Maschinen b au Automatisierung mit Durchblick Text: Dipl.-Ing. (BA), MBA Markus Lohmüller, Siemens AG, Stuttgart Der Erfolg der Elektromobilität ist stark daran geknüpft, ob die Batterietechnik mit der Entwicklung Schritt halten kann. Kommt es zum Hype, wächst der Bedarf an Hochleistungsbatterien rasant. Darauf will sich ein Hersteller von Extrusionsanlagen vorbereiten und steigt mit eigenen Anlagen zum Kalandrieren von Batteriefolien in dieses Geschäftsfeld ein. Durchgängige Automatisierung vereinfacht die Entwicklung dieser Anlagen. D ie fortschreitende Entwicklung der Elektromobilität ist direkt mit der Entwicklung von qualitativ hochwertigen Hochleistungsbatterien gekoppelt. Die Batterietechnik wird somit ein Schlüsselfaktor, die Mobilität der Zukunft auf ökologische und ökonomische Beine zu stellen. Vor diesem Hintergrund investiert die Firma Breyer GmbH Maschinenfabrik in Singen in Maschinen zur Herstellung von äußerst präzisen Kathoden und Anoden, wie sie für Lithium-Ionen-Batterien notwendig sind. Je präziser sich die Kathoden und Anoden fertigen lassen, desto leistungsfähiger und letztendlich auch wirtschaftlicher werden die Batterien. Ende 2011 wurde eine erste Kalanderanlage zum Verdichten des Elektrodenmaterials in Betrieb genommen, die zugleich den Startschuss für ein neues Geschäftsfeld bildet. Denn bisher ist das Unternehmen mit über 60-jähriger Firmengeschichte für seine Extrusionsanlagen für Halbzeuge, Folien, Platten und Tuben aus Kunststoff weltweit bekannt. Dieses Know-how kommt dem Unternehmen zugute, um den Bau von Hochleistungsbatterien für Elektrofahrzeuge möglichst effizient und wirtschaftlich gestalten zu können. 10 E-Mobility 2/2012 Dipl.-Ing.(FH) Rolf Preuschoff, verantwortlich für den Geschäftsbereich Film Lines, zu dem auch der neue Bereich Kalanderanlagen bei Breyer gehört, erklärt: „Bei der Herstellung von Kathoden und Anoden für Lithium-Ionen-Batterien spielt die Präzision eine herausragende Rolle. Durch unsere jahrzehntelange Erfahrung im Extrusionsbereich haben wir exzellente Voraussetzungen und gehen deshalb mit großem Ehrgeiz ins Rennen.“ Obwohl es bereits eine Reihe von Elektrofahrzeugen gibt, ist dennoch ein riesiges Optimierungspotenzial bei der Produktion von Lithium-Ionen-Batterien vorhanden. So sollen nach Angaben von Marktforschern die Batteriekosten pro Kilowattstunde zwischen 1000 und 2000 Dollar im Jahr 2006 auf unter 400 Dollar im Jahr 2020 sinken. Diese Kostenreduzierung ist unter anderem eine wesentliche Voraussetzung für den Durchbruch der Elektromobilität. Gleichzeitig wird ein steiler Anstieg beim Bedarf an Batteriezellen und damit Produktionskapazitäten ab 2013 prognostiziert. Dieser soll im Jahr 2020 auf etwa eine Milliarde Zellen angestiegen sein. „Um solche Größenordnungen erreichen zu können, müssen die Produktions- M as c hin en b au methoden sowie die Produktionsqualität weiter gesteigert werden“, betont Dipl.-Ing. (FH) Joachim Bormann, Sales Manager im Geschäftsbereich Film Lines bei Breyer. Systemdurchgängigkeit zählt Ein entscheidender Prozessabschnitt ist zwischen dem Mischen und Beschichten sowie dem Trocknen und Zuschneiden das erwähnte Verdichten des Elektrodenmaterials. Dieses Compressing ist notwendig, um die Porosität zu minimieren. Bei diesem Produktionsschritt werden die Bildquelle: Breyer „Beim Aufbau der gesamten Elektrotechnik haben wir auf Systemdurchgängigkeit geachtet“ Bild que lle: beschichteten Folien aus Kupfer und Aluminium von ca. 160 µm auf etwa 120 µm Dicke gebracht. Dies geschieht über zwei tonnenschwere Walzen, im sog. Kalander. In diesem Herz der Maschine steckt mechanisch sowie steuerungs- und regelungstechnisch sehr viel Know-how der Fa. Breyer. „Bereits vor 20 Jahren haben wir das erste Patent zur hochpräzisen Positionierung sowie der Walzenspaltregelung angemeldet“, berichtet Rolf Preuschoff. Gesteuert wird die etwa 10 m lange Kalanderanlage über eine speicherprogrammierbare Steuerung Simatic S7-317 2 PN/DP von Siemens. Als Bedienpult dient ein Multi Panel MP 377 vom gleichen Hersteller, das über Profibus an die Steuerung angeschlossen ist. Rolf Preuschoff erklärt: „Beim Aufbau der gesamten Elektrotechnik haben wir auf Systemdurchgängigkeit geachtet.