Leitthema Gynäkologe DOI 10.1007/s00129-015-3707-y © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Redaktion: M. Ludwig, Hamburg T. Strowitzki, Heidelberg T. Rabe, Heidelberg Die im Titel gestellte Frage ist pragmatisch leicht zu beantworten: Eine Kontrazeption sollte beginnen, wenn sie notwendig ist und ausgesetzt werden, wenn sie nicht mehr notwendig ist. Der Beginn der Notwendigkeit einer Kontrazeption ist mit der Aufnahme des Geschlechtsverkehrs – bzw. einige Zeit davor – einfach zu definieren. Das „Ende“ der Fertilität ist unscharf und daher immer nur ein Schätzwert in Abhängigkeit von Nutzen und Risiko der gewählten Form der Kontrazeption. In dieser Arbeit wird nicht eingegangen auf andere Indikationen einer hormonellen Kontrazeption, wie z. B. Zyklusstörungen oder Androgenisierungserscheinungen – beides kann deutlich vor der Aufnahme des Geschlechtsverkehrs eine hormonelle, meist orale, kombinierte Kontrazeption rechtfertigen. Auch nicht Thema dieser Arbeit ist die nichthormonelle Kontrazeption, selbst wenn diese gerade am Ende der fertilen Lebensphase unkritisch eingesetzt werden kann. Hier liegt der Nutzen eindeutig höher als das Risiko, sodass die Abwägung einfacher ausfällt. Vielmehr sollen die Punkte diskutiert werden, die bei der Nutzen-Risiko-Abwägung der hormonellen Kontrazeption zu rein kontrazeptiven Zwecken eine Rolle spielen; . Abb. 1 zeigt in einer Übersicht die zu besprechenden Risikoaspekte. Für weiterführende Literatur sei auf entsprechende Publikationen verwiesen [1]. M. Ludwig amedes Facharzt-Zentrum für Kinderwunsch, Pränatale Medizin, Endokrinologie & Osteologie, Hamburg, Deutschland Kontrazeption – ab wann und wie lange? Kardiovaskuläre Risiken der hormonellen Kontrazeption Die Hauptrisiken einer hormonellen Kontrazeption liegen im Bereich kardiovaskulärer Probleme: Thrombose und Embolie, Myokardinfarkt sowie Schlaganfall. Wenn man zudem bedenkt, dass diesseits des 20. Lebensjahres ein Schlaganfall oder Myokardinfarkt mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 0,5 Fälle auf 100.000 Frauenjahre auftreten wird, tritt auch dies in dieser Altersgruppe bei einer ansonsten gesunden Anwenderin in den Hintergrund. Eine Thrombose bzw. Embolie ist im Alter unter 20 Jahren mit einer Frequenz von 1:50.000 bis 1:100.000 zu erwarten, wenn sonst keine Risikofaktoren vorliegen, d. h. wenn die Anwenderin nicht raucht, normalgewichtig ist und keine Thrombophilie bzw. eine positive Eigenoder Familienanamnese bezüglich einer Thrombose/Embolie aufweist [1]. Damit lässt sich der Schluss ziehen, dass bei einer ansonsten gesunden Anwenderin der Einsatz eines kombinierten oralen Kontrazeptivums in der Nutzen-Risiko-Abwägung gerechtfertigt ist, wenndas Risikofüreine Schwangerschaft besteht. Onkologische Risiken der hormonellen Kontrazeption Onkologische Risiken sind vernachlässigbar, wenn man weniger das relative als vielmehr das absolute Risiko betrachtet. Tatsächlich aber wird nach wie vor in der Literatur kontrovers zu den beiden Entitäten „Zervixkarzinom“ und „Mammakarzinom“ publiziert und diskutiert. Kombinierte Kontrazeptiva führen vermutlich zu einer leichteren Transmission und einer längeren Persistenz von HP(humane Papilloma)-Viren [2]. Das absolute kumulierte Risiko bis zum Alter von 50 Jahren liegt in einer der größten dazu publizierten Studien bei einer Steigerung von 3,8/1000 auf 4,5/1000 Frauen, was insofern überschaubar niedrig ist. Das