im 800. Jahr des Dominikaner-Ordens am 2.2.2016 Vortrage von P

35. Ökumenisches Kommunitäten-Treffen im Hamburger Dominikaner-Konvent
im 800. Jahr des Dominikaner-Ordens am 2.2.2016
Vortrage von P. Provinzial Dr. Johannes Bunnenberg OP
zu dem Thema:
Orden als Kirche ohne Grenzen – Internationalität als Lust und Last
Hamburg ist ein passender Ort, um über Internationalität in der Kirche zu sprechen. Die
Kirche in Hamburg umfasst sehr viele Nationalitäten, hier in unserer Gemeinde an St.
Sophien kann man das auch sehen und erleben, in unserem Konvent gibt es einen Mitbruder
aus Ghana und einen aus Polen – und wenn ich Sie anschaue, sehe ich eine ähnliche Buntheit.
In einem ersten Abschnitt meines Vortrags möchte Sie mitnehmen an einige Orte, an denen
ich Internationalität erlebt habe – nicht damit Sie wissen, wo ich überall gewesen bin, sondern
damit das Thema von Anfang konkrete Bezugspunkte hat
.
1. Persönliche Erfahrungen / Spots / Szenen
a) Noviziat 1977, Fahrt nach Südfrankreich zu den Orten, wo Dominikus längere
Jahre gelebt und den Orden gegründet hat. Wir wohnen eine Woche bei den
klausurierten Schwestern in Prouilhe (zw. Toulouse und Carcassonne). Ich erlebe
ihre herzliche Gastfreundschaft, französisches Essen, „sphärischen“ Gesang. In
Erinnerung geblieben ist mir sodann ihre Art, die Klausur zu leben: Sie hatten
ihren Bereich für Gebet und Meditation, aber es gab dennoch unkompliziert
Gelegenheiten zur Begegnung.
b) 80 er Jahre des 20. Jh. Die Studenten unserer Provinz studieren an der kath.
Fakultät der Universität Fribourg in der Schweiz. Jedes Semester müssen wir zur
Ausländerbehörde, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen.
Entsprechende Gebühren sind zu entrichten, in der Schweiz nicht gerade niedrig.
Das Frühstück ist – verglichen mit deutschen Gewohnheiten - sehr bescheiden, der
Kaffee schmeckt anders. Manchmal bin ich froh, wenn ich wieder zuhause bin.
c) Ebenfalls Fribourg: Ich verabrede mich abends mit einem brasilianischen
Studenten aus dem anderen Haus. Ich warte 10 Minuten, 20 Minuten, habe ihn
schon abgeschrieben, als er 40 Minuten später als vereinbart klingelt. Kein Wort
der Entschuldigung. Es wird dennoch ein schöner Abend, aber ich brauche Zeit,
bis ich neue Versuche unternehme.
d) Noch einmal Fribourg. Begegnung mit Paul, einem jungen Dominikaner aus
Japan. Wir laden ihn ins deutsche Studentat ein. Er betet mit uns, er ißt mit uns.
Dann haben wir eine Rekreation. Er fragt, was das ist. Zusammensitzen und
Reden, vielleicht ein Bier oder einen Wein miteinander trinken. Wozu das? Er
möchte lieber gehen; er empfindet es als verschwendete Zeit. Er wird sich nie
daran gewöhnen; es bleibt ihm fremd. Das ist für ihn typisch deutsch.
e) 90 er Jahre: Flug nach Vilnius. Nach der Wende interessieren sich viele junge
Leute für den Orden. Begegnungen, Gespräche. Was bewegt sie wirklich? Es
herrscht Aufbruchsstimmung. Zugleich sehe ich problematische Bilder und
Vorstellungen vom Orden. Es ist schwierig, die Geister zu unterscheiden.
f) Besuch in Raseinei, einer Kleinstadt in Litauen. Um 10 Uhr soll der Gottesdienst
beginnen. Wir treffen um kurz nach Neun ein. In der Kirche sind nur noch wenige
Plätze frei. Gesänge füllen den Raum. Menschen knien auf dem Steinboden. Das
Vorprogramm ist so lang wie die Messfeier selbst. Was für eine Frömmigkeit!
g) 90 er Jahre: Treffen der Ausbildungsleiter in Krakau. Ein Studentat mit über 80
Studenten. Feierliche Liturgie, aber auch vielfältige pastorale Tätigkeit. Es besteht
eine enge Verbindung zu den Studierenden an der Uni. Im Kreuzgang herrscht
reges Gewusel. Es ist immer jemand in der Kirche, der Beichtstuhl den ganzen Tag
„in Betrieb“, am Grab des hl. Hyazinth finden sich häufig Verehrer. Ich erlebe
fremdartige Frömmigkeitsformen, für mich nicht immer leicht nachvollziehbar.
Andersherum spüre ich auch Skepsis. Als Deutscher werde ich schon mal schief
angeschaut: Ist der noch katholisch? Wenn es in seinem Land nur wenige
Berufungen gibt, dann muss doch etwas nicht bei ihnen stimmen. Ich bemerke
Misstrauen und Ängste gegenüber dem Westen. Ich bekomme mit: Ein deutscher
Mitbruder, der Mitarbeiter unseres Ordensmeisters ist, wird weder ins Studentat
noch ins Noviziat eingeladen. Die Sorge: er könnte Unkraut unter den Weizen
säen.
h) Düsseldorf 2007, Apollinaris-Woche. An einem Tag versammeln sich die
Ordensleute – so wie hier. Ungefähr sechzig. Wir stellen fest: Mehr als die Hälfte
der Anwesenden kommen nicht aus Deutschland. Einige können sich nur schwer
in Deutsch ausdrücken. Sie freuen sich, eingeladen zu sein.
i) Düsseldorf 2010. Ein bolivianischer Student lebt ein Jahr bei uns. Es ist mühsam
für ihn, Deutsch zu lernen. Er ist froh, dass zwei von uns Spanisch sprechen. Trotz
all unserer Bemühungen ist er im Winter manchmal ziemlich deprimiert: Es ist
kalt, es ist grau, und es geht bei uns immer nur um Arbeit.
