Interview - Brustkrebszentrale.de

Gemeinsam gesund werden
INTERVIEW MIT ANNETTE REXRODT VON FIRCKS
Laut Robert Koch Institut gibt es jährlich 250.000 neu betroffene Kinder mit einem an Krebs erkrankten
Elternteil. Ohne Interventionen entwickelt die Hälfte dieser Kinder Verhaltensauffälligkeiten. Ein Drittel von
ihnen ist sogar dringend behandlungsbedürftig. Hier greifen Projekte wie die Rehabilitationsmaßnahme
"gemeinsam gesund werden" für an Brustkrebs erkrankte Mütter und ihre Kinder den Betroffenen unter die
Arme. Das Projekt wurde 2006 von der Rexrodt von Fircks Stiftung ins Leben gerufen. Annette Rexrodt von
Fircks spricht über die Besonderheiten ihres Rehaprojekts und wie sie die Frauen und Kinder vor Ort erlebt.
Warum haben Sie das Projekt „gemeinsam gesund werden“ ins Leben gerufen?
Mich traf die Diagnose Brustkrebs selbst vor 17 Jahren zu einem Zeitpunkt, als die Erkrankung schon recht
weit fortgeschritten war - meine Überlebenschance lag bei 15 Prozent. Noch viel schlimmer für mich: Mittendrin standen meine drei kleinen Kinder - damals drei, fünf und sieben Jahre alt. Meine Angst war, dass
sie zu viel von meiner Krankheit mitbekommen und ich stellte mir die Frage: Was sage ich ihnen und vor
allem wie viel kann ich ihnen zumuten, ohne sie ihrer Kindheit zu berauben? Es gab überhaupt keine Hilfe,
es gab keine Beratung, es gab keine psychologische Stärkung in der Mutterrolle und keine Stärkung für die
Kinder – ich war damals völlig allein in dieser Situation. Das war der Anstoß für mich, selbst aktiv zu werden. 2005 gründete ich die Rexrodt von Fircks Stiftung und ein Jahr später startete in der Klinik Ostseedeich
in Grömitz das Rehabilitationsprojekt "gemeinsam gesund werden".
Was ist das Ziel der Rehamaßnahme?
Im Projekt nehmen Mütter mit Brustkrebs und ihre Kinder teil. Das Ziel ist, sie zunächst an Körper, Geist
und Seele zu stärken. Das bedeutet konkret: Die Mütter erhalten das klassische Behandlungsprogramm, wie
es auch in anderen Reha-Einrichtungen üblich ist. Das Besondere ist aber, dass die Mütter auch in der Mutterrolle gestärkt werden und die Kinder nicht — wie üblich — Begleitkinder sind, sondern ebenso Patienten und Teil dieser Rehamaßnahme, obwohl sie selbst nicht erkrankt sind. Sie genießen ein umfassendes
Programm, um wieder stark zu werden und sich geborgen zu fühlen. Sie erlernen Techniken, die ihnen ihre
Unsicherheit in Bezug auf die Krankheit nehmen und so den Schmerz und die Traurigkeit mindern.
Warum ist eine gemeinsame Reha für Mutter und Kind so bedeutend?
Die Mütter sind durch die Therapie körperlich geschwächt, ihre Seele ist durch die Bedrohlichkeit der Diagnose erschüttert. Außerdem fühlen sie sich in ihrer Mutterrolle nicht mehr sicher — was habe ich richtig gemacht, habe ich mit meinen Kinder zu viel über die Krankheit gesprochen oder gar zu wenig? Zudem zeigen
die Kinder erkrankter Mütter häufig Auffälligkeiten: Sie nässen ein, verfallen wieder in die Babysprache;
ältere Kinder ziehen sich völlig zurück und gestehen sich nicht mehr zu, Freude zu empfinden. Dann tut eine
Reha einfach gut, um mit der ganzen Familie wieder gestärkt in den Alltag —mag es auch ein völlig neuer
sein — hineinzufinden.
www.brustkrebszentrale.de
Roche Pharma AG
Emil-Barell-Straße 1
D-79639 Grenzach-Wyhlen
Telefon +49 (0)7624 14-0
Telefax +49 (0)7624 1019
Sitz der Gesellschaft:
Grenzach-Wyhlen
Registergericht:
Freiburg HRB 410096
Aufsichtsratsvorsitzender:
Dr. Severin Schwan
Vorstand:
Dr. Hagen Pfundner
Gibt es bestimmte Aufnahmekriterien?
Ja, wir haben ein paar Bestimmungen: Wir dürfen nur Mütter nach einer Ersterkrankung aufnehmen und
zwar innerhalb eines halben Jahres nach Abschluss der akuten Therapie unter Ausschluss von Fernmetastasen. Das Projekt wird immer noch beforscht und evaluiert. Im Moment werden die Forschungen gänzlich
vom Brustzentrum Lübeck und von der Uni Lübeck aus koordiniert. Das Projekt bietet hinsichtlich der Homogenität der Gruppe optimale Voraussetzungen für Forschungsarbeiten für die Verbesserung in der Brustkrebsnachsorge. Die Forschung umfasst auch weitere Bereiche der Krebserkrankung, wie z.B. Besonderheiten der
Erkrankung junger Frauen, genetische Belastung und Auswirkungen auf die Lebensqualität. Liegt die Therapie der Frauen zu weit zurück, kann man nicht mehr korrekt evaluieren – die Effektivität der Behandlung
beim Kind kann zum Beispiel nicht mehr gut beurteilt werden. Deswegen gibt es da sehr genaue Kriterien.
