Erasmus report Bristol winter term 2014 Menges Natascha Zu den Vorbereitungen will ich jetzt gar nicht allzu viel sagen, außer dass genügend Adapter, eine Auslandskrankenversicherung und die vom akademischen Auslandsamt gesendeten Unterlagen unerlässlich sind. Für Bristol hatte ich mich einerseits entschieden, weil die Uni auch mein Zweitfach, nämlich Geschichte anbot, und andererseits, weil seine Lage nahe an sowohl Cornwall als auch Wales, geradezu optimal zum Reisen war. Unterkunft: Ich hatte mein Zimmer über eine einschlägige Seite im Internet gemietet und stand mit der Vermieterin auch in regem E-Mailaustausch. Sie konnte einen Landlord Certificate des City Councils von Bristol aufweisen, das allerdings vor kurzem ausgelaufen war und schickte mir ebenfalls Bilder des Hauses und Zimmers. Auch wollte sie die Bestätigung der Uni Bristol über meinen Studienplatz und dies alles machte einen sehr seriösen Eindruck. Dem war jedoch nicht so und ich stand schließlich in einer Baustelle von Haus, mit feuchten Wänden, Planken statt Teppichboden im Gang und das Bad war ebenso nur halb fertig. Mein gebuchtes Zimmer war noch durch eine andere Mieterin belegt und so wurde ich kurzerhand in eine dreckige Kammer mit nur Bett und Schrank verwiesen, deren Decke so feucht war, dass es sich auch eine Schnecke am Schrank sehr wohl fühlte. Ich zog nach 2 Nächten aus und forderte meine beträchtliche Anzahlung von erster Miete und Kaution, die ich bereits in Deutschland geleistet hatte, zurück. Die Vermieterin wollte mein Zimmer sofort weiter vermieten, ließ sich aber erst nach Androhung rechtlicher Schritte 2 Wochen später zur Rückzahlung bewegen. Wohnungssituation: Es muss zur obigen Beschreibung unbedingt gesagt werden, dass die Wohnungssituation in Bristol einer absoluten Katastrophe gleichkam. Obgleich Bristol generell als zweitteuerste Studentenstadt Großbritanniens gilt und Wohnheimzimmer durchschnittlich über 600,- im Monat kosten, war die Situation in diesem Studienjahr noch durch ein Vielfaches verschärft, da die Uni Bristol ein neues Zulasssungsverfahren angewandt hatte, wodurch viel zu viele Studenten (Inländer genauso wie Erasmus und Study Abroad Teilnehmer) angenommen wurden und die Kapazitäten zur Unterkunft letzterer gar nicht gegeben waren. So war die Folge, dass viele Erstis in den Studentenwohnheimen (kein Erasmusstudent würde einen Wohnheimplatz erhalten und das wird sich wohl auch kaum ändern) ihre Einzelzimmer teilen mussten, die Univeristätsmitarbeiter temporär Studenten zu Hause aufnehmen sollten, und viele Erasmusstudenten auf Couches im Wohnzimmer von Freunden, in Gartenlauben oder gar Autos schliefen. Viele aber, die sich die noch unbelegten teuren Zimmer (ab 600-800 Euro) nicht leisten konnten oder nicht 1h von Bristol entfernt wohnen wollten, mussten den Heimweg antreten. Das Erlebnis Erasmus wurde so für viele, inklusive mir am Anfang, zum Albtraum Erasmus. Ich musste in ein überteuertes Hotel umziehen, da ausnahmslos alle Hostels durch verzweifelte Wohnungssuchende belegt waren, bis mich die Vermieterin einer anderen Heidelberger Studentin in ihrem Gästezimmer aufnahm, bis ich etwas anderes gefunden hatte. Ich war bereits kurz davor abzureisen, da die Preise horrend, und die Zimmer von unterdurchschnittlichem Standard oder extrem weit weg waren. Natürlich darf man in England nicht den gleichen Wohnungsstandard anlegen, wie er in Deutschland herrscht, aber die alten und oft schlecht gewarteten Häuser Cliftons sind oft kalt, feucht und die Fenster undicht – so schön sie auch aussehen mögen. Es begab sich, dass ich schließlich bei der oben erwähnten Gastmutter bleiben konnte, die eines ihrer Büros für mich ausräumte. Mein Fußweg zur Uni betrug 35 Minuten und da die Busverbindungen nicht besonders gut, und Busmonatskarten überaus teuer waren, war das ein normaler Fußweg in Bristol. Die meiste anderen liefen zwischen 10 und 40 Minuten. Fahrradfahren ist aufgrund der nicht existenten Fahrradwege und der Hanglage der Stadt kaum möglich – es ist sehr hügelig und steil. Unileben und Veranstaltungen: Die Uni Bristol genießt nach Oxbridge und London einen sehr guten Ruf und ist dementsprechend gefragt – trotz der hohen