Der große Sprung

D 8512
51. Jahrgang
Nr. 34
Montag, 31. August 2015
Nachrichten
Politik
G 36: Waffenmix
Um den bisherigen Waffenmix
für den Einsatz zu ergänzen,
werden je 600 MG 4 und G 27 P
beschafft. Seite 3
Streitkräfte
Simulierter Feind
Die Soldaten vom Joint Electronic Warfare Core Staff sind
Experten der elektronischen
Kampfführung. Seite 8
Geschichte
Der Köpenicker
Vor 85 Jahren schrieb Carl Zuckmayer seinen „Hauptmann von
Köpenick“ – und traf damit den
Nerv der Zeit. Seite 9
Video der Woche:
Der
große Sprung
Luftlandeübung „Swift Response“:
Mehr als 5000 Soldaten aus elf Nationen stellen ihre
Schlagkraft unter Beweis. Seiten 6/7
Foto: dpa/pa
Fregatte „Schleswig-Holstein“,
Mittelmeer: Am v
­ ergangenen
Montag erblickt Sophia an
Bord der Fregatte das Licht der
Welt. Das kleine Mädchen ist
das erste Baby überhaupt, das
auf einem Schiff der Deutschen
Marine geboren wurde. Den
Namen durften die Soldaten auswählen. Der Name Sophia hat
einen besonderen Hintergrund
– er geht auf den Spitznamen der
Fregatte „Schleswig-Holstein“
„Sophie X“ zurück. Im Video
berichten Soldaten über den für
sie ungewöhnlichen medizinischen ­Notfall.
Der Beitrag „Seenotrettung – Geburt auf der
Fregatte“ unter www.
youtube.com/bundeswehr.
[email protected]
2
aktuell Intern
31. August 2015
Foto: Bundeswehr
Bild der Woche
Die kleine Sophia ist da: Am 24. August bringt Rahma A. aus Somalia ihr Kind zur Welt – an Bord der deutschen Fregatte „Schleswig-Holstein“. Soldaten hatten Rahma
A. Stunden zuvor an Bord genommen – zu diesem Zeitpunkt war sie schon seit fünf Monaten auf der Flucht. Ein wahrlich ungewöhnlicher Vorgang für alle Beteiligten –
Sophia ist das erste Kind, das auf einem Schiff der deutschen Marine und mit deutschen Soldaten als Geburtshelfer zur Welt kam. Mehr auf www.marine.de.
Impressum
Zitat
Editorial
Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt:
Bundesministerium der Verteidigung
Presse- und Informationsstab
Stauffenbergstraße 18, 10785 Berlin
„Wir sind alle erschüttert.“
Eine Zwischenlösung ist gefunden: 600 Sturmgewehre G 27 P
sowie 600 zusätzliche leichte
Maschinengewehre MG 4 sollen den bereits vorhandenen Waffenmix im Einsatz ergänzen. Auf
diese Weise wird unter anderem
den Präzisionsanforderungen –
vor allem bei hoher Schussbelastung und hohen Temperaturen – entsprochen.
Mit der Beschaffung hat man
für die deutschen Soldaten in
den Einsatzländern eine schnelle
und praktikable Lösung gefunden. Eine Blaupause dafür, wie
es mit den rund 170 000 Sturmgewehren G 36 in der Bundeswehr
weitergeht, ist die jetzt getroffene Maßnahme allerdings nicht.
Das Verteidigungsministerium
spricht bewusst von einer Zwischenlösung.
Denn beim G 27 P handelt es sich um eine Waffe im
­Kaliber 7,62 x 51 Millimeter,
die ursprünglich als „Designated
Marksmann Rifle“ (DMR) Infanteriegruppen größere Genauigkeit
und Durchschlagskraft auf weiteren Kampfentfernungen ermöglichen sollte.
Als
grundsätzlichen
G 36-­Ersatz für jeden Bundeswehrsoldaten eignet sich Waffe
durch ihr Kaliber, ihr Gewicht
und ihre Größe eher nicht.
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Redaktion der Bundeswehr
Bundeswehr aktuell
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ISSN: 1618-9086
Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Filme,
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Auffassung der Redaktion oder des BMVg. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe per E-Mail werden nur mit wirklichem Namen
und Adresse berücksichtigt, außerdem behält sich die
Redaktion das Recht auf Kürzung vor.
Bundeskanzlerin Angela Merkel über den Fund von mindestens
70 Leichen auf der Ladefläche eines Lastwagens in der Nähe von
Wien. Die Menschen waren wahrscheinlich als Flüchtlinge von
Schleusern nach Europa gebracht worden und erstickt.
Kalenderblatt
Vor 20 Jahren: Am 6. September 1995 brechen in Tahiti schwere
Unruhen aus. Auslöser ist der fünfte französische Atomwaffentest
einer Versuchsreihe im Südpazifik. Bis 1996 führt Frankreich insgesamt 198 Atombombenversuche durch.
Vor 30 Jahren: Am 1. September 1985 entdeckt eine Expedition
das Wrack der „Titanic“. Das als unsinkbar geltende Luxusschiff war
1912 mit einem Eisberg kollidiert und im Nordatlantik gesunken.
Bei dieser Katastrophe verloren mehr als 1500 Menschen ihr Leben.
Vor 70 Jahren: Am 2. September 1945 unterzeichnet Japan eine
Kapitulationserklärung – damit endet der Zweite Weltkrieg auch im
Pazifik. Kurz zuvor hatte die Sowjetunion Japan den Krieg erklärt,
zwei amerikanische Atombomben waren auf das Land gefallen. Der
Japanische Kaiser sah sich daraufhin zur Kapitulation gezwungen.
Vor 105 Jahren: Am 5. September 1905 unterzeichnen Japan und
Russland einen Friedensvertrag. Japan hatte 1904 den von Russland
gepachteten Port Arthur in der Mandschurei angegriffen und damit
den Russisch-Japanischen Krieg ausgelöst. In weniger als zwei ­Jahren
wird Russland vernichtend geschlagen.
Vor 115 Jahren: Am 2. September 1900 arbeitet die preußische Regierung einen Erlass zur Sexualkunde aus. Sie beschließt die Planung
einer Art Aufklärungsunterricht an Schulen um gegen Geschlechtskrankheiten und die mangelnde Sexualhygiene vorzugehen.
Ihr Einsatz wirkt vor allem in
Kombination mit dem MG 4:
Denn das leichte Maschinengewehr im Kaliber 5,56 x 45
­Millimeter kann die gerade im
Hinterhalt nötige Feuerüberlegenheit b­ ieten, die ein Sturmgewehr konstruktionsbedingt nicht
leisten kann.
Ab Ende November 2015
sollen die ersten 60 Gewehre
in die Truppe kommen, Mitte
des kommenden Jahres dann
die ­übrigen 540 G 27 P. Hinter­
grund ist auch die Produktions­
leistung der Industrie. Das zeigt
auch, wie lang der Weg zu
einer grundsätzlichen Lösung
in Zusammenhang mit dem
Sturmgewehr G 36 noch sein
könnte.
Björn Lenz
Ressortleiter Technik
MINISTERIUM / HINTERGRUND
G 36: Waffenmix im Einsatz
Umfassende
Bewertung
Der Entscheidung war nach
Angaben des Verteidigungsministeriums eine umfassende
Bewertung vorausgegangen.
Kriterien waren unter anderem die Leistungssteigerung für Soldaten im Einsatz
sowie die Erfüllung der durch
die Arbeitsgruppe „G 36 in
Nutzung“ erarbeiteten Präzisionsforderungen bei schussinduzierter und klimabedingter
Temperaturänderung. Auch die
notwendigen Maßnahmen zur
Herstellung der Einsatz- und
Versorgungsreife wie Beschaffung von Zubehör und Logistik
wurden berücksichtigt.
Als kurzfristige Lösung kam
somit eine Variante auf Basis
des Gewehrs G 27 P – die Präzisionswaffe der Spezialkräfte –
in Betracht. Vorbehaltlich noch
ausstehender Überprüfungen
der Präzisionsforderungen des
G 27 P ist beabsichtigt, ein erstes Los von circa 60 Waffen mit
zugehöriger Ergänzungsausstattung bis Ende November 2015 zu
beschaffen. Bis Juni 2016 sollen
weitere 540 Waffen zur Verfügung stehen. Nach Angaben des
Ministeriums wird das G 27 P
voraussichtlich ab der zweiten
Jahreshälfte 2016 in den Einsätzen genutzt werden können.
Mit der Beschaffung zusätzlicher MG4 in der Variante
„Infanterist der Zukunft“, die
bereits in die Bundeswehr eingeführt sind, soll der Waffenmix weiter ausgebaut werden.
Bis Ende 2016 sollen bis zu 600
Waffen bereitgestellt werden.
Zwischenlösung für
18 Millionen Euro
Der Umfang der als Interimslösung bereitzustellenden Waffen
orientiert sich laut Ministerium
am kurzfristig verfügbaren und
geeigneten Angebot und an der
Produktionsleistung der Industrie.
Foto: Heckler und Koch
Das MG 4 (oben) und das
G 27 sollen den Waffenmix
im Einsatz erweitern.
Die Kosten für die Beschaffung der
Waffen werden mit etwa 18 Millionen Euro veranschlagt. Hinzu
kommt ein regelmäßiger jährlicher
Finanzbedarf für die Nutzung der
Waffen. Die Beschaffung erfolgt
als „Sofortinitiative für den Einsatz“ auf der Grundlage des Verfahrens „Einsatzbedingter Sofortbedarf“.
Hintergrund: Nach Bekanntwerden von Präzisionsmängeln des
Standartsturmgewehrs G 36 hatte
Verteidigungsministerin Ursula
von der Leyen im Mai kurzfristige Maßnahmen angekündigt, die
mit der nun getroffenen Entscheidung umgesetzt werden. (eb/vmd)
Der Mann in Brüssel
Markus Bentler, Vertreter im NATO-Militärausschuss, geht in Ruhestand – und gewährt Einblicke.
der Europäischen Union in der
Öffentlichkeit allerdings noch
viel zu wenig wahrgenommen.
Brüssel. Drei Jahre lang hat er
bis August 2015 im Auftrag des
Generalinspekteurs der Bundeswehr die militärischen und
militärpolitischen Interessen
Deutschlands in den Militärausschüssen bei der NATO
und der EU vertreten. Vergangene Woche ist Generalleutnant
Markus Bentler in den Ruhestand
verabschiedet worden.
