DIE ZEIT - Amnesty Erlangen

Ist das Boot voll?
©UNHCR - A. Rodríguez
2015 starb in den ersten
dreieinhalb Monaten jede
23. Person, die sich per
Boot nach Europa aufmachte
„Ich spürte, wie seine Finger über meine Schultern
glitten. Er hat nicht geschrien, er hatte gar keine Zeit
dazu. Das Schlauchboot hat ihn ohne jede Vorwarnung
abgeworfen […] Wir haben nach ihm gesucht, soweit das
überhaupt möglich war, und gehofft, ihn irgendwo
zwischen den Wellen zu entdecken. Wir haben nach ihm
gerufen, aber er war und blieb verschwunden."
Im Meer schwimmen Krokodile, Fabio Geda
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Verfolgung
©DFID - UK Department for International Development
42.500 Menschen
machen sich jeden
Tag auf den Weg.
Oppositionelle Parteien, ethnische Minderheiten oder als
feindlich angesehene Religionsangehörige werden in
vielen Ländern an ihrem Recht auf Versammlungs- und
Meinungsfreiheit oder der freien Ausübung ihrer Religion
gehindert - unter Einsatz von gewalttätiger Verfolgung.
"Said, der mit seinem Bruder Khaled
knapp dem Tod entkam, wurde fünf
Mal angeschossen, drei Mal in sein
linkes Knie, je ein Mal in die Hüfte und
die Schulter. Sieben seiner Brüder
wurden Opfer des Massakers. Ein
weiterer Überlebender, Salem, der
sich zwölf Tage lang nahe am Ort des
Massakers versteckt hielt und nur
durch die Hilfe eines muslimischen
Nachbarn überlebte, beschrieb
Amnesty International das Entsetzen,
mit dem er die Schmerzensschreie
von Verletzten mitanhören musste.
"Einige konnten sich nicht bewegen
und sich deshalb nicht retten; sie
lagen dort mit starken Schmerzen
und warteten auf den Tod. Sie starben
einen qualvollen Tod."
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
In vielen Ländern werden Menschen aufgrund ihrer
politischen Gesinnung, Ethnie oder Religion verfolgt.
Sie können ihr Recht auf Versammlungs- und
Meinungsfreiheit oder Religionsfreiheit nicht frei und
ohne Gefahr von Gewalt wahrnehmen oder ausüben.
Oft will oder kann der Staat sie nicht vor Verfolgung
durch nichtstaatliche Akteure wie Milizen oder
Rebellen schützen. Wenn sie miterleben, wie
Gleichgesinnte und Glaubensgenossen
„verschwinden“ oder überfallen, verhaftet und
gefoltert werden, dann warten sie nicht, bis die Reihen
an ihnen ist, sondern sie verlassen das Land. So
fanden im Rahmen von ethnischen Säuberungen in
Sindschar (Nordirak) durch den „Islamischen Staat“
(IS) im August 2014 zahlreiche Massentötungen statt.
Gruppen von Männern und Jungen, einige erst 12
Jahre alt, wurden durch IS-Kämpfer aufgegriffen,
abtransportiert und erschossen. Diese Massentötungen
hat Tausende dazu veranlasst, aus Angst um ihr Leben
zu fliehen. Der überwiegende Teil allerdings sucht
innerhalb des eigenen Landes Schutz. Diejenigen, die
ihr Land ganz verlassen, machen sich über das
Mittelmeer oder den Atlantik auf den Weg nach
Europa. Sie kommen aus aus dem südlichen Afrika,
Somalia, Nigeria, Eritrea, Mali oder dem Südsudan,
und aus Krisenstaaten wie Syrien, Afghanistan,
Pakistan, dem Iran oder dem Irak.
Krieg & Vertreibung
Krieg, Bürgerkrieg und Vertreibung treffen insbesondere die
Zivilbevölkerung, die bei der Flucht aus Konfliktgebieten oft
nur das nackte Leben retten kann.
© Magharebia - 110304
Neun von zehn Flüchtlingen
werden von Entwicklungsländern
aufgenommen
"Damals hatte ich nur Angst, dass meine Brüder im
Feuer verbrannten. Ich verbrannte nicht, weil mich
Nachbarn rauszogen, aber alle meine Kleider, das
Essen, das Öl zum Kochen, die Matrazen , Tücher
und Decken – alles weg. Ich vermisse am meisten
das Geld, dass meine Mutter verdiente als sie Tee
und Brot verkaufte. Ich bin traurig über all das,
was wir verloren haben. Ich bin zur Schule
gegangen, aber alle meine Bücher sind verbrannt.
Ich mag Flugzeuge, weil sie von einem Ort zum
anderen fliegen. Ich würde gern viele Orte
besuchen, wie Amerika. Ich hoffe, dass ich auch
nach Südsudan gehen kann, weil das mein Land ist,
aber wir haben es verlassen, weil Männer mit
Gewehren kamen.” Gatdet musste mit 11 Jahren
aus dem Südsudan fliehen. Er versteckte sich in
einem Fluß, der rot war vom Blut, als die Milizen
auf seine Klassenkameraden und Verwandten
feuerten und viele ertranken.
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
In den letzten fünf Jahren sind mindestens fünfzehn neue
Konflikte in Ländern ausgebrochen oder alte Konflikte
wieder entflammt. Im Zuge des „Arabischen Frühlings“ zu
Beginn des Jahres 2011 kam es in Syrien zu einem
internen bewaffneten Kampf zwischen Regierungskräften
und der Opposition, viele Personen wurden Opfer von
Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen.
Vier Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der
Bevölkerung, flohen aus ihrem Land.
Mit der Ausrufung des „Kalifats“ und der Gründung des
„Islamischen Staates“ (IS) im August 2014 entstand im
Irak ein neuer Kriegsplatz. Fast zwei Millionen Menschen
mussten fliehen.