j) Rom 2010. Ein großer Saal, 127 Delegierte. Generalkapitel. Dominikaner aus über
50 Ländern. Wir wählen einen neuen Ordensmeister. Kandidaten aus England,
Frankreich, den Philippinen, Polen, USA, Westafrika, Spanien. Die Kandidaten
stellen sich in Sprachgruppen vor. Erstaunlich, wie bald sich ein engerer Kreis
herauskristallisiert. Am Ende wählen wir einen Franzosen; danach Prozession zur
Kirche, Gebete und Gesänge, Glaubensbekenntnis, Friedensgruß. Eindrückliches
Erlebnis der Einheit des Ordens aus allen Völkern und Sprachen.
k) Januar 2013. Cochabamba, unser Studentatshaus in Bolivien. 40 Dominikaner, die
meisten unter 40 Jahre, sind in der Kapelle versammelt. Die Studenten spielen
Gitarre und Schlaginstrumente. Kräftig fallen die Stimmen aller ein. Gesang und
Rhythmus füllen den Raum bis zum Erzittern. Wir würden sagen: Da geht die Post
ab. Es geht mir durch und durch.
l) Dublin 2014. Versammlung der Provinziale Europas. Ein Mitbruder aus der
Ukraine erzählt, in welch prekäre Lage unser Haus in Jalta auf der Krim durch die
russische Besatzung geraten ist, wie die Brüder sich von heute auf morgen fremd
im eigenen Land fühlen. Was in den Nachrichten weit weg erscheint, kommt
dadurch recht nah. Beklemmung macht sich breit. Verschiedenste Reaktionen:
Unsicherheit, Angst, Zorn, Kopfschütteln.
m) Mai 2014, Jerusalem, „Ecole biblique“ – Bibelschule der Dominikaner, im
arabischen Teil der Stadt. Die Gemeinschaft ist bunt gemischt: Brüder aus
Frankreich, Vietnam, den Philippinen, der Schweiz, den USA, aus Polen,
Kolumbien. Sprachenwirrwarr. Bemühen um Verständigung. Unser Haus ist eine
Insel in Jerusalem. Wenn wir über Israel sprechen, fällt oft die Bemerkung: eine
neurotische Politik. Mein Eindruck: wir Europäer verstehen den Orient nicht.
n) Mai 2015. Priesterweihe eines Mitbruders in Budapest, anschließend Empfang und
Festessen. Ich verstehe nichts; außer Guten Tag, Danke, Bitte kann ich kein Wort
Ungarisch. Manchmal verständigen wir uns mit Gesten und freundlichem Lachen.
Und dennoch: inmitten der Schwestern und Brüder des Ordens fühle ich mich gut
aufgehoben.
Einige Beispiele, beliebig erweiterbar, subjektiv, doch es klingt an, was beim Thema
Internationalität alles mitschwingen kann. Sie werden Ihre eigenen Erfahrungen und
Beobachtungen haben. Darüber können wir im Anschluss ins Gespräch kommen. Ich möchte
jetzt etwas weiter ausholen, vom Persönlichen zum Grundsätzlichen weitergehen und über
Internationalität in unsrem Orden reden.
2. Kurzer geschichtlicher Rückblick
Unser Ordensgründer Dominikus kommt aus dem Norden Spaniens, der Hochebene
Kastiliens, erfuhr den Anstoß zur Predigtmission auf einer Reise nach Dänemark, hat mehr als
10 Jahre in Südfrankreich zwischen Toulouse und Carcassonne gewirkt, schickte die ersten
Brüder in die universitären Zentren Paris und Bologna, pflegte in den letzten Jahren seines
Lebens regelmäßig Kontakt zur Kurie in Rom. Wir dürfen daher mit Recht von einem
europäischen Heiligen sprechen. Und dieses Erbe ist dem von ihm gegründeten Orden
eingestiftet. 1216 – also vor 800 Jahren - erhält er vom Papst einen universalen
Predigtauftrag. Sehr bald versammelt er Brüder aus unterschiedlichsten Regionen Europas.
Das zweite Generalkapitel, das 1221 stattfindet – das letzte mit Dominikus als Ordensmeister
– teilt den Orden in Provinzen ein. Zu diesem Zeitpunkt gibt es bereits Provinzen in Spanien,
Frankreich, Italien, England, Ungarn, Deutschland. Es folgen Polen, Griechenland, Palästina.
Sprachlich kam man mit Latein durch. Aber regional breiteten sich bereits Volkssprachen aus.
Dies ist wahrscheinlich ein Hintergrund, weshalb eine Predigtmission des Dominikus in der
Lombardei keinen Erfolg hatte; die Leute verstanden ihn schlicht nicht.
Das Problem der Sprache wird eingefangen in einer Erzählung mit legendenhaften Zügen, die
die einzige Berührung des Dominikus mit dem deutschen Sprachraum zum Thema hat.
Dominikus begegnet bei Rocamadour deutschen Pilgern. In den Lebensbeschreibungen heißt
es:
„Auf seiner Reise von Toulouse nach Paris kam Dominikus nach Rocamadour, wo er in der
Kirche der Gottesmutter übernachtete. In seiner Begleitung befand sich Bruder Bertrand, der
später der erste Provinzprior in der Provence wurde. Am folgenden Tage holten sie auf der
Weiterreise eine Schar deutscher Pilger ein. Als diese Pilger sie so fromm und andächtig die
Psalmen und übrigen Gebete singen hörten, schlossen sie sich ihnen an. Sie kamen zur
nächsten Raststätte, und die Pilger luden sie herzlich ein, ihre Gäste zu sein, und bewirteten
sie reichlich. So ging es vier Tage lang. Dann sprach Dominikus zu Bertrand: ‚Bruder
Bertrand, ich mache mir Vorwürfe. Wir lassen uns von diesen Pilgern Speise und Trank
reichen, wir aber sind nicht in der Lage, ihnen das geistliche Brot zu brechen. Lasst uns auf
den Knien zu Gott beten, er möge uns die Gabe verleihen, ihre Sprache zu verstehen und zu
sprechen, damit wir ihnen von unserem Herrn Jesus künden können‘. Sie taten es, und sie
vermochten miteinander Deutsch zu sprechen. Vier Tage lang blieben sie noch mit den
Pilgern zusammen und sprachen zu ihnen von unserem Herrn Jesus, bis sie nach Orléans
kamen. Da die Pilger nach Chartres wollten, trennten sie sich auf der Straße nach Paris,
nachdem Dominikus und Bertrand sich ihrem Gebete empfohlen hatten…“
(Lebensbeschreibungen II, 10).