Sein Auftrag in Brüssel: Als
Deutscher Militärischer Vertreter
transportierte er die Entscheidungen des Verteidigungsministeriums in die NATO- und EUGremien. „Das ist nicht immer
einfach, insbesondere weil die
Erwartungen an Deutschland so
groß sind“, sagt Bentler. Dass
sich Deutschland in allen Krisen
und Konflikten als zuverlässiger
Bündnispartner erweise, bringe
der Bundesrepublik viel Anerkennung und Wertschätzung ein.
Die Krisen in Osteuropa und
im Spannungsbogen von Afghanistan bis zum Maghreb, dem
Foto: Hazir Reka / Reuters
von Andreas Beu
Eine nicht immer einfache Aufgabe: Markus Bentler hat die militärischen Interessen Deutschlands bei der NATO und der EU vertreten.
sogenannten „ring of fire“, haben
die Amtszeit des NATO-Generals
geprägt. Auch die Annexion der
Krim und der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine zählen
dazu.
Fokus: Kollektive
Verteidigung
„Die „Kollektive Verteidigung“ tritt nun als Kern der Allianz wieder stärker neben die seit
langen gewohnten Operationen
zur Bewältigung von Krisen. In
der gemeinsamen Sicherheits-
und Verteidigungspolitik der
Europäischen Union haben wir
uns der Stärkung der militärischen Komponente gewidmet“,
sagt Bentler. Neben strukturellen
Reformen seien eine Reihe von
sichtbaren Operationen auf
den Weg gebracht worden: die
EU-Ausbildungsmission in Mali,
die Stabilisierungsoperation in
der Zentralafrikanischen Republik sowie jüngst die Operation
zur Bekämpfung des Menschenschmuggels im Mittelmeer. Laut
Bentler werden diese vielfältigen, militärischen Aktivitäten
3
Hilfe für Flüchtlinge
Zwischenlösung: MG 4 und G 27 P sollen ab 2016 die Defizite des G 36 ausgleichen.
Berlin. Wegen der Präzisionsmängel des Sturmgewehrs G36
wird der Waffenmix im Einsatz
erweitert.
Staatssekretärin Katrin Suder
hat vergangene Woche über die
Beschaffung von 600 leichten
Maschinengewehren MG4 sowie
600 Sturmgewehren auf Basis
des bereits eingeführten G 27 P
zur Ergänzung des bisherigen
Waffenmixes für den Einsatz entschieden. Der erweiterte Waffenmix dient als Zwischenlösung,
um bekanntgewordene Defizite
auszugleichen.
aktuell
Europa am
Scheideweg
Sein Fazit nach vielen Einblicken, die er in Brüssel bekommen
hat: „Ich glaube, dass sich Europa
an einem Scheideweg befindet“,
sagt Bentler. „Wir müssen weiter
hart daran arbeiten, der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mehr Sichtbarkeit,
Wirksamkeit und damit Relevanz
zu geben.“ Mit dem Ansatz der
„Vernetzten Sicherheit“ verfüge
die Europäische Union wie keine
andere Organisation über das Instrumentarium, um heutige Krisen
und Konflikte zu meistern.
„Ich bin der festen Überzeugung, dass ein geeintes Europa
unsere Bestimmung und unsere
Verpflichtung ist“, sagt Bentler.
Er wurde am vergangenen Dienstag mit einem Großen Zapfenstreich aus dem Dienst verabschiedet.
Berlin. Das Verteidigungsministerium hat eine zentrale Koordinierungsstelle zur
Unterstützung bei der Versorgung von Flüchtlingen eingerichtet. Das geht aus dem
Tagesbefehl von Verteidigungsministerin Ursula von
der Leyen vom vergangenen
Mittwoch hervor.
Von der Leyen würdigt darin
das Engagement der Angehörigen der Bundeswehr und ruft
zu weiteren Anstrengungen
auf. Die Ministerin hebt insbesondere das Engagement der
bisher schon rund 150 Angehörigen der Bundeswehr hervor,
die auf freiwilliger Basis das
Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge bei der Bearbeitung von Asylanträgen unterstützen. Darüber hinaus helfen
viele Angehörige der Bundeswehr ehrenamtlich. „Ich danke
allen Beteiligten ausdrücklich
für ihre wertvolle geleistete
Arbeit“, schreibt die Ministerin in ihrem Tagesbefehl.
Es werden weiterhin Verwaltungsbeamte des gehobenen
Dienstes und Tarifbeschäftigte
sowie ziviles und militärisches
Personal des mittleren Dienstes im Bereich IT-Infrastruktur und Liegenschaftsmanagement gesucht. „Ich bitte Sie
darum, sich in Abstimmung
mit Ihren Vorgesetzten zu melden, wenn Sie die Voraussetzungen erfüllen und auf freiwilliger Basis einen Beitrag
leisten können und wollen“,
so die Ministerin.
Weitere Informationen auf
www.bundeswehr.de und im
Intranet der Bundeswehr.
Niederländischer
König gratuliert
Foto: imago
31. August 2015
Münster. Deutsch-Niederländische Korps hat seinen 20. Geburtstag gefeiert – mit königlicher Prominenz. König Willem-Alexander
der Niederlande, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und zahlreiche hohe
militärische Vertreter kamen
nach Münster, um zu gratulieren. Während eines Appells auf
dem Prinzipalmarkt verlieh Kraft
dem I. Deutsch-Niederländischen
Korps das Fahnenband des Landes
Nordrhein-Westfalen.
(bs)
Mehr Informationen auf www.
deutschesheer.de.
4
aktuell Politik / Hintergrund
31. August 2015
Volle Lautstärke
Taliban rücken
im Süden vor
Foto: DIVIDS/A1C Jake Carter
F-22 Kampfjets
nach Europa
Washington. Vor dem Hintergrund des Konflikts in der Ost­
ukraine wollen die USA Tarnkappenflugzeuge vom Typ F-22
Raptor nach Europa entsenden.
Die Stationierung der Kampfflieger erfolge „im Rahmen unserer
Initiative zur Unterstützung der
Europäer“, sagte Deborah Lee
James von der US-Luftwaffe
am vergangenen Montag bei
einer Pressekonferenz in Wash­
ington. Geplant sei unter anderem das gemeinsame Training
der F-22-­Piloten mit Luftfahrzeugbesatzungen anderer Nato-­
Staaten.
(cfm/jah)
EU: Rote Linien
gegenüber Moskau
Berlin. Die EU ist bereit, ihren
Kurs gegenüber Moskau im
Ukraine-Konflikt zu verschärfen. Bundeskanzlerin Angela
Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande hätten
in der vergangenen Woche bei
ihrem Treffen mit dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko in Berlin „rote Linien“
festgelegt, welche die prorussischen Rebellen nicht überschreiten dürften, sagte ein ukrainischer
Regierungsvertreter. Sollten die
Separatisten in der Ostukraine
im Herbst eigene Wahlen abhalten, würde dies eine entschiedene Reaktion der EU gegenüber
­Moskau hervorrufen.
(bfi/ju)
Seoul. Zum ersten Mal seit elf
Jahren hat Südkorea eine Batterie
von Lautsprechern zur Beschallung der nordkoreanischen Nachbarn eingesetzt. Die Antwort aus
dem Norden: Kriegsdrohungen,
ein Ultimatum und Beschuss
durch Raketen und Artillerie.
Die Eskalation in den vergangenen Wochen macht deutlich, welche Rolle der Informationskrieg
in dem Konflikt auf der koreanischen Halbinsel spielen kann.
Auf Worte
folgen Granaten
Auslöser für die erneuten
Spannungen war die Explosion
einer Landmine in der demilitarisierten Zone (DMZ) der
­de-­facto-Grenze zwischen den
beiden koreanischen Staaten, bei
der Anfang August zwei südkoreanische Soldaten schwer verletzt worden waren. Seoul sah
die Verantwortung für den Zwischenfall beim Regime im Norden und begann in der folgenden
Woche, die DMZ mit Lautsprecheranlagen zu beschallen. Die
Themen reichten dabei vom
Lebensstandard in Südkorea
bis zu Geschichten von Überläufern aus dem Norden. Ferner
wurde das Regime des Machthabers Kim Jong-Un der Lüge
bezichtigt. Nordkorea versetzte
daraufhin die Grenztruppen in
Gefechtsbereitschaft, gab Seoul
48 Stunden, um die Lautsprecher­
anlagen abzuschalten und drohte
militärische Schritte an. Noch
am selben Tag feuerten Einheiten der koreanischen Volksarmee
Fotos: dpa/pa, Flickr/John Pavelka (CC BY 2.0)
Kabul. Die radikalislamischen
Taliban haben am ­vergangenen
Mittwoch nach tagelangen
Kämpfen das Distriktzentrum
in Musa Qala in der südafghanischen Provinz Helmand erobert.
Medienberichten zufolge nahmen
die Islamisten das Amtsgebäude
des Distriktgouverneurs und die
Polizeistation ein. Ein Vertreter
des Provinzrates bestätigte, dass
bei den Kämpfen 45 afghanische
Soldaten ums Leben gekommen
seien. Ende Juli hatten die Taliban den angrenzenden Distrikt
Naw Zad eingenommen. (kli)
von Simon Klingert
Infowar: Südkoreanische Soldaten mit Beschallungsanlage. Rechts ein nordkoreanisches Poster.
Artilleriegranaten und Raketen
in Richtung der Lautsprecheranlagen, woraufhin Südkorea das
Feuer erwiderte. Gleichzeitig
suchte Pjöngjang das Gespräch
mit dem Süden. In der vergangenen Woche stellte Seoul die
Beschallung ein, nachdem nordkoreanische Regierungsvertreter
offiziell ihr Bedauern über den
Vorfall geäußert hatten.
Informationskrieg
mit Popmusik
Für den Asien-Experten Hanns
Günther Hilpert von der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) ist der Grund für die
Eskalation eng mit der Natur
des nordkoreanischen Regimes
verbunden. „An der Grenze stehen nur handverlesene Truppen,
die lassen sich nicht von Propa­
ganda aus dem Süden beeinflussen. Aber in Nordkorea gilt die
Beleidigung der Führung als ein
Sakrileg – wenn das dennoch
geschieht, sehen sich die Nord­
koreaner gezwungen zu handeln“,
sagt Hilpert. Dass sich die Situation in der vergangenen Woche
relativ schnell wieder beruhigt
hat, führt er unter anderem auf die
Einflussnahme der chinesischen
Regierung in Pjöngjang zurück.
Jahrzehntelang führten beide
Staaten mit Flugblättern, Radiosendungen und Lautsprechern
eine ausgedehnte Propagandaschlacht, deren Ursprünge bis
zum Koreakrieg z­ urückreichen.