relative Risiko lag bei 1,9 (95 % Konfidenzintervall 1,69–2,13) bei Anwendung kombinierter Kontrazeptiva für 5 oder mehr Jahre und fiel nach 10 Jahren wieder auf das Risiko einer Nichtanwenderin ab [3]. Das Risiko des Mammakarzinoms unter kombinierten Kontrazeptiva ist seit vielen Jahrzehnten Gegenstand der Diskussion. Eine aktuelle Metaanalyse von 15 Fall-Kontroll-Studien und 8 Kohortenstudien mit mehreren 100.000 Frauen, die zwischen 2000 und 2012 publiziert wurden, fand eine Erhöhung des Lebenszeitrisikos für eine Brustkrebserkrankung um weniger als 1 % bei Frauen, die jemals ein kombiniertes Kontrazeptivum eingenommen haben [4]. Eine bereits einige Jahre zuvor publizierte Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass die Mehrheit der Studien kein erhöhtes Risiko zeigt [5]. Dies wird bestätigt durch die 2013 veröffentlichten Langzeitdaten der Oxford Family Planning Association [6]. Es kristallisiert sich insofern zunehmend heraus, dass eher nicht von einem relevant erhöhten Risiko auszugehen ist. Gerade für jüngere Anwenderinnen, unter 20 Jahren, wurde immer wieder ein erhöhtes Risiko diskutiert, da das Mammagewebe noch nicht komplett ausdifferenziert ist. Während die Collaborative Group on Hormonal Factors in Der Gynäkologe Leitthema Mammakarzinom Zervixkarzinom A 1.0 Malignomrisiko kardiovaskuläre Risiken Schlaganfall Thrombose/ Embolie Abb. 1 8 Hauptrisiken einer hormonellen Kontrazeption. Dabei ist das Mammakarzinomrisiko in der Diskussion, vermutlich ist das Risiko gering, ggf. nicht erhöht. Das Zervixkarzinomrisiko ist signifikant, allerdings klinisch für die einzelne Patientin in Absolutzahlen wenig relevant. Für die kardiovaskulären Ereignisse gilt ein jeweils relatives Risiko von etwa 2. Breast Cancer in einer Metaanalyse von 54 Studien 1996 eine leichte Erhöhung des Risikos für diese Gruppe von Frauen fand [7], konnte dies in anderen großen Studien nicht bestätigt werden [8, 9]. Insbesondere scheint also, auch wenn einzelne Studien dagegen sprechen, eher kein besonders erhöhtes Risiko für jüngere Anwenderinnen zu bestehen. Unbestritten ist die »Senkung des Ovarial- und Endometriumkarzinomrisikos durch kombinierte Kontrazeptiva Eindeutiger und unbestrittener Vorteil kombinierter Kontrazeptiva in Hinblick auf onkologische Risiken ist die signifikante Senkung des Ovarialkarzinomund Endometriumkarzinomrisikos nach mehr als 5- bis 10-jähriger Anwendung für einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren oder länger nach dem Absetzen [4–6]. Auch das kolorektale Karzinom scheint signifikant seltener aufzutreten, wenn anamnestisch kombinierte Kontrazeptiva eingenommen wurden [5]. Hormonelle Kontrazeptiva und Knochengesundheit Eine wichtige Prophylaxe gegen eine spätere Osteoporose und vor allem ein höheres Frakturrisiko mit entsprechender Morbidität und Mortalität ist die Maximierung der Knochenspitzenmasse im Der Gynäkologe AMH (ng/mL) Myokardinfarkt AMH 95% CI 0.8 0.6 0.4 Menopaause 0.2 * 0.0 –9 –8 –7 –6 –5 –4 –3 –2 –1 0 Jahre bezogen auf Menopause jungen Erwachsenenalter. Der überwiegende Anteil, 99 %, der Knochenspitzenmasse wird in der Mitte der 3. Lebensdekade erreicht. Diese Knochenspitzenmasse wird durch genetische Faktoren, aber auch durch den Lebensstil (Ernährung etc.) beeinflusst. Grundsätzlich möchte man annehmen, dass kombinierte Kontrazeptiva über die enthaltenen Östrogene einen positiven Effekt auf die Knochendichte haben, da Östrogene