Text 2 deutsch

Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein (mit Max Jacobsen, Ingrid Fiksdahl­King, Shlomo Angel), Eine Muster­Sprache. Städte Gebäude Konstruktion
Hermann Czech (Hrsg.), Loecker Verlag GesmbH, Wien, 1995, S. 647 ­ 649
Aktivitätsnischen
… bei vielen großmaßstäblichen Mustern, die öffentliche Räume bestimmen, ist der Rand von entscheidener Bedeutung: Promenade, kleine Plätze, öffentliches Zimmer im Freien, Fussgängerstrasse, Passage durchs Gebäude, die Form von Wegen. Das folgende Muster hilft dabei, den Rand all dieser größeren Muster zu vervollständigen.
Ein öffentlicher Platz belebt sich ganz natürlich vom Rand aus. Wenn der Rand seinen Zweck verfehlt, füllt sich der Raum nie mit Leben.
Genauer gesagt: Menschen werden ganz natürlich von den Rändern öffentlicher Plätze angezogen. Sie halten sich nicht im freien Raum auf. Bietet der Rand ihnen keine Stellen, wo sie sich ungezwungen aufhalten können, wird aus dem Raum ein Platz zum Durchgehen, und nicht zum Bleiben. Daraus folgt, daß ein öffentlicher Platz von Nischen umgeben sein soll: Geschäfte, Stände, Bänke, Auslagen, Geländer, Höfe, Gärten, Ankündigungstafeln. Der Rand muß in Wirklichkeit bogenfärmig ausgezackt sein.
Dazu kommt, daß das Verweilen ein schrittweiser Prozeß ist; es kommt zufällig zustande; man überlegt es sich nicht vorher; man bleibt oder geht, entsprechend seinem wechselnden Interesse. Das bedeutet, daß die verschiedenen Aktivitätsnischen am Rand alle an Wegen und Eingängen liegen sollten, so daß die Leute beim Durchgehen direkt an ihnen vorbeikommen. So kann das zielorientierte Kommen und Gehen allmählich in ein entspannteres Verhalten übergehen. Und wenn sich erst einmal entlang des Randes viele kleine Gruppen bilden, ist zu erwarten, daß sie sich allmählich vermischen und immer mehr zur Mitte des Platzes hin verlagern. Genauer gesagt, müssen Aktivitätsnischen und Eingänge also nebeneinander liegen.
Schematische Zeichnung
Der bogenförmig ausgezackte Rand muß den gesamten Platz umfassen. Das läßt sich leicht nachweisen: Zeichne einen Kreis, der den Raum darstellt, und zieh einen Teil des Umfangs, der den bogenförmig ausgezackten Bereich darstellen soll, stärker nach. Nun zeichne zwischen verschiedenen Punkten auf der verstärkten Linie Verbindungslinien. Je kürzer die verstärkte Linie wird, desto mehr verringert sich die von den Verbindungslinie bedeckte Fläche. Das zeigt, wie schnell das Leben auf einem Platz aufhört, wenn der ausgezackte Rand kürzer wird. Damit ein Platz belebt ist, muß er von dem gezackten Rand vollständig umschlossen sein.
Je mehr Aktivitäten es um den Platz herum gibt, desto belebter wird er.
Wenn wir sagen, daß der Rand durch Aktivitäten bogenförmig ausgezackt werden muß, meinen wir das gedanklich ­ nicht wörtlich. Um dieses Muster zu bauen, muß man in Wirklichkeit die Aktivitätsnischen in den Platz hinein bauen: entwirf zuerst die größeren Wege, die den Platz kreuzen, und die zwischen diesen Wegen liegenden freien Flächen: dann bau die Aktivitätsnischen in diese “Zwischenflächen” hinein, und zwar so, daß sie in den Platz hineinragen.
Daraus folgt:
Umgib öffentliche Plätze mit Nischen der Aktivität ­ kleine, teilweise umschlossene Bereiche an den Rändern, die in den freien Raum zwischen den Durchgangswegen vorspringen und Aktivitäten enthaöten, die die Leute zwangslos innehalten und teilnehmen lassen.
Verbinde die Nischen der Aktivität durch Wege ­ Wege und Ziele ­ und gestalte die Nischen selbst mit Arkaden, Sitzgelegenheiten, Sitzmauern, Säulen und Laubenwegen ­ Arkaden, Zimmer im Freien, Laubenweg, Plätze zum Sitzen, Sitzmauer; gestalte sie vor allem gemeinsam mit Gebäudefronten ­Ggebäudefronten; und statte die Nischen mit Zeitungsständen aus ­ Bushaltestelle, Imbissstände ­ sowie mit Gärten, Spielen, kleinen Geschäften, Strassencafés und einem Platz zum Warten….