Auch aus den afrikanischen Ländern südlich der Sahara
sind mehr als drei Millionen Menschen auf der Flucht. Sie
fliehen aus Krisenregionen wie Somalia, Sudan, Südsudan
oder Eritrea vor Krieg, Konflikten und Terror durch radikale
bewaffnete Gruppen. Viele Regierungen reagieren auf die
Gewalt mit ebenso brutalen und wahllosen Maßnahmen,
darunter massenhaften, willkürlichen Festnahmen und
Inhaftierungen sowie außergerichtliche Hinrichtungen.
Immer noch gibt es Regionen, in denen bereits
jahrzehntelange Instabilität und Konflikte andauern, wie in
Afghanistan und Somalia. So müssen Millionen von
Menschen immer länger als Flüchtlinge und
Binnenvertriebene mit ungewisser Zukunft an den Rändern
der Gesellschaft leben.
Extreme Armut
©rocaire from Ireland - Kibera17
Armut und Perspektivlosigkeit sind ein Grund für viele
junge Menschen aus Afrika ihre Familie und Freunde
zurückzulassen, um sich auf einen langen und
ungewissen Weg mit dem Ziel Europa zumachen – mit
der Hoffnung auf ein besseres Leben.
"Wenn ich drei Wünsche hätte, würde
ich mir als erstes wünschen, dass wir
alle in die Schule gehen können.
Zweitens, dass wir genug zu Essen
hätten. Drittens, dass die Augen von
meinem Bruder geheilt werden. Nein,
ich wünsche mir nichts für mich
selber, aber wenn sie mir noch einen
Wunsch geben würden, vielleicht
würde ich nach etwas Neuem zum
Anziehen fragen. Das wäre schön. Aber
bringen sie etwas für alle Kinder nicht
nur für mich.“ Lina, 13, die mit ihren
vier Geschwistern in Pariang,
Südsudan lebt. Nach dem Tod ihrer
Mutter bei der Geburt des kleinen
Bruders zieht sie die Geschwister
alleine auf. Wo der Vater ist, weiß Lina
nicht. Aus ihrem Dorf mussten sie
wegen bewaffneter Kämpfer fliehen.
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Bewaffnete Konflikte, wie sie in vielen
Entwicklungsländern gerade in Afrika existieren, führen
meist zu extremer Armut, Elend und Unterdrückung. Sie
sind nicht nur Ursache, sondern können auch Folge von
Armut sein, nicht zuletzt über den Zugang und die
Verwendung von Bodenschätzen. Während aber nur einige
wenige Nutznießer solcher Konflikte sind, leidet die große
Mehrheit der Bevölkerung darunter. Die Folgen sind Flucht
und Vertreibung, brachliegendes Ackerlandes, das nicht
bestellt werden kann, Hunger und Unterernährung,
Krankheit und Tod. Die Vertriebenen haben oft keinen
Zugang zu Schulen oder Gesundheitsstationen,
Hoffnungslosigkeit und Resignation machen sich breit. Vor
allem können Diktaturen und Korruption dort gedeihen, wo
die heimische Wirtschaft mit subventionierten Ökonomien
aus dem Ausland nicht mehr mithalten kann. Die Fischer
an der westafrikanischen Küste sind chancenlos gegenüber
der hochtechnisierten europäischen Fischindustrie,
hochsubventioniertes Gemüse aus dem europäischen
Agrarüberschuss wird auf afrikanischen Märkten meist
günstiger verkauft als heimische Produkte. Trotz eines
anhaltend starken Wirtschaftswachstums im Jahr 2014
sind die Lebensbedingungen vieler Afrikanerinnen und
Afrikaner nach wie vor schlecht. Rechtswidrige
Zwangsräumungen von informellen Siedlungen oder Slums
im Zuge zunehmender Verstädterung beraubt die
Betroffenen ihrer Lebensgrundlagen und ihres Besitzes
und treibt sie noch tiefer in die Armut – und die Flucht.
Menschen auf der Flucht
60 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Das ist
die höchste Weltflüchtlingszahl seit dem 2.Weltkrieg.
86% der Flüchtlinge bleiben in ihrer Herkunftsregion.
Nur 126.800 Menschen
konnten in 2014 in ihr
Heimatland zurückkehren
"Ich fürchte, wenn sich nichts ändert, wird
sich die Zahl der Bootsflüchtlinge drastisch
erhöhen. Die Grenzen Europas dagegen
abzuriegeln ist weder politisch noch moralisch
eine Lösung. Horst Köhler (2009)
Mehr als die Hälfte der Flüchtlingen kommen aus
Syrien (fast 4 Millionen), gefolgt von Afghanistan (fast
2,6 Millionen) und Somalia (fast 1,11 Millionen). Sie
flohen vor internen bewaffneten Konflikten zwischen
Regierungskräfte und nichtstaatlich bewaffneten
Gruppen. In Syrien überquerten innerhalb von wenigen
Tagen allein zehntausende Menschen die Grenze zur
Türkei. Im Libanon und in Jordanien beschränkten die
Behörden den Zustrom syrischer Flüchtlinge, die
dadurch weiteren Angriffen und Entbehrungen
ausgesetzt waren. In Afghanistan ist nach Angaben der
Hilfsmission der Vereinten Nationen die Zahl der
Zivilpersonen, die im Zuge des Konflikts verletzt oder
getötet wurden, 2014 so hoch wie nie zuvor. Die
überwiegende Mehrheit der afghanischen Flüchtlingen
lebt in den Nachbarländern Iran und Pakistan.
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Die gegenwärtige Flüchtlingskrise ist die schlimmste
seit dem Ende des 2.Weltkrieges. Mehr als die Hälfte
der Flüchtlingen kommen aus Syrien (fast 4 Millionen),
gefolgt von Afghanistan (fast 2,6 Millionen) und
Somalia (fast 1,11 Millionen). Sie flohen vor internen
bewaffneten Konflikten zwischen Regierungskräfte und
nichtstaatlich bewaffneten Gruppen. Über 60% der
neuen Binnenflüchtlinge des Jahres 2014 flohen
Berichten zufolge aufgrund der prekären Sicherheitslage
und der Kämpfe. Millionen von Menschen müssen ihre
Heimat verlassen. Tausende von Menschen versuchen in
Europa Schutz zu finden. Vielen von ihnen kommen auf
dem Seeweg. Trotz der gefahrvollen Überfahrt über das
Mittelmeer.