Im Jahr 2004 schlossen die
Regierungen ein Abkommen,
das die Einstellung der psychologischen Kriegsführung
vorsah. Erst 2010 wandte sich
Seoul wieder mit einer Radiobotschaft an den Norden: Der provokative Popsong einer beliebten süd­koreanischen Girlgroup
kam einer unverhohlenen Verbalattacke gleich. Zuvor hatte die
südkoreanische Regierung das
Regime in Pjöngjang der Versenkung der Fregatte Cheonan
beschuldigt, bei deren Untergang
46 Seeleute ums Leben kamen.
Nordkorea sät
Zwietracht
Auch in Nordkorea betreibt
man Propaganda – allerdings mit
einer anderen Stoßrichtung. „Ich
glaube nicht, dass die Nordkoreaner denken, sie könnten jemanden überzeugen, überzulaufen.
Viel effektiver ist es, Zweifel,
Unsicherheit und Streitgespräche im Süden hervorzurufen“,
sagt Robert Carlin, Nordkorea-­
Experte an der Stanford University. Viel wichtiger seien Botschaften des Regimes, die über
offene Kanäle verbreitet werden. Man dürfe die Nachrichten aber nicht wörtlich nehmen.
„Nuancen, Vokabular und Ton
sind entscheidend,“ so der ehemalige CIA-Analyst Carlin.
Für den Korea-Experten
­Hilpert zeichnet sich indes keine
langfristige Entspannung der
Lage ab: „Für Nordkorea ist die
Eskalation Mittel zum Zweck.
Die Sprengfallen sind Teil der
nordkoreanischen Diplomatie.“
Sicherer Hafen für al-Qaida
Nach der Niederlage der Huthi-Rebellen in Aden kontrolliert nun al-Qaida Teile der Hafenstadt.
Sanaa. Im Juli haben regierungstreue Truppen die jemenitische
Stadt Aden aus der Hand von
Huthi-Rebellen befreit – jetzt hat
die Terrorgruppe al-Qaida Kontrolle über Teile der Stadt erlangt.
Verstärkt durch in Saudi-­
Arabien ausgebildete Armeeeinheiten konnten regierungstreue
Milizen die wichtige Hafenstadt
im Süden des Landes nach schweren Kämpfen einnehmen, wobei
die Luftunterstützung durch die
saudisch geführte Militärallianz
eine wichtige Rolle spielte. Allerdings gelang es den Sicherheitskräften nicht, die Stadt dauerhaft
unter ihre Kontrolle zu bringen.
Beobachter der International Crisis Group (ICG) machen dafür die
starke Fragmentierung der Regie-
Foto: dpa/pa
Foto (Archiv): imago
Seoul reagiert auf Provokation mit Lautsprecherbeschallung – Nordkorea antwortet mit Artillerie.
Kampfbereit: Huthis geben nach dem Rückzug aus Aden nicht auf.
rungstruppen verantwortlich. Die
Truppen setzen sich derzeit vor
allem aus Separatisten, die den
südlichen Jemen vom Rest des
Landes abspalten wollen, sunnitischen Islamisten sowie aus im
Ausland ausgebildeten Armeeeinheiten zusammen.
Profiteur des Sicherheits­
vakuums in der Stadt ist der
arabische Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida. Jemenitischen Sicherheitskräften zufolge
nahmen Kämpfer der Terrorgruppe al-Qaida auf der arabischen Halbinsel (AQAP) in der
vergangenen Woche das Stadtviertel Tawahi, in dem sich ein
Regierungspalast und der Hafen
von Aden befinden, sowie Teile
des Geschäftsviertels Crater ein.
In der Stadt Dar Saad nahe Aden
eroberte die Gruppe zudem eine
Armeebasis, die nun als Trainingslager genutzt wird. Dass
AQAP in und um Aden eine solche Präsenz etablieren konnte,
werten die Experten der ICG als
großen Erfolg für die Terror­
gruppe.
Die Sicherheitslage in der Stadt
bleibt angespannt. Nach einem
Überfall auf seine Mitarbeiter zog
sich das Internationale Komitee
vom Roten Kreuz (IKRK) in der
vergangenen Woche aus der Stadt
zurück. (kli)
31. August 2015 Einsatz / Bundeswehr aktuell 5
Gleiche
Regeln
für alle
von Alexandra Möckel
Koulikoro. Eine grölende Menschenmenge, unbewaffnet aber
aufgebracht, stürmt auf einen
Checkpoint zu. Die britischen
Soldaten bilden innerhalb von
Sekunden eine menschliche
Barriere. Sie stellen sich dicht
nebeneinander. Eine zweite Kette
dahinter packt die in vorderer
Reihe stehenden Kameraden an
ihrer Ausrüstung, damit sie nicht
getrennt werden können. Als die
Demonstranten trotz Warnung
auf die Soldaten treffen, wird es
unübersichtlich. Ein Handgemenge entsteht, Demonstranten
versuchen, einen Soldaten aus der
Formation zu zerren. Übungsschüsse fallen. Ein Übungsszenario. Ziel ist es, die Menschenmenge auseinander zu bringen,
ohne die Grenze zur Gewalt zu
überschreiten.
Grundkurs für
Menschenrechte
In Mali geht das Programm
„Train the Trainer“ in eine weitere Runde. Beim internationalen
Menschenrechtstraining geht es
um das gemeinsame Verständnis
humanitären Rechts – quasi ein
Grundkurs für Menschenrechte.
Hintergrund: Der malischen
Armee wird vorgeworfen, in der
Vergangenheit immer wieder
gegen Menschenrechte v­ erstoßen
zu haben. Nach dem Putsch und
der Unabhängkeitserklärung des
Nordens im Jahr 2012 kam es
immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen, wie Steinigungen und anderen körperlichen Misshandlungen durch
Rebellengruppen. Nachdem die
malische Armee die Städte im
­Norden zurückeroberte, verübte
sie Racheakte an den Tuareg
– ungeachtet jeder Menschenrechtskonvention.
Nun werden die malischen
Soldaten im Umgang mit der
Wahrung der Menschenrechte
geschult. Dafür wird eine einheitliche Ausbildung durch die internationalen Ausbilder der europäischen Trainingsmission Mali
(EUTM Mali) erarbeitet. Auch 40
Soldaten des achten deutschen
Einsatzkontingentes nehmen
daran teil. „Jeder bekommt die
gleiche Ausbildung, europäische
wie malische Soldaten. Am Ende
Foto: Bärwald/Bundeswehr
EUTM Mali schult den Umgang
mit Menschenrechten.
EUTM Mali: Ziel ist die Ausbildung malischer Soldaten – auch Menschenrechte zählen zum Inhalt.
kennt jeder die gleichen Regeln“,
erklärt der Rechtsanwalt und ehemalige Soldat David H. das Ziel
der Ausbildung. Gemeinsam
mit Toral P. bildet er das englische Trainerteam. Eine Gruppe
von britischen Soldaten stellen
elf Szenarien im Umgang mit
humanitärem Recht in bewaffneten Konfliktsituationen dar.
Einheitliche
Ausbildung
noch in jungen Jahren beschnitten
und verstümmelt. Die Regierung unterstützt die Aufklärung
und Sensibilisierung zu diesem
Thema.
Nach der Ausbildung ­werten
die Trainer das Geschehene im
Detail mit den Soldaten aus. Bei
den Diskussionen über das Verhalten eines jeden Teilnehmers
sind unterschiedliche Meinungen ausdrücklich erwünscht.
„Die eine Lösung gibt es nicht“,
erklärt P. Die Soldaten müssen
am Ende eigenverantwortlich
und der Situation angemessen
reagieren. Die Ausbildung soll
den malischen Soldaten ermöglichen, dafür das richtige Gefühl
zu entwickeln.
Die aktuelle Lage bei Minusma
Bevor Ende August die e­ rsten
malischen Soldaten erwartet werden, durchlaufen alle Ausbilder
der unterschiedlichen Nationen
die Ausbildung. Dazu gehört
auch der respektvolle Umgang
mit Frauen bei Personenkontrollen. Nicht nur malische Soldatinnen, sondern auch ihre männlichen Kameraden dürfen Frauen
abtasten – allerdings soll das nur
mit der Rückseite der Hände
geschehen, um die Intimität der
Frau zu wahren. Denn ein Großteil der Malierinnen wird immer-
Neben der Mission EUTM Mali im Süden des Landes agiert im
Norden Malis die UN-Mission Minusma. In der Region herrschen
Unruhen – in den vergangenen Wochen sind mehr als 40 Menschen bei Kämpfen, Geiselnahmen und Anschlägen getötet w
­ orden.
Anfang August wurde ein Militärlager angegriffen, elf Soldaten
­starben. Einige Tage später wurde ein Hotel gestürmt und ­mehrerer
Geiseln genommen. 17 Menschen, darunter acht Mitarbeiter der
UN und malische Soldaten, wurden dabei erschossen. Zu b­ eiden
Taten bekannten sich islamistische Rebellengruppen. Rund um die
nordöstliche Stadt Kidal haben UN-Blauhelmsoldaten eine Sicherheitszone errichtet, um Kämpfe von der Stadt fernzuhalten. Es wird
geprüft, ob die Bundeswehr ihren Einsatz ausweitet. ­Bisher sind
zehn deutsche Soldaten an Minusma beteiligt. Es können aber bis
zu 150 Soldaten entsandt werden.
Afghan Leader
Neuer Director
NLAT im Kosovo
Alles im Blick: Hauptmann H. und Hauptfeldwebel K. am Haupttor.
„Dadurch müssen wir ständig auf
neue Situationen und Probleme
reagieren. Das macht den Auftrag
sehr abwechslungsreich.“
Sie sind für die taktische Führung der Ortskräfte an der „First
Line“ des Haupttors, sowie
für deren Verwaltung zuständig.
„Wenn es Probleme am Tor oder
bei den Personenkontrollen gibt,
sind wir zur Stelle, um die Afgha­
nen zu unterstützen“, erklären die
beiden Soldaten.
Eine Hauptaufgabe für die
Wachmannschaft ist die sogenannte Patientenübergabe. Ver-
letzte Afghanen werden häufig
im Lazarett des Camp ­Marmal
medizinisch versorgt. Im Bereich
des Haupttores werden sie – aus
Sicherheitsgründen – aus zivilen
Krankenwagen in einen Beweglichen Arzttrupp umgeladen.
Bevor sie dann versorgt werden
können, werden sie aber noch
auf Sprengfallen und ähnliche
Gefährdungen für die Soldaten
im Lager kontrolliert.
