Journal Club - BIOspektrum

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W I S S EN SCH AFT · JOU R NAL CLUB
Lothar Jaenicke
Jochen Graw
Heinrich Jung
Jürgen Kreft
Martin Daus
Johannes F. Buyel Martin Fraunholz
Torsten
Sterzenbach
Christine Rueckert
ÿ Hautadipozyten schützen gegen Staphylokokken-Infektionen
ÿ Mischling aus Neandertaler und modernem Menschen bestätigt
ÿ Kooperatoren kontrollieren „Betrüger“ in Pseudomonas aeruginosa-Populationen
ÿ Polymerasen für Eukaryoten-Aktin bei Burkholderia-Bakterien gefunden
Hautadipozyten schützen gegen Staphylokokken-Infektionen
Immer stärker gerät das Mikrobiom der
verschiedenen Spezies und ihrer Organe
in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit,
aus welcher Perspektive immer. Es war
eine vernachlässigte Dimension aller
Umwelten. Das größte Organ und das der
Umwelt am meisten ausgesetzte ist das
Integument, unsere Haut.
ó Sie ist deshalb auch beim penibelsten Desodorantbesprayer voller sichtbarer und unsichtbarer, harmloser und pathogener Parasiten. Einige von diesen, vor allem kommensale
Staphylokokken, können über Hautschrunden
durch die Epidermis gelangen und zu invasiven
Krankheiten führen. Umso häufiger als nun zunehmend Methicillin-restistente(MRSA)-Stämme überwiegen. Statistisch sind Staphylokokken-Infektionen die häufigsten mikrobiellen Todesursachen in den Industrieländern.
Um diese unter Umständen lebensbedrohenden Infektionen zu begrenzen, hat die Natur in der Dermis der Haut Abwehrzellen, vornehmlich endodermale Immunzellen entwickelt. Zusätzlich aber auch immunologisch aktive Fettzellen (Adipozyten), wie L.–J. Zhang et
al. (Science (2015) 347:67–71) nach Studien
mit der Staphylococcus aureus-Infektion bei
Zfp423nur12-Mäusen (ZFP423 steht für das
Transkriptionsfaktor-Zinkfinger-Protein 423),
sowie Mäusen mit Block des Peroxisomen-Proliferator-aktivierten Rezeptors γ (PPARγ) berichten.
Die Abwehr wird durch die Bildung des antimikrobiellen (speziell antistreptokokkalen)
Peptids Cathelicidin in den Haut-Adipozyten
des Wirts bewirkt. Die festgesetzen Mikroorganismen werden schließlich phagozytiert.
Hemmung der Adipozytogenese vermindert die
Cathelicidin-Synthese, die Haut damit ihre primäre Abwehrfunktion. Eine logische Beweiskette, dass die Adipozyten der Haut über Zytokine und durch diese ausgelöste autochthone antimikrobielle Peptide ausschlaggebendes
Glied im Schutz gegen eine S. aureus-Infektion
und sicher auch andere mehr oder weniger gefährdende Mikroben sind. Sie setzt nur voraus,
dass die Hautfettzellen das Pathogen chemooder-sonstwie-taktisch „spüren“ können. Dann
kommt ein Toll-ähnlicher-Rezeptor 2 ins Spiel
und knüpft die Kette TLR2-ZFP423-PPARγCathelicidin.
Y Dadurch ergeben sich zahlreiche Eingriffsstellen für eine einfallsreiche Pharmaforschung. In ähnlicher Weise bilden stimulierte
Adipozyten auch Interleucin 6, das wiederum
die Bildung des bakteriostatischen Eisenbinders Hepcidin auslöst.
Lothar Jaenicke ó
Mischling aus Neandertaler und modernem Menschen bestätigt
Lange Zeit wurde darüber debattiert, ob
der moderne Mensch den Neandertaler
vor ca. 40.000 Jahren ausgerottet habe
oder ob die Neandertaler einfach ausgestorben seien. Heute verdichten sich
dagegen die Hinweise immer mehr, dass
es zu Vermischungen der Neandertaler
mit modernen Menschen gekommen ist.
ó Ein aktuelles Beispiel wurde von einem
internationalen Konsortium berichtet, an dem
auch Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut
für Evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in
Leipzig entscheidend beteiligt war (Fu Q et al.,
Nature (2015), doi:10.1038/nature14558). In
dieser Arbeit berichten die Autoren von der
DNA-Sequenzierung aus einem Unterkieferknochen, der 2002 in der Peştera cu Oase
(„Knochenhöhle“) im Banat, Südwest-Rumä-
nien, gefunden wurde. Das Alter des Knochens
wurde durch die Radiokarbonmethode auf
37.000-42.000 Jahre geschätzt. Die Analyse
der mitochondrialen DNA hat das Alter im Wesentlichen bestätigt; sie entspricht weitgehend
der Haplogruppe N der mitochondrialen DNA
heute in Eurasien lebender Menschen. Die
Analyse der genomischen DNA ergab äquimolare Sequenzen des X- und Y-Chromosoms
und zeigte einen deutlich höheren Anteil (etwa 7,3 %) von Neandertaler-Sequenzen in diesem Mann als man in modernen Europäern findet (etwa 2,0 %). Es gibt insbesondere drei
chromosomale Regionen, in denen das Neandertal-Genom als Block über 0,5 Centimorgan
nahezu unverändert vorliegt, ohne dass die
DNA durch Rekombinationen unterbrochen
wäre. Die Autoren schließen daraus, dass die
Verschmelzung der DNA von Neandertalern
und anatomisch modernen Menschen nur vier
bis sechs Generationen zurückgelegen hat, als
dieser Mischling geboren wurde.
Y Dieses Beispiel eines Mannes, der vor etwa
37.000 Jahren gelebt hat, zeigt eindrucksvoll,
dass es eine Vermischung von modernen Menschen, die nach Europa eingewandert sind, und
den schon lange in Europa ansässigen Neandertalern gab. Diese Vermischung hat offensichtlich nicht nur am Beginn der Zuwanderung vor etwa 45.000 Jahren stattgefunden,
sondern auch noch später. Allerdings zeigt die
DNA-Sequenz dieses Mannes aus dem Banat
mehr Übereinstimmung mit heutigen Ost-Asiaten, so dass die Autoren davon ausgehen, dass
er nicht viel zum Genpool heutiger Europäer
beigetragen hat.
