Das taktische Vorgehen beim Absuchen von Räumlichkeiten stellt

Licht&
Schatten
MILITÄR, POLIZEI & SICHERHEIT
Strategos International Low Light-Kurs
Das taktische Vorgehen beim Absuchen von Räumlichkeiten stellt schon einen hohen Schwierigkeitsgrad
im Training dar. Wenn man dabei noch den wohl wichtigsten Sinn des Menschen – das Sehvermögen –
stark einschränkt, steigt das Anforderungsprofil exponentiell. Wie man trotzdem in der Dunkelheit dominiert, lernt man bei den US-Spezialisten von Strategos International, die jüngst erneut ein Praxisseminar in
Deutschland abhielten.
D
ie beiden führenden Köpfe der Taktikund Schießausbildungsschule Strategos International, Vaughn Baker und
Mark Warren, sind in der „Law Enforcement
Community“ als „Low Light“-Experten weltweit anerkannt. Für uns sind beide erfahrene Instruktoren alte Bekannte, weil wir
glücklicherweise schon mehrfach die Gelegenheit und Ehre hatten, an praxisnahen,
intensiven Strategos-Kursen persönlich
teilnehmen zu können. Von daher waren
wir um so erfreuter, dass Mark Warren wieder zu Besuch in Deutschland weilte, zumal
uns seine traumwandlerische Sicherheit im
kombinierten Umgang mit Waffe und Licht
einmal mehr begeistern sollte.
Lange, tiefe Kellerabgänge erfordern zur Eigensicherung tiefe Positionen, so wie hier
„Modified Prone“, eine Anschlagtechnik, die sich schnell wieder auflösen lässt.
ten sich vom 22. bis 24. Mai dieses Jahres
rund ein Dutzend Teilnehmer aus Deutschland und Luxemburg, um von Mark Warren
zu fairen Preiskonditionen zu lernen. Dazu
bedurfte es nicht einmal eines Schießstandes, denn die im „Force on Force“(FOF)Training genutzten Airsoft-Waffen können
in geschlossenen Räumlichkeiten nahezu
überall eingesetzt werden. Wenn sie sich
dann noch Abdunkeln lassen und mit genügend Deckungen versehen sind, steht
den geeigneten Übungsszenarien nichts
mehr im Wege. Das Domizil für
die nächsten drei Tage bildete
dabei ein leer stehendes Schulgebäude im Siegerland, das mit
langen verwinkelten Kellerräumen nahezu
unbegrenzte Möglichkeiten bot.
Lese das Licht!
Strategos favorisiert die modifizierte FBITechnik, bei der die Weißlichtquelle weit
weg von der Körpermitte am ausgestreckten Arm gehalten wird, so dass die Waffe
also einhändig bedient wird. Dabei wird
die Lampe bei jedem kurzen Lichtblitz, der
meist mit einer Positionsverschiebung ein-
hergeht, im Winkel ständig verändert, so
dass man eine schlecht zu ortende Lichtsignatur abgibt. Ausführlicher haben wir
uns mit diesen Techniken des kombinierten Waffen/Licht-Einsatzes unter widrigen Lichtverhältnissen bereits in früheren
Strategos-Kursberichten beschäftigt (siehe hierzu: caliber 2/2010 und 1/2011).
Mark Warren nutzt diese Technik aus voller
Überzeugung, denn aus seiner 27-jährigen Dienstzeit als Polizist, davon 15 Jahre
in SWAT-Teams, konnte er weitestgehend
unverletzt von seinen Einsätzen zurückkehren. Die modifizierte FBI-Technik, die
den „Kugelmagneten“ in Gestalt der Lichtquelle weit vom Körper entfernt hält, stößt
Dominiere die Dunkelheit! Beim Strategos International „Low Light“-Kurs drehte sich alles um den Schusswaffeneinsatz unter widrigen Lichtverhältnissen. Ein Thema, das im deutschen Behördenbereich erst jetzt
zaghaft seine verdiente Beachtung erfährt.
Weil in der deutschen Polizeistruktur gerade erst eine gewisse Sensibilisierung für
den dienstlichen Schusswaffen-Einsatz
unter widrigen Lichtbedingungen stattfindet, fehlt es oft an kompetenten Trainern,
durchdachten Ausbildungskonzepten und
– wie könnte es anders sein? – entsprechenden Haushaltsmitteln. Zudem gehen
manche Stellen irrtümlicherweise von der
Annahme aus, dass mit auf den Dienstpistolen montierten, nachleuchtenden Visierelementen dem „Low-Light-Schießen“ genüge
getan wäre – ein fataler Irrtum! Deshalb
war wieder einmal mehr Eigeninitiative von
engagierten, deutschen Polizisten mit Weitblick gefragt, die weit mehr als nur „Dienst
nach Vorschrift“ leisten und somit die immens wichtige, realitätsbezogene Weiterbildung in diesem Bereich selbst in die Hand
genommen und organisiert haben (siehe
auch: www.combatives.biz). So versammel-
Während der erste Nebenraum noch abgesucht wird, wird gleichzeitig nach vorne gesichert.
Die Tür des nächsten Raumes wird schon einmal vorsorglich mit dem Fuß blockiert.
Türspalte bedürfen der besonderen Beachtung! Türen bieten meist nur einen Sichtschutz
und bilden keine standhafte Deckung vor Geschossen.