Die beiden Beelitzer ­Soldaten
pflegen den Kontakt zu ihren
afghanischen Kollegen und
­lernen durch ihren Einsatz sehr
viel über deren Kultur. Oft
­werden sie von ihren anvertrauten Guards zum Essen in
das kleine Wachlokal am Tor
eingeladen. Bei Safranreis und
Hammelfleisch erfahren sie
dann so manches über die Menschen und deren Familien in
Afghanistan.
(lin)
Foto: Bundeswehr
Mazar-e Sharif. Das deutsche
Feldlager in Mazar-e Sharif wird
schon seit Jahren durch afghanische Wachen gesichert. Am
Haupteingang des Camps durchsuchen sie Fahrzeuge und Personen. Zwei Soldaten des Logistikbataillons 172 aus Beelitz führen
die 220 Guards und Sprachmittler. Sie sind die „Afghan Leader“.
Hauptmann Patrick H. und
Hauptfeldwebel Martin K. beginnen ihren täglichen Dienst jeden
Morgen mit den aktuellen Lage­
informationen und notieren sich
die neuen Alarm-Codes. Sobald
sie ihren Arbeitsplatz am Haupttor betreten, endet die tägliche
Routine.
„Wir sind im Grunde wie eine
kleine Kompanieführung für die
220 Wachen und Sprachmittler,
die im Feldlager arbeiten“, sagt
der Hauptfeldwebel. „Und das
mit zwei Mann“, fügt H. hinzu.
Foto: Bundeswehr
Zwei deutsche Soldaten führen afghanische Ortskräfte im Camp Marmal.
Prizren. Brigadegeneral ­Werner
Haumann hat in der ­vergangenen
Woche die Führung über das
NATO Liason and Advisory
Team (NLAT) an ­Brigadegeneral
Stefan Linus Fix übergeben. Haumann führte das Verbindungsund Beratungs­team aus 14 Nationen acht Monate lang. Das Team
unterstützt mit 35 Soldaten und
zivilen Mitarbeitern die Kosovo
Security Force (KSF) beim Aufbau und der Weiterentwicklung
ihrer Fähigkeiten. Formell ist
das Team nicht Bestandteil von
KFOR, allerdings unterstützt es
die Mission. Ziel ist es, die Region
zu stabilisieren und ein friedliches
Kosovo zu schaffen.
(eb)
6
aktuell Bundeswehr
aktuell 7
Im Anflug
Foto: Hannemann/RedBw (5), Engler/Bundeswehr (3), Dorow/Bundeswehr (1); Grafik: Nothing/RedBw
Multinationale Luftlandeübung „Swift Response“:
5000 Soldaten aus elf Nationen stellen ihre
Schlagkraft unter Beweis.
Aus Polen nach Hohenfels: Leutnant Paulina Lambucka Vor dem großen Sprung: Ein deutscher Soldat weist ­einen Nach der Landung: Die Soldaten müssen ihre Fallschirme Am Boden: Deutsche Fallschirmjäger sammeln sich nach Der Kampf beginnt: Die Fallschirmjäger sollen jetzt eine Luftfracht: Auch Material wird per Fallschirm in die Drop Zone
bereitet ihre Ausrüstung vor.
polnischen Kameraden ein.
innerhalb kürzester Zeit bergen.
dem Sprung, jetzt beginnt der eigentliche Auftrag.
Angriffszone nehmen.
­ erbracht – Punktlandung.
v
von Markus Tiedke
Hohenfels. Ein sonores Dröhnen liegt über dem Feld, fünf
C-130 „Hercules“ ziehen in 240
Metern Höhe heran. In Sekunden
werden Dutzende Fallschirm­
jäger abgesetzt. Der Himmel verdunkelt sich.
An ihren T-11 Schirmen sinken die Amerikaner herab.
Kurz darauf folgen ihnen deutsche, polnische und niederländische Soldaten an deutschen T-10
Rundkappen. Immer wieder fliegen die Transportflugzeuge an.
Zum Schluss springen die ­Briten.
Insgesamt gehen gut 600 Soldaten mit der ersten Welle in die
Drop Zone. Am Boden bergen
die Soldaten ihre Schirme, sammeln zugweise.
Schnell und
schlagkräftig
Die Aufstellung schlagkräftiger,
multinationaler Eingreifkräfte, die
innerhalb weniger Stunden und
Tage verlegbar sind, um mit ihrer
schnellen Reaktionsfähigkeit die
Bündnispartner in Krisensituationen zu unterstützen – darum
geht es bei „Swift Response“.
Unter der Leitung der US-amerki­
anischen 82. Luftlandedivision
nimmt auch die Division Schnelle
Kräfte (DSK) mit der ihr unterstellten Luftlande­brigade 1 teil.
Kaum liegt die Drop Zone
wieder ruhig da, schwebt eine
„Transall“ über die nördliche
Platzgrenze, bringt Material.
Vom deutschen Combat Control Team am Boden eingewiesen,
wirft die Crew die Last in zwei
Anflügen punktgenau im Ausziehverfahren ab. Nach dem Bergen des ­Materials folgt die zweite
Welle: Hunderte Fallschirme öffnen sich.
Angriffszone
nehmen
Insgesamt werden rund 1500
Soldaten abgesetzt. Darunter
die Task Force „Cerberus“. Der
­Gefechtsverband setzt sich aus
drei Nationen zusammen: Deutsche, Niederländer, Polen. Ihr
Auftrag: Nach dem Sprung sollen
sie eine Angriffszone nehmen,
dort die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass alliierte Truppen mit Hubschraubern landen
können. Die Maschinen müssen
betankt werden, dann Munition
aufnehmen, um Folgeaufträge
durchführen zu können. Zeitansatz für die Task Force „Cerberus“: ein Tag.
Während die zweite Welle
anlandet, haben die Fallschirmjäger der ersten Welle bereits
Feindkontakt. In den Wäldern
rund um die Landezone sichert
die polnische Kompanie eine
Flanke, während die deutschen
und niederländischen Soldaten
der Task Force „Cerberus“ über
etliche Kilometer in schwierigem
Gelände auf das befohlene Ziel
vorrücken. Immer wieder kommt
es zu Feuergefechten, bis in den
Abend. Leuchtmunition erhellt
das Areal für einige Sekunden,
dann fällt wieder alles in Dunkel­
heit zurück, nur das Mündungsfeuer verrät die Position der
Schützen. Erst gegen halb zehn
wird es ruhiger. Nur noch vereinzelt ist das Feuer von Infanteriewaffen zu hören, dann ist es still.
Aber nicht lang.
Am nächsten Morgen wird
ein niederländischer Oberstleutnant im binationalen Gefechtsstand mitteilen, dass die Deutsch-­
Niederländische Kompanie das
Angriffsziel am Abend wie
befohlen genommen hat. Ein
Ziel ist erreicht. Nicht mehr und
nicht weniger. Aber es ist – ungeachtet der Schwierigkeiten – der
Beweis für die Einsatzfähigkeit
und Inter­operabilität des trinationalen Gefechtsverbands „Cerberus“ im Verbund mit den Kräften
der A
­ merikaner, Briten und Italiener. Tatsächlich üben die Fallschirmjäger der Luftlandebrigade
1 schon geraume Zeit mit ihren
niederländischen Kameraden der
11. Luchtmobielen Brigade, die
seit vergangenem Jahr ebenfalls
der DSK untersteht. Die intensive
Einbindung polnischer Kameraden ist indes ein Novum.
Probleme ehrlich
bewerten
Freies Feld: Nach der Landung
müssen die Soldaten zügig
­Deckung suchen.
Oberstleutnant Andras Wiechert, Leiter des Heeresverbindungstabs 18 und Verbindungsoffizier beim 18.
US-amerikanischen Luftlandekorps, wünscht sich für die
Zukunft eine deutliche Intensivierung der Kooperation mit
den NATO-Partnern und insbesondere den US-Amerikanern.
„Wir müssen Bündnisfähigkeit
demonstrieren“, sagt Wiechert
mit Blick auf „Swift Response“.
Die Großübung sei seit langer
Zeit die erste Gelegenheit, um
in dieser Größenordnung mit den
Amerikanern zu üben. „Das ist
ein wichtiger Testlauf, der uns
zeigt, wo wir zusammenarbeiten können und wo wir künftig
Fähigkeiten bündeln sollten, um
Synergien zu schaffen.“ Im Zuge
der Übung erkannte Probleme
der Interoperabilität müssten
ehrlich bewertet werden, so der
Fallschirmjägeroffizier. Nur so
könnten Verbesserungen erreicht
werden.
Ein gelungenes Beispiel für
professionelle Zusammenarbeit
bieten kurz vor Beginn der Luftlandung deutsche Fallschirm­jäger
mit erweiterter Grundbefähigung
im Zusammenwirken mit Rangern des US-amerikanischen
75. Ranger Regiment und spezialisierten italienischen Kräften.
An der Nordseite der Landezone
kämpfen sie eine von gegnerischen Kräften besetzte Ortschaft
frei, setzen zwei Rädelsführer
fest und führen diese zur späteren Befragung mit. Anschließend
verlassen die Einsatzkräfte mit
zwei britischen CH-47 Chinook
und einer amerikanischen CV-22
Osprey den Bereich. Noch bis
zum Ende des Monats werden
bis zu 5000 Soldaten aus elf
NATO-Staaten auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels ihre
Fähigkeiten und ihre hohe militärische Professionalität unter
Beweis stellen.
Aktuelle Informationen zur laufenden Übung „Swift Response“
auf www.bundeswehr.de.
„Swift Response“ in Kürze
•
Größte multinationale NATO-Luftlandeübung
in Europa seit Mitte der 1990er Jahre.
•
Die Übung findet in Bulgarien, Deutschland,
Italien und Rumänien statt.
•
Bis zu 5000 Soldaten aus elf NATO-­Staaten
unter US-Führung (Bulgarien, Deutschland,
Frankreich, Griechenland, Großbritannien,
­Italien, Niederlande, Polen, Portugal, ­Spanien,
Vereinigte Staaten von Amerika).
•
Ziel: Fähigkeiten für schnelle Luftlande­
operationen unter Beweis stellen.
•
Herausforderung: Multinationale Koordinierung über mehrere Ebenen hinweg (siehe
Kasten unten).
Unterstellung der Task Force „Cerberus“
Die besondere Komplexität der Übung liegt in der
Größe und Verflechtung der ­multinationalen Truppenteile. Am Beispiel der deutschen ­Einheiten wird
deutlich, dass die Befehle von US-Kommando-
einheiten kommen und mit ­Niederländern und
Polen umgesetzt werden müssen. Der Koordinierungsaufwand ist auch für geübte NATO-Truppen sehr hoch.
XVIII
Das Corps entsendet die 1st
Brigade der 82nd Airborne
­Division als Großverband zu
„Swift Response“. Die Brigade
agiert als Task Force „Devil“.