bekannterweise die Osteoklastenaktivität hemmen und deren Apoptose fördern, die Osteoblastenaktivität wiederum stimulieren und deren Apoptose hemmen. Tatsächlich ist bekannt, dass im Erwachsenenalter, vor allem in der 5. Lebensdekade, kombinierte Kontrazeptiva zum Erhalt der Knochendichte und zur Senkung der Frakturwahrscheinlichkeit beitragen [10]. Im Erwachsenenalter tragen »kombinierte Kontrazeptiva zum Knochendichterhalt bei Im Rahmen der hormonellen Kontrazeption muss der Einfluss verschiedener Präparate auf die Erzielung der Knochenspitzenmasse bzw. den Erhalt der Knochendichte unterschieden werden. Bei oralen Gestagenmonopräparaten bzw. Präparaten wie Implanon , die nicht zu einer ovariellen Suppression führen, ist bis heute nicht von einem relevanten Verlust der Knochendichte auszugehen [11]. Gut un- ® Abb. 2 9 Verlauf des AMH am Ende der fertilen Lebensphase. Etwa 3–5 Jahre vor der Menopause ist das AMH nicht mehr nachweisbar und somit auch nicht zur Beurteilung der nachlassenden Fertilität nutzbar. (Adaptiert nach [25]) tersucht ist dies für das Präparat Implanon, weniger für die oralen Gestagenmonopräparate. Für letztere kann man dies aber analog annehmen. Für Präparate mit Depot-Medroxyprogesteronacetat(MPA; DepoClinovir , Sayana ) existieren zahlreiche Daten, die im Erwachsenenalter einen schnelleren Verlust der Knochendichte darlegen und weitere Daten, die im Verlauf des Lebens nach mehr als 4 --jähriger Anwendung ein erhöhtes Frakturrisiko vermuten lassen [12]. Anwenderinnen von DepotMPA haben eine niedrigere Knochendichte als Nichtanwenderinnen, der maximale Effekt wird nach etwa 3–5 Jahren erreicht und ist nach dem Absetzen reversibel. Da der negative Effekt von Depot-MPA durch eine gleichzeitige Östrogengabe aufgehoben wird, scheint es sich vor allem um einen Östrogenmangel zu handeln, der zu dem Verlust an Knochendichte führt [13]. Kritisch wird die Situation allerdings in der Perimenopause bzw. im perimenopausalen Übergang, wenn über die Menopause hinweg Depot-MPA gegeben wird und aufgrund des postmenopausalen Östradiolmangels der Knochendichteverlust aufrechterhalten bleibt, ein Wiederaufbau des Knochens also nicht möglich ist. Dies äußert sich auch darin, dass gerade bei Anwendung von Depot-MPA in der 5. Lebensdekade das Frakturrisiko langfristig und signifikant erhöht ist [12, 14–17]. Norethisteronenantat (Noristerat ) führt vermutlich nicht zu einem Ver- ® ® ® Zusammenfassung · Abstract lust von Knochendichte und zu einem erhöhten Frakturrisiko, da es zu einer endogenen Metabolisierung zu Ethinylöstradiol und damit zu einem positiven Effekt auf die Knochendichte kommt. Daten zur Knochenprotektion durch dieses Präparat im Sinne umfangreicher epidemiologischer Studien sind jedoch nicht vorhanden. Kombinierte Kontrazeptiva führen zu einem Abfall des endogenen Östradiols durch die ovarielle Suppression. Andererseits wird Ethinylöstradiol zugeführt, das am Östradiolrezeptor in Geweben mit hoher metabolische Aktivität wirkt. Die aktuellste Metaanalyse derjenigen Studien, die sich mit der Knochendichte unter kombinierten Kontrazeptiva befasst, hat neben Studien mit einem positiven Effekt auf solche ohne Effekt und mit negativem Effekt identifiziert [10]. Die Mehrheit der Studien kommt allerdings zu dem Schluss, dass die Knochenspitzenmasse unter Einnahme kombinierter Kontrazeptiva während der Adoleszenz später geringer ist im Vergleich zu denjenigen Frauen, die