Jochen Graw ó
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Thomas Vogt
Roland Seifert
Johannes Sander
Alexandra Perras
Christine MoisslEichinger
Lennart Randau
Roy Gross
© Springer-Verlag 2015
Kooperatoren kontrollieren „Betrüger“
in Pseudomonas aeruginosa-Populationen
In Lebensgemeinschaften ist es wichtig,
die kooperativen Eigenschaften wie die
Produktion eines Gemeinguts aufrecht zu
halten. Nicht-produzierende Nutzer des
Gemeingutes („Betrüger“) haben durch
die Einsparung von Produktionskosten
einen Selektionsvorteil und destabilisieren die Gemeinschaft. Trotzdem existiert
Kooperation.
ó In Populationen von Pseudomonas aeruginosa wird oft ein stabiles Gleichgewicht zwischen Kooperatoren und Betrügern beobachtet.
Wie dies möglich ist, fanden kürzlich M. Wang
et al. (Proc Natl Acad Sci USA (2015) 112:2187–
2191) heraus. Demnach beruht das Gleichgewicht auf einer strikten Kontrolle der Betrüger
durch die Kooperatoren. Diese Kontrolle basiert
auf den beiden Quorum sensing-Systemen
LasR-LasI und RhlR-RhlI. Das LasR-LasI-System
reguliert u. a. die Produktion von Gemeingütern
wie extrazellulären Proteasen sowie die Expression von rhlR-rhlI. Letzteres kontrolliert z. B.
die Produktion von Cyanid sowie Schutzmechanismen gegen diesen Inhibitor terminaler
Oxidasen. Betrüger haben oft Mutationen in
LasR und damit weder eine Proteaseproduktion
noch eine RhlR-RhlI-gesteuerte Genexpression.
Die Autoren zeigen, dass Kooperatoren den Betrügeranteil einer Population durch die Cyanidproduktion kontrollieren.
Y Dieser molekulare Mechanismus der Kontrolle von Betrügern durch Kooperatoren ist
eine bislang unbekannte Möglichkeit, die alternativ zu Mechanismen wie Verwandtenselektion ( kin selection) oder räumliche Differenzierung eine stabile Kooperation in bakteriellen
Populationen erlaubt. Die beschriebene Rolle
des Quorum sensing erweitert unsere Kenntnisse zur sozialen Bedeutung dieser Systeme.
Heinrich Jung ó
Polymerasen für Eukaryoten-Aktin bei
Burkholderia -Bakterien gefunden
Die Entdeckung von 1989, dass die bakteriellen Infektionserreger Listeria monocytogenes und Shigella spec. in eukaryotischen Wirtszellen deren Maschinerie zur
Aktinpolymerisation kapern, markierte
den Beginn der zellulären Mikrobiologie.
E. L. Benanti et al. (Cell (2015) 161:348–
360) fanden nun bei Burkholderia einen
neuen Mechanismus der Bakterien-induzierten Aktinpolymerisation.
ó Pathogene Listerien und Shigellen sind die
am besten untersuchten Vertreter der kleinen Gruppe intrazellulärer Bakterien, die sich
im Zytoplasma infizierter eukaryotischer Wirtszellen vermehren und sich mittels induzierter
Polymerisation von Wirtsaktin fortbewegen.
Diese Motilität ist essenziell für die Ausbreitung der Bakterien in uninfizierte Nachbarzellen, letztlich also für ihre Pathogenität. Die zellbiologische Untersuchung dieser Prozesse trug
entscheidend zur Erforschung der hochkomplexen zellulären Polymerisationsmaschinerie
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bei. Sie führte zur Aufklärung der Rolle des
Arp2/3-Komplexes, eines ineffizienten AktinNukleators, der zur Aktivierung Proteine der
WASP-Familie benötigt. Während das ActAProtein von Listeria direkt die Funktion von
WASP nachahmt, rekrutiert IcsA/VirG von Shigella Wirtszell-N-WASP und aktiviert so
Arp2/3. Benanti et al. zeigen nun, dass die
BimA-Proteine pathogener Burkholderia-Arten
wie Ena/VASP-Aktin-Polymerasen der Wirtszellen wirken, eine für Bakterien bisher unbekannte Funktionalität.
Y So komplex der Aktin-Polymerisationsapparat eukaryotischer Zellen ist, so mannigfach
sind die Mechanismen, die pathogene Bakterien entwickelt haben, diese Maschinerie zu
ihrem Vorteil umzusteuern. Wie eine solche
Vielfalt evolutionär entstehen konnte, bleibt
derzeit ungelöst. Auch der genaue Beitrag des
genannten Vorgangs zur Pathogenität von
Burkholderia ist noch offen.
Jürgen Kreft ó
Kurz gefasst
ó Mikrobenabdruck
am Tatort
Das menschliche Mikrobiom eignet sich als „Fingerabdruck“ zur
Identifikation von Personen, so
Eric Franzosa et al. (Proc Natl Acad
Sci USA (2015), doi:10.1073/
pnas.1423854112). Mit Methoden
der mikrobiellen Ökologie und
Computertechniken wiesen sie
nach, dass die Darm-Mikrobiota
selbst nach einem Jahr noch eine
Identifizierung erlaubt – Hautproben sind allerdings unzuverlässiger. Die Autoren warnen in diesem
Zusammenhang vor Datenmissbrauch, da das Mikrobiom Informationen zu Gesundheit, Herkunft
etc. liefert. Auch Simon Lax et al.
(Microbiome (2015) 3:21) zogen
mithilfe von Mikrobenprofilen auf
Schuhen und Handys Rückschlüsse auf Personen und ihren Aufenthaltsort. Beide Arbeitsgruppen
sehen für die Zukunft ein großes
Potenzial der mikrobiellen Forensik in der Verbrechensaufklärung.
Anja Störiko
ó Sind Nemathoden das
Missing Link in der Bacillus
thuringiensis- Ökologie?