Immerhin vier Tage funktionierte die Gemeinschaft ohne gemeinsame Sprache, das ist
bemerkenswert. Gemeinsames Essen und Beten hielten sie zusammen, ferner dass sie auf
demselben Weg waren und dass beide etwas anzubieten hatten, was sich ergänzte. Es ist, wie
wenn ich in einem Land wie Ungarn unterwegs bin: Verständigung mit Händen und Füßen,
ich bekomme im Lokal durchaus das Gulasch zu essen, das ich möchte, ich kann die hl.
Messe mitfeiern, weil ich ihren Ablauf und Inhalt kenne, im Hotel erhalte ich ein Zimmer.
Doch Dominikus ist dies als Kommunikation nicht ausreichend, er möchte mit ihnen ins
Gespräch kommen, er möchte seinen Glauben teilen. Wie bei einem Heiligen schon mal
möglich, geschieht ein kleines Pfingstwunder. Normalerweise ist es mit größerem Aufwand
verbunden.
Schauen wir auf die großen Gestalten im ersten Jahrhundert unseres Ordens, so können wir
festhalten: Internationalität ist für sie eine normale Gegebenheit. Albert der Große und
Thomas von Aquin wirken in Köln, in Paris, an mehreren Orten Italiens. Ein Jahrhundert
später bewegt sich Meister Eckhart zwischen Erfurt, Paris und Straßburg. Die Teutonia, zu
der Hamburg gehörte, reicht von Dänemark bis Kärnten, von Brügge bis Riga, umfasst in sich
mehrere „nationes“. An den Generalstudien, z.B. in Paris und in Köln, kommen Studenten aus
verschiedenen Provinzen zusammen. Auf akademischer Ebene war die Verständigung
einfacher als heute: Latein war noch lingua franca, wurde in allen Vorlesungssäalen Europas
gesprochen. In mancher Hinsicht war die europäische Welt durchlässiger als heute.
Ich sehe zwei Hauptgründe für die frühe Internationalität des Ordens:
1. Der erste ist die wachsende Mobilität in Europa. Jordan von Sachsen, aus dem
heutigen Niedersachsen stammend, Nachfolger des hl. Dominikus als Ordensmeister,
lernte Dominikus und den Orden in Paris kennen, trat dort ein, wurde alsbald als
Delegierter zum Generalkapitel nach Bologna gesandt und danach vom Kapitel der
Lombardei zu ihrem Provinzial gewählt. Albert der Große trat in Padua in den
Dominikanerorden ein; Hyacinthe, der aus Schlesien stammte und in Krakau
Kanoniker war, begegnete dem Hl. Dominikus in Rom und bat um Aufnahme in den
Orden. Genauso erging es Ceslaus von Polen, der dann in Prag und in Schlesien tätig
war. Der Orden wird zum Abbild der Gesellschaft, die im 13. Jahrhundert quer durch
Europa neue Verbindungen ausprägt. Verkehr und Handel fördern den Austausch.
2. Der zweite Grund besteht im Missionsauftrag. Seit Dominikus Menschen begegnet
war, die Andersgläubig waren, trieb ihn der Drang, Nicht-Christen den Glauben zu
verkünden. Öfter sprach er von seinem Wunsch, zu den Kumanen zu gehen (Es ist
nicht eindeutig geklärt, wen er damit meinte, wahrscheinlich einen Stamm im heutigen
Gebiet Ungarns). Die Ausbreitung des Ordens steht in Korrespondenz zu seiner
missionarischen Sendung. Bereits 1236 bezeugt der Provinzial im Heiligen Land, dass
man bei ihnen die orientalischen Sprachen lerne, um Rede und Antwort stehen zu
können.
Die äußeren Hindernisse waren im Mittelalter größer als heute, Reisen über weite Distanzen
brachten erhebliche körperliche Anstrengungen mit sich, im Orden gab es zudem die
Vorschrift, zu Fuß zu gehen. Von Köln bis Paris bedeutete das ungefähr 2 bis 3 Wochen. Das
ist nicht jedermanns Sache. Humbert von Romans schreibt als Ordensmeister Mitte des 13. Jh.
zwei Briefe an den Orden, um für missionarische Aufgaben zu werben. Durchaus mit Erfolg.
[Humbert von Romans, gest. 1277, fünfter Ordensmeister (1254-1263)]. Indessen erwähnt er
in einem Brief vom Generalkapitel in Mailand 1255 auch zwei Schwierigkeiten:
„Ich wünschte, dass… der Name unseres Herrn Jesus Christus zu den Juden, den Sarazenen,
den Heiden, den Barbaren und zu allen Volksstämmen gebracht würde, damit wir seine
Zeugen seien zum Heile für alle „bis an die Grenzen der Erde“. Jedoch stehen der
Verwirklichung dieses Planes zwei Dinge entgegen. Das erste Hindernis ist die Unkenntnis
der Sprachen, da kaum ein Ordensbruder die Zeit darauf verwenden will, sie zu erlernen, denn
viele stellen beim Studium die mannigfaltige Neugierde der Nützlichkeit voran. Das zweite
Hindernis ist das Hängen an der Heimat, von der viele allzusehr gefangen sind. Die Natur ist
in ihnen noch nicht durch die Gnade umgestaltet. Sie wollen ihr Land und ihre
Verwandtschaft nicht verlassen und ihr Volk nicht vergessen, sondern unter ihren Verwandten
und Bekannten leben und sterben; dabei erschreckt es sie nicht, dass selbst die eigene Mutter
den Erlöser unter jenen nicht finden konnte. Erwacht, von Gott berufene Brüder, und schaut,
ob sich im Vorbild der Apostel etwas Ähnliches findet. Waren nicht etwa alle Galliläer? Und
wer von ihnen blieb in Galiläa? Ist nicht der eine nach Indien gezogen, ein anderer nach
Äthiopien, ein anderer nach Kleinasien, ein anderer nach Achaia und haben nicht alle, über
die verschiedenen Völker weit verstreut, so in der Welt die Frucht hervorgebracht, die wir
jetzt sehen?...“ (Stundenbuch OP, S. 514f.).