In der MNTF „Cerberus“ dienen 630
deutsche ­Soldaten
des 31. FJgRgt
neben einer niederländischen Kompanie der 11. Luchtmobielen Brigade
aus ­Schaarsbergen
(150 Soldaten) und
einer Kompanie
Fallschirmjäger aus
Polen (170 Soldaten).
Die Übung wird durch das XVIII
A
­ irborne Corps der US-Streitkräfte
geführt. ­Dieses ist in Fort Bragg in
North Carolina (USA) stationiert.
­Während „Swift Response“ bildet das
Corps die Task Force „Dragon“.
Der Division ist die Multi­nationale Task
Force „Cerberus“ unterstellt. Das Kommando führt die deutsche Luftlandebrigade 1 mit dem Fallschirmjägerregiment 31 aus Seedorf.
(+)
(+)
aktuell bundeswehr
Foto: Schott/Bundeswehr
A400M fliegt nach
Kanada und Afrika
Wunstorf. Das Lufttransport­
geschwader 62 ist am vergangenen
Dienstag mit dem A400M nach
Afrika aufgebrochen. Hinter­grund:
Die weltweite ­Einsatzprüfung der
Maschine. Bei dem Nonstop-Flug
transportierte der A400M elf Tonnen Hilfsgüter. Wenige Tage zuvor
hatte die Crew den ersten transatlantischen Flug abgeschlossen.
Nach Zwischenlandung in Eindhoven ­überflog die Maschine mit
8,5 Tonnen Fracht den Atlantik
und landete in Halifax in Kanada.
Von dort ging es zur Navis Air
Force Base in F
­ lorida und anschließend von Washington D.C. aus und
mit Zwischenstopp auf den A
­ zoren
zurück nach Deutschland. Die Tour
dauerte knapp eine Woche. (afl)
Foto: Oliver Arning
Soldatentag im
Moviepark
Bottrop. Unter dem Motto „Wir
sagen Danke!“ hat die Bundeswehr-Kameradschaft kürzlich
gemeinsam mit ­verschiedenen
Verbänden, Organisationen
und Stiftungen den Soldatentag im Movie Park Germany in
Bottrop-Kirchhellen veranstaltet.
Von den knapp 12 000 Tagesgästen kamen circa 3500 aus dem
Bereich der Bundeswehr. Mit
einem Biwak auf dem Gelände
des Dorstener Schützenvereins
fand der Tag einen stimmungsvollen Ausklang.
(oa/ad)
31. August 2015
Staub, Dreck
und viel PS
In Berlin üben Feldjäger anspruchsvolle
Fahrtechniken auf dem Motorrad.
von Dina Krüger
Berlin. Es knattert, es staubt.
Sechs grüne Motorräder rasen
über den Asphalt und bremsen
aus Geschwindigkeiten von bis
zu 160 Kilometern pro Stunde
bis zum Stehen ab. Adrenalin pur
für die Fahrer.
Oberfeldwebel Marcel Hoppe
aus dem Feldjägerregiment 1 ist
einer von ihnen. Der einsatzerfahrene Soldat fährt bereits zum
vierten Mal mit. „Auch wenn es
schon einige Stürze gab, macht
es Spaß und vermittelt hilfreiche Fahrtechniken“, sagt der
26-­Jährige. Zu seinen alltäglichen
Aufgaben gehören KFZ-Kontrollen, Streifendienst oder die Absicherung von Gelöbnissen zum
Beispiel vor dem Bundestag in
Berlin.
Um die vielfältigen A
­ ufgaben
souverän meistern zu können,
gibt es Fahrsicherheitstrainings.
Sie finden sowohl auf dem
Asphalt, als auch im Gelände
statt. Der Einsatzort der Feld­
jäger beschränkt sich schließlich
nicht nur auf die Straße.
Für die ersten zwei Tage sind
Oberfeldwebel Marcel Hoppe
und seine Kameraden auf der
Start- und Landebahn der
Kaserne in Gatow gefahren, um
dort Gefahrenbremsung, Ausweichen vor Hindernissen und
Geschicklichkeitsübungen, wie
Slalom fahren, zu trainieren. Am
dritten Tag wird auf dem Stand-
bundeswehr.
Foto: JEWCS
www.youtube.com/
Konzentration: Die Feldjäger warten auf den Start der Übung.
Der Beitrag „Fahrsicherheitstraining“
unter www.youtube.
com/bundeswehr.
Vollgas: Mit Geschwindigkeit und Balance geht es durch die Pfütze.
Der Joint Electronic Warfare Core Staff ist Dreh- und Angelpunkt vieler NATO-Übungen.
Dieser Informationsfilm aus
dem Jahr 1969 gibt einen kleinen Einblick in die Ausbildung der Starfighterpiloten
in den 1960er Jahren. Alle
rund 2000 Starfighterpiloten
der Luftwaffe und der Marine
haben auf der Luke Air Force
Base in Arizona (USA) ihre
Flugzeugführer- und Waffenausbildung durchlaufen.
in den USA“ unter
Schotter: Der Untergrund ist eine besondere Herausforderung.
Der simulierte Feind
Bw Classix
Der Beitrag „Piloten
ortübungsplatz in der Döberitzer
Heide durch Sand, über Schotterwege und durch Matsch gefahren.
Wer zu langsam anfährt, bleibt in
der Pfütze stecken. Die Übungen
sind durch den Deutschen Verkehrsrat vorgegeben – und sie
sind nicht ohne.
Stabsfeldwebel Thomas
Schaumburg ist seit fünf J­ ahren
sogenannter Instructor. Er ist
locker und dennoch konzentriert beim Training. Der Feldjäger erklärt seinen Schützlingen
die einzelnen Übungen und versucht, eventuelle Angst zu nehmen. „Ein gesunder Respekt vor
der Übung gehört dazu. Ab und
zu fühlt es sich an wie in der
Fahrschule“, sagt er.
Keiner wird allein gelassen und jedem wird, zum Beispiel beim Wiederaufstellen der
Maschine, geholfen. Die enge
Kameradschaft, die die Feldjäger
auszeichnet, ist auch hier deutlich zu sehen. Lockere und neckische Sprüche kommen dumpf
aus den Helmen. Das Lächeln ist
nur über die Augen zu erkennen,
aber die strahlen. Im nächsten
Jahr wird Hoppe wieder mitfahren und an seinen Fahrtechniken feilen.
Foto: Neumann/RedBw (3)
8
Im Visier der „Mallina“: Eine
­polnische C-130E „Herkules“.
Yeovilton. Sie sind die Experten
der elektronischen Kampfführung.
Sie können Radarsysteme beeinträchtigen und fiktive Einheiten
darstellen. Auf diese Weise assistiert der Joint E
­ lectronic Warfare
Core Staff (JEWCS) den Mitgliedern der NATO auf allen Führungsebenen.
Die Soldaten des JEWCS agieren von Schiffen aus und stören
Kommunikations- und Aufklärungsmittel von See- und Lufteinheiten. Landgebunden nutzt
der JEWCS Systeme, die auf militärischen Versionen des Land­
rover Defenders installiert sind.
Mit seinen Möglichkeiten hilft
der Verband neben den Landund See-, auch Lufteinheiten
bei Übungen. Helikopter und
Transportflugzeuge trainieren
mit dem System „Mallina“, infrarotgelenkten Raketen auszuweichen. Einheiten mit Jets nutzen zumeist das System ShoRAD
(Short Range Air Defense), um
die Bedrohung einer feindlichen
Radarstellung zu simulieren und
Gegenmaßnahmen zu trainieren.
Eine weitere Aufgabe der
elektronischen Truppe ist die
Verwaltung von Datenbanken.
Die Mitglieder des atlantischen
Bündnisses speisen dort Informationen der weltweit bekannten
Radarsysteme ein. Mit Hilfe dessen können die Soldaten bereits
bekannte Radaranlagen anhand
ihrer Merkmale identifizieren.
Die Experten der Abteilung
Policy und Doctrine Section
l­ iefern NATO-Führung und -Mitgliedsstaaten Konzepte zur elektronischen Kampfführung. Auf
Konferenzen beantworten sie
­Fragen zum Thema und planen die
bevorstehenden Vorhaben detailliert mit den Bedarfsträgern. Mit
ihrem Know-how unterstützen die
Soldaten im sogenannten Monitoring außerdem laufende Operationen des Bündnisses. Ihr Fachwissen ist für den Planungsprozess
impulsgebend.
In den 1980er Jahren gründete die NATO den Verband,
um ihre Fähigkeiten im Bereich
der elek­tronischen Kampfführung zu optimieren. (kw)
Mehr über JEWCS unter
www.bundeswehr.de.
31. August 2015 innere Führung / Militärgeschichte aktuell 9
Das Drama zur Posse
Vor 85 Jahren: Carl Zuckmayer schreibt das Stück „Der Hauptmann von Köpenick“ – und trifft damit den Nerv der Zeit.
Kritik am
Obrigkeitsstaat
Am 5. März 1931 erlebt das
„deutsche Märchen in drei Akten
unter tosendem Applaus seine
Premiere am Deutschen ­Theater
bieten die N
­ ationalsozialisten das
Stück mit sofortiger Wirkung.
Zuckmayer belegen sie mit einem
Aufführungsverbot, woraufhin er
1938 auswandert.
Wiederauferstehung
nach dem Krieg
Foto: dpa/pa (2)
Foto:
Geschichte. „Ein als Haupt­
mann verkleideter Mensch führte
gestern eine von Tegel kom­
mende Abteilung Soldaten nach
dem Köpenicker Rathaus, ließ
den Bürgermeister verhaften,
beraubte die Gemeindekasse und
fuhr in einer Droschke davon.“
So berichtete es die Berliner Täg­
liche Rundschau vom 17. Ok­to­­ber
1906. Eine Posse ­sondergleichen,
die das ganze Deutsche Reich
– inklusive Kaiser Friedrich
­Wilhelm – amüsiert. Und auch
über die Reichsgrenzen hinweg
stoßen die Ereignisse auf große
Resonanz: Die ausländische
Presse bewertet den unverfro­
renen Coup des Schuhmachers
Friedrich Wilhelm Voigt als
Ausdruck des Militarismus und
der tief verwurzelten Hörigkeit
gegenüber der Uniform im Deut­
schen Kaiserreich. Basierend auf
diesen Ereignissen schreibt Carl
Zuckmayer ab September 1930
das Theaterstück „Der Haupt­
mann von Köpenick“.