Zum ersten Mal seit der Hungersnot im Jahr
2011 nahm die Ernährungssicherheit rapide ab.
Mehr als 900000 somalische Flüchtlinge
hielten sich in den Nachbarländern auf,
insbesondere in Äthiopien und Kenia. Sudan,
Südsudan, die Demokratische Republik Kongo,
Myanmar, Zentral Afrikanische Republik, Irak
und Eritrea schließen die Top 10 der
Flüchtlingsländer ab.
Hauptrouten
"Wenn sich nach dem Winter wieder mehr
Boote auf den Weg machen, können wir uns
nicht um alle kümmern, falls wir die Einzigen
bleiben sollten, die da rausgehen.“ Admiral
Giovanni Pettorino, Leiter des MRCC der
italienischen Küstenwache.
Folgende Fakten wurden von Frontex ermittelt:
• Zehnfacher Anstieg und Veränderung des Anteils
von Migranten und Flüchtlingen auf der westlichen
Balkanroute; dabei weniger Kosovo-Flüchtlinge, mehr
Syrer und Afghanen.
• Fast vierfacher Anstieg der Migranten- und
Flüchtlingszahlen über die östliche Mittelmeerroute
durch verstärkten Druck in Syrien, Afghanistan und
Irak
• Rekordzahlen von Flüchtlingen und Migranten auf
der westlichen Mittelmeerroute, aber noch niedrig
sind im Vergleich zu den anderen Routen; starker
Anstieg von Flüchtlingen aus Syrien
• Mehr als 50 % der der illegalen
Grenzüberschreitungen durch Syrer
• Höhepunkt der Zahl der Bootsflüchtlinge im April
2015 (16 005)
© Frontex, FRAN Quaterly
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Die Abfahrt
©rocaire from Ireland - Kibera17
Von den Schleusern militärisch überwacht, mit Waffen
bedroht und zum Teil geschlagen, werden die Flüchtlinge
und Migranten am Startpunkt ihrerMittelmeerüberquerung
auf die überfüllten Boote geleitet.
"Die Schmuggler sorgten dafür, dass meine Familie und ich abgeholt und an den Strand von
Zuwara gebracht wurden. Dort befand sich bereits eine Gruppe von Menschen, etwa 300
Syrerinnen und Syrer und um die 500 Afrikanerinnen und Afrikaner unterschiedlicher
Nationalitäten. Libysche Männer, die in die Sache verwickelt waren, kamen jeden Tag zum
Strand und terrorisierten uns mit ihren Gewehren. Ich hab gesehen, wie einige
Afrikanerinnen und Afrikaner geschlagen wurden, ein paar wurden sogar mit Gegenständen
aus Holz und Eisen zu Tode geprügelt.“
Irgendwann trieben bewaffnete Männer alle ans Ufer, wo Schlauchboote auf sie warteten.
„Als meine Familie und ich in das größere Boot gesetzt wurden, hatten wir eigentlich ein
noch größeres erwartet, weil wir so viele waren. ... Es waren zu viele Menschen an Bord. Der
Kapitän war einer der afrikanischen Passagiere, kein echter Kapitän. Wir fuhren los und
dachten, es würde vielleicht sechs oder sieben Stunden dauern, bis wir ankämen. Doch am
Sonntagmittag waren wir immer noch nicht da. Wir hatten uns verirrt.“
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Auf dem Boot
©UNHCR
Die Überfahrt wird von Flüchtlingen
und MigrantInnen häufig als
entsetzliche Erfahrung geschildert.
„Nach ungefähr sieben Stunden begannen die Leute
im Boot zu rufen: ‚Wasser, Wasser!‘ Wir gaben
einigen, die danach fragten, etwas Wasser ab, denn
wir Ghanaer hatten ein paar Flaschen dabei. „Da
unten sterben Menschen, sie brauchen Wasser“,
sagte man uns. Dann am Sonntag, so gegen 1:00
Uhr morgens ging uns das Wasser aus. Um ca. 6:00
Uhr erreichte das Boot internationale Gewässer. Wir
sichteten drei große Containerschiffe. Alle schrien,
wir sollten auf sie zu steuern. Leute vom Schiff
machten Fotos von uns und verschwanden dann
wieder im Inneren des Schiffs. Aber sie halfen uns
nicht.... „Wegen des Motors war es da unten sehr
heiß. Einige versuchten, nach oben zu kommen. Ich
sprach mit einem, der es geschafft hatte und den
ich vorher schon kannte. Er sagt mir: ‚Da sterben
Menschen.’ Es war wegen der Hitze, weil es kein
Wasser gab und die Luft knapp wurde.“
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Die gegenwärtige Flüchtlingskrise ist die schlimmste
seit dem Ende des 2.Weltkrieges. Mehr als die Hälfte
der Flüchtlingen kommen aus Syrien (fast 4 Millionen),
gefolgt von Afghanistan (fast 2,6 Millionen) und
Somalia (fast 1,11 Millionen). Sie flohen vor internen
bewaffneten Konflikten zwischen Regierungskräfte und
nichtstaatlich bewaffneten Gruppen. Über 60% der
neuen Binnenflüchtlinge des Jahres 2014 flohen
Berichten zufolge aufgrund der prekären Sicherheitslage
und der Kämpfe. Millionen von Menschen müssen ihre
Heimat verlassen. Tausende von Menschen versuchen in
Europa Schutz zu finden. Vielen von ihnen kommen auf
dem Seeweg. Trotz der gefahrvollen Überfahrt über das
Mittelmeer.