Humbert fährt schweres theologisches Geschütz auf. Angesichts der praktischen Widerstände
diagnostiziert er ein Übergewicht der Natur über die Gnade und beklagt die beharrende
Schwerkraft der Natur. Sodann führt er eine Grundlage dominikanischer Sendung ins Feld,
die Lebensweise der Apostel; sie ist Vorbild der Predigerbrüder und dient der Legitimation
ihrer Lebensform, aber wie das Beispiel der Apostel zeigt, gehört zu ihrer vollen Gestalt die
Wanderpredigt, das Unterwegssein. Humbert benennt, was im Spiel ist und was auf dem Spiel
steht: der Missionsauftrag, die Liebe zur Heimat, Bequemlichkeit, der Aufwand, fremde
Sprachen zu lernen.
Eine gesonderte Behandlung wäre die Entdeckung der Neuen Welt im ausgehenden 15. Jh.
wert, die Horizonterweiterung, die dadurch stattfand. Doch dies wäre ein eigenes Thema, das
ich hier nicht angemessen aufbereiten kann, denn dazu gehören auch Kolonialisierung,
Unterdrückung, Ausbeutung. Unser Orden wirkte ab 1510 in der Neuen Welt - Gott sei Dank
durchaus in kritischer Absetzung vom brutalen Gebaren der Eroberer. Pedro de Cordoba,
Antonio de Montesino, Bartholomé de las Casas traten für die Rechte der Indios ein. Später
hat der Theologe Francisco de Vitoria ((1483-1546) ihre Anliegen theoretisch untermauert
und eine Grundlage für die Rede von der Menschenwürde eines jeden gelegt.
3. Institutionalisierte Formen von Internationalität
Generalkapitel, internationale Konferenzen und Arbeitsgruppen, internationale Kommunitäten
a) Generalkapitel
Jede drei Jahre findet bei uns ein Generalkapitel statt. Alle Erdteile sind vertreten. Jede
Provinz und auch manche kleinere Einheiten senden Delegierte. Manchmal bemerkt man
national-politische Einflüsse bis in die Teilnahme hinein: Es ist z.B. nicht selbstverständlich,
dass alle Vertreter ein Visum bekommen, um teilnehmen zu können.
Ein Wahlkapitel – alle 9 Jahre – versammelt mehr als 120 Delegierte. Es ist aufwändig und
schwerfällig, zugleich beeindruckend und anregend, er hinterlässt viele Fragen und macht
gleichzeitig Mut, die eigenen Probleme kreativ anzugehen. Allein die Tatsache, dass sie
zusammenkommen, dass sie miteinander beten und Mahl halten, dass sie diskutieren und
feiern, ist ein bewegendes Erlebnis. Die offizielle Verständigung geschieht in den drei
Ordenssprachen Englisch, Französisch und Spanisch, doch in Arbeitsgruppen und bei Tisch
kommen viele Sprachen zum Klingen. Es geht natürlich um Inhalte, um Anträge, um Gesetze,
aber genauso wichtig sind Begegnung und Austausch. Die unterschiedlichen Situationen des
Ordens, die verschiedenen Schwerpunkte, die anderen Weisen von Präsenz und Apostolat
kommen zur Sprache. Verschiedenheiten werden wahrgenommen, Eigenheiten werden
relativiert, der Horizont erweitert. Und aus den Ländern, wo die Christen nur unter
bedrückenden Verhältnissen und Auflagen leben können, hört man manchmal beeindruckende
Glaubenszeugnisse, die die eigenen Schwierigkeiten als gering erscheinen lassen. Ich habe
dadurch gelernt, in welch privilegierten Verhältnissen wir - auch im Orden - in Deutschland
leben. Ich denke, ich sage Ihnen nichts Neues, wenn ich feststelle: Die kirchliche Lage in D
ist schon ziemlich speziell, und wir verbeißen uns mit der uns eigenen Gründlichkeit in
strukturelle und finanzielle Fragen, darüber kommt anderes zu kurz.
b) Kontinentalkonferenzen der Provinziale
c) Arbeitsgruppen auf Gesamtordensebene
Liturgie, Iustitia et Pax, Studium, Wirtschaftsrat
Solche internationale Zusammenarbeit hat ihren Rahmen, der bereits beeinflusst: die Reise
zum Tagungsort, ein Ausflug oder eine Besichtigung, die dort stattfinden, Mahlzeiten, Feier
der Liturgie. Da sind bereits feine Unterschiede zu merken: Wann stehen wir auf? Wann und
was wird gegessen? Gibt es Bier oder Wein oder nur Wasser? Fangen wir pünktlich an?
Das Arbeiten in internationalen Gremien empfinde ich einerseits als mühsam und zäh, und
abends bin todmüde vom dauernden Umgang in fremden Sprachen. Andererseits werde ich
korrigiert, inspiriert, aus meiner Binnenschau herausgeholt. Längst nicht immer kommt ein
Ergebnis heraus, das man vorzeigen kann. Die Zielvorstellungen sind indessen auch schon
verschieden. Ich zeichne mal ein schablonenhaftes Bild: Die Nordeuropäer wollen am Ende
ein fest umrissenes Resultat, das auch die nächsten Schritte zur Umsetzung enthält, ihnen
liegt an Effizienz. Die Südeuropäer oder Lateinamerikaner setzen da die Akzente schon mal
anders, ihnen sind Begegnung und Feier wichtiger, es muss nicht alles durchgeplant sein,
Räume der Spontaneität werden erhalten. Sicher ist diese Sicht überzogen und pauschal, doch
ich denke, es ist wichtig, dass wir über solche Bilder voneinander ins Gespräch kommen.