Studiengebühren für Einheimische. Ich fand die Qualität meiner Kurse durchweg gut und den Anspruch auch nicht niedriger als in Heidelberg. Da man immer hört, dass man während des Erasmus-Semesters quasi fast nichts arbeiten müsse und es leicht sei, gute Noten zu erhalten, kann ich sagen, dass das in Bristol nicht so der Fall ist. Der Lernaufwand war hoch und die Essays, die während des Semesters abzugeben sind, eng getaktet. Von Erasmusstundeten anderer Unis hörten wir, dass es dort recht entspannt zuging – jedoch ist Bristol wohl nicht die stereotypische Erasmusstadt ;) Ich belegte Literature 3 mit 3 Vorlesungen und einem Tutorium pro Woche, in dem man nur 5 Stundenten war und immer gut vorbereitet sein musste. Meine andere Vorlesung mit 2 Vorlesungen pro Woche und einem Seminar à 12 Studenten war auch arbeitsintensiv aber der Lernzuwachs hoch und die Diskussionskultur ausgeprägt. Die Leiter der Tutorien waren sehr engagiert und kompetent und forderten uns konstruktiv. Die Uni selbst ist sehr gut ausgestattet, es gibt eine große Anzahl von Computerräumen, Mediacentres und Aufenthaltsräumen – auch wenn die Bibliothek eher klein und das Angebot recht limitiert war (v.a. Primärquellen für Geschichtsstudenten). Leider hat die Uni keine richtige Mensa und an den Marstall kann man sich nur wehmütig erinnern. Außerdem ist in fast allen Räumen starkes Air Conditioning, wodurch es immer ziemlich kühl ist. Die Unigebäude sind insgesamt alle recht nahe beieinander und man erreichte alle Fakultäten, die Verwaltung und die Gym innerhalb von Minuten. Die Uni Bristol ist auch eine Stadt- und keine Campusuni, wodurch man innerhalb von 5 Minuten an der geschäftigen Queens Road and Park Street ist. Ein Minus ist leider der sehr teure Hochschulsport: Keine Sportaktivität ist kostenlos und ein ’off-peak sportspass’ kostet 80 Pfund pro Semester (exklusive vieler Clubsportarten, für die man dann noch mal extra bezahlen musste) und 160,- für off-peak plus Stoßzeiten. Wenn man nur ein Semester dort studiert, lohnt sich dies wohl kaum. Das größte Plus von Bristol sind die vielen societies, die ein riesiges Interessensspektrum abdecken und von wirklich fantastisch engagierten Stundeten geleitet werden und top ausgestattet sind! Für einen kleinen Semesterbeitrag stehen einem viele Veranstaltungen und Kurse offen und auch Trips für ausländische Studierende gibt es in Hülle und Fülle! In Bristol kann quasi keine Langeweile aufkommen! Die Ausflüge, Infoveranstaltungen, ‚socials’, Quizzes, ‚fairs’, und ‚bar crawls’, und Tandemabenden bieten für jeden Geschmack etwas und alles ist mit Enthusiasmus geplant. Davon kann man in Deutschland nur träumen. Vor allem zu empfehlen sind die Organisationen ESN und BISC, die sich ganz um das Freizeit-Wohl der ausländischen Studierenden kümmern. BISC macht zu den Trips und Veranstaltungen noch 2x wöchentlich günstige Lunches und jeden Montag den ‚afternoon tea’ in familiärer und liebevoller Atmosphäre. Ich besichtigte während meiner Zeit Windsor Castle, Cardiff und eine Kohlemine (viel interessanter, als es sich anhört!!), Oxford und Bath. London ist auch gut erreichbar! Das Studentenleben mit dem gemütlichen Clifton und Clifton Village mit seinen Bars, Pubs und Geschäften als auch dem modernen City Centre mit allen Einkaufsmöglichkeiten, lässt keine Wünsche offen. Bristol ist insgesamt eine sehr lebendige, wenn auch sehr teure Studentenstadt und ich habe meine Zeit hier sehr genossen! An der Uni mit der Kurswahl und Änderungen kann es mitunter etwas chaotisch werden und alle assignments werden zentral verwaltet, was hier in Heidelberg nicht der Fall ist – also sind die deadlines sehr streng! Das Unileben ist anspruchsvoll aber bringt einen voran und die Qualität der Veranstaltungen bis auf den Vortragsstil mancher Dozenten, die das Wort ‚Vorlesung’ etwas zu wörtlich nehmen, wirklich gut. Bristol ist sehr facettenreich und freundlich, die Briten insgesamt wirklich nette, positive und zuvorkommende Menschen und ich würde jederzeit wieder dorthin gehen, wenn man den Zulassungsfehler der Universität mal außer acht lässt, den sie hoffentlich nächstes Semester korrigieren.
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