©Irish Defence Forces
Die Ankunft
„Um 17 Uhr näherte sich ein amerikanisches Schiff [ein liberisches – die
Flaggen sind ähnlich], wir konnten es sehen. Es kam ganz nah an unser
Boot heran … Sie ließen eine Strickleiter hinunter … Viele versuchten,
daran hochzuklettern, und das Boot kenterte … Ich fiel als Erster ins
Wasser. Ich konnte nicht mehr atmen. Im Wasser ging es zu wie im Krieg.
Um uns herum waren Hubschrauber und Boote … Immirdan, eine syrische
Frau, etwa 35 Jahre alt, starb mit ihrem einjährigen Sohn. Sie konnten nicht
schwimmen. Sie hatte mich um etwas Brot, Schokolade, Käse gebeten, das
habe ich ihr gegeben. 20 Minuten später kenterte das Boot. Ich habe sie
gesehen. Auch eine andere Frau, schwarz, die starb. Und ich habe gesehen,
wie Angehörige der Marine auf dem großen Schiff versucht haben, einen
Mann wiederzubeleben. Aber es ist ihnen nicht gelungen.“
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Ausmaß des Dramas
"Ich kann nicht auf das Meer schauen, ich habe meinen Freund Yahea
verloren, vielleicht habe ich meine Seele und meinen Verstand im Meer
verloren. Ich hasse das Meer, ich kann es nicht anschauen.”
Mohammed Kazkji, 22, aus Syrien, Student der Elektrotechnik
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Festung Europa
©Ggia
Zwischen 2009 und 2013 gab die Europäische Union 2 Milliarden Euro aus, um
einen uneinnehmbare Festung zu bauen. Mietgliedstaaten, wie Bulgarien und
Griechenland wurden finanziell unterstütz, um ihre Außengrenzen zu verstärken.
Dagegen flossen nur 700 Millionen Euro in die Unterstützung von Asylverfahren,
Empfangsdienste, Umsiedlung und Integration von Flüchtlingen.
Frontex
Aspida
Um den Zustrom von Menschen
zurückzuhalten, wurde eine der
Hauptruten an der türkisch-griechischen
Grenze in der Region Evros, 2012, mittels
eines 10,5 km langen Grenzzauns unzugänglich gemacht. Weiterhin stellte
Griechenland über 1.800 Grenzpolizisten
bereit. Die Flüchtlinge müssen auf die
gefährliche Seeroute ausweichen. Laut
Frontex wurden seit der Errichtung des
Grenzzauns weniger als 10 illegale Migranten pro Woche gesichtet. In der ersten
Augustwoche 2012, vor Errichtung des
Grenzzauns, wurden noch 2.000 gezählt.
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Eurosur
Europäisches
Grenzüberwachungssystem, von der
EU 2013 gegründetes Programm,
zur Überwachung der illegalen
Einwanderung in die EUMitgliedsstaaten. Dabei werden
Drohnen, Aufklärungsgeräte,
Offshore-Sensoren, hochauflösende
Kameras und Satellitensuchsysteme eingesetzt werden..
© Sara Prestianni
Europäische Agentur für die
operative Zusammenarbeit an
den Außengrenzen der
Mitgliedstaaten der
Europäischen Union; Frontex
fördert, koordiniert und
entwickelt die europäische
Grenzverwaltung im Einklang mit
den EU-Grundrechten.
Operationen
im Mittelmeer
Poseidon…
Die Operation Triton...
Die Operation Mare Nostrum...
...war die italienische Reaktion auf die
Flüchtlingstragödien im Mittelmeer. Italien
als erstes und alleiniges EU Mitglied
organisierte die Aktion ab Oktober 2013
zur Seenotrettung von Flüchtlingen aus
meist afrikanischen Ländern. Im Rahmen
dieser Aktion sollten die Mutterschiffe der
Schlepper identifiziert werden und vor
allem die Flüchtlingsboote zum Festland
eskortiert werden. Die Aktion endete ein
Jahr später, im Oktober 2014 und hat
innerhalb eines Jahres mehr als 100.000
Menschenleben gerettet.
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
...löste Operation Mare Nostrum
im November 2014 ab und
wurde durch die EUGrenzschutz Agentur Frontex
gegründet. Schiffe und
Hubschrauber sind
ausschließlich für den
küstennahen Einsatz
vorgesehen.
…wurde durch Frontex gegründet
und koordiniert operative
Aktivitäten in den östlichen
Mittelmeerregionen, um die
irreguläre Migration in Richtung
des Gebiets der Mitgliedstaaten
der EU zu kontrollieren und die
grenzüberschreitende Kriminalität
zu bekämpfen.
Abwehren oder Retten?
Bei ihren Versuch, Europa über das Mittelmeer zu erreichen und vor Gewalt und
Verfolgung zu fliehen, sind 2014 über 3.500 Frauen, Männer und Kinder sind
gestorben oder verschwunden. Diese Tragödie veranschaulicht, dass die vorhandenen
Mechanismen und Regeln nicht ausreichen, um die Todesfälle auf See zu verhindern.
Die finanziellen und operativen Mittel
der Frontex-Operation „Triton“ wurden
erst vor kurzem, im Mai 2015
verdreifacht und damit auf das Niveau
der „Mare Nostrum“ Operation
gehoben. Es bleibt jedoch fraglich, ob
all diese Gelder direkt in die
Seenotrettungsmaßnahmen fließen und
ob die Ressourcen genügen werden.
Außerdem wurde das Einsatzgebiet
ausgeweitet, es werden auch
Flüchtlinge außerhalb der italienischen
Gewässer gerettet. Die Todeszahlen
haben sich seitdem drastisch reduziert.
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
„Den Friedensnobelpreis geben wir zurück.“
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker,
nachdem er eingesehen hat, dass die
Abschottungspolitik der EU Menschen tötet.
Push-backs
Am 20. Januar 2014 haben elf
Menschen aus Afghanistan, darunter
acht Kinder, ihr Leben verloren, als ihr
Fischerboot in der Nähe der
griechischen Insel Farmakonisi sank.