Bacillus thuringiensis wird in vielen
Teilen der Welt zur Biokontrolle von
Pflanzenpathogenen Insekten eingesetzt und stellt damit eine wichtige Alternative zu chemischen
Insektiziden dar. Allerdings ist die
Ökologie von B. thuringiensis bisher weitgehend unbekannt. Insbesondere ist umstritten, ob es
einen Lebenszyklus im Boden gibt,
der unabhängig von den Wirtsinsekten stattfindet. L. Ruan und
Kollegen (Trends in Microbiology
(2015) 23:341–346) konnten nun
zeigen, dass wahrscheinlich
Nematoden im Boden hierbei eine
wichtige Rolle spielen können.
Demnach nutzt B. thuringiensis
Nematoden nicht nur als Transportmittel, sondern auch als alternativen Wirt, um sich aktiv zu vermehren. Ähnliche Phänomene
werden auch für andere BacillusArten diskutiert, die ähnlich komplex in ihrer Ökologie sind.
Michael Schloter
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ÿ Polymorphismus schützt vor Prionerkrankung
ÿ Fehlende Reproduzierbarkeit – Problem oder Chance?
ÿ Regulatoren der phagolysosomalen Fusion identifiziert
ÿ Multiresiste Typhuserreger
Polymorphismus schützt vor Prionerkrankung
Kuru ist eine neurodegenerative Erkrankungsform, die durch Fehlfaltung zelleigener Prionproteine in infektiöse Isoformen
(Prionen) verursacht wird. Ein neuer Polymorphismus innerhalb des Prionproteins
wurde nun beschrieben, der diesen Fehlfaltungsprozess zu unterbinden und
damit zur Resistenz gegen Kuru zu führen
scheint.
ó 1957 wurde die tödlich verlaufende KuruErkrankung in Papua Neuguinea medizinischwissenschaftlich beschrieben. Kuru gehört zur
Gruppe der neurodegenerativen transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE) zu
denen u. a. auch die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) und die humane Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung zählen. Neben sporadisch auftretenden oder durch Genmutationen
bedingten Formen der TSE kann die Krankheit auch durch Übertragung von fehlgefalte-
ten Isoformen zelleigener Prionproteine verursacht werden. Diese dann als Prionen bezeichneten Isoformen replizieren sich durch
Anlagerung und Konvertierung körpereigener
Prionproteine selbst, sodass es letztlich zu einer exponentiellen Zunahme an Prionen
kommt. Die epidemisch aufgetretene KuruErkrankung wurde durch rituellen Kannibalismus (Aufnahme von Hirngewebe mit hoher
Last an infektiösem Erreger) innerhalb einiger Völker Papua Neuguineas verbreitet und
führte dort vor allem bei Frauen und Kindern
zum Tode. In einigen Dörfern starben jährlich
2 Prozent der Bevölkerung. Nach Beendigung
des Endokannibalismus Ende der 50er Jahre
wurde die Übertragungsroute unterbrochen
und die Krankheit somit eingedämmt. E. A.
Asante et al. (Nature (2015) 522:478–481) beschreiben einen Polymorphismus innerhalb
des humanen Prionproteins an Aminosäure-
position G127V (Glycin-zu-Valin-Austausch),
der bei überlebenden Individuen während der
Kuru-Epidemie detektiert werden konnte. Versuche mit transgenen Mäusen haben gezeigt,
dass das heterozygote Auftreten von Glycin
und Valin an Position 127 die Prionkonversion
unterbindet und Mäuse, welche lediglich V127
exprimierten, eine Resistenz gegenüber einer
Prionerkrankung aufweisen.
Y Bislang ist der Konversionsmechanismus
von körpereigenem Prionprotein in fehlgefaltete, infektiöse Prionen nicht vollständig aufgeklärt. Dies liegt u. a. daran, dass keine hochaufgelösten Strukturdaten von Prionen vorliegen. Ein Verständnis der strukturellen Eigenschaften der humanen Prionproteinvariante
V127 würde weitere Erkenntnisse bringen, die
letztlich zur Etablierung eines bislang nicht vorhandenen Therapieansatzes genutzt werden
könnten.
Martin Daus ó
Fehlende Reproduzierbarkeit – Problem oder Chance?
In biologischen, biotechnologischen und
biomedizinischen Forschungsfeldern
kommt es immer wieder vor, dass auch
publizierte Experimente von anderen
Arbeitsgruppen oder Laboren nicht reproduziert werden können. Woran liegt das
und was können wir tun, um das Vertrauen in die Forschung im Bereich Life
Sciences zu verbessern?
ó Die naturwissenschaftliche Forschung will
grundlegende Gesetzmäßigkeiten der Natur
durch gezielte Experimente aufdecken. Sind
die Ergebnisse solcher Versuche nicht reproduzierbar, muss man sich die Frage nach ihrer Gültigkeit stellen. In ihrer Publikation beschreiben A. L. Plant et al. (Nature Methods
(2014) 11:895–898), dass fehlende Reproduzierbarkeit nicht nur ein Problem ist, sondern
auch eine Chance sein kann. Das liegt in ihren
Augen daran, dass bei der Untersuchung von
Problemen mit Reproduzierbarkeit neue, bis-
her unbekannte Parameter mit Einfluss auf den
untersuchten Sachverhalt entdeckt werden
können. Um aber dennoch Experimente reproduzierbar durchführen zu können, sollten
neben den sechs Kernelementen einer guten
Messung (Genauigkeit, Richtigkeit, Robustheit,
Spezifität, an Rauschen angepasste Detektionsgrenze und Abhängigkeit der beobachteten von den veränderten Größen) drei weitere
Aspekte berücksichtigt werden. Nach Plant
et al. sind dies zum einen ein definierter, wohl
charakterisierter experimenteller Aufbau, sowie die Möglichkeit diesen effektiv zu kommunizieren. Zum anderen müssen geeignete
Referenzmaterialen, z. B. stabile Zelllinien,
über Laborgrenzen hinweg verfügbar sein und
unter Beteiligung aller relevanten Nutzer etabliert werden. Als dritten Punkt führen Plant
et al. die Verwendung von orthogonalen Messmethoden an, durch welche die Verlässlichkeit
der erzeugten Daten und damit auch der auf
ihnen beruhenden Schlussfolgerungen gesteigert werden kann.