keine kombinierten Kontrazeptiva während der Adoleszenz eingenommen haben. Bezüglich der späteren Frakturrate scheint es irrelevant zu sein, ob 20 oder 30 μg genommen wurden. Weder die eine noch die andere Dosierung hat nach zwei vorliegenden Studien Einfluss auf die spätere Frakturrate im Verlauf des Lebens [14, 18]. Insofern ist die geringere Knochenspitzenmasse, die unter Einnahme kombinierter Kontrazeptiva in der Adoleszenz dann in der 3. Lebensdekade erreicht wird, ein allenfalls auffälliger Messwert, aber eher nicht klinisch relevant. Der Effekt mag dadurch zustande kommen, dass eben das endogene Östradiol supprimiert wird in seiner Produktion und „nur“ Ethinylöstradiol zur Verfügung steht. Je höher das Ethinylöstradiol dosiert ist, desto stärker fällt die ovarielle Suppression aus. Inwieweit ein kürzeres einnahmefreies Intervall (4 statt 7 Tage) bzw. ein Langzyklus einen negativen Effekt auf den Knochen haben könnten ist bis heute ungeklärt bzw. nicht Gegenstand von Studien gewesen. Die Auffassung, dass eine stärkere ovarielle Suppression einen negativen Ef- Gynäkologe DOI 10.1007/s00129-015-3707-y © Springer-Verlag Berlin Heidelberg M. Ludwig Kontrazeption – ab wann und wie lange? Zusammenfassung Beginn und Ende einer Kontrazeption hängen von der sexuellen Aktivität der Frau ab. Mit zunehmendem Alter verändert sich die Wahrscheinlichkeit von Risikofaktoren, die v. a. das kardiovaskuläre Risiko beeinflussen werden. Die Knochengesundheit wird bei Betrachtung kombinierter Kontrazeptiva und unter Berücksichtigung des klinischen Endpunktes „Frakturrisiko“ weder bei jüngeren noch bei älteren Frauen negativ beeinflusst. Bei Frauen jenseits des 30. Geburtstags haben kombinierte Kontrazeptiva tatsächlich wahrscheinlich eher Vorteile bezüglich der Frakturrate. Onkologische Risiken sind eher nicht altersabhängig. Alternativen zu kombinierten Kontrazeptiva sind die hormonellen Intrauterinsysteme, die in diesem Beitrag bezüglich ihrer Bedeutung v. a. für das Ende der reproduktiven Lebensphase diskutiert werden. Ein weiterer Aspekt ist der Einsatz von kombinierten Hormonpräparaten mit Gestagenen in Ovulationshemmdosis im Vergleich zu den östradiol(valerat)-haltigen kombinierten Kontrazeptiva in der 5. und 6. Lebensdekade. Schlüsselwörter Kardiovaskuläre Gesundheit · Knochengesundheit · Mammakarzinom · Zervixkarzinom · Levonorgestrel-Intrauterinsysteme Contraception – when to start and how long to use? Abstract The start and end of contraception depend on the sexual activity of a woman. With increasing age, the probability of risk factors grows, which may have an impact on cardiovascular health and risk. The risk of fractures in later life is not increased in younger or older users of combined oral contraceptives. Women over 30 years of age will have more benefits in bone health and a reduced fracture risk in later life. Oncological risks do not seem be dependent on age. Alternatives to combined oral contraceptives are hormonal intrauterine fekt haben könnte, wird durch eine Arbeit aus dem Jahr 2011 unterstützt [19]. In dieser Studie war im Alter von 14–18 Jahren über 24 Monate der Zugewinn an Knochendichte in einer prospektiven Kohortenstudie mit 606 Frauen unter 30–35 μg Ethinylöstradiol signifikant niedriger als bei denjenigen ohne Einnahme kombinierte Kontrazeptiva. Es ergab sich kein signifikanter Nachteil für Frauen, die Präparate mit 30 μg Ethinylöstradiol eingenommen hatten. Auch