Überlebende berichten davon, dass ihr
Boot von der griechischen Küstenwache mit großer Geschwindigkeit
zurück zur türkischen Grenze gezogen
wurde. Die griechischen Behörden
haben die Untersuchung der Tragödie
beendet. Seither sind über 100
Flüchtlinge und Migranten beim
Durchqueren der Ägäis gestorben.
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
©NobordersNetwork
Zurückweisung, Zwangsrückführung oder auch Abschiebung von Menschen (meist
Gruppen von Flüchtlingen und Migranten) in das Land, das sie verlassen wollten,
kurz nach der Überquerung der Grenze, oft auch auf hoher See. Sie sind nach
internationalem Recht verboten.
„Sie (die Küstenwache) sagten, sie würden uns nach Athen
bringen. Stattdessen brachten sie uns in ein Plastikboot und
ließen uns auf See zurück.“ Ein junges afganisches Paar
beschreibt, wie sie im September 2013 aus Griechenland in
die Türkei abgeschoben wurden, R. war zu dem Zeitpunkt im
6 Monat schwanger.
Nach Norden
© Age of Hope
Flüchtlinge, die Europa erreicht haben, finden sich in
überfüllten, oft gefängnisähnlichen Lagern wieder, in
denen die sanitären Verhältnisse und die
medizinische Betreuung unzureichend sind.
Die Asylsuchenden, die in Deutschland
ankommen, werden zunächst
erkennungsdienstlich erfasst und einer
Erstaufnahmeeinrichtung zugewiesen. Für die
Dauer des Asylverfahrens werden sie in
Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Der
Kern des deutschen Asylverfahrens ist die
sogenannte Anhörung, in der der Asylsuchende
seine Fluchtgründe glaubhaft darlegen muss.
In der Anhörung wird auch detailliert nach
dem Fluchtweg gefragt, um festzustellen, ob
ggf. ein anderes europäisches Land zuständig
ist. Im Asylverfahren werden nicht nur die
klassischen Asylgründe geprüft, sondern
auch,ob Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz
zu gewähren sind oder nationale
Abschiebungsverbote vorliegen, z.B. wenn die
Rückkehr in das Heimatland eine konkrete
Gefahr für Leib, Leben und Freiheit des
Flüchtlings bedeutet.
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Überfüllte Lager gibt es laut Berichten des
UNHCR, Amnesty Internationals und anderer
Menschenrechtsorganisationen in z.B. Malta,
Zypern, Griechenland, Bulgarien, Ungarn und
Italien.
Asylverfahren dauerten 2014 durchschnittlich 7,1
Monate. Doch diese Zahlen zur durchschnittlichen
Verfahrensdauer ergeben sich, da das BAMF im
Dezember 2014 vorwiegend priorisierte
Herkunftsländer in Schnellverfahren bearbeitet
hat. Dies sind zum einen die als „sichere
Herkunftsländer“ deklarierten Staaten Serbien,
Mazedonien und Bosnien-Herzegowina, zum
anderen besonders unsichere Herkunftsländer wie
Syrien und Irak. Die Vorauswahl schnell zu
erledigender Verfahren geht zu Lasten der anderen
Flüchtlinge, die dadurch noch länger auf ihre
Entscheidung warten müssen. Nach offiziellen
Angaben warten iranische Flüchtlinge 14,5
Monate, afghanische Flüchtlinge 13,9 Monate
und irakische Flüchtlinge 9,6 Monate auf die
Entscheidung des Bundesamts. Für Flüchtlinge
bedeutet dies viele Monate existenzieller
Unsicherheit. Aus Sicht von Amnesty
International, ProAsyl und anderen
Flüchtlingsorganisationen setzt das sogenannte
Asylbeschleunigungsgesetz auf Ausgrenzung und
Abwehr und ist mit der Achtung der
Menschenrechte nicht vereinbar.
Noch immer sind Verfahrensstandards und
Anerkennungsquoten, auch für Flüchtlinge
aus denselben Herkunftsländern in Europa
sehr unterschiedlich. Auch wenn Deutschland
in Zahlen in Europa die meisten Flüchtlinge
aufnimmt, steht es nur an 7. Stelle in
Europa, was das Verhältnis zur
Gesamteinwohnerzahl angeht. 2014 kommen
in Schweden 7,8 Asyl-Erstanträge auf 1000
Einwohner, in Deutschland dagegen nur 2,1
auf 1000 Einwohner.
Dublin III
Mitgliedstaaten, in denen die
Dublin III-Verordnung unmittelbar
geltendes Recht ist, sind alle
Staaten der EU sowie auf Grund der
Parallelabkommen auch Norwegen,
Island, die Schweiz und
Liechtenstein.
Dublin- Überstellungen für Familien mit
Kleinkindern nach Italien dürfen nach der Tarakhel
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte und des deutschen
Bundesverfassungsgerichtes vom Herbst 2014 nur
stattfinden, wenn Italien individuelle
Zusicherungen hinsichtlich der Unterbringung aller
Familienangehörigen abgibt, um ein „Abschieben
der Familie in die Obdachlosigkeit“ zu verhindern.
Da Italien seit April 2015 keine individuellen
Zusicherungen mehr abgibt, werden Familien mit
kleinen Kindern aktuell nicht mehr nach Italien
überstellt.
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
©J. Patrick Fisher
©J. Patrick Fischer, Wikipedia
Die Dublin III Verordnung regelt die Zuweisung der Flüchtlinge auf die
europäischen Staaten dahingehend, daß in der Regel der EU- Mitgliedsstaat
für das Asylverfahren zuständig ist, über dessen Grenze ein Flüchtling erstmals
die EU betreten hat.
