MENSCHENHANDEL & ASYL – AUSGEWÄHLTE ERKENNTNISSE ZUR SACH- UND RECHTSLAGE Christoph Lindner Publikation Vorlage: Datei des Autors Eingestellt am 27.10.2015 unter www.hss.de/download/151015_Lindner.pdf Autor RA Dr. Christoph Lindner Rosenheim Veranstaltung „Im Brennpunkt: Menschenhandel und Asyl“ Kooperationsveranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung mit dem Aktionsbündnis gegen Frauenhandel und Renovabis am 15. Oktober 2015 im Bistumshaus St. Otto in Bamberg Empfohlene Zitierweise Beim Zitieren empfehlen wir hinter den Titel des Beitrags das Datum der Einstellung und nach der URL-Angabe das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse anzugeben. [Vorname Name: Titel. Untertitel (Datum der Einstellung). In: http://www.hss.de/...pdf (Datum Ihres letzten Besuches).] Menschenhandel & Asyl Ausgewählte Erkenntnisse zur Sach‐ und Rechtslage RA Dr. Christoph Lindner, Rosenheim 1. Das „Hellfeld Menschenhandel“ ist nur teilweise beleuchtet. 1. Menschenhandel – partielles Hellfeld I Bundeslagebild Menschenhandel 2014 o nur 392 Ermittlungsverfahren im Bereich sexueller Ausbeutung (Durchschnittswert der letzten fünf Jahre 542) o nur 11 Ermittlungsverfahren im Bereich der Arbeitsausbeutung o in 17 Ermittlungsverfahren im In‐ und Ausland Vermögenswerte in Höhe von rund 700.000 Euro vorläufig sichergestellt 1. Menschenhandel – partielles Hellfeld II o o o o 91 ausgewertete Ermittlungsverfahren und 14 gerichtliche Strafverfahren von 2005 bis 2015 Ermittlungsverfahren aus vier Bundesländern: Rheinland‐Pfalz, Nordrhein‐Westfalen, Niedersachsen und Brandenburg Abrufbar unter www.buendnis‐gegen‐menschenhandel.de 1. Menschenhandel – partielles Hellfeld III Erkenntnisse aus der MH/A‐Studie o In der Mehrzahl der Auswertungsjahre überstieg die Anzahl der in vier Bundesländern festgestellten Ermittlungsverfahren die Angaben des Bundeslagebilds Menschenhandels Æ das Hellfeld ist unvollständig abgebildet! o Wichtig im Hinblick auf das Asylverfahren: unter 575 identifizierten Betroffenen befanden sich ca. 25% Drittstaatsangehörige Zur weiteren Ausleuchtung des Hellfeldes: Erfassung, Aufbereitung und Publikation der Menschenhandelszahlen aus dem Asylverfahren 2. Das Menschenrecht auf Schutz vor Menschenhandel wirkt entscheidend in das Asylrecht hinein. 2. Menschenrecht auf Schutz vor Menschenhandel & Asyl I Beschluss v. 29.10.2010, 16081/08 – M. gegen Vereinigtes Königreich Statement of Facts, 20658/11 und 21413/11 – F.A. und Y.K. gegen Vereinigtes Königreich Ständige Rechtsprechung: Urt. v. 13.11.2012, 4239/08 – C.N. gegen Vereinigtes Königreich Urt. v. 11.10.2012, 67724/09 – C.N. und V. gegen Frankreich Die EMRK verpflichtet die Staaten zu umfassendem Schutz vor Menschenhandel Urt. v. 31.7.2012, 40020/03 – M. u.a. gegen Italien und Bulgarien Statement of Facts, 56921/09 – Kawogo gegen Vereinigtes Königreich Beschluss v. 14.6.2011, 49113/09 – L.R. gegen Vereinigtes Königreich Statement of Facts, J.V.L. gegen Österreich, 58216/12 Statement of Facts, 7196/10 – V. gegen Frankreich Statements of Facts, 61206/11 – Asuquo gegen Vereinigtes Königreich Statement of Facts, 7305/10 – B.M. gegen Frankreich 2. Menschenrecht auf Schutz vor Menschenhandel & Asyl II Normativ Prozedural Absicherung