wenn keinerlei Daten dazu vorliegen besteht auch kein Verdacht darauf, dass ein kürzeres einnahmefreies Intervall bzw. ein Langzyklus sich anders auf die Knochengesundheit auswirken sollten. systems, which are discussed in this article with regard to their use in later reproductive life. Another aspect that is considered is the use of hormonal preparations with progestins in ovulation-inhibiting doses or combined oral contraceptives with estradiol or estradiol valerate. Keywords Cardiovascular health · Bone health · Breast cancer · Cervical cancer · Levonorgestrel intrauterine system D Neben dem Einfluss der Ethinylöstradiol-Dosis könnte auch das Gestagen einen unterschiedlichen Einfluss entwickeln. So wären Studien zu erklären, bei denen unter Desogestrel-haltigen Präparaten der Zugewinn an Knochendichte signifikant geringer war im Vergleich zu Nichtanwenderinnen [20], während unter einem Levonorgestrel-haltigen Präparat kein Unterschied zu beobachten war [21]. Eindeutig ist das Ergebnis, dass bei Frauen ab dem Alter von 40 das Frakturrisiko unter Anwendung kombinierter Kontrazeptiva signifikant gesenkt wird [22]. Der Gynäkologe Leitthema 12% 11,36% Schwangerschaftschance (%) 10% 8,08% 8% 6% 5,26% 4% 3,77% 2,95% 2,13% 2% 1,62% 1,19% 0,96% 0,78% 0,54%0,36% 0% 45 45,5 46 46,5 47 47,5 48 48,5 49 49,5 50 50,5 51 Alter (Jahre) Längenwachstum unter Anwendung kombinierter Kontrazeptiva Sind Adoleszentinnen, die kombinierte Kontrazeptiva anwenden, später kleiner, d. h. wird das Längenwachstum signifikant gehemmt? Diese Frage ist bislang nicht Gegenstand von Studien gewesen. In der pädiatrischen Endokrinologie wurden allerdings früher Dosierungen von mehreren 100 μg Ethinylöstradiol täglich eingesetzt, um eine Hochwuchsbehandlung durchzuführen. Damit ergab sich eine mittlere Längenreduktion von etwa 6 cm. Insofern ist es, wenn man die deutlich niedrigeren Dosen in kombinierten Kontrazeptiva bedenkt, eher unwahrscheinlich, dass durch die Einnahme kombinierter Kontrazeptiva eine relevante Reduktion der erwarteten Zielgröße eintreten wird. Valide Studiendaten dazu gibt es, wie erwähnt, allerdings nicht. Der Gynäkologe Wenn kombinierte Kontrazeptiva – eher 20 µg oder 30 µg Ethinylöstradiol? Eher Östradiol oder Ethinylöstradiol? 30-μg-Präparate sind insofern vorteilhaft, als sie eine höhere Zyklusstabilität als Präparate mit 20 μg oder orale Gestagen-Mono-Präparate gewährleisten [23]. Da Zyklusstörungen, insbesondere Zwischenblutungen, zu einer mangelhaften Compliance bezüglich der Anwendung oraler Kontrazeptiva führen können, sollte ein Präparat mit hoher Zyklusstabilität ausgewählt werden. Ob Östradiol oder Östradiolvalerat für die Erreichung der Knochenspitzenmasse Vorteile bieten ist bislang nicht in Studien untersucht worden. Wann endet die fertile Lebensphase? Solange eine Frau menstruiertistauchdavon auszugehen, dass noch eine ovarielle Aktivität und somit auch potenziell ovulatorische Zyklen bestehen. Erst die pe- 0,24% 0,12% 0,00% 51,5 52 Abb. 3 9 Geschätzte (!) Konzeptionswahrscheinlichkeit pro Zyklus (schwarz) bzw. pro Jahr (blau) bei Frauen jenseits des 45. Geburtstages. Es wird bei der Schätzung davon ausgegangen, dass mit 52 Jahren das mittlere Menopausenalter erreicht ist und damit die Chance auf eine Konzeption bei 0 liegt. Ferner wird angenommen, dass die Konzeptionschancen nicht linear, sondern eher asymptotisch gegen 0 verlaufen. Insofern können bei anderer Betrachtung