Die Länder an den EU-Außengrenzen wie z.B. Italien,
Malta, Griechenland und Ungarn sind mit dem hohen
Flüchtlingsaufkommen überfordert. Viele Flüchtlinge
versuchen daher, auf illegalem Weg in den Norden
Europas zu gelangen. Sollte sich dort jedoch
herausstellen, daß der Flüchtling über ein anderes EULand eingereist ist, wird versucht, den Flüchtling in
dieses Land zurückzuführen. Eine Rückführung ist nur
dann ausgeschlossen, wenn in dem EU- Staat, in den
zurückgeführt werden soll, systemische Mängel im
Asylsystem nachgewiesen sind, wie es der Europäische
Gerichtshof bisher nur im Falle Griechenlands
entschieden hat. Bei anderen europäischen Ländern,
wie z.B. Ungarn oder Bulgarien, die auch gravierende
Mängel im Asylverfahren oder in der Unterbringung
aufweisen, wird weiterhin dorthin überstellt – hier hilft
in vielen Fällen nur der Klageweg, um dies zu
verhindern. Insgesamt 18% aller Asylentscheidungen
des Bundesamts im Jahre 2014 waren DublinEntscheidungen. Dublin III dient also zu einem großen
Teil dazu, Flüchtlinge in den für sie zuständigen Staat
zurückzuschieben, aus dem sie aus guten Gründen
weiter geflohen sind
Asylantrag abgelehnt
© Bernd Schwabe
©J. Patrick Fisher
"Schrille Töne wie etwa aus Bayern, den Flüchtlingen
per se massenhaften Asylmissbrauch zu unterstellen,
verschärfen die Debatte dabei in unverantwortlicher
Weise." Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD)
Sogenannte sichere Herkunftsstaaten sind neben
den EU-Mitgliedstaaten derzeit Bosnien und
Herzegowina, Ghana, Mazedonien, Senegal
und Serbien. Das Konzept der sicheren
Herkunfts-staaten ist ein Angriff auf ein faires
Verfahren. Es sollte ermöglichen, dass - neben
vielen anderen Restriktionen im Asylrecht bestimmte Asylanträge schneller und weniger
gründlich bearbeitet werden können. Eine faire
Prüfung des Einzelfalles, auf die man
gesetzlich in Deutschland Anspruch hat, wird
so verhindert. Die Menschenrechtslage in
Mazedonien, Serbien und Bosnien ist
problematisch, da gerade Roma nicht sicher
vor Verfolgung sind, da sie strukturell
benachteiligt sind und am Rande der
Gesellschaft leben.
Wenn die Abschiebung aus rechtlichen oder
tatsächlichen Gründen ausgesetzt werden
muss - z.B. weil ein Flüchtling wegen
Krankheit reiseunfähig ist oder
Identitätspapiere fehlen - erhält er eine
sogenannte Duldung. Diese Duldung gilt
maximal sechs Monate und kann jederzeit
widerrufen werden. Für geduldete Personen
gelten erhebliche Einschränkungen von
Teilhaberechten wie etwa beim Zugang zum
Arbeitsmarkt oder sozialen Leistungen.
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Wenn der Asylantrag abgelehnt wird, wird ein
Flüchtling aufgefordert, Deutschland zu verlassen.
Meistens hat er dazu einen Monat Zeit. Reist er
nicht freiwillig aus, droht die Abschiebung.
Abschiebungen werden fast immer per Flugzeug
durchgeführt. Jährlich werden mehrere tausend
Menschen auf dem Luftweg aus Deutschland
abgeschoben. Einige Flüchtlinge versuchen,
unterzutauchen und der Illegalität zu leben. Steht
die Polizei zur Abschiebung vor der Tür, setzen sich
manche Flüchtlinge körperlich zur Wehr. Dann
werden Abschiebungen mit Polizeibegleitung
durchgeführt. Bei kranken Flüchtlingen fliegen
manchmal Ärzte mit, gegebenenfalls auch nur, um
zu verhindern, dass ein Flüchtling sich unterwegs
das Leben nimmt. Auch in Deutschland werden
unter bestimmten Bedingungen Menschen zur
Sicherung der Abschiebung in Abschiebungshaft
genommen. Die Haft kann bis zu 18 Monate
dauern.
Sichere Zugangswege
© Takver
©J. Patrick Fisher
Amnesty International setzt sich dafür ein,
dass mehr sichere und legale Zugangswege für
Flüchtlinge zur Verfügung gestellt werden, um
das Recht auf Asyl zu gewährleisten.
Eine Möglichkeit sind humanitäre
Aufnahmeprogramme. Dies sind auf Zeit angelegte
Hilfsprogramme, die eine regelmäßige
Überprüfung der Situation im Heimatland
beinhalten. Deutschland hat hierfür insgesamt
20.000 Plätze für besonders schutzbedürftige
syrische Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Bis
auf Bayern haben alle Bundesländer
Aufnahmeprogramme beschlossen, über die in
Deutschland lebende Syrer Verwandte nachholen
können, wenn sie deren Lebensunterhalt
finanzieren können. Viele dieser Programme sind
jedoch bereits abgeschlossen oder drohen, nicht
verlängert zu werden.
2014 wurden rund 220.000 Menschen an den
Seeaußengrenzen der EU registriert. Rund
110.000 von ihnen waren Syrer. Für die vielen
Flüchtlinge aus Afghanistan, Eritrea und
Somalia wird keine Lösung angeboten. 3,4
Millionen Flüchtlinge leben nach Angaben der
Vereinten Nationen im Libanon, Jordanien und
der Türkei unter katastrophalen Bedingungen, es
fehlt selbst am Nötigsten. Im Libanon ist
mittlerweile jeder fünfte Einwohner ein Flüchtling – insgesamt sind 1,1 Millionen Flüchtlinge
dorthin geflohen, nach Europa lediglich
123.000. 20.000 Visa zur legalen Einreise und
deutsche Entwicklungshilfe für Libanon sind nur
ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Die Boote werden voll bleiben.
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
Das Resettlement-Programm des UNHCR dient dazu,
besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus
perspektivlosen Zufluchtssituationen zu befreien und
sie in aufnahmebereiten Staaten neu anzusiedeln.