Für den Oscar nominiert: „Der Hauptmann von Köpenick“ aus dem Jahr 1956 von
Regisseur Helmut Käutner mit Heinz Rühmann (2.v.r.) in der Hauptrolle. Und: Der
ostpreußische Schuhmacher Friedrich Wilhelm Voigt in Hauptmannuniform (rechts).
in Berlin. Das Drama ist kein
bloßer Militärschwank, denn
im Köpenicker Rathaus agiert
der falsche Hauptmann viel zu
souverän in Truppenführung
und Befehlsgebung. Als Welt­
kriegsleutnant wusste Zuckmayer
wovon er schrieb. Das Sozial­
stück spielt unter anderem vor
dem Hintergrund trost­loser wil­
helminischer Amtsstuben und
dunkler Hinterhofwohnungen.
Vor allem ist es aber auch eine
Gesellschaftssatire mit durch­
aus tragischem Unterton, ein
Spiel von Schein und Sein und
der Wertschätzung menschli­
cher Existenz. Hier erscheint
das alte Thema „Kleider machen
Leute“ in neuem Gewande, näm­
lich in dem von „Kaisers Rock“
– ­Symbol des wilhelminischen
Obrigkeitsstaates, in dem ein
Papier, ein Pass, so Voigt, „mehr
wert is als de janze menschliche
­Konstitution.“
Das Stück
trifft den Nerv
der Zeit und entwi­
ckelt sich zu einem
beispiellosen Publi­
kumserfolg. Es ist der Streich
des modernen „Eulenspiegel“,
der Zuckmayer zufolge „einer
Zeit und einem Volk die Wahr­
heit vor Augen hält.“ Zuckmayer
liefert hier die tragiko­mische
Abrechnung mit den alten und
„herrlichen“ Zeiten. 1933 ver­
Erst nach dem Zweiten Welt­
krieg erlebt der „Hauptmann
von Köpenick“ sein Wiederer­
wachen. Der Schauspieler
Heinz Rühmann macht
1956 in der Filmver­
sion von Helmut
Kräutner das Stück
und den Haupt­
mann endgültig zur
Legende.
Friedrich Wil­
helm Voigt selbst
wird von Kaiser
Friedrich Wilhelm
begnadigt. Fortan ist
er als Vermarkter seiner
eigenen Person bis an sein
Lebensende unterwegs. 1922
stirbt er im Alter von 72 Jahren in
Luxemburg, wo er auch begraben
wird. Seinen Grabstein ziert seit
1961 eine Pickelhaube.
Autor: Kapitän zur See a.D. Dr.
Frank Ganseuer ist Historiker.
Was zusammen gehört
Geschichte. Im Sommer 1990 läuft die
bundesdeutsche Diplomatie auf Hochtou­
ren. Während mit den Besatzungsmächten
darüber verhandelt wird, ob sie bereit sind,
der deutschen Einheit zuzustimmen, orga­
nisieren die beiden deutschen Regierun­
gen die Modalitäten der Vereinigung. Am
31. August 1990 wird der deutsch-deutsche
Einigungsvertrag unterzeichnet.
Als die Bürger der Deutschen Demokra­
tischen Republik – kurz DDR – im Herbst
1989 zu Hunderttausenden auf die Straßen
gehen, demonstrieren sie in erster Linie
für ihr Recht auf freie Meinungsäußerung.
Doch erlangen sie in jenen Wochen nicht
nur ihre Würde zurück. Am 9. November
fällt mit der Berliner Mauer das macht­
vollste Repressionsinstrument der DDR.
Schon nach wenigen Tagen erklingt auf
der Leipziger Montagsdemo neben „Wir
sind das Volk“ auch der Ruf: „Wir sind
ein Volk!“ Bundeskanzler Helmut Kohl
erkennt die Gunst der Stunde. Sein Wirken
gilt in der Folgezeit dem Ziel der Wieder­
erlangung der deutschen Einheit und Sou­
veränität. Als am 18. März 1990 bei der
ersten und letzten freien Wahl zur Volks­
kammer der DDR die konservative „Alli­
anz für Deutschland“ triumphiert, ist der
Weg vorgezeichnet.
Ein erster Schritt ist die Schaffung einer
Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion
Foto: imago
Am 31. August 1990 unterzeichnen Vertreter der Bundesrepublik und der DDR den Einigungsvertrag.
Symbol der Trennung: Die Berliner Mauer 25 Jahre nach ihrem Fall.
am 1. Juli 1990. Die D-Mark wird alleini­
ges Zahlungsmittel in der DDR, die sozi­
alistische Planwirtschaft zugunsten der
sozialen Marktwirtschaft aufgegeben. Für
die Erlangung der politischen und staatli­
chen Einheit sieht das Grundgesetz zwei
Möglichkeiten vor: Eine neue gesamtdeut­
sche Verfassung nach Artikel 146 oder ein
Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des
Grundgesetzes nach Artikel 23. Letzterer
hat den Vorteil, die deutsche Einheit über
einen Staatsvertrag zügig herbeiführen,
auftretende Probleme aber später regeln
zu können. Diesen Weg beschreiten die
Verhandlungsführer.
Die am 22. Juli neu gebildeten Länder
der DDR – Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt
und Thüringen – sollen neben dem Land
Berlin in die Präambel des Grundgesetzes
aufgenommen werden. „Von dem Willen
beseelt, als gleichberechtigtes Glied in
einem vereinten Europa dem Frieden der
Welt zu dienen“, wird die Wiedervereini­
gung für den 3. Oktober 1990 beschlos­
sen. Die Bundesrepublik übernimmt das
Vermögen und vor allem die Verbindlich­
keiten der DDR und ihrer Rechtsträger.
Nach siebenwöchigen Verhandlun­
gen unterzeichnen Bundesinnenminister
­Wolfgang Schäuble und Günther Krause,
Parlamentarischer Staatssekretär der DDR,
am 31. August 1990 den Einigungsver­
trag. Das fast 1000 Seiten umfassende
Werk regelt unter anderem den Verbleib
der Stasi-Akten auf vormaligem DDR-­
Gebiet und trifft zahlreiche Übergangsre­
gelungen. Der Föderalismus samt Länder­
finanzausgleich muss ebenso organisiert
werden wie eine Neuordnung der Eigen­
tumsverhältnisse in den neuen Ländern.
Berlin wird zwar Hauptstadt. Die Frage
nach dem zukünftigen Sitz von Parlament
und Regierung aber vertagt man.
Am 20. September wird der Einigungs­
vertrag sowohl von der Volkskammer
als auch vom Bundestag angenommen.
Nachdem auch die USA, die Sowjet­
union, Großbritannien und Frankreich in
den sogenannten Zwei-plus-Vier-Verhand­
lungen zustimmen, kann in der Nacht zum
3. Oktober 1990 die Deutsche Einheit voll­
zogen werden.
Autor: Thomas Heil ist Historiker.
10 aktuell sport
31. August 2015
Aller guten Dinge sind fünf
EM-Gold für
Brauchle und Drewell
Der militärische Fünfkampf überrascht mit Abwechslung und Vielseitigkeit.
Foto: imago
Kanuten formstark
bei der WM
Kanu. Die Kanuten der Bundes­
wehr haben bei den Weltmeisterschaften in Mailand zu ihrer
gewohnten Stärke zurückgefunden. Am meisten Grund zum
Jubeln hatte dabei Hauptgefreiter Steffi Kriegerstein (Foto
rechts). Die 22-jährige Dresdnerin sicherte sich zusammen
mit Sabrina Hering im Z
­ weierKajak die Goldmedaille über
1000 Meter und Bronze über 200
Meter. Zu zwei weiteren Bronze­
medaillen paddelte Oberfeld­
webel Tina Dietze. Die Athletin
der Sportfördergruppe Frankfurt (Oder) landete sowohl im
Zweier-Kajak als auch im Vierer-­
Kajak über die olympischen
500 Meter auf dem dritten Rang.
Bei den Männern sicherte sich
Hauptgefreiter Tom Liebscher
die Silbermedaille im Einer auf
der 500-Meter-Strecke.
(sr)
Gewinnauslosung
aktuell 31/2015
Jeweils eine Blu-Ray „Die
Mannschaft – Ein Ziel. Ein
Wille. Ein Team.“ gewinnen
Ramona Vogel und Karin
Maul. Über die beiden DVDs
können sich Stefan Schönbeck
und Rüdiger Wiese freuen.
Herzlichen Glückwunsch!
Weibliche
Verstärkung
Das Besondere für die Sportler aus Bayern ist, dass sie mit
Schütze Annika Seefeld erstmals seit vielen Jahren wieder
eine Frau in ihrer Mannschaft
haben, die im Wettkampf an den
Athleten treten immer gleichzeitig auf der 500 Meter langen
Strecke an. Nach einem furiosen
Lauf mobilisiert Stabsunteroffizier Damian Rauch im Zielsprint
noch einmal alle Kräfte. Auf den
letzten Metern kann er seinen
Gegner noch überholen. ­Völlig
erschöpft wird er von
seinen Kameraden
im Ziel gestützt.
Mit zwei Minuten
und 22 Sekunden
stellt er eine neue
persönliche Bestleistung auf.
Mach mit!
Die militärischen Fünfkämpfer freuen
sich über Bewerbungen von ehrgeizigen
­Soldaten mit Lust an der vielseitigen Sportart. Anforderungen für Männer: 5000 Meter
Laufen unter 18 Minuten; 50 Meter Schwimmen unter 35 Sekunden. Für Frauen: 4000 Meter
Laufen unter 16:30 Minuten; 50 Meter Schwimmen
unter 37 Sekunden. Interessenten können sich bei der
Sportfördergruppe Neubiberg für eine Sichtungs­
woche m
­ elden (Tel.: 089 6004 2862; EMail:
[email protected]).
zufrieden“,
erklärt er.
„Sie hat großes Potenzial.“
Der zweite und spektakulärste
Wettbewerb ist die Hindernisbahn. Bei der Königsdisziplin
erwarten die Soldaten 20 verschiedenen Hindernisse, die bis
zu fünf Meter hoch sind. Zwei
Danach
geht es zur nächsten Herausforderung – dem Hindernisschwimmen. Die 50 Meter lange
Schwimmbahn ist gespickt mit
vier Hindernissen, die die Sportler untertauchen oder überklettern müssen. Der Weltrekord
bei den Männern liegt bei 23,8
Sekunden, die Bestmarke der
Frauen bei 27,6 Sekunden.
Sport und
Militär vereint
Die vorletzte Disziplin ist die
militärischste: Hier gilt es, ein
400 Gramm schweres Wurfgeschoss, das einer Handgranate
ähnelt, möglichst genau in Zielkreise über Distanzen zwischen
15 und 35 Metern zu werfen.