die geschätzten Konzeptionswahrscheinlichkeiten anders liegen. Werden bereits bestehende Zyklusstörungen mit einbezogen (perimenopausal bedingte Amenorrhö bei z. B. einer 48-jährigen Frau), dann wird sich die Konzeptionschance zu der einer deutlich älteren Frau verschieben (50–52 Jahre). (Adaptiert nach [27]) ri- und dann postmenopausale Amenorrhö bestätigen das komplette Erlöschen der Ovarreserve. Da der Zeitpunkt der letzten Menstruation – die Menopause – naturgemäß nur retrospektiv nach 1 Jahr Amenorrhö definiert werden kann, ist es schwierig, prospektiv die reduzierte Fertilität einzuschätzen. Hormonelle Parameter wie die frühfollikuläre Konstellation von Östradiol und FSH oder die Beurteilung von AntiMüller-Hormon (AMH) geben uns nur eine Momentaufnahme bzw. sind im späten perimenopausalen Übergang gar nicht einsetzbar. Östradiol und FSH können von Zyklus zu Zyklus schwanken, auch bei noch regelmäßigen Zyklen kann das FSH zum Zyklusanfang regelmäßig > 10 U/l oder auch höher liegen – aufgrund der obigen Ausführungen ist dann trotzdem mit einer vorhandenen RestFertilität zu rechnen. AMH wiederum ist etwa 5–6 Jahre vor der Menopause nicht mehr messbar (. Abb. 2, [24, 25]). D. h. es ergibt sich ein „blindes Fenster“ für die AMH-Messung, in dem die Fer- Tab. 1 Präparate für die kontinuierlich, kombinierte Hormontherapie in der Peri- und Postmenopause, deren Gestagen die Ovulationshemmdosis erreicht bzw. überschreitet. Eine Zulassung dieser Präparate für die Kontrazeption besteht nicht Östradiol/ Östradiolvalerat Norethisteronacetat 0,5 mg 0,7 mg 1 mg 2 mg Activelle® Cliovelle® – – Ovulationshemmdosis – 0,5 mg tilität anhand dieses Parameters nicht eingeschätzt werden kann. Allein das Alter könnte helfen, die Fertilität zumindest ansatzweise zu beurteilen. Daten aus Spontanzyklen gibt es dazu nicht. Man ist angewiesen auf Schätzungen aus IVF-Zyklen bei über 45jährigen Patientinnen. Diese ergeben – unabhängig von der analysierten Population – eine Schwangerschaftsrate von < 1 %. Vorsichtigerweise kann angenommen werden, dass die Fertilität in diesen IVF-Kollektiven eingeschränkter ist als es rein altersbedingt angenommen werden muss. Mit einer Schwangerschaftsrate < 3 % wird man möglicherweise einen realistischeren Wert erreichen. Weitere Daten zu der Einschätzung der Fertilität sind in . Abb. 3 graphisch aufgetragen. Explizit sei darauf hingewiesen, dass es sich um geschätzte Chancen handelt – epidemiologische Studien zu der Fragestellung liegen nicht vor. Bewährt hat sich als Endpunkt der Kontrazeption das mittlere Menopausenalter, 52 Jahre. Damit ist – s. auch . Abb. 3 – die Fertilität weitestgehend erloschen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass selbst bei Eintreten einer Schwangerschaft im Alter von 45 Jahren oder älter, die Chance auf eine Lebendgeburt aufgrund genetischer Faktoren und der dadurch bedingten hohen Abortrate bei < 10 % liegt. Kann jede Frau bis zum 52. Geburtstag eine hormonelle Kontrazeption nutzen? Auf die grundsätzlichen kardiovaskulären Risiken wurde bereits eingegangen. Diese kardiovaskulären Risiken steigen altersabhängig an. Insofern muss man – Merigest® – 1 mg Mericomb® 1 mg Novofem® Clionara® Kliogest N® Mericomb® 2 mg – Dienogest 2 mg Drospirenon 3 mg Tibolon 2,5 mg Lafamme® 1/2 mg Angeliq® – Climodien® Lafamme®2/2 mg – – – 1 mg – 2 mg Liviella® 2,5 mg zunehmend vorsichtiger alle zusätzlichen Risikofaktoren abwägen. Diese