Seit 2012 nimmt die Bundesrepublik regelmäßig am
Programm teil: 300 Menschen wurden in den letzten
Jahren jährlich in Deutschland neu angesiedelt, ab
2015 werden es rund 500 sein. So gering diese Zahl
angesichts der rund 800.000 Menschen, die laut
UNHCR in den nächsten fünf Jahren Resettlement
benötigen, auch ist – dass sich Deutschland am
UNHCR- Programm beteiligt ist ein Erfolg
jahrelanger Arbeit der Save me Kampagne, die
Amnesty International, ProAsyl und andere
Flüchtlingsorganisationen unterstützen. Die EUKommission will in den kommenden zwei Jahren
20.000 Kriegsflüchtlinge aus Syrien in Europa neu
ansiedeln. Die Bundesrepublik hat ihren
grundsätzlichen Willen zur Beteiligung signalisiert.
Der Vorschlag 20.000 Menschen aus Syrien über das
Resettlement-Programm aufzunehmen ist zwar ein
positives Zeichen, wird aber nicht zu einer Abnahme
der Bootsflüchtlinge führen.
Unsere Flüchtlingsarbeit
In der Flüchtlingsarbeit wird Amnesty International vorbeugend gegen Menschenrechtsverletzungen tätig. In der Asylpolitik begrenzen wir uns auf Fragen des Rechtsschutzes
politisch Verfolgter und auf Fragen des Zugangs zu einem fairen und umfassenden
Asylverfahren.
Flüchtlingsarbeit von Amnesty International
Amnesty International setzt sich gegen die
Abschiebung von Personen ein, denen im Falle ihrer
Abschiebung konkret die
Menschenrechtsverletzungen drohen, gegen die sich
Amnesty International aktiv einsetzt wie z.B.
Inhaftierung als gewaltlose politische Gefangene
oder Folter und Todesstrafe. Für diese gefährdeten
Menschen setzt sich Amnesty International für einen
rechtlich gesicherten Aufenthalt ein. In den meisten
Bezirken hat Amnesty International Asylgruppen, die
für die Flüchtlingsarbeit in ihrem Bezirk zuständig
sind. Sie stellen Informationsmaterial zur
Menschenrechtssituation in den Herkunftsländern
der Asylbewerber zur Verfügung, informieren über
den allgemeinen Ablauf des Asylverfahrens und
beantworten Fragen zum Stand des individuellen
Verfahrens.
Zugang zu einem fairen Verfahren
Generell fordert Amnesty International für alle
Asylsuchenden den Zugang zu einem fairen Asylverfahren,
das den Standards des internationalen Flüchtlingsrechts
entspricht. Hierbei stützt sich Amnesty International auf
Art. 33 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951,
der das Verbot der Ausweisung, Abschiebung,
Zurückweisung und Auslieferung politischer Flüchtlinge
enthält, d.h. von Menschen, denen wegen der in Art. 33
Abs. 1 GFK genannten Merkmale wie Rasse, Religion,
Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung
Gefahren für Freiheit oder Leben drohen.
Erstellung von Gutachten für Verwaltungsgerichte
Zu einer besonders wichtigen Arbeit im
Flüchtlingsreferat hat sich in den letzten Jahren
bei Amnesty International die Erstellung von
Gutachten für Verwaltungsgerichte entwickelt.
Nach dem Auswärtigen Amt ist Amnesty
International die Stelle, die von den
Verwaltungsgerichten am meisten zur
Menschenrechtssituation in den Herkunftsländern
von Asylbewerbern gefragt wird. Immer mehr
Verwaltungsrichter wollen sich nicht nur mit der
amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes
begnügen, sondern haben ein Interesse an
Auskünften einer unabhängigen
Menschenrechtsorganisation. In einer Reihe von
Fällen haben die Auskünfte von Amnesty
International dazu beigetragen, dass
Asylsuchende als politisch Verfolgte anerkannt
worden sind oder ihnen Abschiebungsschutz
gewährt worden ist.
Impressum
Ausstellung: Ist das Boot voll
von Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland,
Gruppe 1070 Erlangen
Postfach 1163, 90001 Erlangen
www.amnesty.de
Spendenkonto: DE23 3702 0500 0008 0901 00, Bank für Sozialwirtschaft
basierend auf Studien und Materialien von Amnesty International
Stand: 10. August 2015
SOS Europa
In Europas Nachbarschaft
drohen Haft und Folter.
Flüchtlinge retten
ist eine gemeinsame
Aufgabe.
Europa
kann
mehr.
Geld für Hilfe
statt Abschottung.
Asyl ist ein
Menschenrecht.
©Amnesty International
Es gibt kaum
sichere
Fluchtwege.
Wer flieht,
leidet.
Für ein Europa der Menschen und der Menschenrechte!
So viele Menschen wie noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs sind auf der Flucht und suchen
Schutz, auch in Deutschland und Europa. Viele Bürgerinnen und Bürger zeigen eine überwältigende
Hilfsbereitschaft. Doch Realität ist auch: Fast täglich werden in Deutschland Unterkünfte angezündet,
Flüchtlinge oder die, die ihnen beistehen, angegriffen. Während tausende Flüchtlinge auf ihrem Weg
nach Europa im Mittelmeer ertrinken, schotten viele europäische Regierungen ihre Grenzen ab. Und
vielen, denen die Einreise gelingt, steht eine monatelange Odyssee in unwürdigen Verhältnissen bevor.
Fordern auch Sie ein Europa der Menschenrechte!
unter www.europa-der-menschenrechte.org
Stand 10.8.2015, Amnesty International Sektion Deutschland
27 . AU G U S T 2 0 15
WIRTSCHAFT 19
D I E Z E I T No 3 5
Schwerpunkt
Flüchtlinge
Wie kann ich helfen?