Y Plant et al. unterstreichen, dass Probleme
bei der Reproduzierbarkeit von experimentellen
Daten viele Ursachen haben können, die nicht
notwendigerweise mit der Qualität einer Messung zu tun haben. Der Artikel sollte uns als
wissenschaftliche Gemeinschaft ermuntern,
intensiver über den Aufbau und die Planung
unserer Experimente nachzudenken, sowie den
verstärkten Austausch mit unseren Kollegen zu
suchen. Die Folge könnte ein erhöhter Grad
an Standardisierung in den einzelnen Life
Sciences-Disziplinen und über deren Grenzen
hinaus sein. Die daraus resultierende kohärentere Datenlage würde zu einer besseren
Interpretierbarkeit von empirischen Ergebnissen führen und letztlich das Vertrauen in die
Forschung stärken.
Johannes F. Buyel ó
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Regulatoren der phagolysosomalen Fusion
identifiziert
Phagozyten sind ein essenzieller
Bestandteil der zellulären Immunabwehr gegen pathogene Mikroorganismen. Sie verschlingen die unerwünschten Eindringlinge in einem Phagosom,
das durch sequenzielle Fusion mit frühen und späten Endosomen und
schließlich Lysosomen heranreift. Die
phagolysosomale Fusion führt letztendlich zur Vernichtung des aufgenommenen Erregers. Bei der Regulation dieser
Prozesse sind Phosphoinositide (PI)
beteiligt, jedoch war bisher unklar, welche PI für die Vesikelfusion zwischen
Phagosom und Lysosom verantwortlich
zeichnen.
ó Wissenschaftler um Albert Haas, Universität Bonn, reinigten zur Klärung dieser
Frage paramagnetisch markierte Lysosomen
und testeten diese in zellfreien Fusionsreaktionen, in denen sie Komponenten oder
Inhibitoren variierten (Jeschke A et al., Proc
Natl Acad Sci USA (2015) 112:4636–4641).
Dabei zeigten sie erstmalig, dass Phagolysosomen Phosphatidylinositol-4-Phosphat
(PI(4)P) sowie Phosphatidylinositol-3-Phosphat (PI(3)P) beinhalten und dass beide für
die phago-lysosomale Fusion benötigt werden. An der Regulation der Fusion sind dabei die Klasse II-Phosphatidylinositol-4-Kinase sowie die Klasse III-Phosphatidylinositol-3-Kinase Vps34 beteiligt. PI(4)P reguliert
demnach nur die Reifung des späten Phagosoms, während PI(3)P sowohl für die
frühen als auch die späten Reifungsschritte
benötigt wird. Die PI dienen zudem wahrscheinlich zur Rekrutierung von dockingProteinen, wie etwa den SNAREs, die ebenfalls für Membranfusionen benötigt werden.
Y Im Zuge des Wettrüstens zwischen
Immunsystem und Pathogen interferieren
Erreger eventuell mit diesen Molekülen oder
nutzen PI-abhängige Phospholipasen, um
die Reifung der Phagosomen zu unterbinden.
Martin Fraunholz ó
Multiresiste Typhuserreger
Typhoides Fieber ausgelöst durch Salmonella Typhi ist besonders in Südostasien endemisch. Durch den großflächigen Einsatz an Antibiotika sind die
Todesfälle in den letzten Jahrzehnten
zwar stark zurückgegangen, allerdings
tauchten in den letzten 30 Jahren
immer mehr multiresistente S. TyphiIsolate auf, die gegen die gängigen Antibiotika zur Behandlung von typhoidem
Fieber resistent sind. Dabei ist ein
Großteil der Infektionen mit multiresistenten S. Typhi auf einen einzelnen
Haplotyp, H58, zurückzuführen.
ó V. K. Wong et al. (Nature Genetics (2015)
47:632–639) sequenzierten 1.832 S. TyphiIsolate aus weltweiten Quellen. Dabei gehörten 47 Prozent der Isolate dem H58-Haplotyp an, der einen Großteil der multiresistenten Isolate umfasst. 68 Prozent der
H58-Isolate wiesen Resistenzgene, besonders gegen first line-Antibiotika wie Chloramphenicol, Ampicillin und Trimethoprim
auf. Es traten jedoch auch vermehrt Resistenzen gegen Quinolone auf, die als second
line-Antibiotika zur Behandlung von typhoidem Fieber eingesetzt werden. Resistenzgene waren zumeist Plasmid-codiert, jedoch
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sind diese in vielen Isolaten inzwischen in
das Chromosom integriert. Epidemiologische Untersuchungen legen nahe, dass H58
zuerst vor etwa 25 Jahren im südlichen Asien
auftauchte. Inzwischen ist er jedoch auch in
anderen Teilen Asiens als auch im östlichen
und südlichen Afrika endemisch. Dies korreliert mit gestiegenen Fällen von typhoidem
Fieber in Teilen Afrikas, wo diese Krankheit
bis vor wenigen Jahrzehnten wenig verbreitet war. Die Autoren wiesen mehrere Mutationen in Virulenz-assozierten Genen nach,
die neben den akquirierten Antibiotikaresistenzen erklären könnten, wie H58 andere Haplotypen von S. Typhi verdrängen konnte.
Y Diese Studie zeigt, wie der wenig regulierte Einsatz von antimikrobiellen Substanzen zur Verbreitung und Verdrängung anderer Isolate durch multiresistente Stämme führen kann. Die Bedeutung globaler Überwachungsprogramme zur frühzeitigen Erkennung des Auftretens von multiresistenten Isolaten von S. Typhi und anderen Pathogenen
ist unverzichtbar. Nur so können geeignete
Gegenmaßnahmen ergriffen werden, bevor
diese zu einem globalen medizinischen Problem werden.
Torsten Sterzenbach ó
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ÿ Zyklische di-Nukleotide in der Tumortherapie
ÿ Ungewöhnliche Duftstoffbiosynthese bei Rosen
ÿ Wie aktivieren GPCRs G-Proteine?
ÿ Polyploide Haloarchaeen als Überlebenskünstler
Zyklische di-Nukleotide in der Tumortherapie
Prinzipiell kann das körpereigene Immunsystem Tumoren bekämpfen, z. B. durch
Tumorantigen-spezifische T-Lymphozyten.