sind insbesondere 4 Rauchen, 4 erhöhter BMI, 4 Dyslipidämie, 4 arterieller Hypertonus sowie 4 schlecht eingestellter Diabetes mellitus, v. a. bei Bestehen von Mikround/oder Makroangiopathien. Die Anwenderin sollte also regelmäßig, ggf. auch einmal im Quartal, bezüglich dieser Risikofaktoren untersucht bzw. befragt werden, wenn sie sich dem Ende der 5. Lebensdekade nähert und noch ein kombiniertes Kontrazeptivum einnimmt. Vorzugsweise sollten aufgrund des altersabhängig steigenden kardiovaskulären Risikos kombinierte Kontrazeptiva mit niedrigerer Ethinylöstradioldosis verschrieben werden (maximal 30 μg). Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob auch mit 20 μg Ethinylöstradiol trotz perimenopausaler Schwankungen der Ovaraktivität ein stabiler Zyklus erreicht werden kann. Aufgrund ihrer negativen Auswirkung auf die Knochengesundheit sollten Depot-MPA-Präparate perimenopausal nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn andere kontrazeptive Möglichkeiten – hormonell und nichthormonell – aufgrund ihrer Nebenwirkungen oder Nachteile nicht infrage kommen. Insbesondere bei der langjährigen Anwendung von kombinierten oralen Kontrazeptiva ist das Risiko kardiovaskulärer Komplikationen (wie Thrombose/Embolie) deutlich geringer als bei der Anwendung innerhalb der ersten 6 Monate. Daher ist das Risiko bei Langzeitanwendung geringer zu bewerten als bei Neubeginn einer hormonellen Kontrazeption in der 5. Lebensdekade. D Allein das Alter ist also kein Grund, von einem kombinierten Kontrazeptivum Abstand zu nehmen, das eine Anwenderin schon mehrere Jahre nimmt. Neben den genannten kardiovaskulären Risikofaktoren, die v. a. durch den Lebensstil beeinflusst werden, muss man bezüglich der Risikobewertung auch berücksichtigen, ob die individuelle Anwenderin bereits Kinder geboren hat. Die vorangehenden Schwangerschaften und v. a. die ersten postpartalen Wochen bergen das höchste Lebenszeitrisiko für Thrombosen- und Embolien im Leben einer Frau [27]. Das niedrigste systemische Risiko einer hormonellen Kontrazeption bergen Mirena und Jaydess bei gleichzeitig optimalem kontrazeptivem Schutz. Im perimenopausalen Übergang wird man wegen der längeren Liegedauer meist Mirena den Vorzug geben. Vorteilhaft bei Anwendung von Levonorgestrel-Intrauterinsystemen ist, dass das Endometrium gut transformiert wird und damit Blutungsstörungen vorgebeugt ist. Follikelpersistenzen, beispielsweise, können trotzdem auftreten, da die Mirena keine ovarsuppressive Aktivität aufweist. Beim Auftreten perimenopausaler Beschwerden durch den zunehmenden altersbedingten Östrogenmangel hat man unter der liegenden Mirena die Möglichkeit einer systemischen Östrogenisierung. Grundsätzlich ist es auch möglich über den Einsatz kombiniert kontinuierlicher Hormonpräparate nachzudenken, ® ® ® ® ® Der Gynäkologe Leitthema wie sie üblicherweise für die peri- und postmenopausale Hormontherapie eingesetzt werden. Dabei könnte man solche wählen, die ein Gestagen in Ovulationshemmdosis enthalten und insofern – off label – einen kontrazeptiven Effekt entfalten (. Tab. 1). Allerdings ist der kontrazeptive Effekt geringer als derjenige kombinierter Präparate mit Ethinylöstradiol, da der suppressive Effekt des Ethinylöstradiols entfällt und 1–2 mg Östradiol(valerat) in aller Regel der Fälle nicht zu einer relevanten ovariellen Suppression führen. Insofern muss man beobachten, inwiefern der Zyklus der perimenopausalen Frau