Sie haben Zeit, Platz oder Geld und wollen Flüchtlinge
unterstützen? Eine Übersicht der Möglichkeiten
Zum Rausreißen
Wenn Sie sich nicht vor
Beamtendeutsch fürchten,
dann begleiten Sie doch Flüchtlinge zu Behörden. Dafür müssen
Sie auch kein Experte sein: Das
Know-how haben die Flüchtlingsräte, die Zeit haben Sie:
bit.ly/1JwECde
VON SINA GIESECKE, CATERINA LOBENSTEIN UND RUBEN REHAGE
Gerade auf dem
Land sind viele Flüchtlinge nicht mobil. Wenn
Sie in die Stadt fahren, bieten
Sie die freien Plätze im Auto
doch an. Für eine Fahrt zum
Arzt, zur Behörde
oder in den
Supermarkt.
Verständigung ist
wichtig – und schwer, weil mancher Flüchtling nur seine Muttersprache beherrscht. Sie
können helfen, zum
Beispiel als Dolmetscher.
... und
Geduld
... und
Fremdsprachenkenntnisse
Viele der Flüchtlinge sind
Kinder und brauchen
Schulunterricht. Sie können
zum Beispiel eine Flüchtlingsklasse gründen und
Deutsch unterrichten.
... und ein
Auto
als
Lehrer
Ich habe
Zeit ...
... und
mache Musik
oder
Sport
Helfen kann sehr
einfach sein: Machen Sie,
was Ihnen Spaß macht, und
laden Sie Flüchtlinge und ihre
Kinder ein. Zum
Fußballtraining, zum Basteln, zum Chor.
... und
möchte, dass
Flüchtlinge dort
ankommen, wo
sie hinwollen
Achtung: Fluchthilfe ist in
der EU illegal.
Wo die Gesetzesgrenze liegt
und was mit welchen Risiken
verbunden ist, steht hier:
bit.ly/1P0jw7L
... und
möchte beim
Deutschlernen
helfen
... und möchte
einem einzelnen
Flüchtling
konkret helfen
als
Laie
Von Sprachtandems
profitieren gleich zwei:
Sie können eine fremde
Sprache lernen – und der
Flüchtling auch:
bit.ly/1KJX4Mg
und
möchte
selbst was
lernen
Viele Kinder
kommen als Flüchtlinge
nach Deutschland – oft
ohne Eltern oder
Verwandte. Sie können
eine Vormundschaft für
sie übernehmen:
bit.ly/1JgLzeY
Tipps für Ehrenamtliche
finden Sie hier:
bit.ly/1EUdoIf
Oder schauen Sie einfach
gemeinsam mit Flüchtlingen die
Telenovela zum Deutschlernen:
»Jojo sucht das Glück«:
bit.ly/1Jg3Bxx
Viele lokale Initiativen
organisieren Patenschaften.
Was das bedeutet und was man
da so machen kann:
bit.ly/1PPKKOJ
In vielen Städten gibt es
Bedarfslisten für Sachspenden. Oft fehlt es nicht an Altkleidern, sondern an neuer Unterwäsche, an Wörterbüchern oder
Handy-Guthaben. Am besten
fragen Sie die Flüchtlingsräte
oder die Flüchtlinge selbst.
... und dafür
Dinge gekauft,
die ich nicht
mehr brauche
Ja. Aber es gibt einiges zu
beachten. Was genau, hat die
Organisation Pro Asyl
zusammengetragen:
bit.ly/1NnDYjW
Über die Seite flüchtlingewillkommen.de haben schon
80 Flüchtlinge eine WG gefunden. Und 80 WGs einen
neuen Mitbewohner.
Ist das
erlaubt?
Viele Flüchtlingsfamilien
wünschen sich eine Wohnung
– und könnten Ihre Mieter werden. Lokale Hilfsinitiativen wissen meist am besten, wer gerade
sucht.
Oder die Flüchtlingsräte:
bit.ly/1JwECde
... und ein
Zimmer frei
Ich habe
Platz ...
... wo sich
Menschen
treffen
können
Noch einige
Hinweise ...
Oft müssen
Flüchtlinge für Familienangehörige bürgen,
die nachkommen sollen –
und haben
das Geld dafür nicht. Hier
steht, wie man sie
unterstützen kann:
http://bit.ly/1GFPogx
Mehr als 2000 Menschen
sind allein in diesem Jahr bei
der Flucht über das Mittelmeer
gestorben. Einige Organisationen
helfen Flüchtlingen in Seenot,
zum Beispiel diese: Seawatch,
MOAS, Ärzte ohne Grenzen,
Alarmphone.
... und eine
Wohnung frei
Ich habe
Geld ...
In Heimen leben
Flüchtlinge oft in engen
Zimmern, vielen fehlt ein
Ort, um Ruhe zu finden oder
Gäste zu empfangen.
Bieten Sie doch Ihr Vereinsheim oder den Gemeindesaal als Treffpunkt an.
Niemand weiß so gut, woran es fehlt, wie die Flüchtlinge selbst. Wenn möglich, sprechen Sie zuerst mit ihnen. Eine gute Anlaufstelle sind auch die Flüchtlingsinitiativen vor Ort, eine Übersicht finden Sie hier: bit.ly/1MxzCaD und bit.ly/1HKZw3d
Und: Akzeptieren Sie, wenn Ihr Angebot einmal abgelehnt werden sollte – woanders wird man Ihre Hilfe gut gebrauchen können. Alle Links finden Sie ab Donnerstag auch auf www.zeit.de
... und möchte
bürgen
... und möchte
spenden
Für Hilfe
bei Seenot
Nach
Deutschland
Welcher Initiative soll man
Geld geben? Der Flüchtlingsrat Ihres Bundeslandes
weiß zumindest,
welche es gibt:
bit.ly/1JwECde
Ins
Ausland
Mehrere Organisationen setzen sich weltweit
für die Belange von Flüchtlingen ein. Medico International, Ärzte der Welt und das
Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen sind nur drei
davon.