CALL FOR ABSTRACTS „Der exkludierte Rand der Gesellschaft

CALL FOR ABSTRACTS
„Der exkludierte Rand der Gesellschaft: Subjektive Potentiale zur Reintegration über
Arbeit“
Ad-hoc-Gruppe beim 38. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
„Geschlossene Gesellschaften“, 26.-30. September 2016, Universität Bamberg
Organisation: Lukas Kerschbaumer und Ivonne Küsters
Globale politische und konjunkturelle Entwicklungen haben in den letzten Jahren vermehrt
die defizitäre Inklusionskapazität des Arbeitsmarktes aufgezeigt. Es gibt ein chronisches
Überangebot an Arbeitskraft und somit an Personen, die entweder an den Rand der
Gesellschaft gedrängt werden, oder bereits seit langem dort verharren. Eine generationale
Reproduktion dieser Lage ist wahrscheinlich und eine Verfestigung exkludierender Strukturen
die Folge. Entsprechend werden Personen, die zwangsläufig auf sozialstaatliche
Transferleistungen angewiesen sind, als gesamtgesellschaftliche Belastung thematisiert und
wahrgenommen (vgl. Atzmüller et al. 2012, S. 93).
Diese Deutung wird oftmals von den Betroffenen übernommen (vgl. Dietz 1997, S. 210f), da
der normative Anspruch des Arbeitens für den eigenen Lebensunterhalt allgegenwärtig ist. Im
Laufe der Zeit kommt die eigene Anbindung an die Gesellschaft nur noch anhand dieser
Deutungen zustande und so wird das Ausgeschlossensein selbst zur Identität der Exkludierten.
Zugehörigkeit wird nur noch durch die Orientierung an Personen mit ähnlichen Problemlagen
vollzogen (vgl. Bude/Willisch 2006, S 17). Die Option auf eine selbstständige, aktive und
zukunftsorientierte Planung des eigenen Lebens wird unter Bedingungen der Prekarisierung
zusätzlich eingeschränkt (Scherschel et al. 2012, S. 10f) und die gestalterischen Spielräume
der Lebenswelt reduzieren sich auf ein Maß, das deutlich unterhalb des gesellschaftlichen
Standards liegt (vgl. Dux 2009, S. 11). Arbeit ist ein Weg in die Öffentlichkeit und der
sozialen Einbindung, ihr Fehlen ist das Einfallstor für sozialen Rückzug und
Desillusionierung (vgl. Jahoda 1982). Besonders betroffen sind Personen mit multiplen
Problemlagen, die eine Integration zusätzlich behindern. Insbesondere erschweren Alter,
Migrationshintergrund, sprachliche Defizite, Versorgung/ Pflege von Kindern oder
Angehörigen, wie auch niedrige Qualifikation und gesundheitliche Einschränkungen, zumal
wenn sie kumuliert auftreten, den marktvermittelten Zugang zu Arbeit (vgl. Achatz und
Trappmann 2011) und so auch zur Gesellschaft.
Interessant sind angesichts dessen Personen, die in ihrer biographischen Genese
unterschiedliche Aspekte der Exklusion von der Arbeitswelt vereinen und trotz aller
Widerstände und Hemmnisse eine (Re)Integration in den Arbeitsmarkt und so auch in die
soziale Ordnung vollziehen konnten. Von der Forschung noch unbearbeitete Fragen sind
dabei, wie diese Übergänge wider des Erwartbaren oder „against the odds“ zustande
gekommen und kontextuell gerahmt sind, ob und wie Netzwerke oder individuelle Attribute
genutzt werden, welche Rollen institutionelle Instanzen spielen, wie mit Identität und
Biographie umgegangen wird u.v.m.
Diese Ad-hoc-Gruppe lädt Beiträge
dem Übergang in Arbeit und der
möglichen erschwerten Bedingungen
Potentiale von exklusionsbedrohten
aus empirischen Forschungsprojekten ein, die sich mit
Re(Integration) in die geschlossene Gesellschaft unter
beschäftigen. Es geht um das Entdecken pro-aktiver
Akteuren zur eigeninitiativen Herstellung von Teilhabe
am sozialen Leben. Da besonders die subjektiven Deutungen und die biographischen
Einflussfaktoren auf Handlungsund
Denkmuster essentielle Bestandteile eines
Verständnisses möglicher multikausaler Zusammenhänge darstellen, werden qualitative
Zugänge oder Studien mit Mixed-Methods-Designs bevorzugt. Ein Fokus soll auf jene
Aspekte des Übergangs gerichtet werden, die als Schlüssel zur Öffnung und des Zutritts in
eine erwerbszentrierte Gesellschaft fungieren können: Wie gelingt es benachteiligten
Personen negative Auswirkungen beeinträchtigender oder gar stigmatisierender Einflüsse zu
kompensieren, zu überwinden und dann damit erfolgreich am Arbeitsmarkt zu sein?
Wir erbitten die Einreichung von Abstracts (mit max. 3500 Zeichen inkl. Leerzeichen) bis
zum 1. Mai 2016 an: Lukas Kerschbaumer und Ivonne Küsters, Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung
(IAB),
Nürnberg:
[email protected]
und
[email protected]
Literatur:
Achatz,
Juliane; Trappmann, Mark (2011): Arbeitsmarktvermittelte Abgänge aus der
Grundsicherung.
Der
Einfluss
von
personenund
haushaltsgebundenen
Arbeitsmarktbarrieren. Hg. v. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Nürnberg (IAB-Discussion Paper, 2/2011).
Atzmüller, Roland; Krenn, Manfred; Papouschek, Ulrike (2012): Innere Aushöhlung und
Fragmentierung
von
Erwerbslosigkeit,
prekärer
Beschäftigung
und
Arbeitsmarktpolitik. In: Karin Scherschel, Peter Streckeisen und Manfred Krenn
(Hg.): Neue Prekarität. Die Folgen aktivierender Arbeitsmarktpolitik - europäische
Länder im Vergleich. 1. Aufl. Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 75–109.
Bude, Heinz; Willisch, Andreas (2006): Das Problem der Exklusion. In: Bude, Heinz;
Willisch, Andreas (Hg.) Das Problem der Exklusion. Ausgegrenzte, Entbehrliche,
Überflüssige, 1. Aufl. Hamburg: Hamburger Edition HIS Verlag, S. 7–23.
Dietz, Berthold (1997): Soziologie der Armut. Eine Einführung. Frankfurt/Main, New York:
Campus Verlag.
Dux, Günter (2009): Von allem Anfang an: Macht, nicht Gerechtigkeit: Studien zur Genese
und historischen Entwicklung des Postulats der Gerechtigkeit. Weilerswist: Velbrück.
Jahoda, Marie (1982): Employment and unemployment. A social-psychological analysis.
Cambridge, New York: Cambridge University Press (Psychology of social issues,
no. 1).