Wie effektiv diese Zellen aktiviert werden, hängt u. a. vom Immunphänotypen
der Tumor-Mikroumgebung (TMU) ab.
L. Corrales et al. (Cell Rep (2015) 11:1018–
1030) entwickeln einen Tumor-immuntherapeutischen Ansatz durch TMU-Modulation.
ó Aus Untersuchungen von TMU in Melanompatienten ist bekannt, dass die Infiltration
des Tumors durch T-Lymphozyten und die
Transkription Typ I-Interferon(IFN)-codierender Genabschnitte gleichzeitig auftreten. Ferner ist bekannt, dass Tumor-reaktive T-Lymphozyten die Aktivierung des intrazellulären
Moleküls STING in Antigen-präsentierenden
Zellen im Tumor benötigen. Zyklische Di-Nukleotide (ZDN) sind Moleküle, die an STING bin-
den und durch dessen Aktivierung u. a. die
Transkription von Typ I-IFN anregen können.
Corrales et al. verfolgen den Ansatz, ZDN zur
Typ I-IFN-Induktion in der TMU zu nutzen, um
damit Bedingungen zu schaffen, die die Antitumor-Aktivität von T-Lymphozyten fördern.
Sie injizierten chemisch unterschiedliche Formen von ZDN direkt in Melanome von Mäusen
und beobachteten reduziertes Tumorwachstum bzw. Tumorrückbildung. Die Forscher
wählten das ZDN mit der Bezeichnung ML RRS2 CDA für weitere Tests, da es die Tumoren
am effektivsten bekämpfte. ML RR-S2 CDA
wirkte gegen unterschiedliche Tumorarten, in
unterschiedlichen Mausstämmen und gegen
Metastasen, die sich jenseits der Injektionsstelle gebildet haben. Darüber hinaus war das
Immunsystem der behandelten Mäuse auch
nach längerer Zeit in der Lage, neu induzierte
Tumoren der gleichen Art zu beseitigen. Ex-
perimente mit STING-defizienten Mäusen zeigten, dass die tumortherapeutischen Effekte
des ZDN von STING abhängig sind. Schließlich
gelang den Autoren der Nachweis der potenziellen Wirkung von ML RR-S2 CDA auf das
menschliche Immunsystem: Sie demonstrierten die Aktivierung von Typ I-IFN an isolierten
Zellen mit unterschiedlichen, beim Menschen
vorkommenden STING-Allelen.
Y Man kennt bereits ein ähnliches Tumortherapeutikum, das in Mäusen wirkt aber beim
Menschen versagt, da es humanes STING nicht
aktiviert. Das beschriebene ZDN aktiviert
humane STING-Allele. Nun muss sich zeigen, ob
und bei welchen Tumoren das ZDN auch im
Menschen wirksam ist. Da es tumorspezifische
Zytotoxizität fördert, ließe es weniger Nebenwirkungen als viele gängige Tumortherapien
erwarten.
Christine Rueckert ó
Ungewöhnliche Duftstoffbiosynthese bei Rosen
Es gibt kaum Pflanzen, die eine ähnlich
lange Kulturgeschichte haben, wie die
Rosen (Rosa spec.). Neben ihrer Blütenpracht, ist insbesondere das Rosenöl mit
einer Vielzahl aromagebender Komponenten verantwortlich für den Erfolg des
Superstars aller Blumen seit der Antike.
Mit einer Kombination molekularer und
biochemischer Methoden gelangen jetzt
überraschende Einblicke in die ungewöhnliche Biosynthese wesentlicher Aromakomponenten im Duft der Rosen.
ó Das Bouquet des Rosenduftes wird von terpenoiden Verbindungen, wie Geraniol und Citronal sowie von einfachen Aromaten, wie Eugenol und Orcinol bestimmt, die je nach Varietät in unterschiedlichen Anteilen vorliegen.
Basierend auf Arbeiten mit Basilikum (Ocimum
basilicum) hatte man bislang angenommen,
dass Monoterpenalkohole, wie Geraniol auch
in der Rose über ein Enzym der Terpenbiosynthese, eine Terpensynthase generiert werden,
die den Pyrophosphatrest von Geranyldiphosphat abspaltet. Das reaktive Carbokation reagiert nachfolgend mit Wasser. Dem ist hier
aber nicht so, wie die Arbeitsgruppe von Sylvie Baudino, Universität Lyon (St. Etienne,
Frankreich) gerade gezeigt hat (Magnard JL et
al., Science (2015) 349:81–83). Die Rose nutzt,
völlig unerwartet, ein Enzym aus der universell
verbreiteten Nudix-Proteinfamilie, eine Diphosphohydrolase oder Pyrophophatase. Diese Enzyme spalten eine Vielzahl organischer
Nukleosiddi- und triphosphate. Die Abspaltung
des ersten Phosphates führt so zum Geraniolphosphat. Eine weitere Phophatase katalysiert
den nächsten Schritt zum Monoterpenalkohol,
dem Geraniol. Eine Kombination aus Ko-Expressionsdaten in Geraniol-akkumulierenden
und nicht-akkumulierenden Linien, genomische Analysen und die funktionelle Expression
der Kandidatengene resultierte in der Entdeckung dieser ungewöhnlichen Kombination von
Grundstoffwechsel und spezialisiertem Stoff-
wechsel zur Duftstoffproduktion. Das funktioniert in der Zelle über Organellgrenzen hinweg, obwohl noch nicht geklärt ist, wie das
plastidäre Substrat Geranioldiphosphat, mit
der zytoplasmatischen NUDX1-Diphosphohydrolase interagiert. Es bleibt abzuwarten, ob
der neue Stoffwechselweg im Bereich der Duftstoffbiosynthese auf Rosen beschränkt ist. Für
Züchter könnte die Entdeckung dieses Schrittes die Selektion duftintensiver Sorten erleichtern.
Y Die Biosynthese pflanzlicher Naturstoffe ist
eine faszinierende und facettenreiche Spielwiese der Natur. Obwohl die wesentlichen Biosynthesen an Modellpflanzen geklärt scheinen,
sollte man vorsichtig sein, diese zu generalisieren. Trotz molekularen Datensammelns
bleibt Intuition und Mut gefragt, akzeptierte
Dogmen in Frage zu stellen und das nicht Denkbare experimentell zu belegen.
