oder tungslimiten gesetzt. Die Deckungen
unvollständige Datenmengen zu ana- sind individuell. Generell würden
lysieren», sagt Mäder weiter. Diese häufig Schäden durch die eigenen
Analysen würden mit Worst- Case- Mitarbeitenden oder die Organe
Szenario-Analysen kombiniert. ausgeschlossen und wie bei den meis-
Worldwide in Zusammenarbeit mit
«Dadurch lässt sich ein klareres Bild ten Vermögensversicherungen jeglides maximalen Verlusts entwickeln che grobfahrlässige Handlungen.
und die Deckungen wie auch die Haftungssummen können an die Risiko- Suche nach Standards
bereitschaft angepasst werden», so Ein besseres Verständnis für die RisiMäder. Bei KMU-Kunden seien die ken will die Risiko-Modellfirma Air
zu den Vorfällen zusammen und ergänzt diese mit Realtime-Daten zur
aktuellen Bedrohungs- und Angriffs-
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BitSight Technologies und Risk Based
Security (RBS) entwickeln. Das «Cyber-Risiko-Modell» soll das Verständ-
nis für die Risiken und deren Handhabung verbessern. Hierzu fasst das
Modell den aktuellen Stand der Daten
lage, mit der Exposition einzelner Fir-
men sowie mit den (vielen) Daten,
welche die ständigen Überwachungs-
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zentren der IT-Sicherheitsfirmen lau-
lassen. Die Beurteilung der Schwach-
fend sammeln und verarbeiten. Mit stellen des Versicherungsnehmers im
probabilistischen Verlust-Schätzun- Rahmen eines «Cyber Risk Assessgen und einer Reihe von deterministi- ment» ist laut Mäder bei Versicherunschen Risikomodellen soll nicht nur gen ein gängiger Weg, das Risiko besdas Verständnis für offene und ver- ser abschätzen zu können.
steckte aggregierte Risiken, sondern Versteckte Risiken
auch die Grundlage für das Pricing Ergänzend zu den Modellen, welche
von (Erst-)Versicherungspolicen ver- Risiken und Exposition verständlich
bessert werden.
machen sollen, hat RMS ein spezielles
Air zielt damit gemäss eigenen An- Risiko-Akkumulierungs-Tool inklugaben auch auf den Rückversiche- sive einem speziellen Reporting-Ele-
rungsmarkt und auf den ILS-Markt. ment für Cyber-Risiken entwickelt.
Denkbar sind demnach auch eigens Gemäss dem Unternehmen sollen dageschaffene neue «Cyber-Cat-Bonds». mit die Grenzen des VersicherungsAir Worldwide und RMS, eine weitere schutzes besser ermittelt werden.
Risiko-Modell-Firma, kooperieren Basis dafür ist eine grosse, selber ent-
zudem auch bei Standards bezüglich wickelte Kollektion durchkalkulierter
der firmenspezifischen Risik-Expedi- möglicher Schadenszenarien, ähnlich
tion. In Zusammenarbeit mit dem wie das RMS (und die beiden KonCentre for Risk Studies der Universi- kurrenten in diesem Bereich) regeltät von Cambridge und einer Reihe mässig für Stürme in Europa und
von wichtigen Adressen auf dem Lon- Hurrikane in Nordamerika machen.
doner Markt - unter anderem Amlin,
Bei RMS geht man davon aus, dass
Aon Benfield, Axis Capital, RenRe es für die Weiterentwicklung des Cyund XL Catlin - hat man einheitliche, ber-Risiko-Marktes am besten ist,
über alle Industrien anwendbare Stan- wenn die beteiligten Erst- und Rückdards zur Exposition (beispielsweise versicherer sowie die via ILS in dem
Stellenwert des patentgeschützten Markt agierenden Investoren die aus
Wissens für das Geschäftsmodell der anderen Gebieten vertrauten Probable
Firma, Ort des Hauptquartiers und Maximum Losses (PML)-Grenzen
der Forschungseinrichtungen usw.) ermitteln können. Diese seien der
festgelegt.
Schlüssel für den Risiko-Appetit und
Mit solchen Standards sollen zwei erlauben es den Kapitalgebern, erforProbleme gelöst werden: Einerseits derliche Kapazitäten auch für ganze
soll der Weg für die Übertragbarkeit Portfolios zu ermitteln und ebensolvon Industry Loss Warranty (ILW)- che bereitzustellen.
Produkten an die Kapitalmärkte geebOhne PML-Grenzen, so RMS
net werden. Andererseits soll damit weiter, würden Versicherungen einen
auch sichergestellt werden, dass der konservativen Kurs fahren, KapazitäILS-Markt erreicht werden kann. Ge- ten eng begrenzen und die Effizienz
mäss der Erklärung der Beteiligten des gesamtem Systems verringern.
fragen gerade diese Investoren nach Und nicht zuletzt dienen solche Tools
präzisen Parametern, denn eine grosse auch dem Selbstschutz. Denn gemäss
Cyber-Attacke wird, so die Auffas- RMS gebe es in vielen Firmenpolicen
sung, enorm hohe Rückversiche- weiterhin zahlreiche versteckte aggrerungskapazitäten beanspruchen, die gierte Risiken. Das wichtigste und posich lediglich in Zusammenarbeit mit tenziell grösste: der explizite Aus-
den Kapitalmärkten bereitstellen schluss von Cyber-Attacken.
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