Dabei macht sich die große Erfahrung der deutschen Sportsoldaten bezahlt. Mit durchweg
guten Ergebnissen
sichern sie sich
eine gute Ausgangsposition
für den nachfolgenden CrossLauf. Bei diesem Wettkampf
ist Oberfeldwebel
Andrej Sonnenberg
eine bewährte Größe. Er
läuft die acht Kilometer bei tropischen 32 Grad in 27:30 Minuten.
Auf die Gesamtwertung können die Neubiberger Sportler
stolz sein: Sie belegen den sechsten Rang von 15 Nationen.
„Das ist für uns ein starkes
Ergebnis“, freut sich Trainer
Böttger. „Der Wettkampf hier
in Wien ist für uns eine super
Generalprobe für das nächste
Großereignis: Die Militärweltmeisterschaft in Südkorea.“ Dort
können sich die Sportler Anfang
Oktober mit der internationalen
Elite des militärischen Fünfkampfs messen. „Wir freuen
uns sehr darauf“, sagt Böttger.
„Daran teilnehmen zu dürfen, ist
ein Privileg für jeden Soldaten.“
Bronze im Vogelnest
Gesa Felicitas Krause holt in Peking die erste deutsche WM-Medaille über 3000 Meter-Hindernis.
Peking. Hauptgefreiter Gesa
Felicitas Krause schüttelte immer
wieder ungläubig mit dem Kopf,
schüchtern schaute sich die
23-Jährige nach ihrem historischen Lauf zu WM-Bronze im
3000 Meter-­Hindernisrennen im
riesigen „Vogelnest“-Stadion von
Peking um und wirkte fast ein
bisschen verloren.
Doch dann traute sich die
Frankfurterin doch noch auf die
Ehrenrunde, schnappte sich eine
Deutschlandfahne und ließ sich
feiern. „Ich bin überglücklich. Das
sind Momente, von denen man
sein Leben lang träumt, die sich in
harten Trainingseinheiten im Kopf
abspielen“, sagte Krause. Mit der
persönlichen Bestzeit von 9:19,25
Foto: imago
Reiten. Sportsoldaten haben
bei der Europameisterschaft
im Reiten zwei Goldmedaillen
gewonnen. Obergefreiter J­ annis
Drewell siegte in Aachen im
Voltigier-Wettbewerb mit seinem Pferd „Diabolo“. Bei dem
deutschen Dreifacherfolg verwies er die Brüder Thomas und
Viktor Brüsewitz auf die Plätze
zwei und drei. Stabsunteroffizier (FA) Michael Brauchle entschied das Finale der Geländeprüfung im Viererzugfahren für sich.
Der 25-Jährige holte sich gemeinsam mit Christoph Sandmann und
Georg von Stein zudem Silber in
der Mannschaftswertung. (sr)
Wien. Konzentriert schaut
Hauptfeldwebel Martin Scherer
durch die Zieloptik seines Einzellader-Sportgewehrs. Schweiß­
perlen stehen dem S
­ portsoldaten
auf der Stirn, während er im
­Liegen die 200 Meter entfernte
Ringscheibe anvisiert. Seine
Atmung wird immer ruhiger
– dann der Schuss: Volltreffer
in die Zehn. Doch noch muss
er neun weitere Präzisionsschüsse in zehn Minuten abfeuern. Danach folgen zehn Schüsse
Schnellfeuer in einer Minute.
Scherer gehört zu
einem Team von
fünf Soldaten
der Sportfördergruppe Neubiberg, die vor den
Toren Wiens an
einem internationalen Wettkampf
im militärischen Fünfkampf teilnimmt.
Das Schießen ist der erste von
fünf Wettbewerben. Hindernislauf, Werfen, Hindernisschwimmen und Geländelauf komplettieren den Pentathlon. Mit diesen
exotischen Disziplinen unterscheidet sich der militärische
Fünfkampf grundlegend
vom olympischen Modernen Fünfkampf.
Start geht. Die 19-jährige Läuferin ist erst vor Kurzem zum
Team gestoßen und feiert in Wien
ihr Wettkampfdebüt. „Es ist eine
besondere Erfahrung für mich,
aber die Jungs haben mich hervorragend aufgenommen und
unterstützen mich, wo sie können“, freut sich Seefeld
über den Teamgeist.
Trainer Hauptfeldwebel Andre Böttger will sie nicht
mehr hergeben:
„Ich bin mit ihrer
Entwicklung
s e h r
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Foto
Foto: dpa/pa
von Tim Becker
Stahlend vor Glück: Gesa Felicitas Krause bei ihrer Ehrenrunde.
Minuten lief sie am vergangenen
Mittwoch hinter der Kenianerin
Hyvin Jepkemoi und der Tunesierin Habiba Ghribi ins Ziel und
holte damit die erste deutsche
WM-Medaille über diese Strecke.
Die EM-Dritte von 2012 lief
von Beginn an ein couragiertes
Rennen und zeigte sich immer
wieder frech an der Spitze. Auch
von einigen Tempoattacken der
Konkurrenz ließ sie sich nicht
beeindrucken. Auf der Zielgeraden lag Krause sogar kurz in
Führung. „Am letzten Wassergraben habe ich kurz gedacht,
das könnte sogar Gold werden“,
sagte sie: „Aber am Ende hatten
die anderen zu lange Schritte.“
So schoben sich Jepkemoi und
Ghribi doch noch an der zierlichen Sportsoldatin vorbei.
Bereits vier Tage zuvor hatte
Stabsunteroffizier (FA) C
­ hristina
Schwanitz die Goldmedaille im
Kugelstoßen gewonnen. Die
29-jährige Dresdnerin verwies
die Lokalmatadorin Gong Lijiao
auf den zweiten Platz. Nach
­Astrid Kumbernuss ist sie erst
die zweite deutsche Weltmeisterin im Kugelstoßen. (sid/sr)
31. August 2015 Soziales / Personal aktuell 11
Wenn alle an einem Strang ziehen
Die Erwartungen an den Arbeitgeber Bundeswehr sind genauso vielfältig wie die Bewerber selbst.
von Sebastian Wanninger und
Ulrike Jenssen
Ein authentisches
Bild der Bundeswehr
In den Gesprächen mit den
jungen Interessenten sei es ihm
wichtig, immer ein authentisches
Bild der Bundeswehr zu zeich­
nen. „Das heißt auch die unange­
nehmen Themen, wie Trennung
von der Familie, Auslandsein­
sätze, Tod und Verwundung
anzusprechen“, sagt Kopahnke.
Der Karriereberater hat selbst
viel erlebt und einen bewegten
Foto: Wanninger/Bundeswehr
Wittenberg. „Die Bundeswehr
bietet viel gute ­Karrierechancen,
ist aber auch ein Arbeitgeber mit
ganz besonderen Herausforde­
rungen.“ Als Leiter des Karri­
ereberatungsbüros Wittenberg
hat es sich Leutnant Christian
Kapahnke zum Ziel gesetzt junge
Menschen offen, ehrlich und
transparent über ihre Karriere­
möglichkeiten bei der Bundes­
wehr zu informieren.
Blick in die Zukunft: Die jugendlichen Interessenten setzen sich mit dem Soldatenberuf auseinander.
Werdegang. Als Grundwehr­
dienstleistender ist er in die Bun­
deswehr eingetreten und hat sich
innerhalb dieser Zeit für die Unter­
offizierlaufbahn beworben. „Vor­
her dachte ich nicht, dass die Bun­
deswehr für mich eine langjährige
Option ist“, sagt Kapahnke. „Als
ich dann aber erst einmal einen tie­
feren Blick in den Soldatenberuf
hatte, änderte sich dies schnell.“
Mittlerweile ist er aus der Unter­
offizierlaufbahn in die Offizier­
laufbahn gewechselt und hat sich
als Berufssoldat ein Leben lang
­verpflichtet.
Er spricht aus persönlicher
Erfahrung, wenn er jungen Inte­
ressenten von der Vielfalt und den
Aufstiegschancen bei der Bun­
deswehr berichtet. „­Wichtig sind
mir deshalb auch die persönlichen
Gespräche mit den jungen Men­
schen“, so der Leutnant. „Denn
unsere Beratung ist immer indi­
viduell auf jeden Einzelnen aus­
gerichtet. Jeder kommt mit einem
anderen Lebenslauf, anderen Vor­
stellungen und Voraussetzungen
zu uns.“
Alles für den Traum
Foto: Baasen/Bundeswehr
Wilhelmshaven. Bootsmann
Hendrik Schweizer sitzt an sei­
nem Schreibtisch. Vor ihm lie­
gen große Stapel mit Unterlagen
von Bewerbern. Der Marinesol­
dat arbeitet im Karrierecenter
der Bundeswehr in Wilhelms­
haven. Hier teilt er den Bewer­
bern die Ergebnisse ihrer Einstel­
lungsgprüfungen mit und plant
mit ihnen gemeinsam ihre künf­
tige Karriere bei der Bundeswehr.
Zu Beginn seiner Dienstzeit
sahen seine Pläne noch ganz
anders aus. 2012 trat Schwei­
zer seinen Dienst als Offizier­
anwärter bei der Marine an und
absolvierte anschließend sei­
nen ­Offizierlehrgang. Für ihn
war klar, dass er die Welt auf
einem Schiff der Marine berei­
sen wollte. „Zur See zu fahren,
war schon immer mein gro­
ßer Traum“, sagt der 22-jäh­
rige ­S oldat. Als ­g ebürtiger
­Wilhemshavener kennt er das
Wasser schon von Kindes­beinen
an. „Durch meine Bordpraktika
auf dem Segelschulschiff ,Gorch
Fock‘ und der Fregatte ,Emden‘
konnte ich die Seefahrt hautnah
erleben und wollte fortan nichts
anderes mehr tun“, beschreibt
der Bootsmann seine Begeis­
terung für den Arbeitsplatz auf
hoher See.
Bundeswehr und
Familie: Das geht.
Er sagt, dass es herausfor­
dernd sei, aber die Bundeswehr
im ­Rahmen der Attraktivitäts­
offensive vieles für die Verein­
barkeit von Familie und Beruf
tue. „Das sage ich auch unse­
ren Interessenten. Es funktio­
niert, wenn alle an einem Strang
ziehen: Jeder persönlich und die
Bundeswehr.“
Mit Sprit aus
der Steckdose
Hendrik Schweizer wechselte die Laufbahn, um sich seinen Traum von der Seefahrt zu erfüllen.