Thomas Vogt ó
BIOspektrum | 05.15 | 21. Jahrgang
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Wie aktivieren GPCRs G-Proteine?
In den letzten Jahren sind im BIOspektrum in verschiedenen Rubriken zahlreiche Beiträge über G-Protein-gekoppelte
Rezeptoren (GPCRs) publiziert worden.
Der Grund dafür ist darin zu sehen,
dass GPCRs die größte Familie im
menschlichen Genom darstellen, vielfältige biologische Funktionen besitzen
und wegen ihrer Lokalisation in der
Plasmamembran exzellente pharmakologische Zielstrukturen darstellen.
ó Unser Wissen über GPCRs wurde zudem
durch eine Flut von Kristallstrukturen immens erweitert. Demgegenüber war es um
die Kopplungspartner der GPCRs, die
heterotrimeren G-Proteine, die aus einer αUntereinheit und einem βγ-Komplex bestehen, relativ ruhig. Die Blütezeit der G-Proteinforschung liegt bereits 20 Jahre zurück.
Diese Situation hat sich nun geändert:
Zwei voneinander unabhängige Arbeitsgruppen haben vor allem mittels Computergestützter Methoden den molekularen
Mechanismus aufgeklärt, über den ein
aktiver GPCR (R*-Zustand) G-Proteine
aktiviert (Flock T et al., Nature (2015),
doi:10.1038/nature14663; Dror RO et al.,
Science (2015) 348:1361–1365). Der akti-
vierte Rezeptor bewirkt eine Unterbrechung
von Kontakten zwischen den Helices 1 und
5 in der G-Protein-α-Untereinheit. Dadurch
wird die Dissoziation von GDP, der geschwindigkeitsbestimmende Schritt des GProteinzyklus, in Gang gesetzt. Dieser Mechanismus, der nur relativ kleine allosterische Veränderungen beinhaltet, ist universell für alle GPCRs und G-Proteine und hochkonserviert.
Y Aus biochemischer Sicht zeigen die beiden Arbeiten einen neuen fundamentalen
Mechanismus auf, ohne den es auf der Erde
kein Leben gäbe. Die Publikationen sind ein
exzellentes Beispiel dafür, wie man durch
Integration biochemischer, genomischer und
struktureller Informationen unter Einbeziehung der Computerwissenschaften ganz neue
Erkenntnisse gewinnen kann. Aus pharmakologischer Sicht ist man gut beraten, nicht
der Versuchung zu erliegen, direkt Konformationsveränderungen in den Helices 1 und
5 zu beeinflussen. Solche Wirkstoffe wären
sicher sehr toxisch. Man ist auf der sicheren
Seite, wenn man diesen lebenswichtigen
Schalter nur indirekt über GPCR-Liganden
moduliert.
Roland Seifert ó
Polyploide Haloarchaeen als Überlebenskünstler
Ursprünglich galten sie als Kontaminationen, doch mittlerweile gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass Archaeen
verschiedener Gattungen (darunter
Halomonas, Halococcus, Natronomonas) in kleinen Flüssigkeitströpfchen in
Steinsalz (Halit) mehrere hundert Millionen Jahre überleben können. Doch wie
halten sie ihre Genome über einen so
langen Zeitraum stabil?
ó S. T. Jaakola et al. (PLOS ONE (2015)
9:e110533) isolierten acht verschiedene Archaeen aus oberflächensterilisiertem Steinsalz, das sich im mittleren bis späten Eozän
(vor etwa 38–41 Mio. Jahren) in der chinesischen Gaoyan-Formation gebildet hatte.
Die Steinsalzprobe stammte aus einer Tiefe von 800 Metern. Selbst wenn die isolierten Organismen also erst nachträglich von
der Oberfläche in die Probe eingewandert
sein sollten, so sollten sie dafür einen langen Zeitraum benötigt haben und dementsprechend alt sein. Eine weitere aus 600
Metern Tiefe gewonnene Probe enthielt kei-
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ne lebensfähigen Keime. Die kokkoiden und
Stäbchen-förmigen Zellen wurden über ihre 16S-rRNA den Gattungen Halobacterium
und Halolamina zugeordnet. Für drei der Isolate (Halobacterium sp. YI80-1 und Halolamina YI80-4 und -5) wurden in der exponentiellen Wachstumsphase 11 bis 14 bzw.
in der stationären Phase 6 bis 8 Genomkopien pro Zelle ermittelt.
Y Haloarchaeen sind in ihrem Lebensraum
hochdosierter UV-Strahlung und ständiger
Austrocknungsgefahr ausgesetzt. Beides
führt zu DNA-Doppelstrangbrüchen. Polyploidie hilft ihnen, wie auch dem „Atomkraftwerk“-Bakterium Deinococcus radiodurans, bei der Reparatur dieser Schäden
durch noch intakte Kopien. Die Fähigkeit
über Millionen von Jahren hinweg im Salz
oder unter extraterrestrischen Bedingungen
zu überleben, ist wahrscheinlich nur ein
Nebeneffekt, der zeigt wie effizient dieser
Mechanismus ist. Darüber hinaus könnten
die zusätzlichen Genomkopien als PhosphatSpeicher dienen.
Johannes Sander ó
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W I S S EN SCH AFT · JOU R NAL CLUB
ÿ Glas auf dem Mars – ein Fenster in die Vergangenheit
ÿ Phosphodiesterase 9 neue Zielstruktur für die Behandlung der Herzinsuffizienz?
ÿ Präferenz für Fremd-DNA beim Einbau in CRISPR-Arrays
ÿ DMSP – ein erstaunlich vielseitig nutzbares Molekül
Glas auf dem Mars – ein Fenster in die Vergangenheit
Meteoriteneinschläge sind gefürchtete
Naturkatastrophen – und doch können
sich vergangene Einschläge als sehr nützlich erweisen: Die amerikanischen Forscher K. M. Cannon und J. F. Mustard von
der Brown University, Rhode Island, USA
(Geology (2015), doi:10.1130/G36953.1)
fanden vielleicht damit einen Weg, eine
Frage der Menschheit zu lüften: Gibt es
Leben auf dem Mars? Durch den Aufprall
eines Meteoriten entstandenes Glas könnte Lebensformen eingeschlossen und
damit langfristig konserviert haben.
