EFFAT Präsidium
BRÜSSEL, 21. September 2015
Tagesordnungspunkt 7:
FAIRER WETTBEWERB / SOZIALDUMPING
MOBILITÄTSPAKET UND PROJEKT DES EINHEITLICHEN BINNENMARKTS
Beschluss: Das Präsidium nimmt die Berichte zur Kenntniss und genehmigt die vorgelegten
Berichte
Briefing-Entwurf
Gerechter und menschenwürdiger Binnenarbeitsmarkt:
Paket der Europäischen Kommission zur Mobilität von Arbeitskräften
Einführung
1. Bis Ende des Jahres will die Europäische Kommission einen Vorschlag für ein
Mobilitätspaket herausbringen, das eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie sowie eine
Neufassung der Verordnung 883 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
vorsieht. Es besteht eine signifikante Verbindung zwischen Entsendung und den
Bestimmungen für soziale Sicherheit, und diese Verbindung ist wichtig, um effektive
Lösungen
gegen
Sozialdumping
zu
finden,
weil
das
Umgehen
von
Sozialversicherungsbestimmungen Teil des Missbrauchs bei Entsendung ist.
2. Die Entsenderichtlinie gewährleistet für entsendete Arbeitnehmer ein Mindestmaß an
Rechten wie Mindestlohnstandards in Ländern, wo es diese gibt, aber leider bezieht sich
diese Liste nicht auf Sozialleistungen. Sozialleistungen werden nach wie vor in dem Land
bezahlt, aus dem der Arbeitnehmer entsendet wurde, was nicht unbedingt das
Heimatland des Arbeitnehmers sein muss. Die EFFAT-Mitgliedsorganisationen haben
bei ihrer praktischen Arbeit viele Beispiele von Unternehmen erlebt, die sich strategisch
ansiedeln und Mitarbeiter unter anderem über Briefkastenfirmen oder andere
Täuschungsmanöver wie Zeitarbeitsfirmen einstellen, um Nutzen aus den Unterschieden
zwischen den nationalen Systemen der sozialen Sicherheit in Europa zu ziehen.
Schlupflöcher in der Gesetzgebung
3. Die Arbeitskräftemobilität in Europa erfolgt entweder als Entsendung, wenn ein
Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zur Arbeit ins Ausland entsendet, oder als individuelle
Migration. Diese beiden Formen finden im Rahmen unterschiedlicher Gesetze mit
eigenen Rechten statt, nämlich der Freizügigkeit von Dienstleistungen und der
Freizügigkeit von Arbeitnehmern. Dieser unterschiedliche Gesetzesrahmen innerhalb
Europas schafft daher für die Unternehmen neuen Spielraum für die Möglichkeit, in
Länder mit einem weniger restriktiven und billigeren Gesetzesumfeld auszuweichen, um
ihren Gewinn auf Kosten aller Arbeitnehmer, sowohl der Migranten als auch der
inländischen Arbeitskräfte, zu maximieren. Die Unternehmen können auf der Suche nach
der niedrigsten Kostenstruktur für die Beschäftigung ihrer Arbeitskräfte Strategien zu den
unterschiedlichen gesetzlichen Systemen zwischen oder innerhalb der Länder
entwickeln. Manche Unternehmen betrügen ihre Arbeitnehmer sogar und beschäftigen
sie als Scheinselbständige ohne Schutz.
4. Wir bemühen uns daher sicherzustellen, dass die bestehenden Bestimmungen gestärkt
und höhere Sozial- und Arbeitsstandards für alle Arbeitnehmer in Europa geschaffen
werden. Wir wollen Sozialdumping verhindern und die Abwärtsspirale bei den Löhnen
und Arbeitsbedingungen in Europa stoppen. Wir wollen einen fairen innereuropäischen
Wettbewerb. Das Recht auf Freizügigkeit der Bürger und Arbeitnehmer ist ein zentraler
Wert der EU-Bürgerschaft und ein Grundrecht, das Hand in Hand mit der
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Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer geht. Die goldene Regel der Freizügigkeit muss
sein: „gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit am selben Arbeitsplatz“.
Forderungen
5. In diesem Zusammenhang fordern wir eine effektive Umsetzung der
Durchsetzungsrichtlinie (2014/67/EG) und Rechtssicherheit bezüglich der Stellung von
Leiharbeitern im Rahmen der „Entsendung“.
6. Eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie darf nicht dazu führen, dass Änderungen der
Arbeits- und Sozialbedingungen eine Reduzierung der Entsendebedingungen und des
bestehenden Schutzniveaus mit sich bringen, sondern im Gegenteil die
Arbeitnehmerrechte
ausweiten,
die
Gleichbehandlung
fördern
und
die
Arbeitsbedingungen
der
entsendeten
Arbeitnehmer
verbessern.
Die
Beschäftigungsbedingungen aller entsendeten Arbeitnehmer dürfen nicht schlechter
sein, als die für einen Arbeitnehmer geltenden, der nach den Bedingungen des
Gastlandes angestellt ist.
7. Wir fordern die Verbesserung der praktischen Anwendung der Verordnung (883/2004)
zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.
Praktische Vorschläge
8. Um das oben Gesagte umzusetzen, schlagen wir vor, dass die Kommission vor allem
folgende Punkte prüft, um den Schutz der Arbeitnehmer, ob entsendete Arbeitnehmer
oder andere, zu verstärken:
•
Unterbindung der betrügerischen Verwendung der A1-Formulare und zum Beispiel
Einführung eines EU-Sozialversicherungsausweises.
•
Verbesserung des Nachweises der Niederlassung, um durch die Einführung eines
europäischen Firmenregisters mit grundlegenden Vorgaben und genauen faktischen
Elementen als Beweis für die echte Geschäftstätigkeit Briefkastenfirmen besser
bekämpfen zu können.
•
Einschränkung der Möglichkeit für Zeitarbeitsfirmen, Arbeiter allein zu dem Zweck
einzustellen, sie direkt in einen anderen Mitgliedstaat zu entsenden, durch die
Einführung eines Systems zur Voranmeldung. Die Arbeit durch Entsendung ist so zu
regulieren, dass keine Strategie des Kostenwettbewerbs entsteht, sondern, dass sie
nur dem beabsichtigten Zweck dient, nämlich die Entsendung von Arbeitnehmern ins
Ausland, um über kurze Zeiträume spezifische Aufgaben zu erledigen.
•
Bessere Durchsetzungsmechanismen, einschließlich Sanktionen zur Abschreckung,
zusammen mit der Schaffung eines verpflichtenden Systems der Kettenhaftung und
Erleichterung von grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, sowie die
grenzübergreifende Ausführung von strafrechtlichen und administrativen Urteilen und
Bußen.
•
Bessere Zusammenarbeit zwischen Behörden und Inspektionsdiensten, die auch
zum Kampf gegen Scheinselbständigkeit beitragen können. Es sollte diesbezüglich
ein gemeinsames Verständnis des Begriffs „Arbeitnehmer“ geben, um
sicherzustellen, dass kein Arbeiter, inklusive Scheinselbständige und abhängige
Selbständige, ohne Sozialschutz oder Schutz durch das Arbeitsrecht ist.
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