Sein Wunsch, an Bord eines
Marineschiffes zu dienen, wäre
jedoch fast geplatzt. 2013 begann
er sein Maschinenbaustudium an
der Helmut-Schmidt-Universität
in Hamburg. Nur ein Jahr später
fiel er zum dritten Mal durch die
Mathematikprüfung und musste
die Hochschule vorzeitig verlas­
sen. Sein Weg führte ihn anschlie­
ßend ins Karrierecenter der Bun­
deswehr nach ­Wilhemshaven.
Eigentlich war diese Station als
seine letzte Verwendung vor dem
Dienstzeitende 2015 geplant.
Schweizer, der damals noch Offi­
zieranwärter war, wollte seinen
großen Traum jedoch nicht auf­
geben. Er beantragte deshalb
einen Laufbahnwechsel. Um
doch noch zur See fahren zu kön­
nen, wollte er nun in die Feldwe­
bellaufbahn wechseln. Kurze Zeit
später schon, wurde Schweizers
Antrag genehmigt und der junge
Soldat tauschte die Schulterklap­
pen des Fähnrichs zur See gegen
die eines Bootsmanns.
Als nächstes wird er eine zivil­
berufliche Aus- und Weiter­
bildung zum Fachinformatiker
absolvieren. Danach kann seine
Karriere auf hoher See dann
endlich beginnen. „In vier Jah­
ren geht es für mich endlich an
Bord“, freut sich der 22-Jährige
auf die Erfüllung seines lang
gehegten Wunschs. (uje/fbr)
Immer häufiger begegnet
Kopahnke in seinen Beratungs­
gesprächen auch der Frage, ob
Bundeswehr und Familie über­
haupt unter einen Hut zu bekom­
men wären. „Diese Frage kann
ich aus persönlicher Erfahrung
mit einem eindeutigen ,Ja‘ beant­
worten“, sagt der Karrierebera­
ter. Er selbst hat zwei Kinder und
ist mit einer Soldatin verheiratet.
„Sie macht zur Zeit ihre Feldwe­
belausbildung in Appen. Nach
meiner Karriere ist jetzt auch mal
meine Frau an der Reihe“, so der
Offizier.
Welches Wort oder welche
Redewendung benutzen Sie zu
­häufig?
„Wat mutt, dat mutt.“
Welche Eigenschaften schätzen
Sie an einem anderen Menschen
am meisten?
Offenheit und Ehrlichkeit.
Wozu können Sie nicht „Nein“
sagen?
Wenn jemand wirklich Hilfe
benötigt.
Was wäre für Sie das größte
Unglück?
Durch einen Unfall oder ähn­
liches dauerhaft körperlich
­eingeschränkt zu sein.
Wie können Sie am besten
­entspannen?
Am Meer sitzend.
Welche lebende Person bewundern Sie am meisten?
Meinen Vater.
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Ich wäre gerne ein wenig musi­
kalischer.
Was wäre Ihre berufliche
Alternative?
Auf jeden Fall die zivile Seefahrt
im technischen Bereich.
München. Nur 19 000 Elektro­
fahrzeuge sind deutschlandweit
im Einsatz. Der Verkauf läuft
schleppend, denn die umwelt­
schonenende Technologie ist
teuer und die Angst auf halber
Strecke liegen zu bleiben bei den
Nutzern nach wie vor groß.
Wie Elektrofahrzeuge attrakti­
ver werden könnten, untersuchen
Klaus Bogenberger, Professor für
Verkehrstechnik an der Universi­
tät der Bundeswehr in München,
und sein Team. Die Forscher des
Instituts für Verkehrswesen und
Raumplanung sind am Förderpro­
gramm „Schaufenster Elektromo­
bilität“ beteiligt, das von der Bun­
desregierung gefördert wird.
Im Forschungsverbund „wiMo­
bil“ kombinieren Bogenberger
und seine wissenschaftlichen
Mitarbeiter Stefan Schmöller und
Johannes Müller Elektromobili­
tät mit Carsharing: Anhand der
Analyse von Buchungsdaten der
Carsharing-Nutzer verschiedener
Anbieter wollen sie die Nutzung
von Carsharing-Systemen ver­
stehen und die Auswirkung von
E-Carsharing auf Mobilität und
Umwelt nachvollziehen.
So lassen sich beispielsweise
Buchungsprognosen ermitteln.
Auch konnten die Forscher fest­
stellen, dass Elektrofahrzeuge
bisher ähnlich häufig gebucht
werden wie Fahrzeuge mit Ver­
brennungsmotor, allerdings für
deutlich kürzere Strecken. (eb)
Personal/Soziales
Otto persönlich
Mit „komoot“ über
Stock und Stein
App. Wer
in seiner
Freizeit
gerne auf
dem Fahrrad unterwegs ist
oder ausgedehnte Wandertouren
genießt, wird diese App lieben.
Denn mit ihr lassen sich Routen
schnell und einfach planen. Ein
genauerer Blick auf „komoot“
lohnt sich unbedingt. Die App
lotst einen nicht nur tadellos durch jeden Wald, sondern
­bietet auch sogenannte „SmartTours“ in der Umgebung an. Das
sind Touren, die andere Nutzer
bereits ausgiebig getestet und für
gut befunden haben. Besonders
praktisch ist die Möglichkeit, die
geplante Strecke auf dem Telefon
direkt zu speichern. Die Navigation ist somit auch ohne Belastung des Datenvolumes und ohne
Internetverbindung möglich.
Die App ist kostenlos. Allerdings ist die Deutschlandkarte
in mehrere Regionen aufgeteilt. Eine Region (zum Beispiel
Potsdam/Berlin) kann kostenfrei
genutzt werden.
Wer mehr unterwegs ist,
kann Einzelregionen für derzeit
3,99 Euro und Regionspakete
(beispielsweise Mittleres Oberfranken) für 8,99 Euro dazu­
kaufen. Das Kartenmaterial für
den gesamten Erdball ist für
29,99 Euro zu haben.
(mt)
015
34/2
31. August 2015
Im Otto-von-Bismarck-Jahr zeigen zwei neue Bücher die private Seite des deutschen Kanzlers.
von Andreas Müller
Berlin. 2015 jährt sich Otto von
Bismarcks 200. Geburtstag. Der
Kanzler liebte Hunde und Wälder, führte ein wildes Studentenleben und aß für sein Leben gern
– bis sein Arzt ihm Diät verordnete. Zwei Bücher wagen nun
den Blick auf den Menschen hinter dem Politiker.
Dem Otto sein Leben
von Bismarck
Der Titel wirkt ein wenig holprig, zerstückelt. Aber treffender hätte er für die Anekdotensammlung kaum gewählt werden
können. Die Historiker Ulrich
Lappen­küper und Ulf Morgenstern fügen ausgewählte Splitter aus dem Leben Bismarcks
zusammen. So entsteht auf knapp
120 Seiten gleich einem Kaleidoskop ein lebhaftes Bild belustigender, entlarvender, hauptsächlich aber interessanter Aspekte
der Bismarckschen Wesensart.
Die chronologische Zusammenstellung ist vielfältig und
nicht auf Erheiterung, sondern
auf Erkundung ausgelegt. So
erfahren wir viel über Bismarcks
Pragmatismus, als er zum Beispiel meint, Wilhelm Tell hätte
anstatt auf den Apfel auf dem
Kopf des Sohnes lieber gleich auf
den Landvogt schießen sollen,
der ihm diese Last aufgebürdet
hatte. Wir lesen auch von Zeitgenossen wie Wilhelm I., für dessen
Stärkung Bismarck eine Wurst
mitbrachte, die der Alte hocherfreut im Schreibtisch einschloss!
Der Kanzler riet, sie gleich zum
Frühstück zu servieren, worauf
der Kaiser antwortete: „Nein, das
geht nicht. Die Kaiserin ißt keine
Wurst und für die anderen ist sie
zu schade.“
Lappenküper, Ulrich / Morgenstern, Ulf: „Dem Otto sein Leben
von Bismarck“, 2015, 128 Seiten,
ISBN: 978-3-4066-7523-2,
C.H. Beck, broschiert, 9,95 Euro
Das private Leben
der Bismarcks
Die Germanistin Waltraut
Engelberg schöpft aus einem
reichhaltigen Fundus an Wissen
und jahrelanger Beschäftigung
mit dem Thema. Davon profitiert ihr 240-seitiges Werk, bei
dem der Leser dem privaten Bismarck besonders nahe kommt.
Wir lernen den liebenden Ehemann und Familienvater und
seine aufopferungsvolle Ehefrau Johanna – seinen Rückhalt
– kennen. Wir sehen, dass ihn
Musik so sehr berührt, dass er
diesem Genuss mit der Reichsgründung 1871 aus dem Weg
geht, um sich ungehindert auf die
Arbeit konzentrieren zu können.
Wir begleiten einen natur- und
hundeliebenden Landedelmann,
begeisterten Jäger und leidenschaftlichen Esser, der sich auf
den großen Porträts nie authentisch dargestellt fand. Das Buch
ist letztlich weniger große Politik,
als vielmehr Menschenkunde und
damit eine anregende Lesefreude.
Weniger ist
manchmal mehr
Es sind meist die kleineren
Dinge, die das Leben erfüllter
machen – wie die beiden vor-
Foto: Pantheon
aktuell Foto: C.H Beck
12 gestellten Bücher. Sie ergänzen sich wunderbar und bieten
selbst in ihrer Kürze ein rundes
und umfassendes Bild des Menschen Otto von Bismarck.
Engelberg, Waltraut: „Das
private Leben der ­Bismarcks“,
2014, 240 Seiten, ISBN: 9783-5705-5226-1, Pantheon,
­broschiert, 14,99 Euro
aktuell verlost drei Buch-­Pakete,
bestehend aus jeweils einem
Exemplar von „Dem Otto sein
Leben von Bismarck“ und „Das
private Leben der Bis­marcks“.
Einfach eine E-Mail mit dem
Betreff „Otto“ senden an:
­[email protected]
SUDOKU
Vi
el G
Senden Sie die vier Lösungszahlen,
lück
die sich aus den farbigen Feldern
!
ergeben, per E-Mail mit dem Betreff
“Sudoku 34/2015” und Ihrer Postanschrift an:
[email protected]
Einsendeschluss:
Sonntag dieser Woche
Der Gewinn:
Ein mobiler Bluetooth-Lautsprecher Creative D100
Lösung der Ausgabe 32/2015:
7189
Gewonnen hat:
Sabine Kreske-Scherge
Spielregeln: Füllen Sie das Raster mit den Zahlen von 1 bis 9. In jeder Zeile und jeder Spalte darf jede Zahl nur einmal vorkommen.
Zudem kommt auch in jedem 3 x 3 Feld jede Zahl nur einmal vor. Doppelungen sind nicht erlaubt.
Aus allen richtigen Einsendungen wird der Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.