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Eigeninitiative gefragt
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Strategos International Low Light-Kurs
caliber-Kontakt
beim kombinierten Einsatz mit Langwaffen
an ihre physischen/physikalischen Grenzen, denn selbst kompakte Waffen wie beispielsweise eine HK MP5-Maschinenpistole
oder ein HK G36c-Sturmgewehr werden
nach kurzer Zeit extrem schwer. Hier wird
dann ausnahmsweise zur „beidhändigen“
Harris-Technik gegriffen, bei der der Handschutz im Bereich des Handrückens der
lichtführenden Unterstützungshand ruht.
Auch so lässt sich der Lichtkegel im Winkel
durch Handgelenk-Drehung stetig variieren, um die Eigenposition zu verschleiern.
Darüber hinaus kann man je nach EinsatzSzenario schnell von der modifizierten
FBI-Ein-Hand-Technik beim Absuchen von
Räumen zur beidhändigen Harris-Technik
für das Kontrollieren des Gegenübers mittels Blendung wechseln. In erster Linie
dürfte der komplexere Lampen-Wechsel
in die jeweils benötigte, lichtführende
Hand mit der Langwaffe trainingsintensiver als mit der Kurzwaffe ausfallen. Den
Teilnehmern fiel zudem schnell auf, dass
selbst kompakte Langwaffen sehr schnell
anecken und beim Absuchen von engsten
Räumen oft ein Hindernis darstellen, zumal bei einer 9x19-Maschinenpistole kaum
Die letzten, verbleibenden Ecken eines Raumes werden mit einem blitzschnellen
Hineintreten bei kurzer Betätigung des Lichtes aufgeklärt (sogenannter
„Quick Peek“).
ein ballistischer Mehrwert erreicht wird.
Das zeigt aber auch überdeutlich, dass die
Kurzwaffe gerade in beengten Räumlichkeiten die oftmals vorzuziehende Primärwaffe darstellt. In den 28 Übungsstunden,
verteilt auf drei Tage, stand die Praxis klar
im Vordergrund und das „FOF“-Training
fand meist unter den wachsamen Augen
des routinierten Ausbilders statt. Wurden
Räume und potentielle Deckungen fahrlässig und unsauber aufgeklärt, ertönte
die mahnende Stimme von Mark Warren
mit einprägenden Sätzen wie: „Ihr habt
alle Zeit eures Lebens um den Raum abzusuchen, wie lange ihr lebt, ist eure Entscheidung!“ Als problematisch stellte sich
auch immer wieder die Lichtdisziplin bei
Einzel- und Teamübungen heraus. So kann
man sich selbst durch inkorrekte Lichtführung im Dunkeln exponieren oder der
Hintermann, der nicht auf gleicher Höhe
arbeitet, leuchtet den Vordermann hinterrücks aus, so dass er wie auf dem Präsentierteller angeboten wird. Bei Erhöhung
des Stresslevels und dem Wissen, dass
vorher eingeteilte „Bad Guys“ hinter Ecken
darauf lauerten, das „Feuer“ zu eröffnen,
schlichen sich solche Fehler naturgemäß
Bei Einsatz einer Langwaffe kann die Harris-Methode ein nützliches Mittel sein.
Weil das Licht aber relativ weit außen von der Laufseelenachse liegt, ist ein Wechsel
der Lichtquelle von links nach rechts oder umgekehrt an Raumecken auf jeden Fall
durchzuführen, um sich nicht zu weit aus der Deckung herauslehnen zu müssen.
schneller ein, so dass das wiederholte Einstudieren der richtigen Vorgehensweisen
„überlebenswichtig“ sein kann. In den
„FOF“-Szenarien wurde einem durch die
aufprallenden 6-mm-Kugeln blitzschnell
und meist schmerzlich klar, wo die Fehler
in der Ausführung lagen.
caliber-Fazit
Die Teilnehmer waren sich unisono einig,
dass man die ganze Woche solche Szenarien durchgehen könnte und trotzdem
jedes Mal etwas dazu lernen würde, denn
„Low Light“-Techniken gehören sicherlich zu den anspruchsvollsten Aufgaben
im Bereich des behördlichen oder zivilen
Schusswaffeneinsatzes. Die für die drei intensiven Praxistage anfallenden Kursgebühren von 500 Euro sind unserer Meinung
jeden Cent wert. Bleibt zu hoffen, dass
auch in Zukunft ambitionierte Polizeibeamte nach dem Prinzip der Selbsthilfe solcherart realitätsnahe Trainingsseminare
zu fairen Preisen organisieren.
Text: Tino Schmidt/Stefan Perey
Fotos: Tino Schmidt
67 caliber 9/2015
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Nach dem Auffinden wird vom absuchenden Modus mit unterbrochener Lichtfrequenz zum blendenden Dauerlicht gewechselt, um dem Gegenüber
die Orientierung zu nehmen.
Weitere Informationen erhält man bei:
Strategos International, 4002 Main Street
Grandview, Missouri, 64030-USA
Telefon: +1-816-795-3768, Fax: +1-816-795-2753
www.strategosinternational.com sowie
www.combatives.biz
Ein Großteil des Unterrichts wurde in realitätsnahen
Force-on-Force Trainings durchgeführt, wobei man sehr
schnell durch aufprallende 6 mm BB-Kugeln
seine eigenen Fehler erkennt.