Unseren großen Ordensbruder Thomas von Aquin, dessen Fest wir am letzten Donnerstag
begangen haben, möchte ich an dieser Stelle einbringen. Bezeichnend für sein Vorgehen ist der
Aufbau eines Abschnittes, einer „Quaestio“, wie es im Lateinischen heißt, einer Frage: Sie beginnt
auffälligerweise mit den Einwänden, mit den Gegenargumenten, mit den anderen Ansichten. Das
heißt: Am Anfang steht für ihn das sorgsame Hinhören auf die Positionen der anderen, sie werden als
erstes dargestellt, und Thomas arbeitet sich daran ab. Erst danach entfaltet er seine eigene Sichtweise.
Aus vielen Diskussionen wissen wir, wie hilfreich ein solches Vorgehen wäre, wenn man sich daran
hielte: sich zunächst vergewissern, was überhaupt zur Diskussion steht, die gegnerische Meinung
nachvollziehen und ihren Wert herausfinden. Ich meine, dies lässt sich gut anwenden auf Sitzungen
im internationalen Kontext. Da braucht es viel Aufmerksamkeit, um zu verstehen, was die anderen
wirklich meinen. Gerade mit Brüdern aus dem asiatischen Bereich machen wir die Erfahrung, dass es
recht lange dauert, bis sie klar und deutlich sagen, was sie denken und was sie wollen. Unsere
Direktheit ist ihnen fremd.
d) Internationale Kommunitäten
Brüssel, Rom, Fribourg, Jerusalem
Rom, Fribourg und Jerusalem sind mit Studien verknüpft. Bei Brüssel ist die Nähe zu den
europäischen Institutionen der Anlass.
Nicht jede und jeder dafür gemacht. Es gibt das Problem der Verbindlichkeit, denn jeder
bleibt Sohn seiner Provinz und kann sich im Konfliktfall darauf berufen und wieder dorthin
zurückziehen. Der Umgang mit Geld, mit Nähe und Distanz, die liturgische Gestaltung, all
dies ist zu verhandeln. Manche wären damit überfordert. Und andererseits höre ich Brüder,
die froh sind und die bunte Mischung genießen.
e) „Spem miram“ – Hilfswerk
Unser Orden hat einen Fonds für die finanziell schwächer gestellten Einheiten gebildet - zur
Hilfe bei größeren Bauvorhaben, bei missionarischen Initiativen, zur Übernahme von
Stipendien. Der Ordensmeister hat als Leitgedanken festgehalten, und ich meine, dies gilt
nicht nur für unseren Orden: Es gibt Provinzen in Asien und Afrika, die haben viele junge
Menschen, für deren Ausbildung sie keine Mittel haben, und es gibt demgegenüber Provinzen
in Europa, die finanziell gut gestellt sind, aber momentan keinen Nachwuchs haben. Ein
Transfer erscheint angebracht. Dieser finanzielle und personelle Ausgleich ist eine riesige
Aufgabe. Ich muss offen gestehen: Er gelingt nur bedingt.
f) Internationalität in der Ausbildung
Für unsere Studenten sehen wir ein Auslandsjahr vor. Um eine Sprache des Ordens gut zu
beherrschen, um andere Weisen des Theologisierens und andere Schwerpunkte der Theologie
kennenzulernen, um zu erleben, wie der Orden unter anderen politischen, wirtschaftlichen und
mentalen Bedingungen seine Sendung wahrnimmt. Wir machen damit sehr gute Erfahrungen.
Ich denke, man darf von einem kreativen Potential sprechen, das wir damit in unsere Provinz
hineinholen. Aber gleichzeitig gewinnt man mit solch einem Aufenthalt auswärts auch einen
klaren Blick dafür, was bei uns stimmt, gut geordnet ist und gelingt.
Wir haben international etwas zu bieten: ein funktionierendes Noviziat, ein Studium an
niveauvollen Fakultäten, auch in der Praxisbegleitung qualifizierte Professionalität. Größtes
Hindernis für Brüder aus anderen Provinzen ist häufig die Sprache: Die Hürde, deutsch so gut
zu beherrschen, dass ich mich darin wissenschaftlich korrekt oder pastoral einfühlsam
ausdrücken kann, ist ziemlich hoch.
Dennoch liegt hier eine Stärke der deutschen Kirche, und unser Orden partizipiert daran:
handwerklich gediegene Theologie, ausgefeilte Methodik, hohes Reflexionsniveau. Unsere
staatlichen Fakultäten können sich international sehen lassen. Die deutsche Theologie genießt
immer noch einen guten Ruf, wir haben beachtliche wissenschaftliche Ressourcen. Doch ich
bemerke auch Skepsis und Anfragen. Meistens gehen die Anfragen an uns in Richtung
Kirchlichkeit und Spiritualität.
g) Präsenz an internationalen Institutionen als NGO
Ansätze in Genf. Die übrigen europäisch geprägten Standorte böten hier Möglichkeiten:
Straßburg, Luxemburg, Brüssel. Ich habe den Eindruck: Momentan sind wir damit tendenziell
überfordert. Es brauchte sehr spezielle Qualifikationen und den langwierigen Aufbau eines
entsprechenden Netzwerkes. Mitarbeit in internationalen Vereinigungen, die sich der
Theologie und Philosophie widmen, liegt uns vielleicht mehr.
h) Missionsaufträge
Der Orden hat Neugründungen, z.B. in Albanien, in Myanmar. Trotz längerer Vorbereitungen
ist es uns indessen nicht gelungen, auf dem chinesischen Festland wieder zu gründen (unsere
Ordensprovinz war dort präsent bis zur kommunistischen Revolution).