ó Leben auf der Oberfläche des Mars zum
jetzigen Zeitpunkt wird zwar weitläufig ausgeschlossen (oder zumindest als äußerst unwahrscheinlich empfunden), Marsleben vor
Jahrmillionen war aber dennoch wahrscheinlich. Das hohe Wasservorkommen und die damalige lebensfreundliche Atmosphäre könnten sehr wohl eine chemische und biologische
Evolution gefördert haben.
Um Lebensspuren dieser vergangenen Zeit
detektieren zu können, bedarf es allerdings ei-
ner ausgezeichneten Konservierung der Signaturen. Die Konservierung durch Glas repräsentiert eine solche (natürliche) Möglichkeit
und hier auf der Erde ist dieses bekannte Phänomen schon gut erforscht.
Der Aufprall eines Asteroiden oder Kometen
unter hoher Geschwindigkeit auf Silicatgestein
verursacht das gleichmäßige Schmelzen des
Gesteins. Lebensformen und organische Moleküle werden im entstandenen, flüssigen Glas
fixiert (ähnlich wie Insekten in Bernstein) und
können damit Jahrmillionen nach ihrem Bestehen untersucht werden.
Eine große Herausforderung besteht nun
darin, das „Einschlag-Glas“ (impact glass) als
solches auf dem Mars zu finden und eine Methode zu optimieren, eingeschlossene Spuren von Leben detektieren zu können. Zum
ersten Mal, konnten HiRISE(high resolution
imaging science experiment)-Kameras der NASA-Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter
mithilfe von VNIR(visible and near-infrared)-Signaturen Glas auf dem Mars identifizieren und
durch das Compact Reconnaisance Imaging
Spectrometer for Mars (CRISM) dessen geologische Zusammensetzung bestimmt werden.
Die Spektren des Mars-Glases entsprachen dabei den Spektren von künstlichem, aus Marsähnlichem Gestein produziertem Glas – der Beweis für das Vorhandensein von Glas auf dem
Mars. Signale für impact glass auf dem Mars
wurden v. a. in den zentralen Erhöhungen von
Kratern gefunden. Diese Entdeckung eröffnet
nun eine neue Strategie für die Suche nach
dem Leben auf dem Mars. Obwohl impact glass
relativ häufig vorzukommen scheint, bleibt natürlich ein Problem: Die Einschläge müssten in
der lebensfreundlichen Phase des Mars stattgefunden haben und zudem auch Leben eingeschlossen haben.
Y Die nächste Mars-Mission der NASA soll
2020 starten – möglicherweise mit Detektionssystemen, die speziell auf Lebenssignaturen in Glas ausgelegt sind und der Option derartige Proben zurück auf die Erde zurückzubringen, wo die Proben ausgiebig untersucht
werden können.
Alexandra Perras und
Christine Moissl-Eichinger ó
Phosphodiesterase 9 neue Zielstruktur für die Behandlung der
Herzinsuffizienz?
Phosphodiesterasen (PDEs) katalysieren
den Abbau zyklischer Nukleotide. PDEs
werden nach ihrer Substratspezifität für
die Second Messenger-Moleküle cAMP
und cGMP eingeteilt. Es gibt 11 PDE-Familien. PDEs stellen wichtige Zielstrukturen
für Arzneistoffe dar. Beispielsweise werden PDE4-Inhibitoren mit Erfolg in der
Behandlung der chronisch-obstruktiven
Lungenerkrankung eingesetzt und PDE5Inhibitoren zur Therapie der primären pulmonalen Hypertonie. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass
nun auch versucht wird, andere PDEFamilien klinisch nutzbar zu machen.
ó Die Herzinsuffizienz stellt eine häufige und
nur schwer therapierbare Erkrankung dar, für
die dringend neue Therapieansätze benötigt
werden, vor allem vor dem Hintergrund abnehmender Bereitschaft in der Bevölkerung zur
Organspende.
D. I. Lee et al. (Nature (2015) 519:472–476)
zeigen nun einen neuen potenziellen Weg zur
Behandlung der Herzinsuffizienz auf. Die PDE9
wird ebenso wie die PDE5 in Kardiomyozyten
exprimiert. Während die PDE5 vor allem das
über die lösliche Guanylylzyklase produzierte
cGMP abbaut, degradiert die PDE9 das über
die partikuläre Guanylylzylase synthetisierte
cGMP. Durch den selektiven PDE9-Inhibitor PF04449613 lässt sich in einem Tiermodell die
kardiale Hypertrophie revertieren. PDE9Knockout-Mäuse sind vor den kardialen Folgen
einer systolischen Drucküberlastung ge-
schützt. Aus diesen Untersuchungen kann der
Schluss gezogen werden, dass PDE9-Inhibitoren für die Therapie der Herzinsuffizienz eingesetzt werden könnten.
Y Klinische Studien mit PDE9-Inhibitoren für
die Behandlung neurokognitiver Erkrankungen laufen bereits. Insofern könnte sich hier
die Möglichkeit ergeben, mit einem Arzneistoff
zwei häufig parallel auftretende Erkrankungen, also Herzinsuffizienz und Morbus Alzheimer, zu behandeln. Eine gewisse Skepsis bei
der Übertragbarkeit der tierexperimentellen
Studie von Lee et al. auf den Menschen ist
jedoch angebracht, da die analoge klinische
Untersuchung von PDE5-Inhibitoren bei der
Herzinsuffizienz nicht erfolgreich war (Redfield
MM et al., JAMA (2013) 309:1268–1277).
Roland Seifert ó
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Präferenz für Fremd-DNA beim Einbau in CRISPR-Arrays
Das prokaryotische Phagenresistenzsystem CRISPR-Cas benötigt kurze DNAFragmente von Phagen und Plasmiden,
um diese gezielt erkennen und zerstören
zu können. A. Levy et al. erforschten, wie
dieses System Fremd-DNA bevorzugt vor
DNA des Wirtsgenoms in CRISPR-Arrays
einbaut (Nature (2105) 520:505–510).
