Übung im Kollektiven Arbeitsrecht für Nebenfachstudierende Sommersemester 2015 Fall 5: Der überforderte Ferdinand Ferdinand Faul, 42 Jahre alt, geschieden, Vater zweier Kinder, ist seit 7 Monaten bei dem Unternehmer Fritz Fleißig als Maurer beschäftigt. Zunächst war Ferdinand Faul guter Dinge, dass er die harte körperliche Arbeit meistern wird. Doch bereits nach vier Wochen plagt ihn ein nicht enden wollender Muskelkater. Außerdem i st er der Meinung, es sei viel zu warm für solche körperliche Arbeit. Kurzerhand beschließt er „Hitzefrei“ zu machen. Alles andere sei seiner Gesundheit nicht förderlich. Ohne Fritz Fleißig „irgendeine Mitteilung“ zu machen, bleibt er der Arbeit für zwei Wochen fern. Nach eindringlicher Abmahnung durch Fritz Fleißig „sich ein solches Verhalten nicht bieten lassen zu wollen“, erscheint Ferdinand Faul wieder zur Arbeit. Die Motivation hält nicht lange an. Immer wieder bleibt Ferdinand Faul unentschuldigt der Arbeit fern. Am Ende des 7. Beschäftigungsmonats hat Ferdinand Faul insgesamt lediglich 4 Monate gearbeitet. Fritz Fleißig, der seinem Arbeitnehmer aus den im Sachverhalt mitgeteilten Gründen fristlos kündigen möchte, schreibt dem Betriebsrat: „Ich beabsi chtige die Kündigung des Arbeitnehmers Ferdinand Faul. Er kommt permanent nicht zur Arbeit. Ich habe keine Lust mehr, dies länger hinzunehmen.“ Frage: Ist der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ? Dirk Selzer | ZAAR | Destouchesstraße 68 | 80796 München | Tel. 089 – 20 50 88 342 | www.zaar.uni-muenchen.de | [email protected] LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 2 VON 2 Lösung Fall 5 Der Betriebsrat ist vor jeder, auch vor einer fristlosen Kündigung, gem. § 102 I 1 BetrVG anzuhören. Dazu muss der Arbeitgeber den Betriebsrat vor der beabsichtigten Kündigung umfassend unterrichten (§ 102I 2 BetrVG). Es gilt der Grundsatz der subjektiven Determination. Das bedeutet, der Arbeitgeber hat die aus seiner Sicht die Kündigung tragende Gründe mitzuteilen. Nur der informierte Betriebsrat kann sein Anhörungsrecht wahrnehmen. Die hier vorgenommene Unterrichtung leidet an folgenden Mängeln: 1. Art der Kündigung (fristlos) wurde nicht mitgeteilt. 2. Persönliche Daten fehlen: Lebensalter, Unterhaltspflichten, genaue Tätigkeit im Unternehmen, Beschäftigungszeit (wichtig für den Kündigungsschutz). 3. Kündigungsgrund: Arbeitgeber hätte genaue Angaben zu den Fehlzeiten machen müssen und dazu, dass der Arbeitnehmer unentschuldigt fehlte (mithin ein verhaltensbedingter Grund vorliegt). Die Mitteilung schließt ein entschuldigtes Fernbleiben z.B. aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht aus. Eine solche hätte der Arbeitnehmer durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegen müssen. Da die Kündigung dem ultima ratio Prinzip untersteht, hätte der Arbeitgeber darauf hinweisen müssen, dass er bereits eine Abmahnung erklärt hat. (Eine pauschale Umschreibung des Kündigungsgrundes – bsp. „Arbeitsverweigerung“ – kann nur genügen, wenn der Arbeitgeber Tatsachen nicht kennt oder er nicht aus den ihm bekannten Tatsachen kündigen möchte. Dann bleibt die Anhörung wirksam. Eine andere Frage ist es, ob die Kündigung im Anwendungsbereich des § 1 KSchG sozialwidrig ist. Das hat aber nichts mit dem Anhörungsverfahren gem. § 102 BetrVG zu tun!) 4. Arbeitgeber hat nicht mitgeteilt, wann er die Kündigung erklären möchte, welche Kündigungsfrist gilt und zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis endet. Dirk Selzer | ZAAR | Destouchesstraße 68 | 80796 München | Tel. 089 – 20 50 88 342 | www.zaar.uni-muenchen.de | [email protected]
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