durch Menschenrecht auf Schutz vor Menschenhandel Rechtsprechung des EGMR Transnational Operativ Aufenthaltsrecht 2. Menschenrecht auf Schutz vor Menschenhandel & Asyl III In der aufenthaltsrechtlichen Dimension o Ein Staat kann sich ohne Ausschöpfung aller zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten nicht auf Unglaubwürdigkeit eines vermeintlichen Opfers berufen o Opfer von Menschenhandel dürfen nicht abgeschoben werden, wenn ihnen im Herkunftsland ein reales Risiko einer schweren Rechtsverletzung droht o Verhinderung einer Abschiebung durch einstweilige Anordnung nach Regel 39 der Rules of Procedure des EGMR Siehe EGMR, Urt. v. 13.11.2012, 4239/08 – C.N. gegen Vereinigtes Königreich; Beschl. v. 14.6.2011, 49113/09 – L.R. gegen Vereinigtes Königreich; Beschl. v. 13.09.2013, 56921/09 – Kawogo gegen Vereinigtes Königreich. 3. Das Unionsrecht verpflichtet zu einem effektiven Opferschutz – der nationale Gesetzgeber ignoriert bindendes Recht bislang. 3. Effektiver Opferschutz v. gesetzgeberische Untätigkeit I o bislang keine Umsetzung der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU (Umsetzungfrist 20.07.2015 abgelaufen) o bislang keine Umsetzung der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU (Umsetzungfrist 20.07.2015 abgelaufen) o bislang keine Umsetzung der Richtlinie 2011736/EU (Umsetzungsfrist 06.04.2013 abgelaufen !!!) 3. Effektiver Opferschutz v. gesetzgeberische Untätigkeit II Beispiele wichtiger Rechtspositionen: Umfassende Informationen über die Opferrechte (Art. 11 Abs. 5, 6 RL 2011/36/EU, Art. 5 RL 2013/33/EU) Medizinische Versorgung (Art. 11 Abs. 5 RL 2011/36/EU, Art. 19,21 RL 2013/33/EU Zugang zu rechtlicher Beratung und Vertretung für Bedürftigte (Art. 12 Abs. 2 RL 2011/36/EU, Art. 20 RL 2013/32/EU, Art.26 Abs. 3 ff. RL 2013/33/EU Unmittelbare Anwendbarkeit von opferschützenden Rechtspositionen Æ es liegt vorerst weiterhin in der Hand der Akteure in der Rechtspraxis, opferschützende Rechtspositionen zu realisieren. 4. Es gibt keine gegenseitige Verdrängung der Schutzvorschriften 5. Opferschützende Entscheidungspraxis Die Rechte aus der EMRK und der Richtlinie 2011/36/EU gelten auch im Bereich des Asylverfahrens. Sie kommen immer dann zu Tragen, wenn spezifisches Asylrecht, wie z.B. die Verfahrens‐ oder Aufnahmerichtlinie, geringere Standards setzen (und umgekehrt) Im Asylverfahren darf für Opfer von Menschenhandel aus rechtlicher Sicht kein geringerer Schutzstandard gelten als außerhalb des Verfahrens, z.B. bei einem Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 4a/4b AufenthG 5. Das Asylverfahren bringt zunehmend opferschützende Entscheidungen hervor. 5. Opferschützende Entscheidungspraxis VG Stuttgart, Urt. v. 16.05.2014, Az. A 7 K 1405/12 o Nigerianische Staatsbürgerin, die über Großbritannien nach Italien gebracht und dort sexuell ausgebeutet wurde o Anknüpfung der Verfolgung an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe o Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG Etablierung der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus bzw. zumindest subsidiären Schutzes. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Telefon: 08031 615 66‐18 Telefax: 08031 615 66‐19 [email protected]
© Copyright 2025 ExpyDoc