4. Biblische Bezüge
Einige sehr einfache Beobachtungen; Erinnerungen an das, was uns bekannt ist.
Internationalität wird ein erstes Mal greifbar mit Abraham: Abraham selbst ist zwischen dem
Zweistromland und Ägypten unterwegs, er lässt sich in Palästina nieder. An ihn ergeht ein
Ruf Gottes, der beinhaltet die bekannte Zusage (Gen 12,3): „Durch dich sollen alle
Geschlechter der Erde Segen erlangen“ (vgl. Gen 22,18).
Internationale Gemeinschaft gelingt in der Bibel nur sehr begrenzt. Israel hat mit seinen
Nachbarn viel Streit und Krieg. Jahrhunderte leidet es unter Unterdrückung und Besatzung.
Dass die Völker friedlich zusammenleben, erscheint meist als eschatologischer Ausblick. So
hören wir bei Jesaja:
Jes 2,2f.: Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest
gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. Viele
Nationen machen sich auf den Weg… (vgl. Mich 4,1ff.; anders 54,1ff)
Sach 8,22: Viele Völker und mächtige Nationen werden kommen, um in Jerusalem den Herrn
der Heere zu suchen...
Die Völkerwallfahrt zum Zion ist ein Motiv, das bis in die Erzählung vom Pfingstfest
hineinspielt. Als grundlegend ist die Vorstellung festzuhalten: Der eine Gott ist der Schöpfer
aller, und daher ist es ein Ziel der Geschichte, dass alle Völker den einen wahren Gott
anbeten. Vielfach hören wir in den Psalmen die Aufforderung zum Gotteslob, die an alle
ergeht: „Lobet den Herrn alle Völker, preist ihn alle Nationen“ (Psalm 118).
Ein wichtiges Motiv, in dem bisweilen Beziehungen über Landesgrenzen hinweg enthalten
sind, ist das der Gastfreundschaft. Jakob in Haran, Josef und seine Brüder in Ägypten, Elija
bei der Witwe von Sarepta. Und die Ausübung von Gastfreundschaft hat eine religiöse
Dimension. Der Hebräerbrief mahnt: „Die Gastfreundschaft vergesst nicht. Durch sie haben ja
manche, ohne es zu wissen, Engel beherbergt“ (Hebr 13,2).
Ein besonderer Fall von Gastfreundschaft ist der Fremde im eigenen Land. Das Buch
Exodus stellt den Fremden unter Schutz und verweist zur Begründung auf die eigene
Erfahrung Israels: „Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst
seid in Ägypten Fremde gewesen“ (Ex 22,20; vgl. 23,9).
Jesus und Internationalität, eher unspektakulär, beiläufig: der Besuch der Weisen aus dem
Morgenland, die Verkündigung in Sidon und Tyrus (Mk 7), das Wirken in der Dekapolis. Von
großer Wirkung dann allerdings der Auftrag zur Verkündigung: „Geht in alle Welt und
verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung“ (Mk 16, 15). Mt 28 formuliert: „Geht und
macht alle Völker zu meinen Jüngern und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und
des Heiligen Geistes, und lehrt sie alles halten, was ich euch aufgetragen habe“ (28,19f.). Eine
Initialzündung, die eine ungeheure Dynamik nach sich gezogen hat.
Genauso bedeutsam die Erzählung von Pfingsten, die Gegengeschichte zum Turmbau von
Babel: Wurden dort die Menschen durch die verschiedenen Sprachen getrennt, so finden sie
hier wunderbarerweise wieder zusammen – trotz der verschiedenen Sprachen. Die Grenzen
werden überwunden, von Gottes Geist werden Verständigung und Einheit gewirkt. Die
Völker der damals bekannten Welt werden genannt. Doch halten wir fest: Es ist nicht normale
Realität, es ist ein Highlight, ein außerordentliches Ereignis, ein außergewöhnliches Wirken
Gottes, darin indessen eine Verheißung dessen, was möglich ist. Es besteht ein nicht
verwirklichter Überhang, der bis heute in der Kirche nachwirkt und große Energien freisetzt:
Sprachen erforschen, Übersetzungen herstellen – wieviele Missionare haben auf diesem
Gebiet Großartiges geleistet.
Und schließlich ist zu reden von Paulus, dem Völkerapostel, und seinen Missionsreisen. Er
bringt den christlichen Glauben nach Europa. Er gründet an vielen Orten Gemeinden, er
beauftragt Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, seine Sendung fortzuführen.
Gal 3,28: Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau;
denn ihr alle seid „einer“ in Christus Jesus
5. Die Kirche ist katholisch
Ich bitte die anwesenden Christen anderer Konfessionen um Nachsicht, wenn ich jetzt etwas
länger über „katholisch“ rede. Ich meine es nicht als Konfessionsbezeichnung, sondern als
Attribut der Kirche: „katholikos“ (vgl. Yves Congar, Die Eigenschaften der Kirche, in:
Mysterium Salutis, Bd. IV/1, Das Heilsgeschehen in der Gemeinde, Einsiedeln-Zürich-Köln
1972, S. 478-502).
Katholikos: 1. allgemein (im Gegensatz zu partikulär); universell, umfassend; 2. Wahr, echt –
im Gegensatz zu häretisch. Ab 3. Jh.: die wahre weltumspannende Kirche. Ab 4. Jh. ins
Glaubensbekenntnis als Kennzeichen der Kirche aufgenommen.
Die Didache betet, dass sich die Kirche von den Enden der Erde, von den vier Winden
zusammenfinde (Did IX,4).
Augustinus schreibt: Die Kirche wird katholisch genannt, „weil sie über die ganze Erde
ausgebreitet ist“ (MystSal 481).