unter diesen Präparaten, auch wenn man sie zyklisch nimmt (Rhythmus 24-4 oder 28-4), stabil bleibt oder durch die endogene Restaktivität, die eben nicht unterdrückt wird, zu Zwischenblutungen führt. Stabilere Effekte als die kombinierten Hormonpräparate, die für die Hormonsubstitution entwickelt wurden, dürften die modernen kombinierten Präparate Qlaira und Zoely haben, die ebenfalls Östradiol bzw. Östradiolvalerat enthalten, insofern als kombinierte Hormontherapie eingesetzt werden könnten, einen nachgewiesenen kontrazeptiven Effekt haben und – v. a. gilt dies für Zoely durch die enthaltenen 2,5 mg Nomegestrolacetat – die endogene ovarielle Aktivität signifikant supprimieren. Vergleichsstudien dazu, wie stabil Zyklen perimenopausaler Frauen unter Qlaira gegenüber Zoely oder anderen Präparaten sind, existieren nicht. Nachteilig für die Anwenderin wäre, dass sie ein GKV-Rezept für ein kombiniertes Hormonpräparat erhält, ein kombiniertes Kontrazeptivum wie Qlaira oder Zoely allerdings selbst bezahlen müsste. Das Hormonpräparat Naemis , das ebenfalls 1,5 mg Östradiol und – in 14 Tabletten – 3,75 mg Nomegestrolacetat enthält, hat keinen kontrazeptiven Effekt, da es sich um ein Zweiphasenpräparat handelt, in dem über 10 Tage hinweg kein Gestagen enthalten ist. ® 4 4 4 4 4 4 ® ® ® ® ® ® 4 definiert; der Endpunkt ist individueller zu bewerten. Bei der jüngeren Anwenderin ist v. a. das Thrombose-Embolie-Risiko zu bedenken. Das Zervixkarzinom steigt signifikant, aber absolut gesehen gering an. Das Thema Mammakarzinom ist bislang nicht abschließend geklärt, scheint aber bei jüngeren und älteren Anwenderinnen nicht unterschiedlich bewertet werden zu müssen. Bei Anwendung kombinierter Präparate in der Adoleszenz ist mit einer geringeren Knochenspitzenmasse zu rechnen, das Frakturrisiko ist aber lebenslang nicht davon beeinflusst. Die Knochengesundheit leidet unter einer langjährigen Anwendung von Depot-MPA-Präparaten –umso mehr, je älter eine Anwenderin ist. Ein möglicher Orientierungspunkt für die Beendigung einer Kontrazeption ist der 52. Geburtstag, das mittlere Menopausenalter. Er ist primär abhängig von der Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft trotz der grundsätzlich niedrigen Konzeptionschance in der 5. Lebensdekade (. Abb. 3). Hormonelle Parameter für die genauere Beurteilung des Zeitpunktes gibt es nicht. Je älter eine Anwenderin wird, desto mehr steigen das kardiovaskuläre Risiko und Wahrscheinlichkeit für Begleiterkrankungen, die das Risiko beeinflussen. Bei einer ansonsten gesunden Anwenderin gibt es aber keinen Grund eine seit mehreren Jahren eingenommene kombinierte orale Kontrazeption frühzeitig zu beenden. ® Fazit für die Praxis 4 Der „Startpunkt“ einer (hormonel- len) Kontrazeption wird durch die Aufnahme des Geschlechtsverkehrs Der Gynäkologe Korrespondenzadresse Prof. Dr. M. Ludwig amedes Facharzt-Zentrum für Kinderwunsch, Pränatale Medizin, Endokrinologie & Osteologie Mönckebergstr. 10, 20095 Hamburg, Deutschland [email protected] Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. M. Ludwig gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Literatur 1. Ludwig M (2015) Hormonelle Kontrazeption – Ein Handbuch für die Praxis, 2. Aufl. optimist Fachbuchverlag, Hamburg 2. Ludwig M, Böhmer G, Heizmann W (2012) Auswirkung hormoneller Kontrazeptiva an Vagina und Cervix uteri. Frauenarzt 53:638–642 3. 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