Wie läuft die Reha ab?
In der Klinik steht für die Teilnehmer ein interdisziplinäres Team zur Verfügung – Internisten, Gynäkologen, Psychoonkologen, Physiotherapeuten, Sportmediziner, Ernährungsexperten, Sozialpädagogen, Erzieher
und Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Die Gynäkologen kommen aus dem Brustzentrum Lübeck. Die
Mütter sind mit ihren Kinder drei Wochen vor Ort - das Behandlungsprogramm wird jeweils individuell mit
den Ärzten und Psychologen abgestimmt. Die Patienten können auch Wünsche äußern und selbst festlegen,
wo sie den Schwerpunkt setzen möchten. Sie können sich primär für eine psychologische oder eine körperliche Stärkung entscheiden oder beides miteinander kombinieren. Natürlich ist das Konzept für die Brustkrebserkrankung maßgeschneidert – Ärzte vom Brustzentrum Lübeck halten Vorträge und betreuen die
Patientinnen. Die Frauen werden hier auf ihre Rückkehr in den Alltag vorbereitet, für die Ängste und Sorgen
ihrer Kinder sensibilisiert und in ihrer Mutterrolle unterstützt.
Welche Angebote gibt es für die Kinder?
Es werden drei- bis zwölfjährige jährige Kinder in das Behandlungsprogramm aufgenommen, wobei es hier
auch individuelle Ausnahmen gibt, d.h. jüngere und ältere Kinder mitkommen können. Sie werden altersgerecht in kleinen Gruppen psychisch gestärkt und es wird eine heilsame Sprache in der gesamten Familie
gefördert. Für Schulkinder steht eine Hausaufgabenbetreuung durch Lehrkräfte zur Verfügung, um die Versäumnisse in der Schule zu minimieren. Außerdem gibt es Kurse zum Erlernen von Entspannungstechniken,
zahlreiche Sportaktivitäten, Gesprächsgruppen, Lesestunden und vieles mehr.
Wie sind die Väter in das Projekt eingebunden?
Einige Elternpaare teilen sich die Kinder. Die Mutter nimmt dann beispielsweise mit zwei Kindern an der
Reha „gemeinsam gesund werden“ teil, während der Vater mit dem dritten Kind eine Vater-Kind-Kur macht.
Häufig erkennen auch Krankenkassen die enormen Belastungen der Männer an und genehmigen eine Kur.
Falls nicht, besteht die Möglichkeit, als Selbstzahler vor Ort zu sein und den Tagessatz selbst zu tragen. Er
beinhaltet Übernachtung, Vollpension, Kurtaxe und die Nutzung des Schwimmbades und der Sauna. Es gibt
außerdem eine reine Männergesprächsgruppe, die von einer Psychologin geleitet wird. Viele Männer plagen
große Probleme und Ängste. Hier merken sie erstmals: "Ich bin ja gar nicht allein." Sie können sich austauschen und werden beraten.
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Motiviert Frauen die Möglichkeit einer gemeinsamen Reha mit Kind überhaupt erst, dieses Angebot
wahrzunehmen? Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen?
Ich bin alle drei Wochen persönlich vor Ort, denn ich möchte nicht nur Evaluationsdaten sammeln, sondern
auch authentische Eindrücke erleben. Ich selbst begrüße und verabschiede jede Gruppe. Außerdem halte ich
zwei Vorträge. Bei den Begrüßungen erlebe ich unsichere, geschwächte Frauen, die voller Angst sind. Wenn
ich zum Abschlussvortrag in den Speisesaal komme, höre ich Lachen, lebhafte Stimmen, Freude, Ausgelassenheit, Mut und Kraft – ich bekomme so viel positive Resonanz und merke, wie wichtig dieses Projekt ist.
Die Frauen und Kinder werden durch das Miteinander und durch das Gefühl "Ich bin nicht allein" gestärkt.
Abgesehen davon haben wir über die Jahre hinweg so gute Evaluationsdaten gesammelt, dass das Projekt
2012 in die Regelversorgung der Krankenkassen ausschließlich für die Klinik Ostseedeich übernommen
wurde.
Weitere Informationen zum Projekt "gemeinsam gesund werden" erhalten Sie hier.
Zur Person
Annette Rexrodt von Fircks war 35 und Mutter von drei kleinen Kindern, als sie mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert wurde. Heute ist sie gesund und lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Düsseldorf. Sie ist
Bestsellerautorin und hat 2005 die „Rexrodt von Fircks Stiftung für krebskranke Mütter und ihre Kinder“
gegründet. 2006 wählte die „Bild der Frau“ sie für ihr Engagement zur „Frau des Jahres“.
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