Biblischer Bezug: Pfingsten, Zahl der 72 Jünger und der 12 Apostel; Kol 3,10f.: ihr… seid zu
einem neuen Menschen geworden, der nach dem Bild des Schöpfers erneuert wird, um ihn zu
erkennen. Wo das geschieht, gibt es nicht mehr Griechen oder Juden, Beschnittene oder
Unbeschnittene, Fremde. Skyten, Sklaven oder Freie, sondern Christus ist alles und in allen.
– Christus, das Haupt der ganzen Schöpfung
Albert der Große und Thomas von Aquin: „Für sie bedeutete ‚katholisch‘ nicht in erster Linie
einen quantitativen oder numerischen Wert, sondern die Fülle des Lebensbrotes, das Christus
ist und das die Kirche im Glauben und in den Sakramenten des Glaubens weitergibt. Die
Katholizität liegt im tiefsten Wesen der Kirche, noch bevor sie in ihrer äußern Ausdehnung
zutage tritt“ (MystSal 484).
Der Glaube ist nicht an ein Volk gebunden, und er führt zu dem Gott, der Ursprung und Ziel
aller Dinge ist: universell und umfassend. Rückbindung an die Fülle in Christus (ebd. 485).
Lumen Gentium 13
Zum neuen Gottesvolk werden alle Menschen gerufen. Darum muss dieses Volk eines und ein
einziges bleiben und soll sich über die ganze Welt und durch alle Zeiten hin ausbreiten. So
soll sich das Ziel des Willens Gottes erfüllen, der das Menschengeschlecht am Anfang als
eines gegründet und beschlossen hat, seine Kinder aus der Zerstreuung wieder zur Einheit zu
versammeln (vgl. Joh 11,52). Dazu sandte nämlich Gott seinen Sohn, den er zum Erben des
Alls gemacht hat (vgl. Hebr 1,2), dass er Lehrer, König und Priester aller sei, das Haupt des
neuen und allumfassenden Volkes der Söhne Gottes. Dazu sandte Gott schließlich den Geist
seines Sohnes, den Herrn und Lebensspender, der für die ganze Kirche und die Gläubigen
einzeln und insgesamt der Urgrund der Vereinigung und Einheit in der Lehre der Apostel und
in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet ist (vgl. Apg 2,42).
In allen Völkern der Erde wohnt also dieses eine Gottesvolk… fördert und übernimmt es
Anlagen, Fähigkeiten und Sitten der Völker, soweit sie gut sind. Bei dieser Übernahme
reinigt, kräftigt und hebt es sie aber auch… Diese Eigenschaft der Weltweite, die das
Gottesvolk auszeichnet, ist Gabe des Herrn selbst. In ihr strebt die katholische Kirche mit
Tatkraft und Stetigkeit danach, die ganze Menschheit mit all ihren Gütern unter dem einen
Haupt Christus zusammenzufassen in der Einheit seines Geistes…
Ad gentes Nr. 1 und 7
Durch die missionarische Tätigkeit der Kirche wird „der Plan Gottes erfüllt, … dass das ganze
Menschengeschlecht ein Volk Gottes bilde, in den einen Leib Christi zusammenwachse und
zu dem einen Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut werde. Das entspricht, da es die
brüderliche Eintracht zum Ausdruck bringt, ganz den innersten Wünschen aller Menschen. So
wird endlich der Ratschluss des Schöpfers, der den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis
geschaffen, wahrhaft erfüllt, wenn alle, die an der menschlichen Natur teilhaben, in Christus
durch den Heiligen Geist wiedergeboren, in einmütigem Schauen der Herrlichkeit Gottes
werden sagen können: ‚Vater unser‘“ (Nr. 7).
In seinem Kommentar zu den Eigenschaften der Kirche schreibt unser Mitbruder Yves
Congar: Die Kirche hat einen „Zug ins Universale. Sie weiß sich gerufen und ausgerichtet auf
das Ganze“ (MystSal 491). Er greift das Vaticanum II auf und handelt von der Kirche als
universalem Sakrament des Heiles.
Kirche ist allumfassend, „dann darf ihr Gesetz nicht das einer nivellierenden und verarmenden
Universalität sein, sondern das einer Communio, in der jeder bleibt und in die jeder bringt,
was er ist“ (MystSal 497).
Diese Linien ausziehend und konkretisierend kann man sagen: Auf die Orden ist übertragbar,
was die Kirchenkonstitution über das Verhältnis von Gesamtkirche und Teilkirche sagt: Das
Ganze ist im Teil präsent und lebendig, das Ganze ist nur im konkreten Teil erfahrbar, und
zugleich kann kein Teil sagen, er besäße das Ganze, jeder Teil ist und bleibt auf das
Umfassendere verwiesen. Internationalität ist daher Auftrag, Aufgabe, Notwendigkeit – mit
all der Anstrengung, die sie fordert. Nicht leichthin machbar und verwirklichbar.
6. Zusammenfassung, Schlussfolgerungen
1. Es ist realistisch festzuhalten: In den internationalen Beziehungen gibt es auch in der
Kirche, auch in den Orden Vorbehalte, Vorurteile, Vorsicht, Ängste, Irritationen,
Anfragen, Unsicherheiten. Insofern sind Beziehungen auf internationaler Ebene eine
große Aufgabe: Sie erfordern Kenntnisse, Rücksicht, Aufmerksamkeit. Heikle
Themen müssen besprochen werden: Gewohnheiten, ethnische Prägungen,
Bedürfnisse, Geld, Transparenz, Machtstrukturen.
2. Kirche versteht sich seit jeher als allumfassend. Kirche kann sich von daher ohne
Internationalität gar nicht verwirklichen. Katholisch als Eigenschaft der Kirche
beinhaltet: Kirche aus vielen Völkern und Nationen.
3. Seitdem sich die Kirche im 4. Jh. mit staatlichen Strukturen verbunden hat, gab es
Fehlformen der Ausbreitung: Zwangstaufen, Unterwerfung, Kolonialisierung. Diese
dunklen Seiten sind bewusst zu halten. Sie haben viel kaputt gemacht. Ihr Schatten
wirkt bis heute. Es erfordert in den Beziehungen große Sensibilität.