“ Aus diesem Grund haben sich die Verantwortlichen für Siemens als wichtigsten Zulieferer entschieden. Denn der Konzern stimmt im Zuge von Totally Integrated Automation sämtliche Komponenten und Lösungen aufeinander ab. „Das sehen wir nicht nur innerhalb der Anlagenentwicklung als großen Vorteil, sondern später auch beim Betrieb“, sagt Joachim Bormann. Der Transport von Lithium-Ionen-Batterien birgt ein gewisses Risiko, was letztendlich dazu führen wird, dass die Batteriepro- Bre yer Einstieg: Mit eigenen Kalanderanlagen zur Verdichtung des Elektrodenmaterials startet die Breyer GmbH Maschinenfabrik in das Geschäftsfeld der E-Mobilität E-Mobility 2/2012 11 Maschinen b au Zusammenspiel: Die CPU (ganz links) bildet das steuerungstechnische Herz der neuen Kalanderanlage, die Servomotoren werden über Frequenzumrichter angesteuert (links), der Touch Screen mit Farbdisplay dient der Visualisierung bzw. Bedienung der Anlage (unten) duktion vorzugsweise in direkter Nähe zu den Standorten der Fabriken von Elektrofahrzeugen stattfinden wird – also über den gesamten Globus verteilt. Die Steuerung S7317 2 PN/DP ist bereits mit einem Web-Server plus IPAdresse ausgestattet, damit der Maschinenhersteller bei Bedarf von Singen aus schnelle Unterstützung leisten kann. Bei durchgängigen Systemen sind somit auch Service bzw. Fernservice einfacher, was sich letztendlich auf die Verfügbarkeit solcher Produktionsanlagen positiv auswirkt. Antriebstechnik mit Finessen Auch die Antriebe der Ab- und Aufwickeleinrichtungen für die bis zu 1000 m langen Elektrodenbahnen auf der Rolle werden von Siemens geliefert. Dabei handelt es sich um Servomotoren Simotics S-1FK7 mit einer Leistung von 4,5 kW. Die beiden Kalanderrollen indes werden von Servomotoren Simotics S-1FK6 mit je 32 kW in Bewegung gebracht. Die Drehzahlregelung erfolgt mit vier Frequenzumrichtern Sinamics S120, die an einer gemeinsamen Einspeisung hängen und von Control Units CU320 angesteuert werden. Die Anforderungen an die Drehzahlgüte sind für perfekte Produktionsergebnisse entscheidend. Rolf Preuschoff resümiert: „Mit den Systemen von Siemens haben wir die besten Erfahrungen gemacht.“ Mithilfe der genannten Frequenzumrichter lässt sich zum Beispiel auch energiesparender Betrieb realisieren, denn durch die Netz-Rückspeisefähigkeit im Bremsbetrieb kann diese Energie auf der anderen Seite sofort wieder verwendet werden. So arbeiten Ab- und Aufwickler mit maximaler Energieeffizienz. Hinzu kommt die vereinfachte Projektierung, die durch die Funktion Drive Control Chart (DCC) möglich ist. DCC bedeutet grafisches Projektieren und Erweitern der Gerätefunktionalität mittels frei verfügbaren Regelungs-, Rechen- und Logikbausteinen. Rolf Preuschoff erklärt: „Der Kalander ist steuerungs- und regelungstechnisch der Master in der 12 E-Mobility 2/2012 Anlage, während sich die Ab- und Aufwickler wie Slaves daran anpassen müssen.“ Denn wie bereits angedeutet, bildet neben hoher Prozessgeschwindigkeit vor allem die Spaltgenauigkeit das Zünglein an der Waage. Deshalb sind die Kalanderanlagen sowohl mit einer Positionsregelung an den Walzen als auch mit einer Kraftregelung im Spalt ausgestattet. Bei Bandgeschwindigkeiten von bis zu 50 m/min darf die Dickentoleranz der verdichteten Kathoden- und Anodenfolien nach dem Kalandrieren lediglich 1-2 µm betragen. „Deshalb ist dieser Produktionsschritt so unglaublich anspruchsvoll“, sagt Joachim Bormann. Dezentrale Peripherie, einfache Anbindung Bei Folienbreiten von 400 bzw. 800 mm gehört auch die gleichmäßige Verdichtung über die gesamte Breite zu den anspruchsvollen Aufgaben. Deshalb befinden sich in der Anlage Systeme zur Dickenmessung, die über Profibus an die Steuerung angeschlossen sind. Denkbar ist auch, dass die Folien für eine Qualitätssicherung markiert bzw. codiert werden. Solche Systeme lassen sich einfach an die Steuerung anbinden, am Multi Panel visualisieren und die Werte bei Bedarf auf Rechnersystemen archivieren. Auch Bandschneideeinrichtungen, Folienreiniger und Spleißeinrichtungen zum Ankleben der nächsten Rolle lassen sich aufgrund der Systemdurchgängigkeit einfach in die Automatisierung einbinden. Sensoren und weitere dezentrale Peripherie sind einfach und schnell über die Simatic ET 200S von Siemens mit der Anlagensteuerung verbunden. Hierzu wird die Kopfbaugruppe IM 151-1 kommunikationstechnisch einfach über Profibus an die S7-317 2 PN/DP angebunden. Da die Hauptsteuerung bereits sehr leistungsfähig ist, kann bei der Station ET 200S auf eine zusätzliche Steuerung in der Kopfbaugruppe verzichtet werden. Siemens www.vfmz.net/3785950
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