ó Die Autoren untersuchten den Einbau von
DNA-Fragmenten (Protospacer) in den
CRISPR-Array von Escherichia coli durch die
zwei Proteine Cas1 und Cas2. Die IlluminaSequenzierung der Einbau-Produkte zeigte,
dass nur 1,8 Prozent der Protospacer vom
Wirtsgenom abstammen. Die meisten Protospacer entstanden dabei in Bereichen mit
DNA-Doppelstrangbrüchen. Diese werden vermehrt durch die Aktivität des RecBCDEnzymkomplexes zwischen arretierten Replikationsgabeln und kurzen Chi-Sequenzen
(5′-GCTGGTGG-3′) gebildet. Die Autoren folgern, dass bevorzugt Fremd-DNA in CRISPRArrays eingefügt wird, da diese öfter durch
RecBCD-Aktivität prozessiert wird: (i) PhagenDNA ist meist linear und damit ungeschütztes
RecBCD-Substrat, (ii) eine erhöhte Plasmidkopienzahl korreliert mit mehr arretierten
Replikationsgabeln und (iii) das Wirtsgenom
ist durch eine relative Anhäufung von ChiSequenzen geschützt.
Y Die Aktivität des RecBCD-Komplexes generiert DNA-Fragmente, die zur Auswahl von Protospacern der CRISPR-Cas-Systeme dienen.
Dabei ist noch nicht verstanden, ob Cas1 und
Cas2 die Länge der eingebauten Fragmente
bestimmen. Die Selektion der Protospacer benötigt oft auch weitere Cas-Proteine, die an der
DNA-Interferenz beteiligt sind. Es bleibt zu
untersuchen, ob dieser alternative Mechanismus auch von der RecBCD-Aktivität
abhängt.
Lennart Randau ó
DMSP – ein erstaunlich vielseitig nutzbares Molekül
Vor allem marine Algen produzieren Dimethylsulfoniumpropionat (DMSP) in großen
Mengen. DSMP ist ein wichtiger Bestandteil des globalen Schwefelkreislaufs. Viele
Mikroorganismen nutzen es als Nährstoff,
aber es besitzt auch weitere biologische
Funktionen, z. B. als chemotaktischer
Lockstoff, Oxidations- und Kälteschutzmittel und Schutzstoff gegen Osmostress.
ó Viele Bakterien, die DMSP selbst nicht herstellen können, nehmen DMSP und andere
Schutzstoffe gegen Osmostress (compatible
solutes) wie Glycin-Betain aus der Umgebung
auf und sparen damit die kostspielige Eigensynthese von Schutzstoffen (z. B. Prolin). Die
Arbeitsgruppe um Erhard Bremer, Marburg,
zeigte kürzlich, dass DMSP Bacillus subtilis
nicht nur bei hohem Salzgehalt schützt, sondern auch bei niedrigen (13 °C) und sogar hohen (52 °C) Temperaturen (Broy S et al., Env
Microbiol (2015) 17:2362–2378). Natürlich
vorkommende chemisch eng verwandte Verbindungen wie DMSeP oder synthetische Verbindungen wie EMSP weisen teilweise ähnliche Schutzwirkung auf. Die unter Osmostress
induzierte massive Synthese von Prolin kann
interessanterweise nur durch die natürlich vorkommenden Verbindungen DMSP und DMSeP
inhibiert werden. DMSP wird hauptsächlich
durch das im Genus weitverbreitete hochaffi-
ne ABC-Aufnahmesystem OpuC in die Zelle
transportiert, das auch andere chemisch nicht
verwandte Schutzstoffe transportieren kann
und damit eine ungewöhnlich breite Substratspezifität aufweist.
Y Damit wird das erstaunliche Aktivitätsspektrum von DMSP auf die Schutzwirkung bei
Hitzestress erweitert. Vermutlich wirkt DMSP
dabei als „chemisches Chaperon“, wie das auch
von anderen kompatiblen Soluten angenommen wird. DMSP kann die Bakterien also unter
verschiedenen extremen Bedingungen schützen, unter denen andere bekannte Schutzmaßnahmen nicht mehr effizient greifen.
Roy Gross ó
Prof. Dr. Lothar Jaenicke, Institut f. Biochemie, Universität zu Köln, Zülpicher Straße 47, D-50674 Köln
Prof. Dr. Jochen Graw, Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH, Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg,
[email protected]
Prof. Dr. Heinrich Jung, Biozentrum, Department I, Mikrobiologie, LMU München, Großhaderner Straße 2–4, D-82152 Planegg, [email protected]
Prof. Dr. Jürgen Kreft, Biozentrum der Universität Würzburg, Lehrstuhl für Mikrobiologie, Am Hubland, D-97074 Würzburg, [email protected]
Dr. Martin L. Daus, Robert Koch-Institut, Seestraße 10, D-13353 Berlin, [email protected]
Dr. Johannes Felix Buyel, Institut für Molekulare Biotechnologie, RWTH Aachen, Worringerweg 1, D-52074 Aachen, [email protected]
Dr. Martin Fraunholz, Lehrstuhl für Mikrobiologie, Biozentrum der Universität Würzburg, Am Hubland, D-97074 Würzburg, [email protected]
Dr. Torsten Sterzenbach, Fachbereich 5: Biologie/Chemie, Barbarastraße 11, D-49076 Osnabrück, [email protected]
Dr. Christine Rueckert, Vakzinologie, Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung, Inhoffenstrasse 7, D-38124 Braunschweig, [email protected]
Dr. Thomas Vogt, Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie, Weinberg 3, D-06120 Halle/Saale, [email protected]
Prof. Dr. Roland Seifert, Institut für Pharmakologie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1, D-30625 Hannover, [email protected]
Dr. Johannes Sander, Falkenstraße 87, D-58553 Halver, [email protected]
Prof. Dr. Christine Moissl-Eichinger und Alexandra Perras, Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 15, A-8036 Graz, Österreich,
[email protected]
Dr. Lennart Randau, Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Karl-von-Frisch-Straße 10, D-35043 Marburg, [email protected]
Prof. Dr. Roy Gross, Biozentrum der Universität Würzburg, Am Hubland, D-97074 Würzburg, [email protected]
BIOspektrum | 05.15 | 21. Jahrgang