4. „In der Kirche gibt es keine Ausländer“ (Kardinal Josef Höffner). Grundlegend für die
Zugehörigkeit ist die Taufe, d.h. die Verbundenheit mit Christus, und im Orden
darüber hinaus die Profess, das bedeutet: die Lebensform, auf die wir uns verpflichten,
und die Sendung, die wir übernehmen. Mein Dominikanersein ist nicht an
Deutschland gebunden. Orden wie der unsrige sind von Anfang an gerufen, die
Grenzen von Nationalität zu überschreiten.
5. „In der Kirche gibt es keine Ausländer“. Um diesen schönen Satz Realität werden zu
lassen, braucht es auch strukturelle Maßnahmen. Seit dem Vaticanum II unterliegt die
Kurie in Rom einer zunehmenden Internationalisierung. Wir hatten einen Papst aus
Polen und aus Deutschland, jetzt einen aus Argentinien. Als er frisch gewählt auf den
Balkon trat, um sich ein erstes Mal zu zeigen, sagte er – dem Wortsinn nach: Ich
komme aus einem fernen Winkel der Erde. Bei den Seligsprechungen und
Heiligsprechungen nimmt die Zahl derer zu, die aus Ländern Asiens, Afrikas und
Lateinamerikas stammen. Die jahrhundertelange Eurozentriertheit wird aufgebrochen.
Kirche erfährt sich als universale Kirche. Auch von außen wird sie als „global player“
gesehen.
6. Internationalität ist eine große Herausforderung, weil jede und jeder von seiner
kulturellen, mentalen und sozialen Herkunft geprägt ist. Es braucht Übung und
Einführung, um die Eigenart anderer zu kennen, zu verstehen, anzunehmen. Es
braucht indessen auch den festen Willen, die Mühen auf sich zu nehmen.
7. Orden sind Verdichtungen kirchlichen Lebens, in denen Internationalität hautnah
erfahren werden kann. Daher haben sie die Chance und den Auftrag, zu
konkretisieren, wie eine Gemeinschaft aus verschiedenen Nationalitäten aussehen
kann. Sie können Vorreiter und Modell sein, wenn es ihnen gelingt, Verschiedenheit
und Einheit unter ein Dach zu bringen. Ihr Weg ist in der Regel nicht der der
Diplomatie – das ist der Part der vatikanischen Behörden -, vielmehr der der
Reflexion und Diskussion, der des schlichten Zusammenlebens und der des
Experiments.
8. Es sind Fortschritte gemacht, aber es gibt noch „Luft nach oben“. Leider gibt es
Umstände, die es erschweren: Unsere personellen Ressourcen werden geringer, und
der Bedarf an internationalem Handeln wird größer. Abschottung, Abgrenzung,
Absetzung sind keine Alternative. Im globalen Dorf geht es gar nicht anders.
Aber ein konstruktives Zusammenleben ist nur möglich mit echter Kenntnis, mit
uneigennützigem Interesse, mit Geduld, mit Entgegenkommen, mit innerer Weite, mit
Neugierde, mit Freude am Anderen, mit Gelassenheit, mit Barmherzigkeit.
9. Das Vatikanum II spricht von der Kirche u.a. als Communio. Dies ist ein Begriff, der
gut auf Orden übertragbar ist. Communio bedeutet: nicht Verschlucken, nicht
Aufsaugen, nicht Verdrängen, nicht Zerstören, sondern die Eigenheiten respektieren,
die je eigenen Stärken wertschätzen, sich am menschlichen und kulturellen Reichtum
freuen, einander Raum lassen auch dort, wo ich etwas nicht sofort verstehe, das
Verschiedene in Verbindung setzen.
Aus dem Brief des Ordensmeisters, fr. Bruno Cadoré OP, zum Jubiläumsjahr 2016 ein
Abschnitt über Internationalität:
„Dieser Dienst, der in unserer gemeinsamen Verantwortung steht, verwirklicht sich in einer
Vielzahl von Kulturen und wird immer internationaler und interkultureller. Selbst wenn man
über Globalisierung im Orden und in der Welt spricht (oder vielleicht gerade deshalb, weil
man davon spricht), besteht die Versuchung, sich mehr und mehr auf Arbeiten
zurückzuziehen, die man „kontrollieren“ kann und die in sich geschlossen sind. Das Risiko
besteht, sich defensiv zurückzuhalten, wenn es um Austausch geht, um Zusammenarbeit, um
Entscheidung für das Gemeinwohl. Es besteht nämlich das offensichtliche Risiko der
Zerbrechlichkeit und vor allem das Risiko, die kurzfristigen Ziele, die jede Gemeinschaft sich
selbst vorgegeben hat, nicht verwirklichen zu können. Wie werden wir uns in Zukunft dem
Interkulturellen öffnen, dem Austausch zwischen den Provinzen und zwischen den
Kongregationen? Wie können wir am besten die Internationalität des Ordens in den Dienst der
Kirche stellen? Werden wir es überhaupt wagen, unsere Gemeinschaften zu
internationalisieren, damit sie Zeugnis von der möglichen Sinfonie zwischen den Kulturen
geben, zwischen den Formen von Nähe und Vertrautheit mit der Welt, zwischen den
theologischen Schulen, zwischen den Wissenswelten, zwischen den verschiedenen
Auffassungen von Kirche?...“
Anregungen für das Gespräch in Gruppen
1. Welche Erfahrungen habe ich mit Schwestern und Brüdern/ mit
Christinnen und Christen aus anderen Ländern gemacht?
2. In welcher Hinsicht empfinde ich Internationalität im Orden / in der
Kirche als bereichernd – in welcher Hinsicht als schwierig?
3. Welche Voraussetzungen sind nötig, um über die Grenzen von Mentalität,
Kultur und Sprache hinweg zusammenleben zu können?
4. Welchen Beitrag können die Orden in einer von Internationalität
geprägten Kirche und in einer von Migration gekennzeichneten
Gesellschaft leisten?